Carsten Wilke
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Frau Präsidentin! Sehr geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Die uns vorliegende Mitteilung – zur Kenntnisnahme – geht auf den hier gefassten Be
schluss vom 17. März zurück. Ausführlich wurde darüber gestern im Ausschuss für Arbeit, Berufliche Bildung und Frauen debattiert. Ob die Debatte heute im Plenum schon neue Erkenntnisse im Vergleich zu gestern hervorbringen kann, wage ich zu bezweifeln. Aber sei es drum. Wenn es dazu beiträgt, dass in Zukunft weniger Männer, aber vor allem weniger Frauen Opfer von Zwangsverheiratung werden, tauschen wir gern die Argumente im Plenum noch einmal aus.
Wir erkennen an – das habe ich gestern für meine Fraktion im Ausschuss auch so dargestellt –, dass das Land Berlin, in dem Fall vertreten durch seine Justizsenatorin, in der Länderkammer immerhin die Verlängerung der Antragsfrist zur Aufhebung der Zwangsehe entsprechend dem Gesetzesantrag des Landes Berlin von einem auf drei Jahre im Bürgerlichen Gesetzbuch durchsetzen konnte. Ansonsten wurde dem Gesetzentwurf aus BadenWürttemberg in der Länderkammer mehrheitlich gefolgt. Das ist aus Sicht der CDU-Fraktion ein Erfolg. Wir haben diesen Gesetzentwurf während des gesamten Verfahrens hier im Haus stets favorisiert. Er deckt sich im Kernelement, nämlich Zwangsheirat als eigenen Straftatbestand im Strafgesetzbuch aufzunehmen, mit dem vom Senat eingebrachten Bundesratsentwurf.
Mehr ist sicherlich immer drin. Das sage ich auch deutlich im Hinblick auf eine Änderung des Aufenthaltsrechts. Dazu liegen noch einmal Anträge vor. Wir gehen davon aus, dass diese in den Fachausschuss überwiesen werden. Insofern möchte ich mich heute gar nicht darauf konzentrieren, was zu tun ist, wenn das Verbrechen bereits begangen wurde, sondern vielmehr darauf, dass es in hoffentlich immer weniger Fällen zu Zwangsverheiratungen kommt, dass das Verbrechen in hoffentlich immer weniger Fällen passiert. Dazu scheint mir das gestern im Ausschuss von der Staatssekretärin Ahlers Vorgetragene etwas dürftig zu sein. Denn aus unserer Sicht kommt der präventive Bereich zu kurz.
Wo ist hier der effektivste Ansatz zu sehen, zu wählen: In einer Notrufnummer, wie wir es der Mitteilung entnehmen können, in einer Plakataktion, auch das geht aus der Mitteilung hervor? – Das sind sicherlich nützliche Maßnahmen, beides ist nicht verkehrt. Aber wir stellen die größte Wirkungsentfaltung in präventiver Hinsicht dort her, wo wir die zukünftigen potentiellen Opfer, aber auch späteren potentiellen Täter in größtmöglicher Anzahl erreichen. Dieser Ort liegt eindeutig an unseren Schulen. Was können wir dem Bericht dazu entnehmen? – Dass an den Schulen etwas zu tun ist, hat der Senat erkannt.
Nur das entsprechend Dargestellte ist unzureichend. – Klar, das sagt die Opposition immer, werden Sie sich sagen von der Koalition, dass das, was die Regierung anfasst, zu wenig ist. Aber wenn es doch in anderen Bundesländern heute schon möglich ist, entsprechende Maßnahmen im Schulunterricht zu ergreifen, und wenn ich in der Vorlage lese, dass der Senat sich zurzeit auf dem Gebiet
der Prävention lediglich mit der Prüfung der Erstellung und Verteilung eines Informationspakets für Berliner Schulen befasst, dann ist das im Sinne der Einhaltung elementarer Menschenrechte eindeutig zu wenig. Wie gesagt, andere sind weiter.
Deshalb fordern wir den sofortigen Eingang des Themas in ein dafür geeignetes Unterrichtsfach. Denn was da zu tun ist, ist eigentlich relativ klar: Es geht um die Sensibilisierung und die Kommunikation mit Schülern im Unterricht, um alle zu ermutigen, nicht wegzuschauen, oder um es potentiellen Opfern zu erleichtern, Hilfe in Anspruch nehmen zu können, oder – darüber wurde hier bislang relativ wenig gesprochen bzw. noch gar nicht – um potentiellen zukünftigen Tätern die Möglichkeit zu geben, ein Unrechtsbewusstsein in dieser Thematik zu entwickeln. Seit den Ehrenmorden wissen wir, dass dieses Unrechtsbewusstsein in manchen Kulturkreisen – um die geht es hier vor allem – überhaupt nicht vorhanden ist.
Damit können wir die hier vorliegende Mitteilung – zur Kenntnisnahme – im Hinblick auf das, was beschlossen wurde, nicht als erledigt ansehen. Im präventiven Bereich muss eindeutig mehr getan werden. Es muss entschlossener gehandelt werden. Es kommt jetzt darauf an, die Weichen so zu stellen, dass die Zahl der Zwangsehen in Zukunft sinkt. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!
Die Kurzintervention richtet sich vor allem an Frau Senftleben, aber auch ein Stück weit an Frau Dr. Klotz. – Herr Senator Körting hat vorhin bei der Beantwortung einer Mündlichen Anfrage zu diesem Thema ausgeführt, dass sich die Innenministerkonferenz grundsätzlich einig ist, auch im Aufenthaltsrecht Änderungen vorzunehmen. Was heißt denn das, wenn sich eine Innenministerkonferenz grundsätzlich einig ist? – Dazu gehören natürlich auch die Innenminister der Union.
Insofern dokumentiert die CDU, dass sie bundesweit willens und in der Lage ist, das Aufenthaltsrecht entsprechend, aber auch sinnvoll zu ändern. Die CDU-Fraktion hier im Haus hat ohnehin schon einer Änderung des Aufenthaltsrechts zugestimmt. Herr Henkel hat vorhin bei einer Nachfrage die direkte Unterstützung für die Änderung des Aufenthaltsrechts an den Innensenator bestätigt.
Das ist ein Teil davon. – Es kann überhaupt nicht die Rede davon sein, dass sich die Union hier im Haus, aber auch auf Bundes- und Länderebene, einer Änderung des Aufenthaltsrechts grundsätzlich verweigert. Das Problem, das Sie dabei sehen müssen, ist zum Beispiel die Beantwortung der Frage, wie der Lebensunterhalt für hier Bleibende geregelt werden soll. Das ist eine Frage, die zurzeit in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion sehr intensiv diskutiert wird. Diskussion gehört zum Fortbestand einer mo
dernen und lebendigen Partei. Sie haben heute auch in Sachen Palast der Republik unter Beweis gestellt, dass Sie da lebendig diskutieren, sogar unterschiedliche Abstimmungsvoten treffen. Insofern lebendige Partei ja, aber diese Nörgelei: nein!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Umsetzung von Gender Mainstreaming zu sichern und diesen Prozess qualifiziert voran zu treiben, ist gemäß Amsterdamer Vertrag für alle EU-Mitgliedsländer Verpflichtung. Nun fordert das auch der uns vorliegende Antrag der Koalition. Sie fordern mithin etwas, was längst verbindliche Beschlusslage für die Bundesrepublik Deutschland und damit auch für das Land Berlin ist. Damit haben wir es mit einem klassischen Schaufensterantrag der Koalition zu tun.
Wie kann solch eine sprachliche Gestaltung aussehen? – Das können Sie sich wahrscheinlich auch nicht vorstellen. Einmal davon abgesehen, dass die Sprache der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung Deutsch ist, soll jetzt etwa auch die Sprache noch gegendert werden? – Für
Ich bin am Ende meiner Rede. Die Frage können Sie im Anschluss stellen. – Danke!
uns ist nicht entscheidend, ob Angela Merkel nach ihrem Einzug in das Bundeskanzleramt mit Frau Bundeskanzler oder Frau Bundeskanzlerin angesprochen wird, es ist vielmehr hervorhebenswert, dass die Union mit der Besetzung des Chefpostens der Bundesrepublik Deutschland mit Angela Merkel einen großen Beitrag zu Gender Mainstreaming geleistet haben wird
Die Einführung eines Boys’ Day, vielerorts in der
Bundesrepublik längst Realität, befürwortet und dieser Tage etabliert durch die Bundesfamilienministerin, wenn auch unter einem anderen Namen – hier „Neue Wege für Jungs“ –, wird hier im Haus durch die rot-rote Koalition und die Grünen energisch bekämpft. Im Wesentlichen argumentierten SPD, PDS und Grüne im Ausschuss gegen den Antrag, weil sie befürchten, dass der Girls’ Day durch die Einführung eines Boys’ Day an Bedeutung verliert. Dies ist eine Herangehensweise der ideologischen Scheuklappen. Eine solche Haltung entspricht dem Bild einer Frauenpolitik längst vergangener Zeiten. Mit moderner Gleichstellungspolitik, wie wir sie betreiben, wie sie auch von der Bundesministern und
Sozialdemokratin Renate Schmidt in diesem Bereich geteilt wird, hat Ihre Haltung nichts zu tun. Aber Sonderwege – oder man sollte lieber sagen, Irrwege der Berliner SPD zum Rest der Sozialdemokratie in Deutschland – sind bekanntlich keine Seltenheit.
Der Boys’ Day – oder wie immer man ihn nennen
mag – soll Angebote für Jungen unterbreiten, in deren Mittelpunkt die Auseinandersetzung mit Rollenmustern, Identitäten und Zukunftsperspektiven steht. Dabei ist es wichtig, die Lebensentwürfe von Jungen stärker auf die Arbeitsteilung in der Familie und auf soziale Verpflichtungen zu orientieren und sie somit auch auf bisher eher frauendominierte Berufe aufmerksam zu machen. Hierzu folgendes Beispiel zur Verdeutlichung: 2003 betrug der Frauenanteil in lehramtsbezogenen Studiengängen bundesweit 70 %. Daraus kann geschlossen werden, dass für junge Männer die Vorstellung, mit jüngeren Kindern zu arbeiten, in der Regel mehrheitlich kaum attraktiv ist. Jedoch gerade für Jungen, vor allem für die relativ hohe
Zahl der Kinder von alleinerziehenden Müttern, sind männliche Bezugspersonen besonders wichtig, wie aus der Beantwortung einer Kleinen Anfrage durch Senator Böger vom 29. November 2004 hervorgeht. Wenn es also wünschenswert ist, dass mehr Männer Berufe im sozialen bzw. pädagogischen Bereich ergreifen, müssen auch geeignete Maßnahmen dafür getroffen werden. Eine solche, jedenfalls als dafür unterstützend wirkende Maßnahme könnte die Einführung des Boys’ Day sein.
Das Thema Gleichstellung kann keine Einbahnstraße
sein. Grenzen Sie die Jungen bei diesem Thema nicht länger aus. Die Erfahrungen der vergangenen zwei Jahre haben gezeigt, dass sich Jungen am Girls’ Day schlechter gestellt fühlen als die Mädchen. Diese Aussage stammt nicht von einem Mitglied dieses Senats, sondern von Ursula von der Leyen, der niedersächsischen Familienministerin, die dabei ist, den Boys’ Day in ganz Niedersachsen zu etablieren. Aber so weit brauchen wir gar nicht zu schauen. Auch die Bezirksverordnetenversammlung
Charlottenburg-Wilmersdorf hat einen entsprechenden Antrag zum Boys’ Day beschlossen. Hier waren die Antragsteller übrigens SPD, CDU und Grüne. Und siehe da, die Bezirksbürgermeisterin Monika Thiemen gab darauf zur Kenntnis, dass analoge Maßnahmen für Jungen wünschenswert wären. Die Liste der Beispiele in Deutschland ließe sich immer weiter fortsetzen und nirgendwo ist der Girls’ Day durch die Einführung eines Boys’ Day „verwässert“ worden oder gar „unter die Räder“ gekommen.
Ich fordere Sie auf, liebe Kolleginnen und Kollegen
von PDS, SPD und Grünen, die alte Frauenpolitik endlich hinter sich zu lassen. Beginnen Sie endlich mit einer Gleichstellungspolitik, die es auch verdient hat, als solche bezeichnet zu werden. – Dem uns vorliegenden Antrag werden wir zustimmen.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der ursprüngliche Antrag der FDP sah eine sehr sinnvolle Gesetzesänderung vor, und zwar eine Änderung des Aufenthaltsrechts in Ergänzung zum eigentli
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Die Menschenrechte sind unteilbar – so lautet auch der erste Teil der Überschrift des an dieser Stelle ebenfalls zur Debatte stehenden Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, dem wir beigetreten sind. Dazu nur noch eine Anmerkung: Hätten wir in der Vergangenheit in dieser Stadt einen Werte vermittelnden Unterricht eingeführt – nach unseren Vorstellungen als Wahlpflichtfach –, wie von uns seit vielen Jahren gefordert und jetzt auch in dem dringlichen Antrag der FDP manifestiert –, würden wir möglicherweise den traurigen Anlass für diese Entschließung nicht haben. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor etwa 200 Jahren wurde die Leibeigenschaft in Preußen abgeschafft. Merkmale der zivilisierten Welt sind, dass Menschen weder Ware sind noch zu unfreiwilligen Diensten an anderen gezwungen werden. Wir müssen dennoch zur Kenntnis nehmen, dass Menschenhandel, wovon fast ausschließlich Frauen betroffen sind, weltweit – und leider auch in Berlin – zunimmt, in Berlin sogar in zweierlei Hinsicht: Die deutsche Hauptstadt ist, brutal ausgesprochen, Umschlagplatz zum einen und Ausführungsort am so genannten Endverbraucher oder Freier genannt zum anderen. Die Bekundungen von Politik und die Appelle nichtstaatlicher Hilfsorganisationen, endlich schärfer und härter, wirkungsvoller gegen diese Form der modernen Sklaverei vorzugehen, verstummen nicht. In einigen Bereichen gibt es Verbesserungen z. B. beim Opfer- oder Zeugenschutz. Sie haben das im Einzelnen vorgetragen, Herr Senator. Wir nehmen das zur Kenntnis und bewerten es fairerweise positiv.
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Dem gegenüber steht das von Rot-Grün eingebrachte und mittlerweile durch den Bundestag verabschiedete Gesetz – Frau Neumann hat es erwähnt –, das über eine solche Regelung leider kein Wort enthält. Es sollte der Umsetzung völkerrechtlicher bzw. europarechtlicher Vorgaben aus den Jahren 2000 und 2002 dienen, durch die Deutschland verpflichtet ist, die Strafvorschriften gegen Menschenhandel zu reformieren. Lange hat die rot-grüne Bundesregierung bis zur Vorlage dieses Gesetzentwurfs gebraucht. Der Entwurf hat nun am 28. Oktober den Bundestag passiert und muss dringend nachgebessert werden, denn der eigentliche Menschenhandel, der Kauf von Menschen und die darin liegende Degradierung zur Handelsware durch Endverbraucher wird darin nicht spezifisch unter Strafe gestellt.
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Das Gesetz nimmt damit in Kauf, dass Deutschland völkerrechtliche Vereinbarungen und Vorgaben der EU nicht vollständig erfüllt. Wenn denn der Verkauf von Organen und Geweben zu Zwecken der Transplantation in Deutschland verboten und strafbar ist, ist es doch umso erstaunlicher, dass aus Sicht von Rot-Grün der Handel kompletter Menschen zu Zwecken der sexuellen Ausbeutung oder auch weiteren Versklavung nicht spezifisch unter Strafe gestellt werden soll. Sonst würde Rot-Grün der dringenden Gesetzesänderung bzw. Gesetzesergänzung um die Freierstrafbarkeit nicht so zögerlich gegenüberstehen. Hier fehlt es der rot-grünen Rechtspolitik an verlässlichen Maßstäben.
Aber wir müssen auch alle zur Kenntnis nehmen, dass es bisher keinen durchschlagenden Erfolg in Berlin und anderswo in dieser Thematik gibt. Warum ist das so? – Schauen wir einmal genauer hin. Das Geschäft ist lukrativ, wahrscheinlich das lukrativste der organisierten Kriminalität überhaupt, denn dem relativ hohen Gewinn steht ein geringes Risiko gegenüber, da eine Strafverfolgung nur mit Hilfe von Zeugenaussagen möglich ist. Doch die Zeugen, zugleich Opfer, schweigen zumeist, denn sie werden von ihren Peinigern unter erheblichen Druck gesetzt, zumal solche Drohungen oft in die Tat umgesetzt werden, bis hin zum Mord.
Für die betroffenen Frauen kommt erschwerend hinzu, dass sie auch immer mit sofortiger Abschiebung rechnen müssen. Das wiederum hat zur Folge, dass sie den Repressalien der kriminellen Netzwerke in ihren Heimatländern schutzlos ausgeliefert sind und der Rechtsstaat seine Zeugen verliert. Diese Betrachtung macht das gesamte Dilemma deutlich.
Schaut man noch genauer hin, fällt auf, dass eine Personengruppe vollkommen außer Betracht geraten ist. Es gibt ein Sprichwort „Der Hehler ist schlimmer als der Stehler.“ Übertragen wir es auf den Frauenhandel, müssen wir uns fragen, wie wir den so genannten Endverbraucher, den Freier, hierbei bewerten sollen. Ich erlaube mir an der Stelle, die ehemalige Senatorin Dr. Bergmann zu zitieren, welche im August 1997 bei der Beantwortung einer ähnlichen Großen Anfrage wie folgt Stellung nahm:
Menschenhandel ist ein Verbrechen. Es ist aber ein Verbrechen, das durch die Nachfrage beeinflusst wird. Ohne die Nachfrage hiesiger Kunden nach exotischen Ehefrauen und Prostituierten wäre er nicht ein derartig lukratives Verbrechen für die Schlepper und Zuhälter.
Beifall gab es von allen vier im Abgeordnetenhaus damals vertretenen Fraktionen. Doch dieser Erkenntnis folgten leider keine Konsequenzen. Frau Dr. Bergmann begab sich auf Bundesebene in Verantwortung, nichts passierte.
Weitere Jahre vergingen, bis Bayerns Justizministerin Frau Dr. Merk über den Bundesrat initiativ wurde, indem sie für die Freierstrafbarkeit plädiert. Die Entschließung dazu liegt dem Bundesrat bereits vor. Das zentrale Anliegen darin ist, den Drahtziehern des Menschenhandels die Nachfrage für ihr niederträchtiges Geschäft zu entziehen. Tag für Tag oder besser gesagt Nacht für Nacht lassen sich Tausende Freier ihre Wünsche preiswert von den Opfern erfüllen und nutzen so schamlos deren Zwangslage aus. Selbst wenn den Freiern bewusst ist oder sie damit rechnen müssen, dass es sich bei den Frauen um Opfer skrupelloser Krimineller handelt, machen sie sich nach dem geltenden Recht in aller Regel nicht strafbar. Diese Lücke im Gesetz muss geschlossen werden. Wer die Lage eines Menschenhandelsopfers für sexuelle Handlungen
missbraucht, muss künftig mit dem Staatsanwalt rechnen, denn erst die Nachfrage schafft in diesem Fall den Markt.
Solange wir nicht dafür Sorge tragen, diesem brutalen Geschäft die Nachfrage zu entziehen, werden wir uns hier im Abgeordnetenhaus immer wieder vor der Situation sehen, dass wir über kleine, durchaus anerkennenswerte Erfolge informiert werden. Wir werden dann weiterhin gegenseitig bekräftigen, dass wir noch mehr Anstrengungen unternehmen müssen, um z. B. Behörden und nichtstaatliche Institutionen besser zu koordinieren. Der Senator hat hierzu berichtet, ähnlich wie Frau Dr. Bergmann das vor nunmehr 7 Jahren schon einmal getan hat. Bekämpft werden allerdings lediglich die Wirkungen und die Erscheinungen. Das abscheuliche Geschäft mit den versklavten Frauen bleibt jedoch, weil die Ursache des Übels nicht angegangen wird.
Seitens des Landes Berlin kann sicherlich noch die eine oder andere Anstrengung zur Verbesserung der Situation unter der bestehenden Gesetzeslage erfolgen. Was das Land Berlin aber vor allem jetzt und schnell tun kann, ist die ursprüngliche Entschließung des Bundesrats auf Grund der Initiative Bayerns in Form der Empfehlung des Rechtsausschusses des Bundesrats zu unterstützen.
Deswegen wird der Senat von uns aufgefordert, morgen im Bundesrat für die Einberufung des Vermittlungsausschusses in dieser Angelegenheit zu stimmen, damit die
durch Hartz IV und das neue Zuwanderungsgesetz
Die Ursachen für Menschenhandel liegen in den gesellschaftlichen Verhältnissen. Die ungleichen ökonomischen Machtverhältnisse ermöglichen, dass Männer Frauen in ihre Gewalt bringen können. Das Wohlstandsgefälle
zwischen Herkunfts- und Zielländern ist eklatant. Überall werden Frauen vom normalen, existenzsichernden Arbeitsmarkt gedrängt. Solange die Schere zwischen Arm und Reich immer größer wird, ist der Nachschub leicht zu besorgen. Das sind alte Sklavenhalterverhältnisse mit modernem Gesicht, hier bei uns in der Stadt. Wenn Sie durch die Straßen Berlins fahren, kommen Sie an Häusern vorbei, wo eingesperrte Frauen Sexdienste verrichten müssen und malträtiert werden, wenn sie nicht spuren. Die Frauen haben keine Papiere, sie kennen unsere Sprache nicht, und sie wissen keinen Ausweg. Nur eines wissen sie: Sie sind illegal. Das bekommen sie von ihren Peinigern jeden Tag zu hören. Und die Angst, entdeckt zu werden, ist groß.
Aus Polizeikreisen ist zu hören, dass das Geschäft immer grausamer wird, die Zwangsmethoden immer ausgefeilter. Es kommt eines dazu: Die Bekämpfung von Frauenhandel geht nur mit den Frauen, nicht gegen sie. Wenn sie nicht aussagen wollen oder können, sondern abgeschoben werden, kommen sie nie aus den Teufelskrallen von Gewalt und Zwang heraus. Außerdem wird es auch immer schwerer, an die Opfer von Menschenhandel heranzukommen. Immer weniger Zwangsprostituierte arbeiten in Bordellen oder an öffentlichen Plätzen, wo man durch Razzien auf sie als Opfer stößt. Immer mehr ziehen sich die Gewalttäter mit ihren Opfern in völlig abgeschottete Privatwohnungen und Clubs zurück. Wie man dem beikommen soll, wo die personellen Kapazitäten doch begrenzt sind, bleibt eine noch zu lösende schwierige Aufgabe für uns.
Gesetzeslücke geschlossen werden kann, wobei endlich die zur Verantwortung gezogen werden können, die den Dienst der versklavten Mädchen und Frauen skrupellos annehmen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!
Werte Frau Kollegin Klotz! Wir wüssten schon gerne, in welchen Bereichen wir – und das haben Sie nicht vermocht zu formulieren – eine Position der CDU verändert haben. Es mag sein, dass Denkansätze hinzugekommen sind, die bei Ihnen noch fehlen.
Sicherlich ärgern Sie sich, dass es nicht eine grüne Justizministerin gewesen ist, die gefordert hat, dass wir einen Freier-Straftatbestand haben wollen. Das waren die bayerische Justizministerin und die CDU/CSU-Fraktion gewesen, die diesen Gedanken zuerst aufgenommen haben. Vielleicht ärgert es Sie auch, dass Sie es bis zur Verabschiedung des Gesetzes am 28. Oktober nicht zustande gebracht haben, dieses Straftatbestandsmerkmal zu fordern. Wenn Sie es aber als richtig erkennen und lediglich den Gesetzeswortlaut als nicht richtig empfinden, dann helfen Sie doch im Vermittlungsausschuss des Bundesrates und tragen Sie als Grüne dazu bei, dass wir diesen Straftatbestand endlich in das Gesetz integrieren können.
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Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Kollegin Neumann! Wenn Sie unseren Antrag ernst genommen hätten und ihn unzureichend finden, warum haben Sie ihn dann nicht im Ausschuss ergänzt? – Das wäre doch die richtige Maßnahme gewesen, aber wahrscheinlich haben Sie ihn sich gar nicht zu Gemüte geführt.
Was die Frauenprojekte betrifft, so wurden im Antigewaltbereich sowie im soziokulturellen Bereich in der Haushaltssitzung am 22. September 2004 durch die Koalition erhebliche Projekte in Frage gestellt, indem Kürzungen vorgenommen wurden. Eine Vorlage der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen, die durch die Koalition hinsichtlich der Kürzungsvorschläge geändert wurde, war hierbei maßgeblich. Diese Vorlage veranlasste uns als CDU seinerzeit, mit einem Antrag zu reagieren. Der Senatsvorlage mangelte es, wie so oft in dieser Koalition und in diesem Senat, an Kompetenz und an konzeptionellen Ansätzen. Die konkreten Kürzungsvorschläge sind nach inhaltlichen Gesichtspunkten nicht nachvollziehbar oder gehen schlichtweg von falschen Grundannahmen aus.
Mit Einführung des Gewaltschutzgesetzes in Deutschland ist der Bedarf an Frauenhausplätzen in Berlin definitiv gestiegen. Seit dem Jahr 2000 wurden in Berlin 73 Frauenhausplätze abgebaut. Die weitere Streichung wird zu Engpässen führen. Die Auslastung liegt bereits jetzt bei 97 %, und zwar durchschnittlich, und nicht bei 80 bis 85 %, wie der Senat angibt. Diese Zahlen sind vollkommener Unsinn.
Auch der Wunsch des Senats, die Verweildauer in Frauenhäusern zu verkürzen, in der Überlegung, Frauen früher an Zufluchtswohnungen abzuschleusen, geht an der Sensibilität des Themas vorbei. Die Verweildauer lässt sich nicht verordnen, sondern sie hängt allein davon ab, wann sich eine betroffene Frau wozu in der Lage fühlt. Für eine Verschiebung von Frauenhausplätzen hin zu Zufluchtswohnungen gibt es in Berlin keinen Bedarf. Hier liegt der rot-rote Senat wieder einmal vollkommen neben der Realität.
Ich will hier die Gelegenheit nutzen, deutlich zu machen, warum uns die Projektarbeit der Frauen so wichtig ist und wie wir vorgegangen sind. Die Anträge der Opposition waren dabei wenig hilfreich. Aber immerhin sprachen sich alle, einschließlich CDU, für den Erhalt der Frauenprojekte aus. Für die PDS ist von maßgeblicher Bedeutung, dass die Frauenzentren und Beratungsstellen Ausdruck der Selbstorganisation von Frauen für Frauen sind. Einige von ihnen blicken auf 30jährige Geschichte zurück. Im Osten der Stadt entstanden sie mit der Wende, fern von staatlicher Reglementierung und als Orte feministischer Auseinandersetzung. So ist eine vielseitige Projektelandschaft entstanden, die sich auf unterschiedli
che Weise stadträumlich und auf bestimmte Zielgruppen orientiert, etabliert hat. Das Geld dafür war immer knapp. Doch die Frauen haben die knappen finanziellen Ressourcen einfallsreich und kompetent genutzt. Das verdient Respekt und Anerkennung.
Die Frauenprojekte standen immer unter Rechtfertigungsdruck. Deshalb ist es besonders hervorzuheben, dass die Förderung der Projekte nach den strengen Kriterien des Verfassungsgerichtsurteils zum Haushaltsnotstand Bestand hat und die Kürzung von einer Million € halbiert werden konnte. Zusammen mit dem Berliner Programm zur Chancengleichheit von Frauen in Wissenschaft und Lehre, den so genannten Frauen-Infrastrukturstellen, und frauenspezifischer Förderung bei der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales verfügen wir über eine gute Infrastruktur für Frauen.
Diesen Bereich völlig von Kürzungen frei zu stellen, war angesichts der Kürzungen in den anderen Ressorts nicht mehrheitsfähig. Am Ende steht eine Kürzung von 150 000 € für das Jahr 2004 und eine von 225 000 € für das Jahr 2005, statt einer Million. Allen war klar, dass die Kürzung im Frauenetat mit seinen 0,07 % nicht mehr durch prozentuale Umlegung auf die einzelnen Projekte zu erbringen war. Deshalb war zum 30. Juli dieses Jahres ein Bericht vorzulegen, wie die Kürzung erfolgen solle. Senat und Abgeordnete gewannen Zeit, die Entscheidung nicht am grünen Tisch, sondern nach sachkundiger Abwägung der Umstände und Beratung mit den Netzwerken und Foren zu treffen.
Warum tut sich die Koalition gerade im Antigewaltbereich so schwer? – Haushalterisch betrachtet könnte sie doch dabei auf das Kriterium der Unabdingbarkeit der Ausgaben zurückgreifen. Wir erinnern uns an die Maßgabe des Urteils des Verfassungsgerichtshofs zum Haushalt 2002/2003. Weil die Verfassung das Recht der körperlichen Unversehrtheit gewährleistet, müssen diesem Verfassungsgebot zufolge Frauenhausplätze in ausreichender Anzahl zur Verfügung stehen. Das bedeutet für Berlin eher ein Mehr an Plätzen als derzeit den Abbau der Plätze.
Die kurze Redezeit erlaubt leider nicht mehr den Blick auf die anderen von Kürzungen betroffenen Projekte. Abschließend sei darauf hingewiesen, dass im Jahr 2004 für Frauenprojekte bereits 175 000 € eingespart wurden. Berlin gibt für diese Projekte nur insgesamt 0,072 % aus seinem Haushalt aus. Unser Antrag spricht nicht nur für das zweite Frauenhaus, sondern für den bedarfsorientierten Umgang mit allen Frauenprojekten dieser Stadt. Im Sinn des Gleichstellungsgebots und vor allem zum Schutz für die von Gewalt im häuslichen Bereich Betroffenen bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag. Die Frauenförderung ist kein Bereich wie jeder andere, sondern Instrument des verfassungsrechtlichen Gleichstellungsauftrags. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
In Anbetracht dessen, dass die ersten Studenten eigentlich mit dem jetzt beginnenden Wintersemester dort schon studieren sollten, frage ich nach, woran es denn liegt, dass es zu solchen Verzögerungen kommt.
Ich habe eine spontane Frage an den Senator Flierl. – Welchen Fortschritt gibt es hinsichtlich des von diesem Hause gewollten Umzugs der FHTW von Karlshorst nach Oberschöneweide? Wann werden die ersten Studenten dort studieren?
Ist dem Senat bekannt, dass es zur gleichen Zeit eine Gegenkundgebung des Bündnisses „Bunt statt Braun“ gab, das u. a. vom Bezirksbürgermeister von Treptow-Köpenick unterstützt wird, auf welche mit einem Flugblatt hingewiesen wurde, das eindeutig verfassungsfeindliche Symbole beinhaltete – in diesem Fall das Hakenkreuz?