Protocol of the Session on May 28, 2009

[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Danke schön! – Der Kollege Liebich hat eine Nachfrage. – Bitte schön!

Herr Senator! Überrascht es Sie angesichts der zügigen Zusagen, die wahlkämpfende Politikerinnen und Politiker auf der Bundesebene bezogen auf Opel gegeben haben, dass nun auch weitere Unternehmen auf die Idee kommen, dass der Staat ihre gegebenenfalls selbst erzeugten Probleme lösen kann?

Bitte, Herr Senator Wolf!

Herr Liebich! Es ist sicher nicht verwunderlich, dass die diversen aufgespannten Rettungsschirme auch gewisse Begehrlichkeiten wecken. Deshalb finde ich, dass mit diesen Rettungsschirmen sehr verantwortlich umgegangen werden muss und sie nicht dazu führen dürfen, dass Probleme vom Staat gelöst werden, die an anderer Stelle gelöst werden können und müssen, nämlich von den privatwirtschaftlichen Akteuren. Diese müssten ihren Beitrag zur Sicherung von Arbeitsplätzen leisten, bevor der Staat in die Verantwortung genommen wird. An diesen Grundsatz sollten wir uns halten. Wir sollten vor allen Dingen diejenigen daran erinnern, die über Jahre hinweg den Rückzug

des Staates aus der Wirtschaft gepredigt haben, aber im Moment gar nicht schnell genug an die Staatsknete herankommen können.

[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Danke schön, Herr Senator! – Jetzt gibt es eine Nachfrage des Kollegen Buchholz. – Bitte schön!

Herr Senator Wolf! Angesichts der wichtigen Ankerfunktion – nicht nur für die Mitarbeiter, sondern auch für die jeweiligen Einkaufskieze –, die die Karstadt-Häuser in Berlin haben, frage ich: Halten Sie es für möglich, dass das Land Berlin, der Senat noch einmal beim KarstadtVorstand vorstellig wird, um die Probleme, die durch die ausgelagerten Immobilien und völlig überhöhte Mieten entstanden sind, zu lösen und eventuell neue Konstruktionen zu ermöglichen, die ein Weiterbestehen der KarstadtHäuser in Berlin möglich machen?

Bitte, Herr Senator Wolf!

Herr Buchholz! Wir sind gegenwärtig sowohl mit Karstadt auf der Berliner Ebene als auch mit den Gewerkschaften im Gespräch. Ich denke aber, dass es notwendig ist, jetzt erst einmal die Entwicklung auf der Bundesebene abzuwarten, da davon entscheidende Weichenstellungen abhängen.

Hier muss es – abhängig davon, in welches Szenario wir hineinlaufen – darum gehen, eine vernünftige Lösung für Berlin zu finden. Die Berliner Kaufhäuser stehen grundsätzlich nicht schlecht da. Sie sind in guten Lagen. Deshalb haben wir seitens der Stadt auch aus stadtstrukturellen Gründen ein großes Interesse am Erhalt dieser Häuser und der über 4 000 Arbeitsplätze. Dazu sind wir im Gespräch. Aber im Moment kann man nichts sagen, weil zum weiteren Verlauf zunächst eine Grundsatzentscheidung auf der Bundesebene getroffen werden muss.

Danke schön, Herr Senator Wolf!

Ich möchte in Richtung der Pressetribüne noch einmal darauf aufmerksam machen, dass es nicht gestattet ist, senkrecht von der Tribüne herunter die Unterlagen der Abgeordneten zu fotografieren. Das ist keine Berichterstattung, sondern Ausforschung. Wir werden es zu verhindern wissen, dass dagegen verstoßen wird.

Bürgermeister Harald Wolf

Jetzt geht es mit einer Frage des Kollegen Lux von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen weiter, und zwar zu dem Thema

„Die Geschichte von Kurras und Co.?“ – Tätigkeiten des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR (MfS) bei den Westberliner Sicherheitsorganen?

Bitte schön, Herr Lux!

Danke schön, Herr Präsident! – Die Zeit ist ein guter Arzt, aber ein schlechter Kosmetiker. Deswegen frage ich den Senat:

1. Wie begegnet der Senat den Defiziten bei der Aufarbeitung von Tätigkeiten des MfS im ehemaligen Westberlin?

2. Wie wird der Senat eine wissenschaftliche und systematische Aufarbeitung der MfS-Aktivitäten insbesondere bei den Sicherheitsorganen des ehemaligen Westberlins gewährleisten?

Danke schön! – Bitte schön, Herr Dr. Körting!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Lux! Bei der Bewertung, was in Sachen MfS – Ministerium für Staatssicherheit – der ehemaligen DDR in Bezug auf das damalige Westberlin geschehen ist, muss man zwei Dinge unterscheiden: Einerseits muss man sehen, dass sich über das Stasi-Unterlagengesetz – ein Antrag, der übrigens von CDU, SPD und FDP gemeinsam im Bundestag eingebracht wurde, es gab auch einen Gesetzesantrag der Grünen, der sich in dieser einen Frage nicht zentral von dem anderen Antrag unterschieden hat – die Möglichkeit ergeben hat, im Einzelfall Anfragen zur Zugehörigkeit zum MfS zu stellen.

Berlin hat damals – ich kann das nur aus zweiter Hand referieren, da ich nicht dabei war – in erheblichem Umfang von der Möglichkeit, derartige Anträge zu stellen, Gebrauch gemacht, und zwar nicht nur, was die Ostbediensteten betrifft, sondern auch die Westbediensteten. Am 1. Dezember 1992 hat der Berliner Senat beschlossen, für die Mitarbeiter, die im Westteil der Stadt gelebt haben, Anträge zu stellen, sofern sie Senats- und Bezirksamtsmitglieder, Staatssekretäre, Beschäftigte in besonders sicherheitsempfindlichen Bereichen, Dienststellenleiter und Leiter von Personalabteilungen sowie deren Vertreter waren. Dazu gab es 1992 und 1993 Anfragen. Diese Überprüfungen betrafen auch Sicherheitsorgane, sämtliche Mitarbeiter des Verfassungsschutzes – sie werden übrigens heute noch gegauckt – und sämtliche Mitarbeiter des Staatsschutzes der Berliner Polizei – auch sie

werden heute noch überprüft, wenn sie in diesem Bereich neu sind.

[Zurufe]

Okay, gebirthlert! – Insgesamt sind im Bereich der Westberliner Polizei 2 823 Fragestellungen von der damaligen Gauck-Behörde beantwortet worden.

Insofern glaube ich nicht, dass es ein Defizit bei der Überprüfung von Mitarbeitern im Westteil der Stadt gegeben hat. Das können Sie auch auf die anderen Behörden, beispielsweise die Bezirksämter, herunterbrechen. Sie wissen, dass im politischen Bereich das auch so gehandhabt wurde. Dort wurde eine Anfrage gemacht, wenn jemand für ein bestimmtes Amt kandidiert hat.

Wo ich Ihnen zustimmen würde, ist eine andere Frage und nicht die Frage einer Abfrage bei der Birthler-Behörde, sondern inwieweit die Einflussnahme von MfS auf die damalige Westbundesrepublik und Westberlin reichte und welche Informationsmöglichkeiten es dort gegeben hat.

Zu der Frage der Einsicht in die Akten hat es komplizierte Verfahren gegeben. Insbesondere der ehemalige Bundeskanzler Helmut Kohl hat sich damit hervorgetan, die Einsichtnahme in MfS-Akten durch ein Verfahren zu erschweren, welches er durchgeführt hat. Dort hat es erhebliche Schranken gegeben. Ich bin mir völlig sicher – bezogen auf Westberlin –, dass es in den Verwaltungen Berlins – uns sind Fälle eines Sozialdirektors, aber auch andere bekannt –, aber auch in allen Parteien – ich erinnere an Ursula Leyk, bei der CDU oder der Alternativen Liste – Leute gegeben hat, die entweder aus Überzeugung, aber auch schlankweg des Mammons wegen für das Ministerium für Staatssicherheit gearbeitet haben.

Ich gebe gern zu, dass dieser Teil der versuchten Einflussnahme auf den Westen hier als Opfer – nicht etwa als Mittäter – bisher nicht ausreichend wissenschaftlich untersucht ist. Der Fall Kurras, der eben gerade nicht durch eine Regelanfrage hätte bedient werden können, weil er 1987 in Pension gegangen ist – kein StasiUnterlagengesetz hätte es ermöglicht, Nachfragen nach ihm zu stellen, weil er nicht mehr Beschäftigter des öffentlichen Dienstes gewesen ist –, zeigt deutlich, dass es offensichtlich noch ein Defizit bei der historischwissenschaftlichen Erkenntnis gibt, inwieweit die Staatssicherheit versucht hat, auf die Bundesrepublik Deutschland – das betrifft nicht nur Berlin – und Berlin Einfluss zu nehmen.

Ich habe bei unserem Beauftragten für die StasiUnterlagen, Herrn Gutzeit, angeregt zu prüfen, inwieweit dieser Teil Berlin betreffend nicht Gegenstand einer wissenschaftlichen Erforschung sein könnte. Das wird mit Sicherheit Geld kosten. Ich glaube aber nicht, dass es am Geld scheitern wird. – Danke!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Präsident Walter Momper

Es gibt eine Nachfrage des Kollegen Braun – bitte!

Herr Senator Körting! Die Ausführungen waren eben eher technokratisch. Ich habe eine Frage dazu, weil es eine weit darüber hinausgehende politische Dimension hat. Ist in diesem Zusammenhang beabsichtigt zu überprüfen, ob Mitarbeiter der Justiz, seien es Staatsanwälte, Richter, die damals mit der strafrechtlichen Aufarbeitung des Todesfalls Benno Ohnesorg betraut waren, nachträglich überprüft werden können? Wenn sich herausstellen sollte, dass auch jene Mitarbeiter der Stasi und SED-Mitglieder waren, erscheint möglicherweise auch der gesamte Prozess, der damals für viel Unruhe in Deutschland gesorgt hat, in einem ganz anderen Licht.

Herr Senator Dr. Körting!

Herr Kollege Braun! Ich habe als derjenige geantwortet, der für den öffentlichen Dienst des Landes Berlin zuständig ist. Ich habe verdeutlicht, welche Überprüfungsmöglichkeiten der damalige CDU-Innensenator Heckelmann 1992/93 eingeräumt hat. Ich halte sie übrigens für sachgerecht. Ich will mich hier nicht von Herrn Heckelmann distanzieren. Ich halte es für sachgerecht, keine Regelüberprüfung aller Westberliner Bediensteten vorgenommen zu haben. Das will ich ganz deutlich sagen. Es ist nicht meine Entscheidung gewesen. Ich habe es historisch nur referiert. Ich hatte nicht den Eindruck einer technokratischen Darstellung, sondern habe den Sachverhalt dargelegt.

Die zweite Frage, die Sie stellen, ist eine solche, die im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens gegebenenfalls von der Staatsanwaltschaft zu klären ist: welche weiteren Erkenntnisse einzuholen sind. Da ist meines Erachtens eine Prüfung bei der Staatsanwaltschaft im Gange. Dann muss geprüft werden, ob ein Verfahren wieder aufgenommen werden kann. Sie wissen alle, wie schwierig und kompliziert dies in einem Rechtsstaat ist. Wir sind ein Rechtsstaat. Das muss geprüft werden.

Die dahinterstehende Frage, ob ich alle Mitarbeiter, die jemals mit dem Fall Kurras zu tun hatten, nachträglich einer Überprüfung unterziehe, kann ich nur so beantworten, dass das Stasi-Unterlagengesetz dafür nichts hergibt. Das Stasi-Unterlagengesetz ermöglicht allenfalls bei Vorliegen von Verdachtsmomenten, jetzt auch noch für Beamte des höheren Dienstes Überprüfungen vorzunehmen, nicht aber, dass ich alle Mitarbeiter, die jemals mit Herrn Kurras oder seinem Verfahren zu tun hatten, im Rahmen eines Regelüberprüfungsverfahrens heranziehe. Das mag ebenfalls wissenschaftlich untersucht werden. Das ist eine

vernünftige Situation. Das kann man machen, jedoch nicht im Rahmen dienstrechtlicher Maßnahmen.

Danke schön, Herr Senator! – Jetzt ist der Kollege Ratzmann mit einer Nachfrage an der Reihe.

Herr Innensenator! Sind Sie mit mir der Meinung, dass man vor dem Hintergrund der jetzt zutage getretenen Ereignisse davon ausgehen kann, dass der damals gewährte staatliche Schutz und der damals gewährte Schutz der Springerpresse für Herrn Kurras wahrscheinlich anders ausgesehen hätte, wenn damals schon bekannt gewesen wäre, dass Herr Kurras Mitglied der SED und Mitarbeiter des MfS gewesen ist, und wir wahrscheinlich auch vor diesem Hintergrund im Rahmen eines wissenschaftlichen Projektes diese Ereignisse noch einmal ganz anders bewerten müssen?

Herr Senator Dr. Körting, bitte!

Herr Kollege Ratzmann! Ich kann die Ergebnisse eines wissenschaftlichen Projektes nicht vorwegnehmen. Ich habe mir heute aber das Vergnügen gemacht, die Seite 3 in der „Süddeutschen Zeitung“ zu lesen, die meines Erachtens eine sehr treffende Charakterisierung einer Person beinhaltet und deutlich macht, dass offensichtlich die MfS-Tätigkeit mit dem Vorgang Benno Ohnesorg an der Oper nichts zu tun hat. Es ist aber sicher richtig, dass es sicher eine Rolle bei der Glaubwürdigkeit, seiner Einlassungen gespielt hätte, wenn derjenige, der damals vor Gericht gestanden hat, auch noch wegen anderer Dinge angeklagt worden wäre. Insofern kann ich nicht ausschließen, dass es zu einem anderen Ergebnis des Prozesses gekommen wäre.

[Volker Ratzmann (Grüne): Ich meine den politischen Prozess! Es gab einen Bürgermeister, der darüber gestürzt ist!]

Ich weiß, es gab einen Untersuchungsausschuss. Alle, die sich bisher dazu geäußert haben, halten es eigentlich für ausgeschlossen, dass die damalige Tötung von Herrn Ohnesorg in irgendeiner Form auf das MfS zurückzuführen ist. Wenn das so ist, ist es eine zweite Schiene, über die man nachdenken muss.

Danke schön, Herr Senator!

Jetzt kommen wir zur Frage des Kollegen von Lüdeke von der Fraktion der FDP über

Theaterstandort Kurfürstendamm: Kultur ohne Investor?

Bitte schön, Herr von Lüdeke!