Protocol of the Session on July 5, 2007

Ich nehme das zur Kenntnis, vielen Dank!

Wir wollen die Probleme von heute nicht liegenlassen, nur weil es eine Pilotphase Gemeinschaftsschule gibt. Diese rot-roten Gemeinschaftsschulen sind im Grunde keine Gemeinschaftsschulen, weil Sie kein einziges Gymnasium an der Pilotphase beteiligen. Leider ist es der rotroten Regierung nicht gelungen, die Gymnasien innerhalb der letzten 8 bis 9 Monate für dieses Projekt zu gewinnen.

[Dr. Martin Lindner (FDP): Leider!]

Ich wiederhole: Die wenigen Gemeinschaftsschulen lösen weder die Qualitätsprobleme der Berliner Schule, noch entschärfen sie die Situation der Hauptschulen. Berlin muss auf die Hauptschule verzichten und Auslesemechanismen wie das Sitzenbleiben und das Probehalbjahr zügig abschaffen.

[Beifall bei den Grünen]

Einige wenige Gemeinschaftsschulen werden daran nichts ändern. Schon heute geht niemand freiwillig auf die Hauptschule. Am vergangenen Montag hatten wir eine Sitzung mit Hauptschulleiterinnen und -leitern; keiner von ihnen hat sich für die Fortführung der Hauptschule ausgesprochen, im Gegenteil. Auch sie sind dafür, dass diese Schulform endlich abgeschafft wird.

[Beifall bei den Grünen]

Berlin muss damit anfangen, als ersten Schritt Realschulen, Hauptschulen, Gesamtschulen zu einer neuen Oberschule zusammenzufassen, in der alle Schülerinnen und

Schüler – auch die mit sonderpädagogischen Förderbedarf – eine Perspektive erhalten. Das heißt, dass auch die Gymnasien reformiert werden müssen, wie schon gesagt, das Probehalbjahr, das Sitzenbleiben, all das muss auf den Prüfstand.

[Dr. Martin Lindner (FDP): Noten weg, Prüfungen weg!]

Zur Jugendpolitik würde ich gerne noch etwas sagen –

Herr Kollege, Ihre Redezeit ist abgelaufen!

Ja, meine Redezeit geht zu Ende. – Es ist aber auch nicht viel dazu zu sagen, denn dieser Senat hat nicht viel getan.

[Beifall bei den Grünen]

Herr Kollege! Sie müssen jetzt zum Schluss kommen!

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident! – Verwahrlosungen und Misshandlungen – seit Jahren eine traurige Realität. Die Hilfen zur Erziehung sind aufgestockt worden, aber es fehlt überall an der notwendigen Ausstattung mit Personal.

Ich muss Ihnen jetzt gleich den Strom nehmen, wenn Sie nicht aufhören! Ich bitte Sie wirklich darum, jetzt aufzuhören!

Wir ermutigen Sie noch einmal, mit Taten zu beginnen. Wir werden Sie jedenfalls dabei unterstützen, wenn es im Interesse der Schülerinnen und Schüler ist.

[Beifall bei den Grünen]

Vielen Dank! – Da der Kollege so oft mit Zwischenfragen belegt wurde, habe ich ihm etwas mehr Redezeit als üblich gegeben.

[Dr. Felicitas Tesch (SPD): Die hat er ja gar nicht zugelassen!]

Das Wort hat jetzt Frau Dr. Koch-Unterseher für die Fraktion der SPD!

Herr Kollege Mutlu! Wenn Sie seitens Ihrer Fraktion eine Aktuelle Stunde unter dem Tenor „Ankündigungsakroba

tik“ bei den Unis und vernachlässigte Berliner Schulen anmelden, dann würde ich das, was Sie gerade abgeliefert haben, für eine ziemliche Luftnummer halten, um in Ihrem Jargon zu bleiben.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Sie haben aus unserer Sicht zwar erfreulich angefangen, Kollegin Schillhaneck hat es vorher auch bereits angemerkt, dass jeder Cent, der in die Berliner Wissenschaft und Forschung fließt, erfreulich ist. Das sehen wir natürlich ganz genauso. Warum starten Sie aber hier so groß und landen dann wie ein Bettvorleger? – Das Thema Schule nehmen wir natürlich weiterhin ernst, dazu wird die Kollegin Tesch gleich drei Minuten sprechen. Ich widme mich dem für uns ernsten und wichtigen Thema Wissenschaft und Forschung, von dem ich bei Ihnen nichts wahrgenommen habe.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Noch eine Bemerkung zu Ihrer Begründung, Kollegin Schillhaneck: Ich fand Ihre Aussage ein wenig merkwürdig, es sei durch Senator Zöllner viel angekündigt worden, bislang sei aber in der Sache nichts passiert. Wenn es keine Visionen des Senats gäbe, wenn durch den Regierenden Bürgermeister und den Wissenschaftssenator nicht angekündigt worden wäre, dass Geld nach Berlin kommt und dass uns eine Vision vor Augen steht, dann hätten Sie uns der Tatenlosigkeit bezichtigt und uns vorgeworfen, wir würden das Klein-Klein bevorzugen. Ich bin dafür, dass wir mehr Geld in die Hand nehmen und dass wir ein klares und konkretes Zukunftsbild vor Augen haben.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Ich möchte Ihnen in sieben Punkten unsere Auffassung dazu erläutern. Erstens: Wissenschaft und Forschung zu fördern ist für Berlin lebenswichtig, weil dann lebendige und kluge Leute nach Berlin kommen, weil wir sie dann auch hier halten können. Das wollen wir unbedingt, weil wir sie für die hochspezialisierten, auf Wissen abgestellten Arbeitsplätze insbesondere auch in kleineren und mittleren Unternehmen brauchen.

Zweitens: Berlin hat ein in Deutschland einzigartiges Potenzial an Wissenschaft und Forschung. Wir können und wollen uns auch international sehr gut sehen lassen.

Das wissen Sie! Erkundigen Sie sich bei der Max-PlanckGesellschaft, der Helmholtz-Gemeinschaft, der LeibnizGemeinschaft, der Fraunhofer-Gesellschaft, beim Forschungsverbund Berlin. Reden Sie mit Menschen in Adlershof, in Buch, Mitte und Dahlem.

Dieses Potenzial zu stärken, das wir in Berlin haben, dieses einzigartige Potenzial von unten, von innen und nach außen zu stärken, das ist eine erstrangige Aufgabe des Senats unter Führung von Klaus Wowereit. „Von unten“ meint, Studierende in die Stadt, je mehr, desto besser, das ist gut für sie selbst, das ist auch gut für Berlin.

[Beifall bei der SPD – Beifall von Stefan Liebich (Linksfraktion)]

Von innen Potenzial stärken meint, Institutionen stärken und zur Autonomie befähigen, aber Rahmenbedingungen setzen, die vor Fehlentwicklungen schützen. Dabei ist der frische Wind des wissenschaftlichen Wettbewerbs unter dem zugleich starken Einsparungsdruck der letzten Jahre nicht zu übersehen. Vieles ist in Bewegung gebracht worden, das meiste davon auf gute Weise. Allerdings darf Wettbewerb kein Zweck um seiner selbst willen sein, Wettbewerb soll Kooperationen fordern und fördern, soll Kooperationen lohnend machen. Dass wir unser Potenzial nach außen stärken und sichtbar machen wollen, steht für sich selbst und bedarf keiner weiteren Begründung.

Der Masterplan „Wissen schafft Berlins Zukunft“, hat Ambition, Reichweite und langen Atem. Damit beglaubigt er die politische Kraft der rot-roten Regierung, Schwerpunkte zu setzen. Allerdings nicht irgendwelche Schwerpunkte, sondern ganz bestimmte. Geld fließt nämlich für das Attraktiverwerden der Institute, der Forschungs- und Wirkungsstätten von in ihren Disziplinen exzellenten Männern und Frauen. Geld fließt in die Nachhaltigkeit von interdisziplinären Projekten, in die Stärkung von Netzwerken und – neudeutsch – in Cluster, die sich um gemeinsame Fragestellungen gruppiert haben. Geld fließt in die Frauenförderung, nun auch besonders in den Fächern, in denen weibliche Lehrende unterrepräsentiert sind. Geld fließt in Tutorien, an fitte Studierende. Geld fließt in die Qualitätssicherung von Lehre – übrigens für Universitätslehrende ebenso wie für die an Hochschulen. Geld fließt auch in das Sichtbarmachen der Wissenschaftslandschaft Berlin. Ich habe übrigens bisher noch keine substanzielle Kritik an der Streuung und der Zielstellung unserer Schwerpunkte wahrgenommen. Ich sagte: substanzielle Kritik – die habe ich noch nicht gehört. Das erlaubt mir den Schluss, dass sie die richtigen sind.

[Beifall bei der SPD – Beifall von Stefan Liebich (Linksfraktion) und Uwe Doering (Linksfraktion)]

Der Masterplan, Berlins Zukunft, trägt sozialdemokratische Handschrift. Woran lässt sie sich erkennen? – Stärkung der Lehre, Ausbildungsoffensive, zupackende Ausnutzung der vom Bund bereitgestellten Möglichkeiten in Hochschulpakt und Exzellenzinitiative. Das ist typisch sozialdemokratische Handschrift. Stärkung der Hochschulen gehört auch dazu. Insbesondere aber gehört die Verknüpfung von Exzellenz und Institution dazu. Wie das zu verstehen ist? – Das Prinzip erscheint einfach und ist zugleich von ausschlaggebender Bedeutung für eine im Moment etwas hektisch wirkende Debatte. Exzellenz wird nicht abgetrennt, nicht herausgebrochen aus den Universitäten, sondern bleibt und bereichert. Ein Beispiel finden Sie in unserem Koalitionsvertrag. Für diejenigen, die nicht jede Nacht mit ihm unter dem Kopfkissen einschlafen, nur der Hinweis – –

[Renate Harant (SPD): Gibt es die?]

Wie bitte? Das sind doch hoffentlich die meisten von uns, oder? – Wir, die Koalitionsfraktionen, wollen mehr Exzellenz im Studium. Deshalb wollen wir zum Beispiel

Kollegs für Forschungsstudenten – dort steht der neudeutsche Begriff „Research Students“ – einrichten.

Der Masterplan, insbesondere die Tochterinstitution, hat bei einigen Beteiligten Sorgen ausgelöst. – Das ist mein vorletzter Punkt. – Sie sind möglicherweise berechtigt, aber auf Dauer nicht nachvollziehbar. Hier ist keine Herauslösung beabsichtigt, keine Zweiteilung von Lehre an Restuniversitäten und Forschung an Spitzeninstitutionen. Niemand will die vorhandenen Universitäten zugunsten einer Gesamtuniversität zerschlagen. Was wir genau wollen, wird in Ruhe in den nächsten Monaten mit den Beteiligten besprochen. In diese Diskussionen werden die Ergebnisse der Exzellenzentscheidung am 19. Oktober einfließen.

Ich komme zum Schluss. – Ich wollte Ihnen noch etwas zum Matheon als einem schönen, zwar nicht unbedingt übertragbarem Beispiel dazu, wie es mit der Kooperation und der Sichtbarmachung ist, sagen. Aber leider ist meine Redezeit zu Ende. – Die Wissenschafts- und Forschungspolitik wird vom Senat und der Mehrheit des Abgeordnetenhauses entschieden. Wir haben unsere Schwerpunkte noch einmal dargestellt. Was wir wollen, ist gut für Berlin. – Danke schön!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Vielen Dank! – Das Wort für die CDU-Fraktion hat Herr Abgeordneter Steuer. – Bitte!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die erste Legislaturperiode von Rot-Rot stand im Bildungsbereich unter der Überschrift „Eine Priorität für die Bildung“. Die Priorität, die wir fünf Jahre lang erlebt haben, war eine, die sich gewaschen hatte. Die Vorschulen wurden abgeschafft, 100 Jugendeinrichtungen geschlossen, die Jugendhilfe wurde um 40 Prozent gekürzt, die Lottomittel für Jugend- und Bildungsarbeit sanken und wurden nicht ersetzt. Das Stundendeputat für Lehrer wurde erhöht, die Kostenerstattung für die freien Schulen reduziert, die Lehrmittelfreiheit wurde abgeschafft und das Kitapersonal gekürzt. So sah Ihre Priorität Bildung aus, das war Ihre Bilanz. Allein im Jahr 2006 sank der Bildungshaushalt um drei Prozent. Von einer Priorität Bildung konnte keine Rede sein.

An allen Ecken und Enden des Berliner Schulsystems kracht es deshalb nach wie vor. Eine unmotivierte Bildungspolitik, Kürzungen, im Schweinsgalopp durchgeführte Reformen, die nicht richtig vorbereitet waren, haben die Schulen demotiviert, Lehrer und Eltern häufig hilflos zurückgelassen. Daraufhin musste der ungeliebte Oberlehrer, Bildungssenator Böger, gehen. Viel versprachen sich die Berlinerinnen und Berliner von dem MainzImport Prof. Zöllner. Viele freuten sich über die ruhige Hand des neuen Senators. Doch dann begann sich die

Sorge einzuschleichen, die Hand könnte gelegentlich einschlafen. Angesichts der massiven Probleme an den rund 800 Schulen in Berlin schien den Senator die Lust zu verlassen. So sinnierte er viel, setzte Arbeitsgruppen ein und bereitete offenbar im stillen Kämmerlein seinen Masterplan für sein Lieblingsthema, die Wissenschaftspolitik, vor. Nichts sagte er hingegen zu einer Stärkung der Schulen.

[Özcan Mutlu (Grüne) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]

Sie aber brauchten einen Masterplan dringender denn je. 600 000 Stunden Unterrichtsausfall, eine Verfünffachung der Gewaltmeldungen in sechs Jahren, eine Zunahme des Schulschwänzens, keine Reduzierung der Zahl der dauerkranken Lehrer. 60 Prozent der Schulen, die die flexible Anfangsphase nicht wollen, werden weiter dazu gezwungen. Das Durchschnittsalter der Berliner Lehrer beträgt 49 Jahre und steigt ständig. Junge Kollegen suchen Sie in den Berliner Schulen leider vergeblich, denn die meisten in der Stadt ausgebildeten Lehrer gehen in andere Bundesländer. Sie werden von der Senatsverwaltung schlecht behandelt, schlecht bezahlt, und sie verweigert sich weiter dem berechtigten Wunsch nach einem fairen Tarifvertrag.

Herr Kollege Steuer! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Mutlu von den Grünen?