Protocol of the Session on June 26, 2008

Selbstverständlich ist mir das bekannt, aber selbstverständlich wissen auch Sie, Herr Mutlu, dass die Selbstdefinition eines Bedarfes von Betroffenen nur in wenigen Fällen einen konkreten Einblick in das vermittelt, was wirklich getan werden muss. Die faktischen Gegebenheiten, die nicht auf der Prognosefähigkeit oder -unfähigkeit dieses Senators, sondern auf der Konstruktion beruhen, mit der wir in Berlin in diesem Bereich die Bildungseinrichtungen großzügig sowohl mit Lehrerstellen als auch mit Erzieherstellen ausstatten, und zwar insbesondere nach den individuellen Entscheidungen der Eltern, lassen es gar nicht zu, dass man zu einem frühen Zeitpunkt den konkreten Bedarf ermitteln kann.

[Zurufe von Dr. Margrit Barth (Linksfraktion) und Oliver Schruoffeneger (Grüne)]

Nun hat Kollege Mutlu das Wort zu seiner Mündlichen Anfrage über

Wie weiter mit der Bundesdruckerei?

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat:

1. Teilt der Senat unsere Auffassung, dass es angesichts vieler unterschiedlicher Sicherheitsbedürfnisse und aus Berliner Sicht auch zum Erhalt der Arbeitsplätze in Berlin erforderlich ist, dass der Bund zur Sicherung dieser Interessen einen Anteil von 25,1 Prozent – die sogenannte Sperrminorität – an der Bundesdruckerei (wieder-)erwirbt, und wie gedenkt der Senat, diesbezüglich auf den Bund einzuwirken?

2. Hält es der Senat darüber hinaus aus Sicherheitsinteressen für geboten, dass die übrigen Anteile an der Bundesdruckerei aufgrund ihrer Bedeutung an einen Investor veräußert werden, der nicht in erster Linie finanzielle Interessen, sondern auch Bürgerinteressen verfolgt, wie etwa der TÜV?

[Stefan Liebich (Linksfraktion): Wer hat die eigentlich verkauft? – Uwe Doering (Linksfraktion): War das nicht Rot-Grün auf Bundesebene? – Özcan Mutlu (Grüne): Ich wusste, dass das kommt! Könnt ihr nicht etwas kreativer sein?]

Zur Beantwortung hat der Senator für Wirtschaft, Herr Wolf, das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Mutlu! Zunächst teile ich die Auffassung, dass es das Beste gewesen wäre, die Bundesdruckerei nicht in einem völlig verfehlten Verfahren zu privatisieren –

[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

so, wie es die Bundesregierung unter Beteiligung der Grünen damals im Jahr 2000 getan hat.

[Zurufe von den Grünen]

Sie müssen nicht immer auf Ihren damaligen Koalitionspartner zeigen. Sie waren dabei!

[Beifall bei der Linksfraktion]

Ich kann mich daran erinnern: Frau Eichstädt-Bohlig, Sie persönlich waren sogar im Bundestag dabei. Ich vermute, Sie haben die Entscheidung auch noch im Haushaltsausschuss mitgetragen.

[Franziska Eichstädt-Bohlig (Grüne): Ich habe alles versucht!]

So viel erst einmal zur Historie.

Zur Gegenwart: Ich begrüße es, dass die jetzige Bundesregierung die Absicht hat, den Fehler ihrer Vorgängerregierung zumindest zu 25,1 Prozent wiedergutzumachen und wieder eine entsprechende Beteiligung des Bundes an diesem Unternehmen, das in mehrfacher Hinsicht wichtig ist – sowohl, was die Sicherheitspolitik angeht, als auch,

was die Innovations- und Technologiepolitik gerade am Standort Berlin angeht –, zu gewährleisten.

Ich stehe seit geraumer Zeit – ich glaube, seit einem Jahr – in kontinuierlichem Kontakt mit dem Bundesfinanzministerium, dem Innenministerium und dem Wirtschaftsministerium, die an diesem Verfahren beteiligt sind. Dieses Verfahren mit dieser Neuausschreibung ist nicht einfach, weil die Interessen der drei Ministerien unter einen Hut gebracht werden müssen. Gegenwärtig ist die Position der Bundesregierung, die auch von uns geteilt wird, erstens wieder Bundesanteile in Höhe von 25,1 Prozent zu erwerben und sich zweitens darauf zu orientieren, dass es wegen der sicherheitsrelevanten Themen einen nationalen Investor gibt.

Ob der TÜV-Nord eine Organisation ist, die Bürgerinteressen vertritt, stelle ich Ihrer Bewertung anheim. Ich möchte mich im laufenden Verfahren nicht zu einzelnen Bewerbern äußern. Für uns als Land Berlin und als Senat ist bei der Beurteilung des Erwerbers nur klar, dass er eine Gewähr für den Standort Berlin, für die Arbeitsplätze und für die weitere Innovationsfähigkeit dieses Unternehmens bieten muss. Wir haben intern eine Einschätzung potenzieller Erwerber. Herr Mutlu! Sie können sich dazu vielleicht auch etwas denken. Das werde ich allerdings im laufenden Verfahren nicht öffentlich kundtun.

Kollege Mutlu hat das Wort zu einer Nachfrage. – Bitte!

[Uwe Doering (Linksfraktion): Bundesdruckerei!]

Ja, Bundesdruckerei! Jetzt haben Sie sich schön gesonnt. Okay! – Ich möchte Sie fragen, ob Sie eine Einschätzung in Bezug auf die Sicherung der Arbeitsplätze für den Standort Berlin abgeben können. Inwieweit ist der Bund bereit, auf Berliner Interessen einzugehen? – Sie haben gesagt, dass die Gespräche schon laufen. Können Sie hierzu eine Einschätzung abgeben?

Herr Senator Wolf – bitte schön!

Herr Mutlu! Wenn ich mich sonnen möchte, dann mache ich das nicht im Abgeordnetenhaus. Dafür gibt es bessere Plätze.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Ich kann keine konkrete Einschätzung abgeben, weil diese davon abhängt, wer der zukünftige Erwerber sein wird. Es gibt unter anderem auch einen Interessenkonflikt zwischen dem Bundesinnenministerium und dem Bundesfinanzministerium. Letzteres ist vor allem – das ist weltweit

gleich – daran orientiert, einen maximalen Kaufpreis zu erzielen.

Das Bundesinnenministerium vertritt an dieser Stelle noch einmal andere Interessen, die wir in diesem Fall auch vom Berliner Standortinteresse teilen. Die Gefahr, dass ein Finanzinvestor oder ein internationaler Investor ins Spiel kommt, ist jedoch noch nicht vollständig gebannt. Wir versuchen, in den Gesprächen darauf zu wirken, einen strategischen Investor zu gewinnen, der von seinem Geschäftsmodell, von seiner Palette, von seinen Erfahrungen und seiner Bilanzkraft die Gewähr dafür bietet, dass der Standort Berlin nicht nur erhalten bleibt, sondern die Arbeitsplätze hier gesichert werden. Nach dem, was in Gesprächen seitens der Geschäftsleitung der Bundesdruckerei immer wieder gesagt wird, hat die Bundesdruckerei hervorragende Perspektiven, nicht nur Arbeitsplätze zu erhalten, sondern auch weitere aufzubauen. Das ist das Kriterium für uns. Das Verfahren liegt in der Hand des Bundes. Wir versuchen, in den Gesprächen immer wieder die Interessen Berlins und die Interessen der Bundesdruckerei am Standort deutlich zu machen.

Es gibt eine Nachfrage des Kollegen Wansner. – Bitte, Herr Kollege Wansner!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Herr Senator! Führen Sie zumindest Gespräche mit dem Finanzminister und fordern ihn auf, seine bisherige Taktik, den Verkauf teilweise zu blockieren und Schwierigkeiten zum Verkauf der Bundesdruckerei zu bereiten, aufzugeben?

Herr Senator Wolf, bitte schön!

Herr Wansner! Ich habe gesagt, dass ich mit allen in das Verfahren involvierten Ministerien kontinuierlich im Gespräch bin. In diesen Gesprächen vertrete ich die Interessen Berlins. Konflikte innerhalb der Bundesregierung zwischen unterschiedlichen Ministerien wird der Senat von Berlin allerdings nicht koordinieren können. In der Bundesregierung hat nach meiner Kenntnis die Kanzlerin die Richtlinienkompetenz und nicht der Senat von Berlin, obgleich es manchmal ganz nett wäre.

Danke schön! – Die Fragestunde ist wegen Zeitablauf beendet. Die heute nicht beantworteten Anfragen werden wieder mit einer von der Geschäftsordnung abweichenden Beantwortungsfrist von bis zu drei Wochen schriftlich beantwortet.

Ich rufe auf die

lfd. Nr. 2:

Fragestunde – Spontane Fragestunde

Zuerst erfolgen die Wortmeldungen nach der Stärke der Fraktionen mit je einem Mitglied. Es beginnt für die SPDFraktion Frau Kollegin Dr. Tesch. – Bitte schön, Frau Tesch, Sie haben das Wort!

Danke schön, Herr Präsident! – Meine Frage richtet sich an den Bildungssenator: Treffen die Vorwürfe zu, dass auch die Aufgaben des zweiten MSA-Mathetests schon vorher bekannt waren? Stimmt es, dass der zweite Test schwieriger als der erste war?

Der Bildungssenator! – Bitte schön, Herr Prof. Zöllner, Sie haben das Wort!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vorweg gibt es die entscheidende Nachricht, dass es auch heute keinerlei Hinweise für Unregelmäßigkeiten bei der Wiederholung des Mathematiktests für den mittleren Schulabschluss gibt. Zu den sehr schnell aufgetretenen Vermutungen, die Aufgaben seien möglicherweise vorher bekannt gewesen, teile ich mit, dass wir allen Hinweisen, egal aus welcher Ecke sie gekommen sind, sofort nachgegangen sind. Sie haben sich alle als völlig haltlos erwiesen.

Dies gilt auch – das sage ich ausdrücklich – für das Faktum, dass am späten Abend festgestellt wurde, dass die offizielle Version des Lisum, die die Schulen erhalten haben, nachdem der Test geschrieben wurde, mit Lösung im Internet einsehbar war. Tatsache ist, dass dieses die offizielle Version war. Die offizielle Version wurde am Montag um 13.00 Uhr freigeschaltet. Allerdings wurde diese Version – was korrekt und selbstverständlich war – schon am Freitag hergestellt. Das kann man an der Datei erkennen. Glücklicherweise haben die Mitarbeiter des Lisum im Verlauf des Montagvormittags dieser Datei mehrere verschiedene Namen gegeben. Die letzte Namensgebung erfolgte um 12.30 Uhr. Die Version, die im Netz eingestellt war, hatte den Namen, den sie um 12.30 Uhr bekommen hatte, sodass ich mir persönlich sicher war, dass dieses nicht vorher gewesen sein konnte.

Das Problem in diesem Zusammenhang ist aber sicher, dass dieses nicht beweisbar war, sodass wir uns sofort mit der Bitte an den Provider gewandt haben, uns mitzuteilen, wann die Datei hochgeladen wurde. Dankenswerterweise – an dieser Stelle möchte ich mich ausdrücklich bei dem Provider bedanken – hat er uns diese Information relativ schnell zugänglich gemacht, wozu er nicht verpflichtet ist.

Wir hätten ihn nicht ohne weiteres zwingen können. Die Datei ist nach Aussage des Providers nach 15.00 Uhr, also nach 15.00 Uhr am Nachmittag – hochgeladen worden. Nachweislich kann sie nicht vor dem Test zur Verfügung gestanden haben. Dieses ist insofern besonders erfreulich, ich sage es hier ausdrücklich, weil es zeigt, in welche Situationen man kommen kann. Der Provider ist in der Schweiz angesiedelt. Hätte er sich nicht freiwillig bereit erklärt – er hat die Datei übrigens wieder vom Netz genommen, nachdem er gesehen hat, welche Brisanz diese hat –, wäre ein relativ aufwendiges Verfahren über Wochen möglicherweise notwendig gewesen, um diese Information zu bekommen. In dieser Stadt – nachdem ich sie kennengelernt habe – hätte es wahrscheinlich eine vierzehntägige oder dreiwöchige Diskussion gegeben, die unterstellt hätte, es wäre so gewesen. Die Vorwurf ist also völlig ausgeräumt.

In dem zweiten von Ihnen angesprochenen Bereich ist die Vermutung aufgekommen, dass die Fragen schwerer als beim ersten Mal gewesen seien. Hier sollten wir miteinander ehrlich umgehen und sagen, dass es sich hierbei um einen Bereich handelt, der natürlich immer in gewissem Maß einer subjektiven Einschätzung unterliegt.

Es ist natürlich logisch, dass junge Menschen eher dazu neigen, eine schwierigere Kategorie zu vermuten, wenn sie einen Test zum zweiten Mal schreiben müssen. Ich habe auch dieses ernst genommen. Dass, was ich an Möglichkeit habe, ist, jemanden zu beauftragen, dem man nicht unterstellen kann, dass er befangen ist, nicht in eine bestimmte Richtung ausgerichtet ist und über die nötige Sachkompetenz verfügt, und das von außen beurteilen möge. Das war ein fachdidaktischer Kollege der Humboldt-Universität, der – das kann ich Ihnen vorlesen – bestätigt hat, dass es keinerlei Anhaltspunkte gibt, dass dieser Test in irgendeiner Art und Weise schwieriger war, eher sogar noch leichter war, aber mit Sicherheit nicht schwerer als beim letzten Mal war. Auch die Aufgabenverteilung und ähnliches war völlig identisch mit dem letzten Fall.

Mit gutem Gewissen gehe ich davon aus, dass meine Mitarbeiter bzw. die Arbeitsgruppe, die Kommission, einen Fragensatz ausgewählt haben, der tatsächlich ein fairer Wiederholungstest war. Ich sehe sehr wohl, dass eine solche Situation, ein zweiter Test, eine zusätzliche Belastung für junge Menschen darstellt und diese mit Sicherheit nicht so locker herangehen wie beim ersten Mal. Deshalb sage ich in Bezug auf die in der Stadt insbesondere durch Erwecken der Illusion vorhandene Unruhe, obwohl man mit etwas Nachdenken hätte feststellen können, dass es keine Alternative zum Nachschreiben gibt, dass es gerechtfertigt ist, nach einer Lösung zu suchen, damit keiner das Gefühl haben muss, wenn er sich korrekt verhalten hat, der Benachteiligte zu sein. Ich habe mich daher entschlossen, das Grundprinzip, das bei der Abiturprüfung maßgebend ist – die Durchfallgrenze beim Abitur ist 45 Prozent; beim MSA hat sie bisher 50 Prozent betragen – anzuwenden und die 45-Prozent-Grenze zugrunde zu le

gen, sodass de facto, weil die gesamte Skala verschoben wird, alle Schüler um 5 Prozent besser benotet werden. Selbst wenn dieses nach meinem besten Wissen und Gewissen ein fairer und gleichwertiger Test gewesen ist, ist es im Sinne der Betroffenen sicher fair und gerechtfertigt, eine solche Lösung zu suchen, von der ich jetzt hoffe, dass sie tatsächlich zur Akzeptanz und wieder zur Ruhe führt.