Protocol of the Session on November 27, 2003

Legasthenie. Besonders kleine Träger werden mit einem völlig uneinheitlichen Bewilligungsverfahren der Bezirke an den Rand der Existenz gebracht. Schlimmer ist jedoch die Tatsache, dass immer mehr Kinder mit Legasthenie keine Hilfe mehr erhalten. Hier wird Kindern mit eindeutig festgestellter Legasthenie jede Chance auf den weiteren Bildungsweg genommen. Dies ist nur ein Beispiel für die gefährliche Situation. Es zeigt ganz deutlich, dass die Senatsverwaltung für Jugend ihrer Fachverantwortung nicht gerecht wird. Es zeigt aber auch, dass ein Mittelabbau in dieser Größenordnung nur langfristig und begleitet von klaren Ausführungsvorschriften durchgeführt werden kann. Die Bezirke müssen umgehend eindeutige Standards mitgeteilt bekommen, und die jährliche Ansenkung der Hilfen zur Erziehung muss mit den gesetzlichen Ansprüchen in Einklang gebracht werden. Dafür müssen wir jetzt den Senat auffordern, ein Konzept vorzulegen, bevor der nächste Haushalt weiterberaten wird.

Meine Damen und Herren von der CDU, als ich Ihren

Antrag gelesen habe, da habe ich mich gefragt, ob Sie die Debatten um die Entwicklung im Bereich der Hilfen zur Erziehung in den letzten zwei Jahren verschlafen haben.

Verschiedene Berichte liegen vor, Veranstaltungen

zum Thema finden fast wöchentlich statt. Es liegen Vereinbarungen vor, es gibt Statistiken, es gibt eine Unmenge von Papier – Stellungnahmen, Fachbeiträge, Kleine Anfragen und mehr. Vielleicht im Gegensatz zu manchem anderen, was in diesem Lande so passiert, habe ich in diesem Falle nicht den Eindruck, dass es hier konzeptionslos zugeht, wie Sie beklagen.

Es mag sein, dass im Prozess der Umstrukturierung

der Hilfen zur Erziehung manches passiert, was Widerspruch hervorruft, was Probleme bereitet. Der Umbau der Hilfen zur Erziehung hat natürlich Auswirkungen auf eine Trägerstruktur, die sich an den alten Finanzierungsstrukturen und Bedingungen ausgerichtet und entwickelt hat. Deren Umbau in relativ kurzer Zeit verlangt den Trägern und ihren Beschäftigten momentan sehr viel Flexibilität ab.

Es mag auch sein, dass manches, was angedacht und

angeschoben ist, zu lange auf sich warten lässt wie zum Beispiel ein „Leitfaden Hilfen zur Erziehung“ zur Vereinheitlichung des fachlichen Vorgehens in den Bezirken oder der intrakommunale Kennzahlenvergleich, aber es ist längst auf den Weg gebracht. Die Prozesse laufen, und sie laufen nicht hinter geschlossenen Türen. Das Konzept heißt: Umstrukturierung in den Hilfen zur Erziehung – mehr Qualität bei mehr Kostentransparenz und Kostenbewusstsein. Die Grundbedingung ist: Jedes Kind, jeder Jugendliche erhält die für ihn oder sie notwendige Hilfe, individuelle Rechtsansprüche werden nicht verletzt.

Viele kluge Leute haben sich sicher unter dem Druck

der großen Einsparvorgaben hingesetzt und das hier von der CDU gewünschte Konzept längst erarbeitet.

Es liegt vor in der Drucksache 15/1685, in der Ergeb

nisdokumentation „Hilfen zur Erziehung“ der Senatsjugendverwaltung, es liegt für jeden einzelnen Bezirk vor. Der Umbau der Hilfen zur Erziehung ist sogar ein Leitprojekt der Verwaltungsreform und zwar mit dem Ziel der Qualifizierung der Entscheidungsprozesse im Jugendamt.

Hier besteht also in der Tat konzeptionell kein Nach

holbedarf. Was nicht heißt, dass auch Konzepte immer wieder geprüft und nachgebessert werden müssen. Wir werden Ihren Antrag und die darin enthaltenen Einzelforderungen gründlich im Fachausschuss beraten. Das gibt uns allen Gelegenheit, uns über die bisher vorliegenden Ergebnisse und sichtbar gewordenen Probleme des Prozesses der Umstrukturierung im Bereich der Hilfen zur Erziehung zu verständigen.

Die FDP-Fraktion teilt die Einschätzung und die For

derung der CDU-Fraktion, dass das uneinheitliche Verfahren zu Hilfen zur Erziehung in den Bezirken beendet werden muss, ohne dass der durch Bundesgesetz vorgegebene Rechtsanspruch auf Hilfen für benachteiligte Kinder und Jugendliche in Frage gestellt wird. Dies ist aber vor allem deshalb erforderlich, weil zum einen die Ausgaben bei den Hilfen zur Erziehung weit über dem Bundesdurchschnitt liegen und zum anderen kein erkennbarer Zusammenhang zwischen Mittelabfluss in den Bezirken und der sozialen Lage der Betroffenen besteht.

Allerdings besteht ein Zusammenhang zwischen den

in den Bezirken erbrachten Leistungen und dem jeweiligen Angebot an Leistungen. Maßstab für die eingesetzten Hilfen ist also nicht der tatsächliche sozialbedingte Bedarf

Vizepräsidentin Michels

Die Linie der grünen Fraktion ist deutlich: Die Hilfen

zur Erziehung dürfen nicht kaputtgespart werden. Sie sind auf Grund ihres hohen Etatpostens schon lange in den Blick des Finanzsenators geraten. Die hohe Anzahl an Fällen – ebenso wie die hohen Fallkosten und die große Vielfalt des Angebots – haben Begehrlichkeiten geweckt. Die hohen Sparvorgaben des Finanzsenators konnten die Jugendstadträte noch abwenden, der Kompromiss wurde jedoch teuer erkauft. Immer noch stehen massive Kürzungsvorgaben in den Bezirkshaushalten, und die Zahlen zeigen: Es wird gespart. Aber es wird flächendeckend bei allen Hilfearten gespart. Das ist Kaputtsparen, meine Damen und Herren!

Wir wollen ein Umsteuern in den Hilfen zur Erzie

hung. Ein Umsteuern in der Jugendhilfe wird seit längerer Zeit sowohl in Berlin als auch bundesweit diskutiert und ist längst überfällig. Eine hohe Anzahl an Heimunterbringungen, wenige Kinder in Pflegefamilien, eine starke Versäulung der Jugendhilfe und ein Zurückfahren präventiver Angebote erfordern Veränderung. Allerdings muss auf fachlicher Grundlage und nicht aus finanzieller Not umgesteuert werden. Die Jugendhilfe muss konsequent sozialraumorientiert Hilfe gewähren und dabei auf Hilfe zur Selbsthilfe setzen. Die strikte Versäulung unterschiedlicher Hilfearten, die keine Durchlässigkeit erlaubt, muss zu Gunsten individueller Hilfe im Sozialraum aufgebrochen werden. Präventive Angebote müssen gestärkt werden. Manche Bezirke haben sich bereits auf den Weg gemacht, sie folgen den Grundsätzen: ambulant vor stationär und Sozialraumorientierung. Die notwendige politische Unterstützung des Umsteuerns in der Jugendhilfe scheitert am mangelnden Interesse des zuständigen Senators. Senator Böger gefällt sich in der Rolle des Bildungssenators, Jugendpolitik ist für ihn bloß lästiges Beiwerk. Es gibt weder eine Linie noch Unterstützung für diesen Umbauprozess. Unter dem Konsolidierungsdruck droht ein Abbau der Jugendhilfe, wenn der politisch zuständige Senator keine politische Linie entwickelt und die Reformprozesse aktiv unterstützt.

sondern das Angebot an Hilfen zur Erziehung. Es ist also erkennbar, dass durch bessere Anpassung des Angebots an den tatsächlichen sozialbedingten und rechtlich vorgegebenen Bedarf eine kostengünstigere Lösung, ja gegebenenfalls auch eine bessere Leistungserbringung für die Jugendlichen erreichbar ist. Daher muss es eine Aus- und Fortbildung der die Leistung bewilligenden Personen geben. Da die Bewusstseinslage in Berlin über das, was erforderlich ist, sich nicht an gleichen Maßstäben orientiert, müssen bestimmte Standards definiert werden. So bleibt damit die Frage der Unabweisbarkeit letztlich nicht nur eine Phrase, und der wirklich bedürftige Jugendliche erhält trotz Ressourcenknappheit die notwendige Unterstützung. Gleichzeitig bedarf es für die bewilligenden Sozialarbeiter eines Informationssystems, das diesen bei der Auswahl des Angebots an Hilfen zur Erziehung und damit bei der Entscheidungsfindung hilft.

Wird von den Kürzungsbestrebungen und -vorgaben

des Finanzsenators abgesehen, die primär unter fiskalischen Erwägungen erfolgten, ist der Senat dabei, durch Aufbau eines „Informationssystems Berliner Jugendhilfe“ die wesentlichen Voraussetzungen dessen zu erreichen, was mit dem Antrag der CDU-Fraktion bezweckt ist.

Die Einbeziehung der freien Träger, wie von der FDP-

und der CDU-Fraktion gefordert, ist zwar wegen der Ressourcenverantwortung des Landes Berlin und der Bezirke nicht zwingend, aber wegen der Fachkompetenz, der Umstellungserfordernisse bei der Akzeptanz und der Akzeptanz von Seiten der freien Träger dringend geboten. Der CDU-Antrag – jedenfalls in der vorliegenden Fassung –, wie er nun vorliegt, kommt zu spät. Nur brauchte es einen Lernprozess bei Senat insbesondere beim Finanzsenator, auf welche Weise rechtlich zulässig der Ressourcenverschwendung im Bereich Hilfen zur Erziehung ein Ende gemacht werden kann.

Die Forderungen, wie sie im Antrag der CDU enthal

ten sind, wie ein einheitliches fachliches Vorgehen und Vernetzung und mehr sollen auch mittels des „Informationssystems Berliner Jugendhilfe“ erreicht werden. Aber wie glaubwürdig ist dieser Antrag, wenn die CDU im Haushaltsausschuss gerade dort den Sparhebel ansetzt und damit dem geforderten Konzept die Grundlage einer zügigen Umsetzung entzieht? So beantragte die CDU – Anlage 27 zum Beschlussprotokoll der 25. Sitzung – die Haushaltsmittel des Projekts „Informationssystem Berliner Jugendhilfe von 1,534 Millionen € 0,5 Millionen € in 2004 und von 2,045 Millionen € in 2005 auch 0,5 Millionen € zu kürzen. Ohne Investition in die Zukunft lassen sich auch keine Verwaltungskosten senken und Innovationen im Bereich Hilfen zur Erziehung erzielen.

Immer mehr Jugendliche und Familien benötigen

Hilfe bei der Bewältigung ihres Lebens. Das zeigt die steigende Nachfrage nach Beratungs- und Hilfeangeboten

von der Jugend- und Familienberatung über Ausbildungsprojekte bis zu Therapien. In allen diesen Bereichen wurde bereits in den letzten Jahren gekürzt, und Angebote wurden zurückgefahren. Mit den im Haushalt 2004/2005 geplanten Kürzungen von über 200 Millionen € im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe drohen weitere für die Kinder und Familien notwendige Angebote und Leistungen wegzubrechen.

Die meisten Forderungen des CDU-Antrags teile ich.

Ich würde noch einige hinzufügen, wie zum Beispiel die konsequente Übertragung von Kitas, Jugendfreizeitheimen und der Pflegekinderdienste in freie Trägerschaft. Die Sozialraumorientierung soll in allen Bezirken umgesetzt werden und nicht nur als Modellprojekt, wie die CDU es fordert. Andere Finanzierungsformen, die einen Anreiz schaffen, präventive Angebote zu stärken, sind nötig. All diese Ideen haben wir ebenfalls in einem Antrag formuliert, denn wir glauben: Dies alles müsste schon

Vizepräsidentin Michels

Und hätten Sie Recht, dann wäre es nach dem Krieg, in viel schwierigeren Zeiten also, im Westen nicht zum Wiederaufbau des völlig zerstörten Schlosses Charlottenburg gekommen und im Osten nicht zum Aufbau des Kronprinzenpalais, um nur diese beiden Beispiele zu nennen.

Sie von der PDS müssen den Verdacht ausräumen, dass Sie den Abriss nur aus einer DDR-Nostalgie heraus verhindern wollen.

Auch die SPD-Fraktion argumentiert butterweich und findet nicht den rechten Mut zur Entscheidung.

Der Palast ist ein städtebauliches Ärgernis, insofern stimme ich Herrn Senator Strieder völlig zu. Er muss weg, und zwar egal, ob es ein schon völlig durchgearbeitetes Konzept für die Nachfolge gibt oder nicht. Die Grünanlage,

jetzt passieren und nicht erst jetzt als Konzept erstellt werden. Ich fürchte, dass, während wir auf ein Konzept warten, von der Jugendhilfe nicht mehr viel übrig bleibt. Daher muss es jetzt heißen: konsequent umsteuern und nicht kaputtsparen.

Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung an den Ausschuss für Jugend, Familie, Schule und Sport. Hierzu erhebt sich kein Widerspruch. Dann werden wir so verfahren.

Wir kommen zur

lfd. Nr. 37:

Antrag

Beseitigung eines Schandflecks

Antrag der CDU Drs 15/2248

Dieser Tagesordnungspunkt war ursprünglich bereits durch die Konsensliste erledigt. Die Fraktion der CDU hat inzwischen jedoch die Beratung gewünscht. Hierfür steht den Fraktionen nach der Geschäftsordnung eine Redezeit von bis zu 5 Minuten zur Verfügung. Es beginnt die antragstellende Fraktion der CDU. Das Wort hat der Abgeordnete Herr Wellmann. – Bitte sehr!