Sehr geehrter Herr Kollege Steuer! Wie beurteilen Sie denn, wenn Sie sich die Senatsbänke ansehen, die Priorität Bildung bei Rot-Rot?
Herr Kollege Mutlu! Wenn der Bildungssenator mit voller Kraft für dieses Thema eintreten würde, würde ich auch darauf vertrauen, dass er das gegenüber seinen Kollegen durchsetzen kann. Ich finde beides bemerkenswert: erstens, dass die Bänke so leer sind; zweitens, dass der Senator nicht mit voller Kraft in der Bildungspolitik agiert.
[Christian Gaebler (SPD): Die CDU ist ja auch nicht mit voller Kraft da! – Zuruf von Stefan Liebich (Linksfraktion)]
Sie demotivieren mit Ihrer Politik die Lehrer, von denen sie gleichzeitig immer mehr erwarten. So, Herr Senator Zöllner, kann man mit den Lehrern in Berlin nicht umgehen!
Sie haben noch ein Problem, denn in Berlin gehen so wenige Schüler auf die Hauptschule wie in keinem anderen Bundesland. Kaum ein Schüler in Berlin geht freiwillig dorthin. Es herrscht dort Mut- und Perspektivlosigkeit. Was ist Ihre Antwort auf die Probleme der Hauptschulen? – Es gibt keine. Sie wollen Ihre zwölf Gemeinschaftsschulen mit zusätzlich 22 Millionen € ausstatten und sonst alles so lassen, wie es ist. Aber ich muss Ihnen sagen, so geht es nicht!
Das war Ihre Antwort in einer Sitzung des Bildungsausschusses. Herr Albers, da sagte Herr Zöllner auf meine Frage, was er tun wolle, um die Situation der Hauptschüler zu verbessern: Nichts, bis das Gemeinschaftsschulprojekt ausgewertet ist. – Das heißt, fünf Jahre lang soll hier nichts passieren. Ich sage Ihnen eines ganz deutlich: Auch die 9 Prozent Hauptschüler, Herr Prof. Zöllner, haben das Recht auf gute Bildung.
Nun haben einige Ihrer Arbeitsgruppen erste Ergebnisse vorgestellt. Sie übernehmen offensichtlich diese Ergebnisse unverändert und unkommentiert, beispielsweise 18 Maßnahmen für weniger Bürokratie an den Berliner Schulen. Eine Maßnahme davon ist das Abschaffen der Vergleichsarbeiten in der 4. Klasse. Eigentlich sollen mit den Vergleichsarbeiten einheitliche Standards garantiert werden. Hier geht es um Qualitätssicherung in der Berliner Schule und nicht um überflüssige Bürokratie. Es ist falsch, Vergleichsarbeiten abzuschaffen, wenn gleichzeitig noch sinnlose bürokratische Maßnahmen aufrechterhalten bleiben.
Die neueste Nachricht lautet nun, dass 160 Erzieherinnen und Erzieher aus den Kitas abgezogen und in die Schulhorte geschickt werden sollen. Herr Zöllner! Sind Sie wirklich der Meinung, dass es zu viele Erzieherinnen und Erzieher in den Berliner Kitas gibt? Ich glaube nicht, dass das Ihre Meinung sein kann, und ich glaube nicht, dass jemand diese Meinung teilt. Nein, die Kinder brauchen Betreuungskontinuität, Sie brauchen die Erzieherinnen und Erzieher. In Wirklichkeit sind die Kitas schlecht ausgestattet, woran auch Ihre planwirtschaftlichen KitaEigenbetriebe nichts geändert haben, und die Schulhorte sind schlecht ausgestattet. Das ist die Realität in Berlin.
Sie haben nur – oder immerhin – einen Masterplan für die Hochschulen vorgelegt. Offensichtlich haben Sie nur einen Kleckerplan für die Schulen und die Kitas. So geht es nicht! Schüler, Eltern und Lehrer können sich Kleckern nicht länger leisten. Zu einer guten Hochschulbildung gehört zuvor eine gute Schulbildung. Dazu gehört ein Senator, der sich kümmert, der motiviert ist und der für den gesamten Bildungsbereich mit ganzer Kraft arbeitet.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Senator Zöllner hat einen Masterplan „Wissen schafft – Berlins Zukunft“ vorgelegt, wofür er viel Anerkennung bekommen hat. Der Masterplan sieht erhebliche Investitionen in den wichtigsten Rohstoff für die Zukunft unserer Stadt vor. Das Ziel ist so ehrgeizig wie richtig: Weltspitze. Dadurch wird ein wichtiges Signal gesetzt, dass Berlin es ernst meint beim Ausbau seines Potenzials als Metropole von Wissenschaft und Forschung. Das ist wichtig für die wirtschaftliche Perspektive und die Attraktivität Berlins. Für uns bedeutet Exzellenz einer Hochschule nicht nur Spitzenforschung, sondern es geht auch um die Qualität der Lehre. Insofern ist auch hier vieles zu leisten.
Mit den Vorschlägen zur Juniorprofessur hat der Senator eine Richtung gewiesen. Mehr Studienplätze sind der richtige Weg. Damit kein Zweifel aufkommt: Wir bleiben dabei, mit uns wird es keine Studiengebühren geben.
Ein wenig putzig ist der Vorwurf der Grünen, es würde sich dabei um Ankündigungen handeln. Natürlich handelt es sich um Ankündigungen, es kann gar nicht anders sein. Der Senat legt einen Haushaltsentwurf vor, das Parlament entscheidet darüber, das werden Sie ja wohl nicht ändern wollen!
Die Grünen verfahren in der Aktuellen Stunde nach dem Motto: Der Senat wird für seine Äpfel gelobt, also reden wir über Birnen, über die vermeintlich so schlimme Schulpolitik des Senats. Ich will mich auf die Logik dieses Spiels nicht einlassen und hier nur über Wissenschaft und Forschung sprechen. Erstens finde ich dieses Regierung-Opposition-Ritual einigermaßen ermüdend und wenig aufklärerisch,
zweitens ist der Masterplan ein wichtiger Schritt, aber eben nur einer. Wir müssen den gesamten Bildungs- und Wissensbereich im Blick haben, von der frühkindlichen Bildung über die Schule, über Ausbildung und Studium bis hin zur exzellenten Forschung. Die Koalition setzt hier Schwerpunkte: vom kostenfreien, zunächst letzten Kitajahr über Mehreinstellungen in der Schule, über die Pilotphase in der Gemeinschaftsschule bis hin zur Forschung. Drittens ist das von den Grünen gezeichnete Bild falsch, die Schulen würden zugunsten der Hochschulen vernachlässigt. Wer dies sagt, braucht einen gehörigen oppositionellen Tunnelblick,
Wir nehmen das ernst. Wir nehmen auch die Schwierigkeiten ernst. Senat und Koalition arbeiten daran, die Bedingungen zu verbessern. Ja, Kollege Mutlu, wir verbessern die Ausstattung der Berliner Schulen! Ihre Rechenakrobatik ist schlicht nicht richtig.
[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Özcan Mutlu (Grüne): Das hören wir seit sechs Jahren!]
Wenn man die Zahlen gegeneinander rechnet, erkennt man, dass das, was Sie sagen, nicht stimmt. Wir verbessern sowohl relativ als auch absolut die Ausstattung an den Berliner Schulen – und das bei sinkenden Schülerzahlen.
[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): Özcan, das PISA-Opfer!]
Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch die Entscheidung, im Haushaltsplanentwurf die Sozialarbeiter an Haupt- und Sonderschulen ab 2008 abzusichern. Ab dem Jahr 2009 gilt dies auch für Grund- und Berufsschulen, in der Perspektive ab den Jahren 2010 und 2011 auch für die anderen Schulen.
Damit diese wichtigen Entscheidungen nicht konterkariert werden, werden wir es nicht akzeptieren, dass durch die Begrenzung der Stunden für die Integration von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf faktisch Verschlechterungen an vielen Schulen ausgelöst werden. Hier gibt es Nachbesserungsbedarf im Interesse der Kinder und im Übrigen auch im Interesse der Kenntlichkeit der Schwerpunktsetzung in der Koalition.
Wir werden auch für diejenigen Kinder an gebundenen Ganztagsschulen, die nicht am Essen teilnehmen können, eine Lösung finden.
Ein weiterer Punkt ist wichtig: Wir verbessern die Schulorganisation. Hier gibt es ein zentrales Problem. Wir können es uns angesichts der Aufgaben nicht mehr leisten, Zeit, Kraft und Geld durch Bürokratie und schlechte Organisation zu verschleudern.
Aber auch das wird angepackt. Nicht die Verwaltung aus eigenem Saft macht Vorschläge, es entscheidet auch nicht die Politik vom grünen Tisch aus, sondern es werden Fachleute von außen, Praktiker aus der Berliner Schule
gefragt. Seit Montag liegen Ergebnisse der Arbeitsgruppe Entbürokratisierung vor, Herr Steuer hat interessanterweise wenigstens wahrgenommen, dass sich etwas ändert. Die 30 Stunden, die hier an Potenzial für mehr Förderung sind, diese 30 Arbeitsstunden müssen wir schnellstmöglich nutzbar machen. Seit heute liegen die Ergebnisse der Arbeitsgruppe Lehrerbedarfsplanung vor. Sie hat die Aufgabe, das jährliche Hickhack bei der Bedarfsplanung zu überwinden. Die Arbeitsgruppe hat jetzt Vorschläge gemacht, die für mehr Planungssicherheit sorgen können. Wir müssen sie prüfen und anschließend schnellstmöglich umsetzen.
Berlin geht voran bei der Gemeinschaftsschule. Das ist wichtig, denn hier geht es um die Zukunftsfähigkeit der Berliner Schule. Das dreigliedrige Schulsystem ist extrem ungerecht. Es reproduziert soziale Benachteiligung, es benachteiligt insbesondere Kinder mit Migrationshintergrund. Das ist keine linke ideologische Erfindung, sondern wird uns von EU-Kommission, OECD und UNO ins Stammbuch geschrieben. Das dreigliedrige Schulsystem liefert nicht die Ergebnisse, die wir für eine wirtschaftliche Perspektive gerade in einer Stadt wie Berlin brauchen. Alles redet vom Fachkräftemangel – wir haben ihn tatsächlich –, und unsere Schulen führen viel zu wenig Schülerinnen und Schüler zum Abitur. Mit einer Abiturientenquote von 30 bis 40 Prozent werden wir den Fachkräftemangel aber nicht beheben können. Israel, Irland, Schweden und Polen haben Abiturientenquoten von 80 bis 90 Prozent. Dahin müssen wir auch kommen. Das können aber unsere Gymnasien gar nicht allein lösen.
[Beifall bei der Linksfraktion – Beifall bei der SPD – Beifall von Dirk Behrendt (Grüne) und Anja Schillhaneck (Grüne)]
Wir brauchen eine Gemeinschaftsschule, weil wir mehr Gerechtigkeit und mehr Qualität brauchen. Mit der Pilotphase wird es immer konkreter, wir kommen voran. Die Rahmenbedingungen für die Interessensbekundungen sind formuliert. Bei der KMK ist die Anerkennung der Abschlüsse für die Pilotphase inzwischen gesichert. 65 Schulen haben Ihr Interesse bekundet.
Das ist viel mehr, als alle erwartet haben. Geben Sie es offen zu, das ist auch mehr, als Sie erwartet haben. Erst gestern sind die interessierten Schulen zum ersten Mal auf einer Tagung zusammengekommen. Ich sage Ihnen: Das
war eine ermutigende Veranstaltung. Da wollen sich Schulen auf den Weg machen, um die Qualität zu verbessern und die Probleme zu überwinden. Ja, es haben sich bisher keine Gymnasien gemeldet. Das ist schade, aber auch nicht allzu überraschend. Das bedeutet doch nicht, dass die Pilotphase scheitert. Hier geht es darum, dass wir in der Pilotphase eine Perspektive für gemeinsames Lernen von der Schuleingangsphase bis zur 10. Klasse oder bis zum Abitur eröffnen.