Protocol of the Session on July 5, 2007

[Beifall bei der SPD]

Danke schön, Herr Senator! – Wegen Zeitablauf hat damit die Spontane Fragestunde ihr Ende gefunden.

Ich rufe nun auf

lfd. Nr. 3:

Aktuelle Stunde

Bildungssenator Zöllner übt sich in Ankündigungsakrobatik bei den Unis und vernachlässigt Berliner Schulen

Antrag der Grünen

in Verbindung mit

lfd. Nr. 24:

Beschlussempfehlung

Qualität der sonderpädagogischen Lehrerausbildung sichern

Beschlussempfehlung WissForsch Drs 16/0660 Antrag der CDU Drs 16/0241

Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu zehn Minuten zur Verfügung, die auf zwei Redner aufgeteilt werden kann. Es beginnt der Kollege Mutlu von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. – Bitte schön!

Meine Damen und Herren! Ich möchte kurz wiederholen, was meine Kollegin bei der Begründung unseres Antrags für die Aktuelle Stunde gesagt hat:

[Stefan Liebich (Linksfraktion): Reine Zeitverschwendung!]

Nach dem Sparwahn der vergangenen Jahre begrüßen wir – das betone ich – jeden zusätzlichen Euro, der in Wissenschaft und Forschung investiert wird.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Das sage ich, um Missverständnissen vorzubeugen. Wir hoffen, dass den blumigen Ankündigungen des Supersenators auch Aktivitäten folgen. „Zur Abwechslung soll uns die rot-rote Regierung mal mit Taten überraschen“, hat sie gesagt. Aber der Supersenator ist nicht nur für Wissenschaft und Forschung, sondern auch für andere Bereiche zuständig. Wenn wir uns diese anderen Bereiche anschauen, dann wären da die Schulpolitik, die frühkindliche Bildung, die Familien- und die Jugendpolitik.

Ich beginne mit der Bildungspolitik. Rechnerisch haben wir laut Schulsenat genug Fachlehrer. Tatsächlich fehlen an etlichen Schulen die Fachkräfte. Im vergangenen Schuljahr mussten z. B. 24 Prozent des Musikunterrichts fachfremd vertreten werden. Rechnerisch müssten keine Stunden ausfallen. Tatsächlich fallen etwa 11 Prozent des Unterrichts aus, wovon 8 Prozent fremdvertreten bzw. überhaupt nicht vertreten werden. Neuerdings müssen sogar Schülerinnen und Schüler den Unterricht vertreten, so geschehen am Paulsen-Gymnasium in Steglitz. Rechnerisch gibt es genügend Vertretungskräfte. Tatsächlich haben wir über 990 dauerkranke Lehrerinnen und Lehrer, von denen die meisten sogar gern arbeiten würden, nur nicht vor der Tafel und vor den Schülern. Aber sie dürfen nicht. Die Lehrerinnen und Lehrer, die Anfang des Jahres zur Bekämpfung des Unterrichtsausfalls eingestellt wurden, dürfen nächste Woche zum Schuljahresende bye-bye sagen, weil ihre Verträge nicht verlängert wurden. Daran ändert auch das heutige Lehrer-Casting nichts.

Rechnerisch stehen den Schulen zum kommenden Schuljahr etwa 900 neue Lehrerstellen zur Verfügung, so zu lesen in der Presseerklärung des Senators von vergangener Woche. Tatsächlich handelt es sich hier um eine sehr interessante und komische Art der Lehrkräfteberechnung. Über 700 Stellen gehen für Aufstockung sowie Vertretungskräfte drauf, die im Rahmen der Budgetierung den Schulen übertragen werden sollen. Diese werden als Neueinstellungen definiert. Das ist für mich eine komische Art der Definition.

[Beifall bei den Grünen – Dr. Felicitas Tesch (SPD): Hauptsache, sie sind da!]

Liebe Frau Tesch! Die sind jetzt schon da, das ist nichts Neues! Das ist das, was ich kritisiere! – Rechnerisch sollen die Schulen 3 Prozent Vertretungsmittel in die Hand bekommen. Tatsächlich standen den Schulen bisher 5 Prozent als Vertretungsmittel zur Verfügung. Woher sollen die Lehrerinnen und Lehrer kommen, woher sollen die Schulen sie nehmen, wenn der Lehrerarbeitsmarkt in Berlin durch eine desaströse Personalpolitik nahezu leergefegt ist und Lehrerinnen und Lehrer aufgrund attrakti

ver Angebote aus anderen Bundesländern längst über alle Berge sind?

Lehrerinnen und Lehrer sind keine Unterrichtsmodule, die beliebig aus- und wieder eingestöpselt werden können. Kontinuität, Verlässlichkeit und persönliche Bindungen sind Eckpfeiler einer erfolgreichen Pädagogik, und das muss auch und vor allem in Zeiten knapper Kassen gelten. Dieses sehen wir bei diesem Senat leider nicht. Es muss sichergestellt werden, dass allen Berliner Schulen eine Personalausstattung zur Verfügung steht, die einen qualitativ guten Unterricht ermöglicht. Der Eiertanz um die Personalausstattung im Schulbereich muss im Interesse unserer Kinder durch tatsächliche Neueinstellungen von Lehrern und eine Grundausstattung von mindestens 102 Prozent beendet werden.

[Beifall bei den Grünen]

Wir wissen heute, dass 100 Prozent nicht ausreichen und auch die 5 Prozent Vertretungsmittel nicht ausgereicht haben. Ergo werden die 100 plus 3 Prozent, die der Senat beabsichtigt, auch nicht ausreichen.

Die Realität vor Ort in den Schulen schreit nach Reformen und Unterstützung durch die zuständigen Behörden. Seit Montag habe ich diesen Stapel Briefe erhalten.

Herr Kollege! Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Tesch?

Nein, Herr Präsident! – Diese Briefe habe ich von Eltern, von Schülern, von Personalräten und von Lehrerinnen und Lehrern bekommen. Es sind Protestschreiben, die wichtig sind und ernst genommen werden müssen. Sie spiegeln die Realität des Berliner Schulalltags wider. Ich nenne Ihnen einige Beispiele aus diesen Briefen. Da wäre die Heinrich-Zille-Grundschule, die aus allen Nähten platzt und deren Schulstation gegen jede pädagogische Vernunft kaputtgespart wird. Da gibt es die Nürtingen-Grundschule, die sich mit Montessori-Pädagogik um eine bessere Bildung in einem sozial benachteiligten Gebiet engagiert, aber keine Montessori-Lehrerinnen oder Lehrer bekommt. Da wäre die Lina-Morgenstern-Gesamtschule, eine der erfolgreichen Oberschulen im Bereich der Integration von Kindern mit Behinderungen, die ihre Arbeit im Integrationsbereich einstellen muss, weil ihr die Stunden für den sonderpädagogischen Förderbedarf in massiver Weise gekürzt werden. Über die Situation in Pankow möchte ich nicht erneut etwas sagen, darüber haben wir oft genug gesprochen.

[Zuruf von Mieke Senftleben (FDP)]

Zusammengefasst heißt das: Eine unzureichende Ausstattung in der Schulanfangsphase, katastrophale räumliche Situationen an vielen Grundschulen, die dieser Senat einfach nicht wahrnehmen möchte, eine katastrophale Aus

stattung mit Erziehern an sonderpädagogischen Förderzentren, die Deckelung der Lehrerstunden für Integration und für die gemeinsame Erziehung trotz eines Vorrangs im Schulgesetz.

Herr Kollege! Es gibt noch einen Wunsch nach einer Zwischenfrage von Frau Senftleben.

[Dr. Felicitas Tesch (SPD): Die darf, das ist ungerecht! – Heiterkeit – Christian Gaebler (SPD): Das ist Diskriminierung übelster Sorte!]

Bitte schön, Frau Senftleben!

Vielen Dank! – Herr Kollege! Da Sie gerade die Mängel aufzählen: Wie sehen Sie das Problem der Gründung der evangelischen Schule in Kreuzberg? Wie stehen Sie dazu?

Vielen Dank für die Frage, ich weiß, worauf Sie abzielen. – Wir haben dort eine grüne Stadträtin, die aktiv mit den Beteiligten vor Ort im Gespräch ist, und ich bin zuversichtlich, dass wir dort bald eine Lösung finden. Warten Sie ab!

[Beifall bei den Grünen – Stefan Liebich (Linksfraktion): Wo die Grünen regieren, geht nichts schief!]

Herr Kollege! Es gibt einen weiteren Wunsch nach einer Zwischenfrage, dieses Mal von Herrn Zackenfels.

Nein, das lehne ich ab, er wird wieder eine polemische Frage stellen, auf die kann ich verzichten.

[Beifall bei den Grünen]

Wie ich vorhin erfahren habe, fängt das neue Schuljahr mit einem Streik an – rosige Zustände sind das nicht. Es ist längst Zeit zu handeln, Herr Zöllner, fangen Sie damit an!

[Beifall bei den Grünen]

Diese Aufzählung kann problemlos fortgeführt werden. Ich bin es aber leid, diese Probleme immer wieder zu wiederholen. Daher fordere ich Sie auf: Überraschen Sie uns zur Abwechslung mit Taten, Taten, die zu Verbesserungen vor Ort in den Schulen und Kitas führen.

Nun zur Gemeinschaftsschule. Wir sind für die Gemeinschaftsschule und für mehr individuelle Förderung.

[Stefan Liebich (Linksfraktion): Das glaubt euch doch keiner! – Zuruf von Mieke Senftleben (FDP)]

An dieser Position hat sich nichts geändert, und daran wird sich auch nichts ändern, egal, wie oft die PDS das Gegenteil in der Öffentlichkeit verlauten lässt.

Herr Kollege! Es gibt wieder einen Wunsch nach einer Zwischenfrage!

Herr Präsident! Bitte keine weiteren Zwischenfragen!