Protocol of the Session on March 19, 2009

Drittens – darüber haben Sie sich jetzt ausgelassen – haben wir Ihnen immer wieder gesagt – und ich wiederhole das –: Das Konjunkturprogramm muss in ein mittelfristiges Investitionsprogramm bis zum Jahr 2015 eingebettet sein, das erstens dem Umfang des Sanierungsstaus von über 2 Milliarden Euro gerecht wird und das zweitens kein beschäftigungspolitisch verpuffendes Strohfeuer für zwei Jahre darstellt.

[Beifall bei den Grünen – Beifall von Christian Goiny (CDU)]

Ihnen, die Sie sieben Jahre lang in der Regierung im Investitionsstreik waren, glaubt doch kein Handwerksmeister, kein Bauunternehmen, keiner, dem Sie jetzt Aufträge erteilen wollen, dass Sie angesichts der miserablen Haus

haltslage des Landes nicht wieder zu einer derartig auf Verschleiß fahrenden, niedrigen Investitionslinie zurückkehren, sobald das Bundesgeld mit Kofinanzierung vom Land ausgegeben worden ist. Kein Mensch glaubt das, dass er im Jahr 2012 irgendeinen Anschlussauftrag bekommt! Keiner glaubt Ihnen überhaupt noch irgendetwas, auch wenn Sie versprechen würden, dass Sie es anders machen. Deswegen liegt hier von uns der Antrag auf dem Tisch, den Überschuss des Jahres 2008 in eine Sanierungsrücklage zu überführen, weil das echtes reserviertes Geld ist, worauf die Wirtschaft dann auch vertrauen kann, womit es nach 2011 mit den Investitionen weitergehen kann.

[Beifall bei den Grünen]

Wenn Sie das jetzt hier gleich ablehnen,

[Stefan Liebich (Linksfraktion): Ja!]

dann würde ich sagen, leisten Sie damit keinen Beitrag zur Haushaltssanierung, sondern in Wahrheit einen Beitrag zu der denkbar teuersten Form der Verschuldung, die wir im Augenblick genug zu spüren bekommen haben. Deswegen bitte ich Sie: Gehen Sie noch einmal in sich! Ein paar Minuten haben wir noch Zeit.

[Beifall bei den Grünen]

Kurz und gut: Eigentlich ist dieser Haushalt schlicht nicht verabschiedungsreif. Nur eines ist im Augenblick sicher: Der Nachtragshaushalt 2009 enthält 350 Millionen Euro Mehrausgaben, die ihren Ursprung nicht in der Wirtschafts- und Finanzkrise haben. Ich habe sie Ihnen beim letzten Mal aufgezählt, ich erspare mir das jetzt. Die haben Sie nicht gesperrt. Die winken Sie ohne Gegenfinanzierung durch, in der Hoffnung, dass das im allgemeinen Wirtschafts- und Haushaltsdesaster 2009 unbemerkt untergeht. Ich sage Ihnen: Wir merken das, und andere merken das auch, weil wir ihnen das erzählen.

[Beifall bei den Grünen – Beifall von Christian Goiny (CDU)]

Allein die 350 Millionen Euro, die auf Ihre Kappe gehen, von Tariferhöhungen bis zum Kauf von Tempelhof, sind geeignet, den ursprünglich mit einem Plus in Höhe von 90 Millionen Euro kalkulierten Haushalt ins Defizit zu stürzen. Allein die! Dabei ist die Wirtschaftskrise nicht mit drin. Damit setzen Sie die Übung fort, die in den letzten zwei Jahren Ihre Dauertätigkeit gewesen ist, unterjährig immer wieder Mehrausgaben zu beschließen, denen keine Sparmaßnahmen in gleicher Höhe gegenüberstehen. Auf diese Weise haben Sie in den letzten zwei, drei Jahren eine kleine Ausgabenparty gefeiert, die der Berliner Haushalt, wie sich heute zeigt, nicht verkraften konnte und auch in Zukunft nicht verkraften kann.

Ich denke – oder ich weiß auch –, dass das zumindest den Haushältern in allen – ich sage: in allen! – Fraktionen dieses Hauses klar ist, dass denen klar ist, dass die Party vorbei ist und erneut harte Zeiten anbrechen. Ich bin mir aber nicht sicher, ob sich das in den Reihen der Koalition genügend herumgesprochen hat, und sehe deshalb die Entwicklung mit höchstem Misstrauen und mit Sorge. Sie

sind im Augenblick ohne Kompass in der Haushaltspolitik! Bei Ihnen gibt es wilden Streit um die allseits bekannten Problemzonen des Haushalts. Die SPD möchte den Ausstieg aus der Wohnungsbauförderung nicht mehr konsequent zuende bringen und wird deshalb von der Linkspartei gescholten. Die Linke dagegen will die Senkung der Personalkosten nicht länger mittragen und bekommt zur Belohnung dafür auch noch mehr Geld für ihre arbeitsmarktpolitische Fehlplanung namens ÖBS. Der BVG-Vorsitzende Sturmowski – das haben wir heute ja gehört, auch so eine Baustelle – fordert 90 Millionen Euro mehr Zuschuss, anstatt seinen Laden in Ordnung zu bringen. Bei der Charité sind Vorstand und Aufsichtsrat schlicht ratlos und seit Monaten nicht in der Lage, eine Finanzplanung aufzustellen. Herr Sarrazin stellt die Stadt zum Abschied vor die Wahl: Mehr Theater oder mehr Lehrer –, der neben ihm sitzende Senator Zöllner verspricht zur gleichen Zeit den Hochschulen ein atmendes System, in dem die steigenden Studierendenzahlen, Tarifsteigerungen und Pensionslasten durch den Landeshaushalt aufgefangen werden.

Ihre Orientierungslosigkeit, meine Damen und Herren von SPD und PDS, ist inzwischen kaum noch zu ertragen. Da passt unterm Strich schlichtweg nichts zusammen!

[Beifall bei den Grünen – Beifall von Christian Goiny (CDU)]

In diese Lage geht dann noch Herr Sarrazin hinein und – das fand ich nun wirklich verantwortungslos – platziert in der letzten Woche eine völlig irreale Finanzplanung mit viel zu optimistischen Einnahmeerwartungen, bloß um diesen Leuten von Ihnen noch einmal zu suggerieren, 2013 bekommen sie einen ausgeglichenen Haushalt ohne eine einzige Gegenmaßnahme, ohne einen einzigen neuen Beschluss des Senats und von Rot-Rot machen zu müssen. Das, Herr Sarrazin, entschuldigen Sie, ist wirklich nicht von dieser Welt! Das wissen Sie auch, da täuschen Sie die Leute über die wirkliche Lage hinweg.

Ich glaube – damit will ich das hier zum Abschluss bringen –, wir brauchen ein realistisches Sanierungsziel, das wir gemeinsam definieren müssen. Ich sehe es eigentlich nur, indem – wie es die Schuldenbremse demnächst im Grundgesetz vorsieht – wir es schaffen, bis zum Jahr 2020 einen nachhaltig ausgeglichenen Haushalt zu haben. Wenn wir das früher schaffen, dann ist das schön,

[Zuruf von Stefan Liebich (Linksfraktion)]

aber bis dahin – und nicht vorher – werden wir es schaffen müssen. Wir brauchen ein Maßnahmepaket, um dieses Ziel zu erreichen, –

Kollege Esser! Kommen Sie bitte zum Schluss!

Ja! – wo das Minimum ist, dass die eine Milliarde, die hier zwischen allen Fraktionen bei der Personalkostenein

sparung und die eine Milliarde Euro, die zwischen allen Fraktionen bei der Frage, den Wohnungsbau herunterzufahren, vereinbart worden war, wo das komplett erfüllt wird. Da haben wir erst zwei Drittel des Weges hinter uns gebracht. Auf dem Weg würde ich gern mit Ihnen gehen.

Herr Kollege! Sie müssen jetzt wirklich zum Schluss kommen!

Ich bin am Ende, Herr Präsident! – Ich kann Sie eigentlich nur bitten: Schaffen Sie das aus eigener Kraft, ansonsten wird man Sie durch eine Verfassungsänderung dazu zwingen müssen, ein solches Sanierungsziel anzupeilen und zum Ende zu bringen.

[Zuruf von Stefan Liebich (Linksfraktion)]

Ja, Herr Liebich, da werden wir ja sehen, wer da die Mehrheiten hat!

[Beifall bei den Grünen – Beifall von Christian Goiny (CDU)

Danke! – Das Wort für die Linksfraktion hat der Abgeordnete Liebich. – Bitte sehr!

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Als ich heute ins Abgeordnetenhaus gefahren bin, habe ich in den Autonachrichten gehört, dass wir heute über einen Nachtragshaushalt reden und entscheiden würden, der wegen der Finanz- und Wirtschaftskrise zu neuen Schulden führt. – Das ist einerseits richtig, andererseits irgendwie aber auch missverständlich.

Ja, Berlin wird sich wieder verschulden, nachdem wir es durch die umstrittene, mühsame, aber letztlich erfolgreiche rot-rote Haushaltspolitik der letzten sieben Jahre geschafft haben, den Westberliner Schlendrian zu beenden. Wir tun dies aber nicht aus freien Stücken, sondern weil bundesstaatlich finanzierte Investitionen im ganzen Land, in der gesamten Bundesrepublik Deutschland das Gebot der Stunde sind, um eine Antwort auf den beginnenden Konjunktureinbruch zu geben. Dessen Folge – also sinkende Steuereinnahmen für die öffentlichen Haushalte – sind in diesem Nachtragshaushalt zwar schon zu erkennen, aber erst in geringem Maß. Aber sie werden kommen, Thilo Sarrazin hat bei der Einbringung des Haushalts daraufhingewiesen. Die Antworten des Bundesstaates, also der Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland, kommen spät, fast zu spät.

Weil Herrn Zackenfels die Zeit gefehlt hat, die Zitate von Herrn Krugman fortzusetzen, will ich das machen. Also, ehe das Konjunkturpaket der Bundesregierung beschlos

beschlossen wurde, hat Herr Krugman gesagt, dass Herr Steinbrück mit dieser Verweigerung, so etwas einzuführen, Schaden anrichtet. Er hat gesagt, dass der Regierung Merkel und Steinbrück die entsprechende intellektuelle Beweglichkeit fehlen würde. Offenbar hat die Kritik ja dann gefruchtet, irgendwann hat sich die Bundesregierung darauf verständigt, ein Konjunkturprogramm II zu verabschieden. Unser Fazit bekanntermaßen: Dieses Konjunkturpaket ist zu klein, kommt zu spät und ist sozial ungerecht. Wir haben es deshalb hier auch ebenso wie im Bundestag abgelehnt. Dort haben das auch FDP und Grüne gemacht. Sie haben dem Paket dann allerdings im Bundesrat zu einer Mehrheit verholfen. Die Linke ist bei ihrer Kritik geblieben. Die Linke hat dem nicht zugestimmt, aber natürlich handeln wir trotzdem.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Der Senat hat zügig einen Entwurf für einen Nachtragshaushalt beschlossen und dem Parlament zur Debatte vorgelegt. Der Hauptausschuss hat für seine Verhältnisse sehr schnell beraten. Heute können wir beschließen. Unser Signal des heutigen Beschlusses ist an all jene, die auf eine Freigabe der Mittel warten, die Wirtschaft, die Gewerkschaften, die Bezirke, die Schulen, die freien Träger: Wir tun, was wir können. Berlin macht seine Hausaufgaben.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Aber die Kritik, die von der Opposition angesprochen wurde, ist nicht von der Hand zu weisen. Ungewöhnliche Zeiten erfordern zügiges Handeln. Wir begeben uns damit in ein Dilemma. Wir sind dem Wunsch der Opposition nicht nachgekommen, nach dem Motto „Das haben wir schon immer so gemacht“, diesen Nachtragshaushalt in aller Ruhe in allen Fachausschüssen zu beraten. Wir haben auch gestern den Vorschlag der CDU abgelehnt, noch zwei Wochen mit der Beschlussfassung zu warten. Trotzdem verstehe ich die Kritik derjenigen, die auf die Rolle des Parlaments als Haushaltsgesetzgeber pochen.

Von der SPD-Fraktion kam daher der Wunsch, den Ausgabetitel zum Konjunkturprogramm zwar zu beschließen, aber gleichzeitig zu sperren. Bei der nächsten Hauptausschusssitzung in 14 Tagen nach der Beschlussfassung des Senats, der diese sehr pauschale Ausgabe weiter konkretisiert – so die SPD –, könne man die Sperre aufheben. Das kann man sicher so machen, auch wenn es andere Möglichkeiten gegeben hätte. Dem ist der Hauptausschuss gestern gefolgt.

Innerhalb dieses Haushalts hat die Koalition gemäß der eigenen Prioritätensetzung, die sich von der der Opposition unterscheidet, und unter Beachtung der Vorgaben der Bundesregierung die Mittel so eingeplant, dass wir heute die Zustimmung empfehlen können.

Für uns als Linke war es besonders wichtig, dass die Mittel für die Arbeitsmarktpolitik um 18 Millionen Euro erhöht und die Voraussetzungen geschaffen wurden, den erfolgreichen – Jochen Esser! – öffentlich geförderten Beschäftigungssektor weiter auszubauen.

[Beifall bei der Linksfraktion]

An dieser Stelle möchte ich auf eine regelmäßig wiederkehrende Debatte im Hauptausschuss, im Ausschuss für Integration, Arbeit und Soziales und hier im Plenum Bezug nehmen. Ich tue das auch, um den Unterschied zwischen rot-roter Politik und der ehemaligen gemeinsamen Jamaika-Opposition aus CDU, FDP und Bündnis 90/Die Grünen herauszuarbeiten, denn so ein Haushalt bedeutet nicht nur Zahlen, sondern mehr.

Erstens: Ja, wir finden, dass öffentlich finanzierte, tariflich und nach Mindestlohn bezahlte, gesellschaftlich sinnvolle, mehrjährige Beschäftigung die bessere Alternative ist.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Zweitens: Wir finden, dass auch dann, wenn mit dem gleichen Geld mehr Menschen schlechter bezahlt zu schlechteren Bedingungen arbeiten könnten, kurzfristige Ein-Euro-Jobs, wie von Rot-Grün eingeführt und Schwarz-Gelb mitbeschlossen, die schlechtere Alternative darstellen.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Drittens: Wir bleiben auch dann dabei, wenn man mit den jetzigen Mitteln und unter den jetzigen Rahmenbedingungen nicht sofort allen Arbeitslosen Berlins oder gar bundesweit auf einmal eine Stelle im öffentlich geförderten Beschäftigungssektor anbieten kann. Gestaltende linke Politik ist nun einmal kein Ponyhof, und weil man nicht gleich alles hinbekommt, lieber gar nichts zu machen, das war noch nie die Leitlinie des Handelns der Berliner PDS, und das hat sich auch für die Berliner Linkspartei nicht geändert.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Lassen Sie mich auf einen weiteren inhaltlichen Schwerpunkt verweisen. Die Investitionen in die Bildung folgen den Prioritäten der Bezirke, aber eben auch der Politik, die SPD und Linke trotz weiter zu diskutierenden Differenzen im Detail gemeinsam verfolgen. Wir wollen, dass die Schülerinnen und Schüler länger gemeinsam lernen, weil es allen nützt, den stärkeren und den schwächeren Schülern. Das wird auch im Nachtragshaushalt deutlich.

Wir haben noch viele Einzelanträge zu besprechen, und da sind zehn Minuten viel zu kurz. Deshalb will ich mich wenigstens einem zuwenden, wie Herr Zackenfels auch, nämlich dem unserer Lieblings-Oppositionsfraktion Bündnis 90/Die Grünen. Sie erinnern sich, das ist die Fraktion, die seit vielen Jahren abstrakt vor dem Marsch in die weitere Verschuldung warnt und sogar sogenannte Schuldenbremsen ins Grundgesetz oder in die Berliner Verfassung schreiben will.

[Joachim Esser (Grüne): Wirst du noch erleben!]