Protocol of the Session on April 24, 2008

Es ist der Koalition bewusst, dass der Lehrkräftebedarf für ganz Berlin kontinuierlich abnehmen wird, obwohl wir dennoch erhebliche Neueinstellungen wegen der zu erwartenden Pensionierungen haben werden. Der Bedarf ist aber von Bezirk zu Bezirk unterschiedlich, was wir kürzlich im Bezirk Pankow miterleben durften. Wir freuen uns, wenn in diesen Fällen auch zukünftig eine schnelle Reaktion erfolgt.

Was die Lehrer- und Lehrerinnenausbildung betrifft, so habe ich hier schon mehrmals betont, dass wir uns freuen, dass es gelungen ist, die Referendarsplätze wieder von 1 500 auf 1 900 zu erhöhen.

[Mieke Senftleben (FDP): Erst zurück, dann wieder hoch! Das war alles absehbar!]

Das haben wir in den Koalitionsvereinbarungen festgelegt, und das wird jetzt auch so umgesetzt. – Frau Senftleben! Ich verstehe Sie überhaupt nicht, wenn Sie hier dazwischenquaken. Stellen Sie eine Zwischenfrage, oder machen Sie irgendetwas anderes! So kann ich Ihren Zwischenrufen nicht folgen. – Allerdings bitten wir den Senat ausdrücklich, die Hochschulen auf ihre gegebenen Versprechen dringlich hinzuweisen. Wenn diese nämlich ih

rer Verpflichtung, genügend Lehramtsstudierende, nämlich 850 pro Jahr, auszubilden, nicht in dem erforderlichen Maße nachkommen, dann nützen auch die erhöhten Referendariatsplätze nichts.

[Anja Schillhaneck (Grüne): Wollen Sie Zwangsexmatrikulationen?]

Wir haben in den nächsten Jahren einen enormen Neueinstellungsbedarf, der unserer Meinung nach nicht ausschließlich mit Bewerberinnen und Bewerbern aus anderen Bundesländern gedeckt werden kann.

[Özcan Mutlu (Grüne): Endlich haben Sie das auch kapiert!]

Die Möglichkeit der Quereinsteiger, Herr Kollege Mutlu, wurde durch das Dreizehnte Gesetz zur Änderung des Lehrerbildungsgesetzes ermöglicht, wobei hier vorrangig die Berufsschulen profitieren werden.

Schließlich: Die letzte Antwort zu den Europaschulen und anderen bilingualen Schulen des Senators stimmt mich positiv und lässt mich hoffen, dass wir es langfristig vielleicht doch noch erreichen werden, dass Lehrerinnen und Lehrer an den Europaschulen und anderen bilingualen Schulen ihren deutschen Kolleginnen und Kollegen gleichgestellt werden. – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei der SPD]

Vielen Dank! – Das Wort für die CDU-Fraktion hat der Kollege Steuer.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Tagesordnungspunkte der SPD können heute nicht viel hergeben, wenn sie das zu ihrer Priorität gemacht hat. Aber sei’s drum, reden wir darüber, Frau Dr. Tesch!

[Dr. Felicitas Tesch (SPD): Haben Sie was gegen Bildung?]

Nach anderthalb Jahren Beschäftigung auf den Spielwiesen ideologischer Bildungspolitik kommt die Koalition heute – zumal auf den ersten Blick – wieder zu den Grundlagen unseres Bildungssystems zurück. Der Erfolg der Bildungspolitik hängt nämlich nicht an Ihren elf Gemeinschaftsschulen, sondern an der Frage, wie viel Unterricht an den anderen 800 Schulen ausfällt

[Dr. Felicitas Tesch (SPD): Das haben wir auch nie behauptet!]

Wollen Sie jetzt jeden Satz von mir kommentieren, Frau Dr. Tesch? –, wie viele neue Bücher zur Verfügung stehen, wie viele motivierte Lehrer Schüler und Eltern dort sind und wie motiviert sie sind. Die Frage ist nur, ob Sie dies wirklich erkannt haben oder ob es Ihnen heute vor allem darum geht, dass der Senator auch einmal ein paar positive Dinge verkünden darf. Schließlich muss er sich sonst mit Gewalt an Schulen, Unterrichtsausfall, Bücher

mangel, hungrigen Kindern, der ELEMENT-Studie, Segregation an den Schulen usw. beschäftigen. Passend zu der Wetterlage dieser Woche sollte auch in der Bildungspolitik einmal die Sonne scheinen. Ich habe dafür Verständnis. Aber schauen wir uns doch die Antwort des Senats auf die Große Anfrage genau an!

SPD und PDS fragen, ob alle Schulen – also jede einzelne Schule – in Berlin heute eine Lehrerausstattung von 100 Prozent haben. Sie haben es gerade wiederholt, Frau Dr. Tesch. Der Senat antwortet darauf: Nein, alle Schulen haben durchschnittlich, also „insgesamt“, wie es wörtlich heißt, eine Lehrerausstattung von 100 Prozent. – Das ist nicht die Antwort auf Ihre Frage, Frau Dr. Tesch! Aber man kann es auch nicht so genau nehmen. Im Übrigen: Unter 100 Prozent war die durchschnittliche Lehrerausstattung in Berlin noch nie, und zwar egal, wer dem Bildungsressort vorgestanden hat. Insofern haben Sie keine Antwort bekommen, aber darüber freuen Sie sich. Immerhin haben Sie etwas zum Freuen. Es ist nicht hinnehmbar – wir bleiben dabei –, dass in Berlin jedes Jahr 600 000 Unterrichtsstunden ersatzlos ausfallen, und es ist nicht hinnehmbar, dass Sie es innerhalb eines ganzen Schuljahrs – denn das ist nun fast vorbei – nicht schaffen, jeder einzelnen Schule 100 Prozent Lehrerausstattung zu garantieren.

Sie haben ein Problem, denn die Lehrer, die Sie hier ausgebildet haben, sind nicht mehr da. Es reicht nicht zu sagen: In der Zukunft bilden wir weniger aus, als wir brauchen. – Ja, wenn sie wenigstens die einstellen würden, die wir jetzt in Berlin ausgebildet haben, dann wären die auch an unseren Schulen vorhanden. Aber sie verlassen fluchtartig die Stadt. Nachdem sie an der dilettantischen Einstellungspraxis des Landes verzweifelt sind, gehen sie dorthin, wo sie angestellt werden, wo sie ernst genommen und gut bezahlt werden.

Das Ergebnis ist, dass wir aussagelose Listen von Lehrern haben, die den Schulen zur Verfügung gestellt werden. Sie verlangen von den Schulleitern, dass sie bis zu 80 Lehrer, die auf dieser Liste stehen, anrufen, um zu dem Ergebnis zu kommen, dass nicht ein einziger Lehrer tatsächlich zur Verfügung steht. Einer Hauptschule in Kreuzberg, die ich besucht habe, wurde ein über siebzigjähriger Kollege angeboten, der dort – nach Erreichen seiner Pensionierungsgrenze – Arbeitslehreunterricht erteilen sollte. Die Schule ist aus sozialen Indikatoren stark belastet, und das letzte, was sie brauchte, war ein über siebzigjähriger Lehrer.

Mehr haben Sie nicht zu bieten, die guten Lehrer sind längst in Hamburg, Schleswig-Holstein, Baden-Württemberg; die Besten gehen eben zuerst. Deswegen kommen wir leider zu dem Ergebnis, dass das Bildungssystem und die Schulen in Berlin nicht besser werden, wenn wir nicht die besten Lehrer bei uns einstellen können.

Wir fordern Sie auf, das alljährliche Personalkarussell zu beenden. Eine Lehrerausstattung von 100 Prozent muss

am Anfang des Schuljahres garantiert sein und nicht durch Umsetzungen der Lehrkräfte. Dass Sie während des Schuljahres noch nachsteuern und wieder 105 Lehrkräfte eingestellt haben, macht deutlich, dass Sie den Bedarf offensichtlich nicht berechnen können. Das hätte man am Anfang des Schuljahres wissen können, wir haben es gewusst. Insofern fordern wir Sie auf, das nächste Schuljahr seriös zu planen und gleich am Anfang des Schuljahres ausreichend viele Lehrer einzustellen.

[Beifall bei der CDU]

Für das kommende Schuljahr planen Sie eine Neuberechnung der Lehrerausstattung im Bereich Deutsch als Zweitsprache. Demnach sollen die zusätzlichen Lehrerstunden für Schulen mit über 40 Prozent Migrationshintergrund der Schüler neu verteilt werden. Ab dem kommenden Schuljahr sollen also alle Schulen, die Kinder mit Sprachdefiziten haben, gleich behandelt werden. Das heißt nichts anderes, als dass die Lehrer, die jetzt an den Brennpunktschulen eingesetzt sind, abgezogen werden müssen, damit sie zu den anderen Schulen geschickt werden können.

[Özcan Mutlu (Grüne): Ein Schelm, der Schlimmes dabei denkt!]

Ich warne Sie davor, zuzuschauen, und ich frage mich, wie Sie den Tag durchhalten wollen, an dem ein oder mehrere Lehrer an einer Nord-Neuköllner oder einer Weddinger Schule gehen müssen, obwohl sie dort genauso händeringend gebraucht werden – –

Herr Kollege, Sie sind am Ende Ihrer Redezeit!

Deshalb komme ich auch zu meinem letzten Satz. – Es muss mehr Mittel für die Lehrer und den Sprachunterricht geben, so wie bei den Mütterkursen, die auch kontinuierlich ausgebaut werden müssen. Wir müssen den benachteiligten Schülern Chancen geben, die bürgerlichen Regionen zugleich stärken und die leistungsstärkeren Schüler fordern. – Danke sehr!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank! – Das Wort für die Linksfraktion hat der Abgeordnete Zillich.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir behandeln diese – in der Tat ein wichtiges Thema berührende – Große Anfrage im Plenum, weil der Senat darauf besteht. Das ist sein gutes Recht; angesichts der vielen Details, die in diesem Zusammenhang zu beraten sind und der komplexen Fragestellung, halte ich das aber nicht für die richtige Entscheidung.

Ich glaube auch nicht, dass sie die geistigen innerparlamentarischen Einschaltquoten für Bildungsthemen, die ohnehin nicht sehr berauschend sind, weiter erhöhen wird.

[Benedikt Lux (Grüne): Dann erzähl doch mal was Spannendes!]

Deshalb gehe ich davon aus, dass wir eine gründliche Beratung der Großen Anfrage im Ausschuss vornehmen, und beschränke mich auf drei Punkte. Etwas anderes ist in fünf Minuten ohnehin nicht möglich.

Der erste Punkt, der durch diese Große Anfrage behandelt wird, ist die Frage der Vorbereitung des Schuljahres und der Ausstattung der Schulen. Die Große Anfrage hatten wir am Anfang des laufenden Schuljahres gestellt; wir befinden uns nun in der Phase der Vorbereitung des neuen Schuljahres. Es sind einige Veränderungen vorgenommen worden, auf die man kurz eingehen kann. Wir begrüßen es, dass wir bei der Vorbereitung des neuen Schuljahres und bei der Frage, wann wissen die Schulen, welche Ausstattung sie bekommen, vorangekommen sind. Das ist gut, und das war nicht einfach. Es gibt eine Neuregelung, wie mit dem Ausfall von Lehrkräften und mit Vertretungen umgegangen wird. Hier ist es keine kleine Leistung, zu sagen, wir rechnen die dauerkranken Lehrerinnen und Lehrer – ca. 4 Prozent – aus der Berechnung heraus. Auch die Einführung der Personalkostenbudgetierung ist grundsätzlich wegen der Flexibilität natürlich ein richtiger Schritt, aber es gibt einige Probleme, über deren Lösung wir reden müssen. Die PKB ist – wie sich gezeigt hat – keine Lösung für kurzfristigen Lehrkräfteausfall, da reagiert sie nicht schnell genug. Das Verfahren erscheint vielen Schulen als kompliziert, und die Liste, auf die sie zugreifen sollen, ist nicht sonderlich aktuell. Wir haben zudem das Problem – das führt schon fast zu meinem nächsten Punkt –, dass die Schulen Schwierigkeiten haben, Vertretungslehrkräfte zu finden. Über diese Punkte werden wir weiter reden müssen.

Ein weiterer Punkt ist die Lehrkräftezumessung. Hier begrüßen und unterstützen wir, dass der Bildungssenator sagt, wir müssen ein transparenteres Verfahren finden, das sich an dem Sprachförderungsbedarf und an der sozialen Voraussetzung der Schülerinnen und Schüler orientiert. Es ist auch richtig, dass wir in einer Übergangssituation über einen Dispositionspool eine Möglichkeit zur Nachsteuerung haben, damit wir über diesen Prozess die Schulen nicht zusätzlich benachteiligen. Worüber wir aber reden müssen, ist die Frage, wie wir mit dem Verhältnis von transparenter Ausstattung und nachträglichem Ausgleich von Nachteilen strategisch umgehen. In welche Richtung soll das laufen? – Einerseits sollen die Schulen transparent ausgestattet werden, andererseits verteilen wir hinterher nach Gusto. Darüber werden wir noch einmal reden müssen; über die Frage des gemeinsamen Unterrichts von Menschen mit und ohne Behinderung müssen wir ohnehin reden.

Der zweite Punkt, der uns bei der Behandlung dieser Großen Anfrage wichtig ist, ist die Frage, wie der Lehrkräfte

bedarf in der Zukunft aussieht. Mit der Großen Anfrage wollten wir eine Diskussionsgrundlage schaffen, weil wir langfristig ein Problem sehen und wir wissen, wie schwer dies zu lösen ist und wie schwer es insgesamt ist, in einer Zeit, die nicht arm an Problemen ist, über Probleme nachzudenken, die in der Zukunft und in der relativ weiten Zukunft vor uns stehen. Es gibt meiner Ansicht nach zwei ungeeignete Möglichkeiten, mit so einem ernsthaften Problem umzugehen: Die eine ist die, zu sagen, es läge alles an der politischen Farbenlehre und es werde aufgrund der ideologischen Verblendung das Falsche gemacht. Das macht zuweilen die Opposition, doch das hilft nicht, allein deswegen nicht, weil es die Lösung dieses Problems allein in den Bereich des guten Willens verschiebt, und das ist eine Unterschätzung des Problems. Die zweite ungeeignete Möglichkeit ist zu sagen, wir geben lieber keine konkrete Auskunft, weil damit eventuell in irgendeiner Form ein Finanzbedarf verbunden sein könnte. Das ist ein bisschen das, was der Senat macht.

[Zuruf von Özcan Mutlu (Grüne)]

Das ist deswegen nicht günstig, weil wir dadurch eben nicht die seriöse Grundlage, die wir haben wollen, finden, um die Größe des Problems einzuschätzen und seriös diskutieren zu können, was wir machen müssen. Selbst in der Antwort des Senats erweist sich bereits, dass es einige Punkte gibt, auf die wir weiterhin achten müssen. Wenn der Senat an anderer Stelle von einem Einstellungsbedarf ab dem Schuljahr 2013/2014 von 1 400 Lehrkräften redet und die Universitäten 850 Absolventen liefern, dann ist völlig klar, worin das Problem besteht. Wir haben in der Großen Anfrage nicht die Frage gestellt, ob der Senat Berechnungen für die Zukunft anstellt, sondern wie das Ergebnis dieser Berechnung lautet.

Herr Kollege! Sie sind am Ende Ihrer Redezeit!

Wir wissen, dass wir bei der bezirklichen Schulentwicklungsplanung ein Problem haben; hier einfach nur auf die Zuständigkeit der Bezirke zu verweisen, reicht nicht aus. Deswegen werden wir im Ausschuss eine intensivere Beratung dieser Probleme vornehmen, als wir dies hier konnten.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Vielen Dank! – Das Wort für die Fraktion der Grünen hat der Abgeordnete Mutlu.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Zillich! Ich habe mich auch gefragt, warum die SPD diese Priorität angemeldet hat. Wenn ich mich so umschaue, haben sich wohl Viele diese Frage gestellt, denn anders ist

es nicht zu erklären, warum insbesondere in den Reihen der SPD so viele Kolleginnen und Kollegen bei einem scheinbar derart wichtigen Thema mit Abwesenheit glänzen.

[Beifall bei den Grünen]

Liebe Frau Dr. Tesch, lieber Herr Zillich! Es gibt einen kleinen Unterschied zwischen uns und Ihnen: Wir sind Opposition, Sie stellen die Regierung, Sie stellen die Regierungsfraktionen. Deshalb wundert es mich, dass Sie zu so einem Thema lediglich eine Große Anfrage stellen – September letzten Jahres – und diese vom Senat sieben, acht Monate später beantwortet wird. Das zeigt, wie wichtig Ihnen dieses Thema ist. Ich glaube, es ist Ihnen nicht so wichtig, anders ist das nicht zu erklären.

[Beifall bei den Grünen]