Protocol of the Session on March 19, 2009

[Joachim Esser (Grüne): Wirst du noch erleben!]

Jochen Esser! Du hast gerade von Leuten gesprochen, denen der Kompass fehle. Deshalb will noch einmal auf euren Antrag zu sprechen kommen. – Mit Ihrem Antrag „Sanierungsrücklage bilden – Investitionen verstetigen“

schlagen Sie uns heute vor, dass wir im Gegensatz zur Linie der Koalition unsere Verschuldung um 940 Millionen Euro erhöhen sollen. Höhere Zinszahlungen, darauf käme es nun auch nicht mehr an, haben uns die neuen Grünen gestern mitgeteilt.

[Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Guck an!]

Dahinter steckt die Idee, dass das Konjunkturprogramm der Bundesregierung, das die Bundesregierung zu 75 Prozent bezahlt, irgendwann zu Ende sei, und daher sollten wir mit 940 Millionen Euro Landesmitteln auf Pump die Berliner Investitionen „verstetigen“. Dieses Verb ist sicherlich ein Schreibfehler, da das Geld maximal zwei Jahre reichen würde. Von Verstetigen kann da wohl kaum die Rede sein.

Wir halten diesen Vorschlag aus vielen Gründen für Unsinn. Die Zeit reicht nicht für alle Gründe, deswegen nenne ich nur zwei. Erstens haben wir das Geld nicht übrig, sondern haben einen Schuldenberg von nun wieder knapp unter 60 Milliarden Euro. Natürlich kann man da, wie es die Grünen vorschlagen, noch eine Milliarde Euro Schulden draufpacken, es kommt ja laut Esser und Ratzmann nicht so darauf an, und die erst einmal … Ja, was eigentlich? Wir sollen sie ja noch gar nicht ausgeben, sondern sie erst nach den Bundesmitteln ausgeben. Also nehmen wir die eine Milliarde Euro und legen sie erst einmal irgendwo an. Das Dumme ist nur, dass die Zinsersparnis bei geringeren Schulden des Landes für uns finanziell mehr bringt, als geborgtes Geld wo auch immer anzulegen.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD – Zuruf von Jochen Esser (Grüne)]

Zweitens bin ich mir sicher, dass das Problem, dass nach dem größtenteils bundesweit finanzierten Investitionsstrohfeuer 2011 Länder und Bund, wie Sie es nennen, in den Investitionsstreik treten könnten, nicht nur Berlin selbst auffallen könnte, weil es auch andere Bundesländer und die Bundesebene betrifft. Daher sollten wir unsere Kraft lieber dafür einsetzen, dass auf das Bundes-K-II – da habe ich eine andere Herangehensweise als Kollege Zackenfels – ein K III folgt, das diesen Namen verdient.

[Zuruf von Franziska Eichstädt-Bohlig (Grüne)]

Doch halt, ja, Frau Eichstädt-Bohlig, auf der Bundesebene ist der Kollege Ratzmann ja gegen die Neuverschuldung und steht auf Oettingers und Seehofers Schuldenbremse.

Die rot-rote Koalition bleibt dabei: Konjunkturpolitik ist Aufgabe der Bundesregierung, und die nehmen wir nicht durch Landeskonjunkturprogramme, die auf Pump finanziert sind, ab.

[Zuruf von Joachim Esser (Grüne)]

Deshalb lehnen wir diesen Antrag wie auch die anderen Anträge der Opposition ab und werden dem Nachtragshaushalt zustimmen, damit die Investitionen in Infrastruktur und Bildung zur Bekämpfung der Krise beginnen können. – Vielen Dank!

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Das Wort zu einer Kurzintervention hat Kollegin Pop.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Haushaltspolitik hat die Eigenart, dass immer auch über viele andere Themen gesprochen wird. Ich bin hinsichtlich der Arbeitsmarktpolitik angesprochen worden. Ich will es Ihnen gern noch einmal erklären. Ihr öffentlicher Beschäftigungssektor ist keine Alternative, wie Sie es hier immer wieder behaupten.

[Beifall bei den Grünen und der FDP]

In Berlin gibt es ein Heer von Ein-Euro-Jobbern! Das sagt der Bundesrechnungshof und kritisiert Sie zu Recht. Ihr ÖBS ist dazu keine Alternative, sondern, um im Bild zu bleiben, die Sahnehaube, ein Exklusivarbeitsmarkt für einige wenige, während für den Rest nur noch der bittere schwarze Kaffee des Ein-Euro-Jobs übrig bleibt. Für diese Menschen ist das keine Alternative, und Sie merken es auch, Herr Liebich, egal, was Sie uns allen immer erzählen.

[Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Das ist Sozialzynismus!]

Ein letzter Punkt: Sozialversicherungspflichtige Beschäftigung von Langzeiterwerbslosen geht auch anders. Sie nehmen das falsche Instrument, schaffen damit Probleme und Mehrkosten, aber ganz sicher keine Alternative, die Sie durchhalten werden.

[Beifall bei den Grünen – Zurufe von Joachim Esser (Grüne) und Ramona Pop (Grüne)]

Vielen Dank! – Das Wort zur Erwiderung hat Herr Liebich.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn Sie den Disput dort beendet haben, will ich von hier aus noch einmal zu reagieren versuchen. Frau Pop! Sie haben gesagt, dass Sie das nicht wollen. Aber ein Argument, warum es keine Alternative ist, haben Sie nicht gebracht.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Sie haben gesagt, Sie seien dagegen, aber warum es keine Alternative ist, haben Sie nicht gesagt. Deswegen nenne ich noch einmal – denn ich habe vorhin Argumente genannt – Argumente, weshalb wir sagen, dass es eine Alternative ist. Wir finden, öffentlich finanziert, tariflich bezahlt und nach Mindestlohn bezahlt, gesellschaftlich sinnvoll, mehrjährig eben einfach besser als kurzfristig für einen Euro bezahlt.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Das kann man anders sehen wie Sie, aber eine Alternative ist es offenkundig.

Zweitens zu sagen, wie Sie gestern im Hauptausschuss, man solle ein Thema gar nicht erst anpacken, wenn man es nicht sofort für die ganze Stadt anbieten kann – das sehen wir auch anders. Wir machen einen Einstieg, um zu zeigen, dass es anders und besser geht. Wir finden das gut. Wir haben dafür sehr viel Zuspruch. Diejenigen Menschen, die in diesen mehrjährigen Jobs arbeiten, besser bezahlt werden und sinnvolle gesellschaftliche Tätigkeit ausüben, merken sehr wohl, dass das eine Alternative ist, und sind uns auch sehr dankbar dafür, dass wir sie hier eingeführt haben.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Vielen Dank! – Das Wort für die FDP-Fraktion hat jetzt Kollege Meyer.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Debatte heute hat ganz gut gezeigt, dass das Grundcharakteristikum dieser Haushaltsberatung war, dass wir über viele verschiedene Themen in einer sehr kurzen Zeit gesprochen haben; grundsätzlich zum einen über das Problem Nachtragshaushalt 2009. Die Opposition hat bereits im letzten Jahr einen Nachtragshaushalt ganz unabhängig von der Frage des Konjunkturpakets gefordert, und die Punkte, die Herr Goetze am Beginn aufgelistet hat, haben nach wie vor ihre Berechtigung. Sie sind jedoch in den jetzigen Nachtragshaushaltsberatungen hinter der Frage der Umsetzung K II untergegangen.

Der zweite Punkt, der eine Rolle gespielt hat, ist das Erbe Sarrazins, die letzten Eckwerte, die wir uns in dieser Woche noch einmal angucken konnten. Und dann natürlich das Herzstück, die Umsetzung des Konjunkturpakets II im Land Berlin. Auch hier muss ich mich meinen Vorrednern der Opposition anschließen: Letztlich müssen wir festhalten, dass diese Umsetzung noch nicht beratungs- und beschlussreif ist.

[Beifall bei der FDP]

Wir warten immer noch auf die angekündigte Liste der geplanten Maßnahmen. Der Weg, der von der SPD vorgeschlagen wurde, den Nachtrag in dem Titel zu sperren, ist nachvollziehbar. Es muss zur Zeit recht rasch gehen, deswegen ist dies noch nicht einmal unser Hauptkritikpunkt. Wir werden dem Nachtragshaushaltsgesetz nicht zustimmen, weil – wie auch die Debatte gestern im Hauptausschuss gezeigt hat – die Risiken in Bezug auf die von Ihnen gewählte Umsetzung gravierend sind. Wir haben im Hauptausschuss sehr gut herausgearbeitet, dass man zunächst einmal festhalten muss, dass die Bundeshilfen, die nach Art. 104b Grundgesetz vom Bund an die

Länder zur Verfügung gestellt werden, nur in Bereichen ausgegeben werden können, für die der Bund eine Bundesgesetzgebungskompetenz hat. Das ist in dem Fall der Schlüssel, warum die energetische Sanierung im Vordergrund zu stehen hat.

[Beifall von Dr. Martin Lindner (FDP)]

Die Debatte, so wie sie gestern von Herrn Teichert im Hauptausschuss geführt wurde – Herr Sarrazin war ja nicht anwesend –, wonach Herr Teichert mit den übrigen Finanzministern und dem Bundesfinanzministerium eine Quotierung vereinbart hat, nachdem es ausreichend wäre, dass die Gesamtinvestitionsmittel zu 40 Prozent in eine energetische Sanierung einfließen, ist leider von dem Artikel des Grundgesetzes nicht gedeckt. Die erste Frage, die man sich stellen muss, lautet, ob das, was in dem Zukunftsinvestitionsgesetz vereinbart wurde, so überhaupt gültig und wirksam ist. Man kann natürlich zu Recht sagen, dass wir uns in einer Krisensituation befinden, und deswegen werden die Bundesländer und der Bundestag nicht in der Form am Text des Grundgesetzes festhalten, wie man das vielleicht zu einer anderen Zeit erwarten würde. Dennoch müssen wir feststellen, dass das Stichwort von mindestens 40 Prozent energetischer Sanierung vor diesem Hintergrund relevant ist. Genau vor diesem Hintergrund ist der Ansatz, den auch Herr Esser leider als so positiv hervorgehoben hat, dass man über das Konjunkturpaket eine Schulstrukturreform anschiebt, natürlich völlig verfehlt. Die Debatte, wie wir sie gestern geführt haben, ist genau richtig: Kann ein Neubau einer Mensa letztlich überhaupt den Aspekt der energetischen Sanierung irgendwo erfüllen? – Nach unserer Auffassung nicht.

[Beifall bei der FDP]

Dementsprechend befürchten wir, dass wir mit der Abrechnung des Konjunkturpakets vermutlich erhebliche Rückforderungen seitens des Bundes erwarten müssen. Das mag man unter dem Gesichtspunkt sehen, dass das Herrn Sarrazin dann nicht mehr interessiert, der ist dann schon längst nicht mehr da, und in der Mündlichen Fragestunde haben wir von Herrn Wowereit gehört, dass er den gesamten Konsolidierungskurs letztlich nur noch auf das Ende der Legislaturperiode auslegt. Die Abrechnung des Konjunkturpakets II wird sicherlich nicht in dieser Legislaturperiode erfolgen, und dementsprechend kann Rot-Rot sagen, dass ihnen das nicht so wichtig sei. Uns ist es wichtig, und deswegen werden wir in der nächsten Woche den Wissenschaftlichen Parlamentsdienst mit dieser Frage beauftragen, und dann werden wir sehen, wie wir vielleicht schon zur nächsten Sitzung des Hauptausschusses mit dieser Thematik umgehen.

Wir haben versucht, Ihnen mit unserem vorliegenden Antrag ein paar grundlegende Punkte mitzugeben, wie Sie dieses Konjunkturpaket vernünftig in Berlin umsetzen können. Zum einen gibt es da das Stichwort des ganzheitlichen Sanierungserfolgs, des ganzheitlichen Sanierungskonzepts. Zweitens gibt es verbindliche Kriterien, die sich zur Mittelvergabe an den energetischen Sanierungen

messen müssen, und der dritte Punkt sind transparente Prioritätenlisten.

[Beifall bei der FDP]

All dies haben wir nicht bekommen, das einzige, was Sie umgesetzt haben – und das sehen wir anders als die CDU –, ist die zentrale Steuerung, das zentrale Controlling. Bei der Summe, um die es hier geht, ist das auch dringend notwendig.

Nachdem wir die Vergabegrenzen nach unten gesetzt haben, haben wir noch immer keine Klarheit darüber, wie Sie dafür sorgen wollen, dass wir in der konkreten Mittelvergabe eine Transparenz herstellen können, wie die Zuschläge in den einzelnen Maßnahmen umgesetzt wurden. Wir sind gespannt, was Sie uns in zwei Wochen hierzu zu sagen haben. Dies ist auch einer der Gründe, warum wir diesen Haushalt ablehnen.

[Beifall bei der FDP]

Zum Ende komme ich noch auf die Eckwerte des Thilo Sarrazin zu sprechen. Herr Esser hat bereits darauf hingewiesen: Letztlich haben Sie, Herr Sarrazin, zum Ende Ihrer Amtszeit keinerlei Kraft mehr gehabt, mit deutlichen Worten der Koalition den Ernst der Lage, auf den ja auch Herr Zackenfels hingewiesen hat, zu verdeutlichen. Wenn man sich die Einnahmesituation anschaut, die Sie in der Eckwerteplanung 2009 bis 2013 ab dem Jahr 2011 zugrunde legen, wird einem schon ein wenig anders. Sie gehen davon aus, dass Sie ab dem Jahr 2011 pro Jahr Mehreinnahmen aus Steuern aus dem LFA von 1 Milliarde Euro zu erwarten haben. 1 Milliarde Euro pro Jahr ab dem Jahr 2011 soll es mehr geben! So erreichen Sie, dass Ihr Zahlenwerk in der Tat ausgeglichen ist.

Ich habe mir die Eckwerte, die Sie uns mit der mittelfristigen Finanzplanung 2008 vorgelegt haben, angeschaut. Damals, also noch zu Zeiten, als wir konjunkturell noch in einer besseren Situation waren, haben Sie mit Steuermehreinnahmen von 500 Millionen Euro pro Jahr gerechnet. Mit diesen Eckwerten wollen Sie uns allen Ernstes erzählen, dass – unabhängig davon, wie tief und wie lang die Krise ist, in der wir uns momentan befinden – ab dem Jahr 2011 das Land Berlin doppelt so viele Steuermehreinnahmen zu erwarten hat, als Sie das vor der Krise angenommen haben. Das, Herr Sarrazin, ist doch sehr entlarvend. Sie haben keinerlei Mentalitätswechsel mehr in Ihren Eckpunkten verinnerlicht; letztlich sind Sie dort angekommen, wo die große Koalition im Jahr 2000/2001 aufgehört hat, die überzogene Einnahmeerwartungen in ihr Zahlenwerk geschrieben hat und man im Nachgang feststellen musste, dass sich das alles in Schall und Rauch auflöste. Das ist vergleichbar mit dem Luftschloss, das Sie uns bei der Einbringung Ihres Haushaltes gemalt haben, dass der Haushalt strukturell konsolidiert wäre. Sie haben Glück, dass jetzt die Krise zuschlägt, zum Ende Ihrer Tage hier in Berlin, weil Sie ansonsten in diesem Jahr hätten erklären müssen, weswegen Ihre Konsolidierungserfolge, für die Sie am Anfang der letzten Legislaturperiode zu Recht gelobt wurden, sich doch nicht so

realisieren lassen, wie Sie das ursprünglich gehofft hatten. – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei der FDP und den Grünen]

Danke schön, Herr Kollege! – Herr Kollege Zackenfels hat das Wort zu einer Kurzintervention – bitte!

Ich bin bereits mehrfach darauf angesprochen, deshalb sage ich es noch einmal: Sie können Ihr Verständnis von Oppositionsarbeit so formulieren, grundsätzlich immer gegen alles sein zu müssen. Sie können formulieren – –