Mit dem Bericht Drucksache 15/4417 haben wir uns einen Überblick über die Aktivitäten des Senats zur Bekämpfung von Zwangsverheiratungen verschafft. Im Vergleich zu den anderen Bundesländern – mit Ausnahme von Baden-Württemberg – sind wir weit gekommen, auch wenn der Bericht nicht den Auftrag einlöst, ein Konzept gegen Zwangsverheiratung vorzulegen. Es ist ganz im Interesse der Betroffenen, an die Arbeitszusammenhänge des Berliner Interventionsprojektes gegen häusliche Gewalt – BIG – des Arbeitskreises Zwangsverheiratung und der Fachkommission Frauenhandel anzuknüpfen. Schritt für Schritt kann es uns gelingen, die Probleme zielführend zu identifizieren und neue Schutzmöglichkeiten zu entwickeln.
Dass es aber keinen Grund gibt, sich entspannt zurückzulehnen, beweist die gestrige Beratung im Frauenausschuss. Ich verstehe nicht, warum Rundschreiben zum KJHG in der Verwaltungsmühle stecken bleiben. Ich verstehe auch nicht, warum die angekündigten Weisungen zum erweiterten Rückkehrrecht von Frauen noch nicht auf den Weg gebracht wurden.
Offen ist auch die Frage, ob und inwieweit Angebote zu Fortbildung in der Ausländerbehörde laufen. Der Senat muss die angekündigten Maßnahmen konsequent durchsetzen und ein langfristig angelegtes Konzept in den Aktionsplan gegen häusliche Gewalt implementieren.
Zum Schluss gestatten Sie mir noch den Hinweis, dass das Problem von Zwangsverheiratung einer besonderen, sensiblen und differenzierten Betrachtungsweise bedarf. Es ist kontraproduktiv, wenn Migrantinnen immer nur als Problemfälle oder Opfer wahrgenommen werden. Ich selbst stehe für die selbstbewusste junge Generation von Frauen, die die unterschiedlichen Kulturen und Orientierungen nicht als Konfliktpotential ansieht, sondern als Erweiterung ihres Horizonts und ihrer Kompetenzen. Das war auch der Grund für meine Initiative, gemeinsamen mit bekannten emanzipierten Migrantinnen mit einer Erklärung gegen Zwangsehen und Unterdrückung im Namen der Ehre zum „Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen“ an die Öffentlichkeit zu gehen. – Danke!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Position der Grünen zur Bekämpfung der Zwangsverheiratung besteht aus drei Elementen: An erster Stelle steht der Schutz der Opfer. Zweitens geht es um Prävention und Aufklärung und drittens um die Bestrafung der Täter. Weil der Beschluss des Abgeordnetenhauses alle drei Elemente enthalten hat, haben wir ihm auch zugestimmt. Unser eigener Antrag ist darin eingegangen, und wir haben diesen Beschluss unterstützt.
Nachdem dies nun nahezu ein Jahr her ist, muss ich jedoch feststellen, dass die Umsetzung des Beschlusses zu wünschen übrig lässt, insbesondere was die Aktivitäten der Innenverwaltung und der Ausländerbehörde anbelangt. Das veranlasst uns als Fraktion der Grünen, hier nicht locker zu lassen.
Auch bedauern wir, dass die Berliner Bundesratsinitiative gescheitert ist – insbesondere die Regelungen zum Aufenthaltsrecht –, und zwar an der CDU-Mehrheit im Bundesrat gescheitert ist. Das muss deutlich gesagt werden. Was übrigens Baden-Württemberg betrifft, liebe Frau Senftleben, scheitert dies dort auch an der CDU.
Da sind wir uns doch einig. Die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat haben sich nicht geändert, deshalb ist es nicht sinnvoll, noch einmal solche Bundesratsinitiative zu starten.
Ich muss aber auch Ihnen, Frau Schubert und Frau Neumann, Folgendes sagen: Die Berliner Grünen haben sich nach langer Debatte zu diesem eigenen Straftatbestand durchgerungen. Sie tun allerdings so, als würde das Eingehen einer Zwangsehe momentan nicht unter Strafe stehen. Mir ist es wichtig, zu sagen, dass dies nicht der Fall ist. Der Zwang zur Eingehung einer Ehe ist ein besonders schwerer Fall von Nötigung und kann auch heute mit einer Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren bestraft werden.
Frau Schubert, Sie sagen, Sie hätten sich in den Koalitionsverhandlungen sehr dafür eingesetzt, dass Stalking – darüber werden wir sicher noch einmal reden – und Zwangsverheiratung als eigener Straftatbestand aufgenommen werden. Richtig, beides steht im Koalitionsvertrag. Sie haben dies unterbekommen, aber explizit nicht enthalten sind die aufenthaltsrechtlichen Regelungen.
Ich habe noch einmal nachgeschaut, und dort steht, es sollen alle Instrumente geprüft werden. Das ist richtig. Aber es steht explizit nicht drin, dass das beste Mittel gegen die potentiellen Täter ein verbesserter Schutz der Opfer ist und dass zum verbesserten Schutz der Opfer auch ein besseres Rückkehrrecht gehört und ein besserer eigenständiger Aufenthaltsstatus. Dies ist im Koalitionsvertrag nicht enthalten, Frau Schubert, aber wir werden abwarten, wie dies konkret aussehen wird. Ich bin jedoch pessimistisch in der Frage, ob Sie dies mit Ihrem Koalitionspartner im Bund durchbekommen werden und wundere mich, wo Sie Ihren Optimismus hernehmen. Auch mit Blick auf unseren Innensenator hält sich mein Optimismus in diesen Fragen in Grenzen, doch dazu komme ich gleich.
Es geht nicht um ideologische Debatten, sondern die Verbesserungen im Aufenthaltsrecht wären wirklich wichtig für das Rückkehrrecht ins Ausland zwangsverheirateter Frauen. Das bisher bestehende Rückkehrrecht von 6 Monaten ist uns zu wenig. Wichtig wären diese Verbesserungen aber auch für in Deutschland Zwangsverheiratete, die unserer Ansicht nach sofort nach Auflösung der Ehe ein eigenständiges Aufenthaltsrecht benötigen. Dies müsste im Übrigen – diese Gruppe kommt mir bei den Debatten oft zu kurz – auch für Frauen, die nur eine Duldung besitzen, gelten. Die Rechte der Frauen zu stärken, ist die allerbeste Prävention und der beste Opferschutz.
Was hat nun der Senat in seiner unendlichen Güte und Weisheit mit dem Beschluss des Abgeordnetenhauses getan? – Er hat unseren Auftrag, durch eine Weisung der Innenverwaltung sicherzustellen, dass Zwangsverheiratung ein eigenständiges Aufenthaltsrecht begründet, bis heute ignoriert. Ich wollte es gestern im Ausschuss nicht glauben, dass die Weisung, die auf den Internetseiten nicht nur von BIG steht und die noch gültig ist, jene von Herrn Dr. Kuno Böse – CDU – aus dem Jahr 1997 ist. Da gab es noch gar kein Aufenthaltsgesetz. Da gab es noch keine Verkürzung dieser Frist auf einen eigenständigen Aufenthaltsstatus von 2 Jahren. Ich benutze den Begriff nicht so oft, aber ich finde es einen Skandal, wie Sie diesen Beschluss des Abgeordnetenhauses ignorieren. Deswegen haben wir heute noch einmal einen Antrag einge
Die ist um, obwohl man zu diesem Thema noch viel zu sagen hätte, auch was die Fortbildung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Ausländerbehörde, aber nicht nur der Ausländerbehörde betrifft. Auch was die Zurverfügungstellung von Schutzeinrichtungen betrifft, ist die Lage unbefriedigend. Diese Debatte haben wir immer, liebe Frau Baba, ob die Plätze ausreichen oder nicht.
Abschließender Satz: Machen Sie eine Bedarfsanalyse und sagen Sie, wie viele Plätze in Berlin benötigt werden! Ich sage: Solange es mehrmals Aufnahmestopps in Berliner Frauenhäusern gibt – und die gab es in diesem Jahr –, hat es den Anschein, dass der Bedarf noch nicht gedeckt ist. Und das ist ein Zustand, den wir als Grüne nicht akzeptieren können.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Thema Zwangsheirat steht nicht zum ersten Mal auf der Tagesordnung, und das ist auch gut so. Wir haben uns gestern im Ausschuss ausführlich darüber unterhalten, und wir waren uns einig: Zwangsheirat ist eine Menschenrechtsverletzung und nicht tolerabel.
Der vorliegende Senatsbericht beschreibt nun den Fortgang des Parlamentsbeschlusses, der auf dem Antrag der FDP-Fraktion beruht, und zwar: Bundesratsinitiative gegen Zwangsheirat unterstützen, Aufenthaltsgesetz ändern. – Es hat mich sehr gefreut, dass auf Grund unseres Ursprungsantrags vom Oktober 2004 – und das war noch vor dem Mord an Hatun Sürücü – die parlamentarische Maschinerie in Berlin in Gang gesetzt wurde. Da gab es eine konstruktive Anhörung im Ausschuss, dann den Maßnahmenkatalog von Ihnen, Frau Dr. Klotz, von den Grünen, unseren Antrag zur Änderung des Aufenthaltsrechts und last but not least den Änderungsvorschlag von Rot-Rot im März 2005. Allen Fraktionen war es durchaus wichtig, Lösungen zu finden, um den betroffenen Frauen zu helfen.
Lassen Sie mich an dieser Stelle eines sagen: Ich will der baden-württembergischen ehemaligen Justizministerin, Frau Werwigk-Hertneck, ausdrücklich danken, die diesbezüglich vorausgedacht und diesen Gesetzentwurf initiiert hat. Das möchte ich hier deutlich sagen.
Frau Dr. Klotz, natürlich haben Sie Recht, auch die FDP in Baden-Württemberg wollte mehr zum Thema Aufent
haltsrecht. Das ist völlig richtig. Das war ein Kompromiss. Es ist trotzdem nicht zu unterschätzen, dass hier etwas in Gang gesetzt wurde. Wir haben als FDP-Fraktion dieses aufgegriffen, und wir haben Sie aufgemuntert, dass wir uns gemeinsam aktiv dieser Debatte stellen.
Wir brauchen eine Gesetzesänderung, die konkret regelt, was demjenigen droht, der Menschenrechte und das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben missachtet. Wir brauchen außerdem konkrete Regelungen, die das Schicksal der Frauen nicht nur lindern, sondern den Frauen die Möglichkeit bietet, sich aus Zwangsehen zu lösen, ohne zivil- oder ausländerrechtliche Nachteile zu haben.
Nun hat der Bundesrat dem Vorstoß BadenWürttembergs im Juli dieses Jahres zugestimmt und dabei auch zwei Änderungen aus Berlin übernommen: die Schaffung eines eigenen Straftatbestands und die weitreichenden Regelungen im Bereich des Familien- und Erbrechts. Das sind wichtige Schritte auf dem Weg zur Verhinderung weiterer Zwangsehen. Der Bundesrat ist uns aber nicht weit genug gegangen. Aus unserer Sicht wäre die Übernahme der Berliner Vorschläge zur Änderung des Aufenthaltsgesetzes zwingend notwendig gewesen. Wir bedauern es deswegen außerordentlich – jetzt richte ich mein Wort an die CDU –, dass Ihre Partei, Ihre Fraktion diese Änderungen im Bundesrat verhindert hat. Offensichtlich hat die Union das Problem in der wirklichen Komplexität nicht verstanden. Ich habe eine Bitte an Sie, meine Damen und Herren von der Union und insbesondere an Sie, Herr Wilke: Ich fand es gut und richtig, dass Sie unseren Anträgen in Berlin zugestimmt haben. Sie haben offensichtlich verstanden, dass sich in dieser Großstadt etwas anderes abspielt, und ich bitte Sie, diese Erkenntnisse an die Bundes-CDU weiterzugeben, so dass sie dann die entsprechenden Änderungen durchführen können.
Die Vermeidung ausländerrechtlicher Nachteile ist aus unserer Sicht enorm wichtig, um Frauen ein reelles Ausstiegsszenario anzubieten. So bleibt es oftmals bei der schweren Entscheidung, verheiratet zu bleiben oder aber in das Heimatland zurück zu müssen, wo möglicherweise Repressalien drohen. Hier ist die Zwangssituation nach wie vor gegeben. Das wollen wir nicht. Deshalb haben wir damals Änderungsvorschläge vorgelegt. Deshalb unterstützen wir auch Ihr Bestreben, Frau Senatorin, auf bundesweite Verwaltungsvorschriften zu drängen.
Bis wir allerdings zu den Neuregelungen kommen, Herr Dr. Körting, fordere ich den Senat und explizit Sie dazu auf, die Möglichkeiten im Rahmen der Härtefallregelungen zu nutzen, um Frauen, die sich aus einer Zwangsheirat lösen wollen, den Verbleib in Deutschland zu ermöglichen. Das ist ein Appell an Sie, Herr Dr. Körting, und an Ihre Ausländerbehörde.
Hoffentlich wird das im Bundesrat beschlossene Gesetz nun auch vom Bundestag positiv beschieden. SPD und Union haben den Begriff Zwangsheirat erstmalig im
Koalitionsvertrag dokumentiert. Das Problem taucht auf, das finde ich gut. Allerdings: Straftatbestand ja, aber es ist eine nebulöse Aussage, was die Rechtsstellung der Frauen angeht. Es fehlt an konkreten Zusagen zu Änderungen im Zivilrecht, noch mehr fehlt eine Aussage zum Aufenthaltsrecht. – Bitte, Frau Schubert, Sie sind dran!
Nun lassen Sie mich noch zu den Anträgen etwas sagen. Dem dringlichen Antrag der Grünen können wir zustimmen, Frau Dr. Klotz. Auch ich habe mich gestern in der Sitzung geärgert. Auf der anderen Seite verstehe ich es so, dass hier demnächst das Ganze aktiv angegangen werden soll. Trotzdem stimmen wir Ihrem Antrag zu. – Allerdings, Frau Neumann, Sie haben es eben so schön gesagt, brauchen wir einen umfassenden Ansatz. Genau das ist der Fall. Wir haben jetzt mit unserem Änderungsantrag einen umfassenden Antrag vorgelegt, zum einen das, was die Grünen richtigerweise sagen, aber wir wollen, dass das Aufenthaltsrecht so geändert wird, dass die Frauen unabhängig vom politischen Goodwill ihre Rechte und das Aufenthaltsrecht in Anspruch nehmen können.
Die Kurzintervention richtet sich vor allem an Frau Senftleben, aber auch ein Stück weit an Frau Dr. Klotz. – Herr Senator Körting hat vorhin bei der Beantwortung einer Mündlichen Anfrage zu diesem Thema ausgeführt, dass sich die Innenministerkonferenz grundsätzlich einig ist, auch im Aufenthaltsrecht Änderungen vorzunehmen. Was heißt denn das, wenn sich eine Innenministerkonferenz grundsätzlich einig ist? – Dazu gehören natürlich auch die Innenminister der Union.
Insofern dokumentiert die CDU, dass sie bundesweit willens und in der Lage ist, das Aufenthaltsrecht entsprechend, aber auch sinnvoll zu ändern. Die CDU-Fraktion hier im Haus hat ohnehin schon einer Änderung des Aufenthaltsrechts zugestimmt. Herr Henkel hat vorhin bei einer Nachfrage die direkte Unterstützung für die Änderung des Aufenthaltsrechts an den Innensenator bestätigt.