Herr Senator! Sie haben vorhin bei der Fragestunde richtig festgestellt, dass Empirie und Praxis manchmal sehr weit auseinander liegen. So ist das auch bei diesem Thema. Sie behaupten, die Schulen seien mit durchschnittlich 100 Prozent Lehrerinnen und Lehrern versorgt. Damit haben Sie vermutlich sogar recht. Aber durchschnittlich 100 Prozent sind eben nicht 100 Prozent vor Ort in den Schulen. Das ist unser Problem, und dieses Problem müssen Sie angehen.
Die Realität in den Schulen ist nämlich eine andere. Etliche Schulen beklagen einen eklatanten Lehrermangel. Im letzten Schuljahr ist der Unterrichtsausfall auf 10,7 Prozent angestiegen. Zwar konnte für knapp 8,5 Prozent des Unterrichtsausfalls eine Vertretung gestellt werden, aber über die Qualität einer Vertretungsstunde muss ich hier wohl kein Referat halten. Sie alle wissen, was das bedeutet.
Ich sage auch, dass die PKB – die Personalmittelbudgetierung – im Kern eine richtige Maßnahme ist. Aber sie nützt nichts bei nicht ausreichenden durchschnittlichen 100 Prozent Lehrerversorgung – plus 3 Prozent – und einem Unterrichtsausfall von 10,7 Prozent. Sie müssen mir erklären, wie Sie dieses mathematische Rätsel lösen wollen. Das ist nicht lösbar, und das bekommen die Schulen vor Ort und vor allem die Schülerinnen und Schüler jeden Tag zu spüren. Diese Maßnahme ist richtig, aber sie geht von falschen Zahlen aus. Deshalb müssen Sie hierbei mehr tun.
Auf der anderen Seite verkaufen Sie in der Antwort auf diese Große Anfrage die Tatsache, dass Sie 1 900 Referendariatsplätze zur Verfügung stellen als Erfolgsstory. Wir haben in der letzten Legislaturperiode, als Sie die Zahl dieser Referendariatsplätze um 400 reduziert haben, das in diesem Hause kritisiert und gesagt, dass das der falsche Weg ist. Jetzt verkaufen Sie das, was Sie vorher um 400 Stellen abgesenkt haben, als Erfolg. Das werden Ihnen die Lehrerinnen und Lehrer, die Schulen, die Schüler und Schülerinnen und die Eltern nicht abnehmen. Das ist kein Erfolg, und das reicht auch nicht.
Wir sagen weiterhin – und das haben Sie, Frau Dr. Tesch, hier auch selbst festgestellt –, dass das nicht auskömmlich ist. Wir sagen, es müssen noch mehr Lehrerinnen und Lehrer ausgebildet werden. Unsere Aufgabe ist es, Anreize dafür zu schaffen, dass Studentinnen und Studenten diesen Beruf erlernen wollen. Mit der Einstellungspraxis, die das Land Berlin übt, wird sich kein Student für den Lehrberuf entscheiden. Die Lehrerinnen und Lehrer, die wir für teures Geld in Berlin ausbilden, verlassen Berlin. Inzwischen verlassen nicht nur die fertig ausgebildeten Lehrer, sondern auch unsere Referendare Berlin, weil sie anderswo bessere Einstellungsbedingungen vorfinden. Wir haben einen fixen Termin, zu dem wir einstellen, aber die Termine anderer Bundesländer liegen früher, und deshalb gehen nicht nur die besten, Herr Steuer, sondern mittlerweile auch die weniger guten Lehrerinnen und Lehrer, die hier ausgebildet worden sind, weg. Das werden wir in der Zukunft teuer bezahlen.
Zum Schluss zwei Sätze zu den Organisationsrichtlinien zum neuen Schuljahr: In der Antwort auf die Große Anfrage heißt es – ich zitiere:
Die Verwaltungsvorschriften über die Zumessung von Lehrkräften an öffentlichen Berliner Schulen werden ebenfalls erheblich früher als bisher veröffentlicht werden.
In acht oder neun Wochen sind Schulferien, aber den Schulen liegen diese Organisationsrichtlinien nicht vor. Auch dem Hauptpersonalrat liegen diese Organisationsrichtlinien im Entwurf nicht vor. Was ist daran „erheblich früher“?
Herr Präsident! Der Schlusssatz lautet: Die Schulen wissen aber vor allem eines, nämlich dass in der sozialpädagogischen Förderung sehr stark gekürzt wird. Die Schulen, die Sprachförderung betreiben, wissen, dass es dafür in Zukunft weniger Geld gibt. Das ist Ihnen vorzuwerfen. Da müssen Sie nachsteuern, sonst werden Sie weiterhin einen Qualitätsausfall produzieren.
Herr Präsident! Meine Herren, meine Damen! Lieber Herr Zillich! Was an dieser Anfrage „groß“ war, habe ich bis
her immer noch nicht verstanden. – Herr Senator! Dass die Antwort auf diese Große Anfrage groß gewesen ist, möchte ich auch infrage stellen. Ihre Antwort war enttäuschend – ob schriftlich oder mündlich. Sie war blamabel. Es sind olle Kamellen aufgetischt worden. Es war wenig konkret.
Zum Thema „olle Kamellen“: Die Personalkostenbudgetierung war ein Vorschlag unserer Fraktion, und ich war hocherfreut und dachte, es ginge nun in die richtige Richtung. Denkste! Die Maßnahme ist richtig, aber das Entscheidende ist die richtige Umsetzung. Und das klappt nicht so richtig. Herr Senator! Das haben Sie vorhin auch offen zugestanden. Entscheidend ist, dass das Bewerbungsverfahren zu lange dauert. Bevor nämlich die Vertretungskraft antritt, ist die erkrankte Lehrkraft oftmals bereits wieder in der Schule. Dann können wir uns diese ganze Chose sparen.
Daran muss sich etwas ändern. Ich sage deshalb: Weg mit dem Beteiligungsverfahren der Personalvertretungen!
Es ist völlig überflüssig, für einen Vertretungslehrer, der in einer 7. Klasse und in einer 9. Klasse Latein vertretend unterrichtet, die Personalvertretung zu beteiligen. Unterricht hat Vorrang. Herr Senator! Ich weiß, dass Sie darin mit mir einer Meinung sind, und deswegen empfehle ich Ihnen: Setzen Sie sich durch!
Jetzt werden wir auch bald sehen, ob das System Zöllner mit seinen Neuerungen für die Vorbereitung und Organisation des Schuljahres klappt und tatsächlich Verbesserungen mit sich bringt. Im letzten Jahr ging es schlicht und ergreifend daneben. Ich sehe auch für das kommende Schuljahr schwarz, denn eines ist Ihnen sicherlich gelungen, Herr Senator: Sie haben bis in das Detail dieses neue System ausgeklüngelt. Aber es wird scheitern. Es wird aus einem entscheidenden Grund scheitern: Sie setzen nach wie vor auf die zentrale Lehrerzumessung. Wir müssen aber genau das Gegenteil machen und dezentralisieren.
Die Schulen erhalten dann die Lehrerstunden entsprechend ihrer tatsächlich vorhandenen Schüler auf der Basis von Kostenschülersätzen – unabhängig von Durchschnittswerten bzw. Klassenfrequenzen – nach transparenten Kriterien. Kinder mit besonderem Förderbedarf erhalten dann auch individuell zusätzliche Lehrerstundeneinheiten. Das nennt man Verantwortung übertragen, aber das trauen Sie sich nach wie vor nicht zu. Sie setzen auf das Zentrale, wir setzen auf das Dezentrale. Wir würden es den Schulen zutrauen.
Lassen Sie mich drei Dinge zu dieser Großen Anfrage anmerken. Der Dispositionsfonds – das ist ein neuer Begriff – wird immerhin mit 200 Stellen ausgestattet. Aber
Kollege Mutlu! Sie haben recht. Das ist und bleibt eine Mogelpackung. – Vor allem stellt sich die folgende Frage: Wie wollen Sie mit den Schulen umgehen, die mit der bisherigen Zumessung eine erfolgreiche Arbeit organisiert haben. Diese Schulen zählen definitiv zu den Verlierern bei dieser Veränderung. Damit ist auch vorprogrammiert, dass die Eltern auf die Barrikaden steigen, und ich finde, das geschieht nicht ganz zu Unrecht.
Zweitens: Es wird selbstverständlich riesige Probleme bei dem Einsatz der Strukturmittel für Sprachförderung und Integration geben. Es wird nämlich mehr Kinder geben, die gefördert werden müssen. Das haben Sie richtig erkannt. Aber die Höhe der Mittel bleibt konstant. Sie wird gedeckelt. Das kann es nicht sein. Hier muss vielleicht dieser Dispositionsfonds herhalten. Aber der muss wohl in Zukunft für äußerst viele Dinge herhalten. Das wird so nicht funktionieren, Herr Senator!
Noch ein dritter Punkt – zu den Erzieherinnen: Das finde ich nett. Freie Träger sind bei der Hortbetreuung momentan wieder erwünscht. Herr Senator! Wir kennen uns erst seit dieser Legislaturperiode, aber gerade die FDPFraktion hat sich den Mund fusselig geredet. Wir haben immer wieder diesen Unsinn kritisiert, dass die freien Träger bei der Hortbetreuung außen vor bleiben müssen. Nun sind sie wieder dabei, weil die Erzieher für die flexible Schulanfangsphase gebraucht werden. Dass hier die Schulen nicht vor Begeisterung in die Hände klatschen, sollten Sie verstehen, denn nachdem sie vor drei Jahren alles in die eine Richtung gemodelt haben, müssen sie es jetzt wieder ummodeln in die andere Richtung. Das ist schizophren und hat mit vorausschauender Bildungspolitik in keinster Weise etwas zu tun.
Ich bin gleich am Ende. – Herr Senator! Sie sind wenig konkret geworden. Es liegt viel Text vor, aber nur wenige Zahlen. Wo stecken die 60 Lehrkräfte, die monatlich in Pension gehen? Wo sind die Gymnasiallehrer, die Sie künftig in der sechsjährigen Grundschule einsetzen wollen? Wo sind die Lehrer für den Mehrbedarf der Integrationskinder, und wo sind die künftigen Schulleiter, die die Pensionäre ersetzen müssen? Brauchen wir immer noch ein halbes, ein oder anderthalb Jahre, um Schulleiterposten wieder zu besetzen?
Diese Antwort auf die Große Anfrage ist blamabel, sie ist dünn, und es wundert mich, dass sie so begeistert von Rot-Rot mitgetragen wird.
Vielen Dank! – Meine Damen und Herren! Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Große Anfrage ist damit beantwortet und besprochen.
Das ist die Priorität der Fraktion der CDU. Ich habe mit Ihrem Einverständnis aus dem „und“ nach dem Wort „Alkoholkonsum“ ein Komma gemacht, um Missverständnisse zu vermeiden.
Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die antragstellende Fraktion der CDU. Das Wort hat Frau Demirbüken-Wegner. – Bitte schön!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Um es gleich meinen Nachrednern und Nachrednerinnen mit auf den Weg zu geben: Echauffieren Sie sich nicht, dass die CDU-Fraktion nochmals das Thema Alkoholmissbrauch bei Jugendlichen auf die Tagesordnung gesetzt hat, obwohl das Parlament bereits vor einem guten Monat darüber debattiert hat. Kommen Sie lieber ohne lange ideologische Vorreden und parteipolitische Anwürfe gleich zum Kern der Sache. Dieser besteht nicht darin, Herr Dr. Albers, dass bereits 1 876 Jugendliche betrunken auf den Straßen Berlins aufgegriffen worden sind, wie Sie vor einem Monat ausgeführt haben, sondern darin, dass es ein Jugendschutzgesetz gibt, das es umzusetzen gilt. Dabei hat der Senat bisher völlig versagt.
Daran wird auch der wundervolle Antrag, den wir von der Koalition beschlossen haben, nichts ändern, wenn nicht das Vollzugsdefizit, das meine Kollegin von der SPD bereits vor Wochen heftig beklagt hat, endlich beendet wird. Dieses Vollzugsdefizit ist beträchtlich. Allein wenn wir die Alkoholkontrollen vor Ort betrachten, offenbart sich eine organisierte Verantwortungslosigkeit. Zwar gibt es