Protocol of the Session on August 18, 2005

[Heiterkeit]

Wenn er jetzt Ruhe gibt, dann höre ich damit auf.

Ich komme jetzt zum Abschluss. Unsere Konsolidierungspolitik ist langfristig angelegt. Sie ist radikal, konsequent, ehrlich und bundesweit ohne Beispiel. Wenn wir auf diesem Weg weitermachen, jetzt auch in den Haushaltsberatungen, werden wir in Karlsruhe gute Aussichten haben. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der Linkspartei.PDS]

Wir treten jetzt ein in die zweite Rederunde. Es beginnt die Fraktion der Grünen. – Herr Schruoffeneger, bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe jetzt den Albtraum eines gemeinsamen Folienvortrags von Herrn Lindner und Herrn Sarrazin, und ich hoffe, das bleibt uns erspart zu diesem Thema. – Herr Sarrazin, wenn Sie sagen, die Bezirke fahren geradeaus, dann sage ich: Was ist denn daran so positiv, wenn am Ende der Geradeausstrecke die Wand ist? Umsteuern, Kurven fahren ist manchmal hilfreich, sonst kleben die Bezirke bald an der Wand. Und bei Ihrer Politik dauert das nicht mehr lange. – Dass Sie die Berliner Staatsanwälte nicht mögen, ist wohl eher ein individuelles Problem. Das sollte nicht die Grundlage der Senatspolitik werden.

[Beifall bei den Grünen]

Herr Liebich – er ist jetzt leider weg – hat uns wieder die Litanei über die bundesweite rot-grüne Steuerpolitik gehalten. Aber was war denn hier in Berlin? – Herr Sarrazin ist in die Haushaltsberatungen mit dem Vorschlag einer Steuererhöhung gegangen. Was hat die PDS gemacht? – Sie hat geschrien: Nein, das kann man der Berliner Wirtschaft und den Berlinerinnen nicht zumuten. Also gab es keine Steuererhöhung. Das, was Sie auf Bundesebene fordern, machen Sie hier überhaupt nicht, Sie machen das Gegenteil. Das ist doppelzüngig.

[Beifall bei den Grünen]

Und wenn man, Herr Sarrazin, Ihren Stolz über die Einhaltung der Eckzahlen sieht, wenn man von Ihnen hört, es gibt kaum Risiken auf der Ausgabenseite: Den Kreisel haben Sie selbst angesprochen. Ganz egal, welches Modell, es wird für das Land Berlin etwas kosten. Die

Sen Dr. Sarrazin

Staatsoper: Sie wissen doch genau, wenn Sie weiterhin zwei Jahre abtauchen und nichts tun, dann gefährden Sie eine der wesentlichen Institutionen unseres guten Images des Kulturstandorts. Sie brauchen dafür Geld. Ganz besonders infam ist es beim ICC und der Deutschlandhalle. Da wissen wir, es geht um hohe zwei- bis dreistellige Millionenbeträge. Gestern hatten wir eine Vorlage im Hauptausschuss: Der Senat wird Ende November, sieben Tage nach Beschluss des Haushalts im Hauptausschuss, darüber entscheiden, wie das angegangen werden soll. Das ist infam, ein Verschieben in die Zukunft, das ist gelernt von Pieroth und von Landowsky. Früher hieß der Spruch anders, jetzt heißt er: Von Landowsky und Pieroth lernen heißt siegen lernen. – Ich finde, das ist falsch.

[Beifall bei den Grünen]

Letzter Punkt – Mentalitätswechsel. Sie betrachten den Haushalt als Privatschatulle. Ich kann mich an keine Regierung erinnern, wo so häufig und zielgerichtet Haushaltsrecht gebrochen wurde, um eigene Klientel zu bedienen und die landeseigenen Unternehmen zu stopfen. Herr Wolf zahlt aus Mitteln der Wirtschaftsförderung an die Messe, um deren Bilanz zu schonen. Herr Wolf zahlt aus Mitteln der Ausbildung – damit soll man Ausbildung von Jugendlichen finanzieren – an die BVG. Herr Flierl zahlt, obwohl ein Gericht einen Zuwendungsvertrag abgelehnt und gesagt hat, er sei rechtswidrig, Projektmittel an einen Kinobetreiber. Frau Knake-Werner missachtet eine Sperre des Parlaments, indem sie am 31. Dezember aus alten Mitteln für ein landeseigenes Unternehmen zahlt, und missbraucht damit Mittel, die ansonsten für die soziale und gesundheitliche Versorgung in der Stadt zur Verfügung stehen. Das ist Ihr Mentalitätswechsel! Sie missachten unser Haushaltsrecht, wenn es darum geht, eigenes Umfeld zu bedienen, Bilanzen in landeseigenen Betrieben zu schönen, und Sie nehmen dieses Geld regelmäßig aus den Töpfen, die eigentlich für gesundheitliche, soziale oder kulturelle Versorgung zur Verfügung stehen.

[Zuruf des Abg. Doering (Linkspartei.PDS)]

Das ist ein falscher Mentalitätswechsel. Und Mentalitätswechsel, lieber Herr Doering, hat immer auch etwas mit Bewusstsein zu tun. Wie sich Ihre Mentalität, Ihr Bewusstsein, innerhalb von vier Jahren verändert hat, sieht man daran, wenn Herr Liebig hier mit Stolz sagt: Der PDS-Parteitag ist jetzt im „Maritim.“ – Das ist Ihr neues Bewusstsein, und da hilft Ihnen auch die Umbenenn- ung – –

Herr Abgeordneter! Sie müssen jetzt zum Schluss kommen! Wir waren schon sehr großzügig!

Ich bin im letzten Satz! – Bei diesem Bewusstsein hilft Ihnen auch die Umbenennung in Linke überhaupt nicht weiter. Sie sind es schon lange nicht mehr!

[Beifall bei den Grünen]

Für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete Dr. Flemming das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Haushaltsberatungen sind ein Ritual. Der Senat stellt einen Haushalt vor, die Koalitionsfraktionen begründen das mehr oder minder, und die Oppositionsfraktionen sagen: Alles Unsinn, geht gar nicht, furchtbar! – Seit gestern bin ich überrascht: Dieses Ritual war nicht mehr vorhanden. Gestern plötzlich Lob von allen Seiten!

[Hoffmann (CDU): Da waren Sie die Hälfte der Zeit nicht dabei!]

Ganz interessant! Es gibt ein altes japanisches Sprichwort, das heißt: Was du nicht verhindern kannst, kannst du auch begrüßen. – Das haben die gemacht! Die haben plötzlich begrüßt! Irre! Phantastisch!

Sehr spannend war es zuerst bei den Grünen. Sie sagten: Gut, was da gelaufen ist, aber ihr habt nur das gemacht, was wir immer schon gesagt haben, und ihr seid uns gefolgt – was phantastisch ist. – Der Senator ist also ein Anhängsel der Grünen und macht, was sie wollten.

[Zuruf der Frau Dr. Klotz (Grüne)]

Was machen die CDU und die FDP? – Sie machen es viel subtiler und geschickter. Sie sagen: Das ist unser Senator! Er ist nur in der falschen Partei und wird von RotRot gehemmt! – Aber Sie können beruhigt sein, unseren Thilo lassen wir uns nicht wegnehmen, auch wenn es manchmal Ärger gibt. Den behalten wir, und er macht für uns die richtige Politik und nicht für Sie.

Wir haben gestern interessante Diskussionen gehört, die immer wieder kommen, die Frage, woher das kam, und die nach Einnahmen und Ausgaben. Sie können sich gut erinnern: Die Frage ist wiedergekommen, Herr Kaczmarek hat sie wieder gebracht, der Senator sage jetzt endlich auch etwas zu Einnahmen, sonst sage er immer nur etwas zu Ausgaben. – Wir wollen klar festhalten, was die Ursache der Probleme zu Anfang der 90er Jahre war. Die dabei waren, wissen es. Die Berlinhilfe ging weg, der Länderfinanzausgleich kam, die Ausgaben blieben, das Defizit wurde nicht abgebaut und praktisch weitergeführt und ins Prinzip Hoffnung umgesetzt, Hoffnung, es werde bald besser gehen. Nun kann man lange hoffen, aber irgendwann muss man feststellen, dass das nicht mehr geht. Man sagte also, es geht nicht mehr, man muss die Ausgaben den Einnahmen anpassen. – Eine Einnahmensteigerung herbeizuführen, ist etwas Schönes, aber Sie alle wissen, dass wir ein System haben – ich habe Herrn Kaczmarek gestern eine Rechenaufgabe gegeben, ich weiß nicht, ob er sie nun vollzogen hat. Selbst wenn wir einen Anstieg des Bruttosozialprodukts von zweieinhalb Prozent hätten – phantastisch für Berlin –, würde es viele Jahre dauern, bevor wir von dem das Geringste hätten, was unserem Haushalt nützlich wäre, weil der Länderfinanzausgleich abgeschmolzen wird.

Also Ausgaben senken! Da stimmen wir mit der FDP überein. Das haben wir an vielen Stellen getan. Wir haben versucht, Möglichkeiten zu finden, und haben genau das

Schruoffeneger

getan, was jeder Schuldnerberater seinen Klienten sagt: Du muss dein Primärdefizit senken! – Das war der Punkt. Wir wissen, dass wir über dieses Verfahren unsere Schulden nicht abbauen können. Wir sind darauf angewiesen, in Karlsruhe Hilfe von den anderen Bundesländern und vom Bund zu bekommen, um dies auflösen zu können.

Ich will noch etwas zu den Prioritäten sagen. Im Vergleich mit anderen Bundesländern geben wir für den Bereich Bildung – von der Krippe bis zur Hochschule – das Meiste pro Kopf aus. Das ist unstrittig. Ich will aber mal eine Zahl bringen, die interessant ist: Öffentliche Mittel für Forschung werden in Bayern und in Berlin etwa gleich viel ausgegeben, in Bayern etwa 2 Milliarden €, bei uns etwa 1,8 Milliarden €. Öffentliche Mittel sind Land und Bund zusammen. Aber in Bayern legt die Wirtschaft 11 Milliarden € für die Forschung drauf, und in Berlin ist es bedeutend weniger. Wir haben also ein strukturelles Defizit, das wir nicht verschuldet haben, an dem wir arbeiten müssen. Nun kann man nicht sagen, ich muss primär mehr Geld hineinstecken, sondern ich muss erreichen, dass ich aus dem Geld, das ich hineinstecke, mehr mache. Das ist der Effekt, den man umsetzen muss, und daran müssen wir zu arbeiten suchen und Möglichkeiten finden.

Das Schöne bei Herrn Lindner ist, dass man immer weiß, was er sagen will: kräftiger Personalabbau. Heute kam er mit einem neuen Vorschlag, wozu ich nachfragen will, vielleicht kann Herr Lindner bei der zweiten Rederunde noch etwas erklären: Gerichtsvollzieher privatisieren. – Es gibt Inkassofirmen, die heißen Russenmafia. Das Mittel, mit dem sie ihr Geld bekommen, ist bekannt: Bist du nicht willig, brauche ich Gewalt. – Vom Gerichtsvollzieher bekommen die Schuldner einen Kuckuck drauf. Das machen die natürlich nicht, die nehmen es gleich mit. – Wie stellen Sie sich das vor? Das ist eine hoheitliche Aufgabe, Möglichkeiten zu finden. Man muss den Schuldner auch schützen. Man kann darüber diskutieren, z. B. die Gebühren zu erhöhen. Aber Sie können nicht Aufgaben privatisieren, die anders ablaufen sollten. Das möchte ich gern einmal erklärt haben.

[Beifall bei der SPD – Dr. Lindner (FDP): Erklärt Ihnen der Gerichtsvollzieher!]

Herr Kaczmarek ist noch auf ein Thema eingegangen. Wir hatten gestern die erste Diskussion im Vermögensausschuss über die Frage, wie wir erreichen, die Risikoabschirmung der Bank zu minimieren. Das Erste, was ich als erfreulich bezeichnen möchte: Alle Fraktionen haben gesagt, es sei richtig, einen solchen Weg zu beschreiten, ihn abzuklären, Möglichkeiten zu finden. Es gibt noch Fragen im Detail, die wir zu klären versuchen werden. Es besteht die Frage, wie dies zu finanzieren sei. Hier gibt es einen Vorschlag: Es gibt eine Kreditverschuldung über 2 Milliarden €, die dann gezogen und mit der Bank zwischenfinanziert werden. Wenn die Bank verkauft wird, wird dies daraus gezahlt. – Wir werden darüber diskutieren. Aber dies so darzustellen, also ob es irre wäre – Sie können es gern beim WPD prüfen lassen, und wir werden sehen, was dabei herauskommt. Wir sind der Meinung,

dass das ein korrekter Weg ist. Es wäre auch anders gegangen, wenn man gesagt hätte, man lässt es laufen, und nachher versucht man, dies über einen Schattenhaushalt zu klären. Das ist gerade nicht gemacht worden, was man festhalten muss. Die Transparenz in diesem Haushalt ist klar ersichtlich.

Worin liegt die Besonderheit dieses Haushalts? – Es ist relativ einfach, es sind einfache Zahlen. Das gesamte Haushaltsvolumen geht im betrachteten Zeitraum von 2004 bis 2007 von 22 Milliarden € auf 20 Milliarden € herunter. Die Netto-Kreditaufnahme war 2004 5 Milliarden €, 2005 war sie 4 Milliarden €, 2006 ist sie 3 Milliarden €, 2007 2 Milliarden €, jedes Jahr eine Milliarde weniger. Gegen diese Zahlen haben Sie nichts einzuwenden. Aus dem Grund versuchen Sie, den Finanzsenator zu loben und den Haushalt schlecht zu machen. Das geht nicht. Der Haushalt, der Finanzsenator und die Koalitionsfraktionen sind eine Einheit. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

[Beifall bei der SPD und der Linkspartei.PDS]

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Flemming! – Als nächster in der zweiten Runde hat der Kollege Hoffmann von der CDU das Wort für fünf Restminuten.

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Es ist ja ganz schön, wenn wir hier mit dem Finanzsenator über die Zahlen streiten. Deswegen will ich klarstellen: Wir rechnen nicht mit Wunschzahlen, so wie Sie das für sich entscheiden und mit Ihrer Verwaltung vorgeben, sondern wir rechnen mit den Zahlen vom Landesrechnungshof. Die machen eines sehr deutlich, was der Kollege Kaczmarek schon ausgeführt hat: Sie machen in der Verantwortung von fünf Jahren fast so viele Schulden wie in der gesamten Zeit davor. Damit das nicht in der Allgemeinheit stehen bleibt, will ich Ihnen das deutlich vorführen, und zwar an dem Beispiel, das Sie vielleicht am ehesten verstehen können, weil es einfacher ist.

Wir machen mal den Weg von 1998 bis 2000 auf. Jedes Jahr sinkt die Netto-Neuverschuldung. Im Jahr 2000 haben wir eine Netto-Neuverschuldung von 1,878 Milliarden €. Im Jahr 2002 beträgt die Netto-Neuverschuldung 6,04 Milliarden € – Ihre Verantwortung. Allein an diesem Beispiel wird deutlich, dass die Netto-Neuverschuldung und die Verschuldung Berlins zu großen Teilen in Ihre Verantwortung fällt, und zwar ohne Berücksichtigung der Bankgesellschaft.

[Zuruf des Abg. Doering (Linkspartei.PDS)]

Sie haben die Verantwortung für einen Großteil der Schulden und können das nicht so darstellen, als hätten Sie damit nichts zu tun. Eins wird auch deutlich: Ob RotLinks im Bund, ob Rot-Links in Berlin, die Schulden steigen überall. Nur dort, wo eine solide Finanzpolitik gemacht wird und diese auf die Zukunft eines Landes oder einer Stadt ausrichtet, sinken die Schulden deutlich.

Dr. Flemming

Dafür sind zwingend Investitionen erforderlich; ohne Investitionen wird es nicht gehen.

[Beifall bei der CDU]

Sie von der Linkspartei.PDS haben davon gesprochen, dass Sie Kurs halten. Das ist richtig – Sie halten Kurs bei der Verschuldung. Es ist davon gesprochen worden, dass Sie sich wie ein rostiger Tanker bewegen, immer geradeaus. Dieses Kurshalten führt dazu, dass der Tanker sinkt.

[Doering (Linkspartei.PDS): Machen Sie doch mal einen Vorschlag!]

Sozialistische linke Überzeugung haben uns schon einmal – ich nenne ein Beispiel, das ich auch persönlich erlebt habe, nämlich das Leben in der DDR – dahin geführt, dass der Staat bankrott war.

[Doering (Linkspartei.PDS): Wir reden aber von heute!]

Deswegen brauchen wir eine Finanzpolitik, die sich nicht mehr nur an einer reinen Theorie orientiert, sondern daran, dass man aufgabenkritisch und wettbewerbsorientiert auf den Ressourceneinsatz Wert legt. Es muss auch darauf geachtet werden, dass sich dieser Ressourceneinsatz rentiert, und das haben Sie bislang verwechselt.

[Doering (Linkspartei.PDS): Bringen Sie doch mal ein Beispiel!]