Protocol of the Session on November 11, 2004

Ich komme zum Schluss. – Glaubhaft bleiben wir unserer jungen Generation gegenüber nur, wenn wir ihr vermitteln, dass wir über die deutsche Einheit dankbar sind – trotz aller Klagen über die Schwierigkeiten des Heute. Unglaubhaft wären wir geworden, wenn wir den Tag der deutschen Einheit zu einem beliebigen Gedenktag degradiert hätten. Ich bin froh, dass dies vom Tisch ist und dieser Tag über Generationen die Neugier und hoffentlich auch Freude über unsere jüngere Geschichte weckt. – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei der SPD, der PDS, der CDU und den Grünen]

Danke schön! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Frau Abgeordnete Ströver das Wort!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich denke, ich darf auch aus Westsicht mit einem kleinen biografischen Streiflicht beginnen und zeigen, wie sich manche Biografien damals und heute kreuzen.

1989 war ich Assistentin der damaligen AL-Fraktion im Rathaus Schöneberg. Mit Einreiseverbot in die DDR war ich seit 1983 belegt. Es war damals der heutige Kultursenator Thomas Flierl, der als Mitarbeiter des Kulturministeriums der DDR den Kulturkontakt zur – Sie denken die Anführungsstriche mit – „selbstständigen politischen Einheit Westberlin“ herzustellen hatte. Er hat damals durch Intervention – bei welchen einflussreichen Kreisen auch immer – mein Einreiseverbot aufgehoben. Ich bin ihm dafür sehr dankbar gewesen, hatte es doch im Sommer 1989 meine Wiedereinreise in die DDR ermöglicht. Sie sehen, Herr Liebich, solche Geschichten zeigen

auch, jemand der damals im Osten Macht und Einfluss hatte, kann diese Macht- und Einflusssphären heute – und wahrscheinlich in viel verstärkterem Maße – auch noch haben.

[Zuruf der Frau Abg. Dr. Hiller (PDS)]

Inzwischen wissen wir, dass der Vereinigungseuphorie der ersten Jahre nach der Wiedervereinigung Deutschlands und Berlins ein Prozess harter und auch schmerzlicher Annäherungsarbeit gewichen ist. Die notwendige Kommunikation der Menschen ist die eine Aufgabe, die andere ist die der aktiven Erinnerungsarbeit und daran, was die Teilung symbolisiert hat. Was unmittelbar nach der Wende, Herr Regierender Bürgermeister, vielleicht aus emotionaler Sicht verständlich erschien, die Spuren der Teilung aus dem Stadtbild zu eliminieren, erweist sich heute als großer Fehler. Heute wissen wir, dass über die Wahrnehmung sichtbarer Spuren viel Persönliches vermittelt und Geschichte erzählt werden kann.

Deswegen ist es wirklich höchste Zeit, Ernst zu machen mit der dauerhaften Sicherung der Spuren der Mauer als dem Symbol der unmenschlichen Teilung der Stadt und dem Ort, an dem viele Menschen zu Tode gekommen sind. Alles, was bisher geschaffen wurde, ob die Gedenkstätte Hohenschönhausen, der Pflastersteinstreifen entlang des innerstädtischen Grenzverlaufs, das Dokumentationszentrum und die Gedenkstätte Bernauer Straße, der Kunstwettbewerb „Übergänge“, das Parlament der Bäume, der Mauerradweg, die einzelnen Gedenksteine oder tafeln für die an der Mauer umgekommenen Flüchtenden bilden wichtige, aber in der Summe unzureichende Zeichen dieser Erinnerungsarbeit. Hier haben wir noch eine wichtige Aufgabe vor uns, und ich hoffe sehr, dass wir sie parteiübergreifend in Angriff nehmen können.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Es ist schade, dass der Berliner Senat bis auf die wenigen Initiativen, die von unserer Fraktion initiiert wurden, in dieser aktuellen Legislaturperiode nur wenig weiter entwickelt hat beim Umgang mit diesen wenigen, wirklich sichtbaren Zeugnissen der Teilung bis zu einer Gesamtkonzeption hin. Was wir jetzt brauchen, ist eine gute Konzeption der gestalterischen Vernetzung und ein Inbeziehungsetzen der einzelnen Orte zueinander.

[Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Es verwundert niemanden, wenn ausgerechnet Alexandra Hildebrandt mit dem Museum am Checkpoint Charlie mit einer wenig überzeugenden so genannten Kunstinstallation in Form einer Ansammlung von Holzkreuzen und der Rekonstruktion der Mauer an einer nichtauthentischen Stelle erreicht, was fehlt: Ein zentraler Ort des Gedenkens an die vielen Mauertoten. Sie hat mit dieser Diskussion etwas angestoßen – und so sollten wir es auch akzeptieren und nicht mehr –, nämlich die Aufforderung, darüber nachzudenken, ob es ein zentrales Denkmal braucht, wie dieses zentrale Denkmal zu gestalten ist, und wo es stehen könnte.

Anders als Sie, Herr Hilse, bin ich der Auffassung, dass man zwischen dem Umgang mit den authentischen Stätten und der Frage, ob man eine Denkmalform „An die Opfer der deutschen Teilung“ wählt, unterscheiden kann. So machen wir es auch mit den authentischen Stätten des NS-Gedenkens, und trotzdem haben und wollen wir ein Denkmal für die ermordeten Juden Europas. Ich bin mir nicht sicher, ob die Zeit für diese gestalterische Form schon reif ist. Am Denkmal für die ermordeten Juden Europas haben wir gesehen, wie lange ein derartiger Prozess dauern kann. So viel Zeit allerdings sollten wir uns nicht nehmen.

Deswegen schlagen wir vor, dass sich der Senat sehr schnell darum kümmert, einen Diskussionsprozess unter Einbeziehung der Opferangehörigen, der Opferverbände, von Historikern und Künstlern zu organisieren, um darüber eine Diskussion anzuregen, ob es ein zentrales Denkmal für die Opfer der deutschen Teilung geben soll und wo dieses Denkmal sein sollte. Eine offene, aber zielgerichtete Diskussion ist jetzt notwendig. Ich hoffe sehr, dass sich ein rot-roter Senat dieser Aufgabe seriös annimmt. Wir jedenfalls von unserer Seite werden ganz genau darauf achten, denn daran zeigt sich auch die Entwicklung hin zu einer gemeinsamen deutschen Einheit und auch dahin, wie wir mit unserer Geschichte umgehen. – Vielen Dank!

[Beifall bei den Grünen]

Danke schön! – Für die FDP-Fraktion hat das Wort Frau Abgeordnete Meister. – Bitte sehr!

Sehr geehrte Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich glaube, Frau Ströver hat zum Schluss in Ihrer Rede noch einmal die sozusagen entscheidende Frage, die sich aus der Diskussion der letzten Tage ergibt, formuliert: Gibt es ein zentrales Gedenken an die Mauertoten mitten in Berlin, oder gedenken wir an unterschiedlichen Orten, und wie gehen wir mit diesen Gedenkstätten um? – Hierfür liegen zwei Dringlichkeitsanträge vor. Beiden kann eigentlich zugestimmt werden, weil sie im Prinzip etwas einfordern, was sicher richtig ist und wozu es Zeit ist. Wir brauchen eine vernünftige Konzeption, was für Gedenkstätten wir in Berlin haben. Wir brauchen eine vernünftige finanzielle Ausstattung für diese Gedenkstätten, damit wir mit ihnen auch vernünftig umgehen können.

Aber benötigen wir tatsächlich ein zentrales Denkmal? Brauchen wir wirklich mitten in Berlin, am Brandenburger Tor, eine Ecke der unterschiedlichen Gedenkstätten, an der ein Besucher innerhalb von zehn Minuten aller Toten der Geschichte Deutschlands gedenken kann? Brauchen wir tatsächlich am Brandenburger Tor eine „Vermahnmalung“, die der Sache nicht gerecht wird? – Ich glaube nicht, dass es wichtig ist, ein zentrales Denkmal zu schaffen. Ich bin der Überzeugung, dass es richtiger ist, die historischen Orte so zu hegen und zu pflegen, dass sie am ehesten die Chance haben, das, was auch die Grünen in ihrem Antrag gefordert haben, zu erreichen, nämlich

Frau Ströver

eine gewisse Nachvollziehbarkeit des damaligen Leids darzustellen, den Bürgern dieses Leid wirklich zu vermitteln. Deshalb bin ich eher der Meinung, wir müssen vernünftig und verantwortungsvoll mit den bestehenden Gedenkstätten umgehen und sie hegen und pflegen, aber nicht ein weiteres zentrales Mahnmal in der Hoffnung schaffen, dass wir wieder ein Gedenken abhaken können.

Ich möchte noch etwas sagen zu dem privaten Engagement, das sich am Checkpoint Charlie herausgebildet hat. Checkpoint Charlie ist ein Museum, das jeder kennt, das schon immer in privater Hand war und das vor allem für junge Leute sehr augenscheinlich vermittelt hat, was hieß Mauer, was hieß Trennung, was hieß Teilung. Sehr bildhaft, sehr beeindruckend, mit sehr vielen Besuchern. Frau Hildebrandt geht nun hin und nutzt diese Brache, die vor ihr liegt, indem sie versucht, würdig mit dieser Ecke umzugehen und der Mauertoten zu gedenken. Das ist auf jeden Fall sehr viel besser, als alles, was vorher an diesem Ort stand, nämlich diese Mischung aus Mützenverkäufern und Würstchenbuden und ähnlichem, was sich an dieser richtig gruseligen Ecke herumgetrieben hat.

[Beifall bei der FDP]

Ich glaube schon, Herr Wowereit, dass wir privates Engagement ernst nehmen müssen, dass wir darüber nachdenken müssen, was es heißt – und das hat uns das Ganze, glaube ich, klar gemacht –, dass es dort eine Brache gibt, die wir irgendwie ausfüllen müssen, und zwar dem Anlass angemessen. Ich bin weiter der Auffassung, dass wir den Bürger in diesem privaten Engagement auch ernster nehmen müssen. Es fällt Ihnen ja ganz offensichtlich schon schwer, unsere Fraktion ernst zu nehmen, aber ich finde, zumindest im Umgang mit den Mauertoten sollten wir ein wenig mehr Ernsthaftigkeit an den Tag legen.

Es ist nicht richtig, sofort bei privatem Engagement danach zu schreien, was mir persönlich gefällt. Gefällt mir die weiße Mauer? Oder müssten wir es nicht vielleicht ganz anders machen? Wie finde ich es eigentlich? – Natürlich ist es so, dass gerade privates Engagement im Bereich der Gedenkstätten Grenzen berührt, wie wir alle empfinden, wie wir alle mit diesen Fragen umgehen. Trotzdem ist es zumindest unsere Meinung, dass privates Engagement eine hohe Unterstützung verdient.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

So, wie ich Frau Hildebrandt erlebt habe, ist sie durchaus bereit, eine gemeinsame Lösung anzustreben. Ich glaube, dass wir an diesem Ort, genau an dieser Ecke, neben dem Checkpoint-Charlie-Museum, einen vernünftigen Umgang mit dieser Brache benötigen. Einen vernünftigen Umgang, der sich in eine gemeinsame Gedenkstättenkonzeption mit einpasst, der etwas anderes ist, als die vorherige Müllhalde, die wir dort immer vorfanden.

Der Tag „15 Jahre Mauerfall“ hinterlässt die Verpflichtung, wie wir in Zukunft mit den Gedenkstätten, mit ihrer Finanzierung und mit solchen Brachgeländen umgehen. Deshalb hoffe ich sehr, dass die weitere Finanzierung

von allen Gedenkstätten im Kulturhaushalt bei Herrn Flierl keiner weiteren Diskussion bedarf, sondern für die nächsten Jahre gesichert ist. Und ich hoffe auch, dass es mit Frau Hildebrandt Konsensgespräche geben wird, wie man mit dieser Brache umgeht und wie wir sie so gestalten können, dass wir den Mauertoten mit Respekt entgegentreten können. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Danke schön, Frau Meister! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aktuelle Stunde hat damit ihre Erledigung gefunden.

Zu den beiden dringlichen Anträgen, Drucksache 15/3378 und Drucksache 15/3379, wird die Überweisung an den Ausschuss für Kulturelle Angelegenheiten als federführender Ausschuss sowie an den Ausschuss für Stadtentwicklung und Umweltschutz empfohlen. – Ich höre dazu keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 3:

a) Beschlussempfehlung

Einsatz von Polizisten im Zweidrittel-Angestelltenverhältnis in Berlin beenden!

Beschlussempfehlung InnSichO Drs 15/3310 Antrag der CDU Drs 15/3115

b) II. Lesung

Drittes Gesetz zur Änderung des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes

Beschlussempfehlung InnSichO Drs 15/3311 Vorlage – zur Beschlussfassung – Drs 15/3026

Ich eröffne die II. Lesung und schlage vor, die Einzelberatungen der drei Artikel zu verbinden. – Dazu höre ich keinen Widerspruch. – Ich rufe also auf die Überschrift und die Einleitung sowie die Artikel I bis III, Drucksache 15/3026. Für die gemeinsame Beratung steht den Fraktionen eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion der CDU mit dem Kollegen Trapp. – Bitte schön, Herr Trapp, Sie haben das Wort!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Angestellte jagen künftig Verbrecher“, so schreibt die „Berliner Zeitung“ am 9. November 2004. Ein einmaliger Vorgang in der Bundesrepublik Deutschland! Weil der Senat, speziell der Innensenator und der Finanzsenator, eine falsche Personalpolitik betreiben, soll das Abgeordnetenhaus die verfassungswidrige Übertragung von hoheitlichen Aufgaben an Teilzeitangestellte durch Änderung des ASOG verabschieden. Die Aufgaben des Polizeivollzugsdienstes – freiheitsbeschränkende, freiheitsentziehende Maßnahmen, Eingriffe in die Bürger

Frau Meister

rechte, z. B. Unverletzlichkeit der Wohnung – fallen nach allen vertretenen Ansichten unter den Tatbestand des Artikels 33 Abs. 4 des Grundgesetzes und sind in der Regel Beamten vorbehalten. Der rot-rote Senat will jedoch entgegen allen verfassungsrechtlichen Bedenken, und zwar von namhaften Verfassungsrechtlern wie Prof. Battis von der Humboldt-Universität, den Teilzeitangestellten die gleichen Aufgaben wie allen Polizeivollzugsbeamten in Berlin zuweisen.

Verfassungsrechtliche Bedenken vertritt auch die Normenprüfungskommission des Senats, jedoch setzt sich der Innensenator über die Bedenken hinweg und peitscht seinen Gesetzentwurf durch. Er ist ja der Verfassungssenator, und Verfassungsbruch, auch wenn man dabei ab und zu von einem Verfassungsgericht erwischt wird, ist ja nicht strafbar, und man hat so seine Erfahrungen. Aber vielleicht kommen noch neue Erfahrungen hinzu, denn die CDU-Fraktion behält sich die verfassungsgerichtliche Überprüfung des gesamten Vorgangs vor.

Die CDU-Fraktion hat jedoch noch die Befürchtung, dass die Rechtswidrigkeit des Einsatzes von Polizeiangestellten von betroffenen Bürgern geltend gemacht wird und es zu gerichtlichen Beweisverwertungsverboten kommt.

Diese Befürchtungen müssen auch die SPD- und PDSAbgeordneten im Innenausschuss bewogen haben, Anträge der Opposition auf Anhörung von Verfassungsrechtlern oder die Mitberatung des Rechtsausschusses ohne Argumente mit Mehrheit abzulehnen. Es drängt sich der CDU-Fraktion der Eindruck auf, dass haushaltspolitische Sparziele auf dem Rücken der Polizeianwärter ausgetragen werden sollen.

[Brauer (PDS): Was?]

Die Zwangslage der jungen Menschen wird ausgenutzt, denn der Senat reizt seine Monopolstellung schamlos aus. Bei dieser Sachlage ist die Einstellungspraxis keine gerechtfertigte Ausnahme von Artikel 33 Abs. 4 des Grundgesetzes, sondern ein evidenter exekutiver Rechtsmissbrauch.

Der Senator schickt junge Menschen in eine gefahrgeneigte Tätigkeit, in der sie unter Einsatz ihrer Gesundheit oder ihres Lebens dem Bürger helfen sollen. Die Absicherung nach dem Beamtenversorgungsgesetz verweigern die sozialistischen Regierungsfraktionen von SPD und PDS.