Protocol of the Session on May 8, 2003

Anträge stellen. Ich rufe von dieser Stelle ausdrücklich die Kammern, Verbände und anderen Organisationen dazu auf, unsere Initiative „Entrümpelung des Berliner Bürokratiedschungels“ zu unterstützen. Lassen Sie uns jetzt an die Arbeit gehen und den Menschen in der Stadt zeigen, dass wir in der Lage sind, die Dinge auf ein vernünftiges Maß zu beschränken. – Vielen Dank!

Danke schön! – Für die SPD-Fraktion hat Herr Abgeordneter Schimmler das Wort. – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Wambach! Grundsätzlich ist es sicherlich richtig, dass wir uns verstärkt, und zwar zügig, der Deregulierung zuwenden müssen. Aber wenn das schon der große Kraftakt ist – die Badeverordnung und das Feldschutzgesetz –, dann hoffe ich, dass wir uns noch an andere Sachen heranwagen. Das war eine sehr grundsätzliche Rede, die Sie hier gehalten haben, aber dieser Überweisung von solchen kleinen Punkten, einem Sammelantrag oder mehrerer Anträge zu einem gleichen Thema „Bürokratiedschungel“, werden wahrscheinlich noch weitere folgen, wie ich die CDU kenne; wir können sie zukünftig in der Ausschussberatung vielleicht unter der Sammelbezeichnung „Dschungelbuch“ zusammenfassen, dann kann man sie etwas besser festmachen und leichter finden.

verordnung bis zum Feldschutzgesetz sind es Beispiele für das, was jetzt zu tun ist. Unter all diesen Aspekten müssen wir uns dringend gemeinsam an den Bürokratiedschungel in einer gemeinsamen Kraftanstrengung dieses Parlaments heranwagen. Es ist höchste Zeit, dass wir uns parallel zur Staatsaufgabenkritik, zur Verwaltungsreform, zur Geschäftsprozessoptimierung und zur Haushaltskonsolidierung mit der Entbürokratisierung befassen.

Ab sofort sollten wir uns nicht nur als Gesetzgeber, sondern als Gesetznehmer begreifen. Wir brauchen frischen Wind und vor allem Bewegungsfreiheit in Verwaltung, Gesellschaft und Wirtschaft dieser Stadt. Als Christdemokrat füge ich ausdrücklich hinzu, dass es dabei nicht nur um Vereinfachung, sondern auch um Freiheit geht.

[Wieland (Grüne): Oh!]

Jawohl! Der Begriff ist aus der Mode gekommen, aber so ist es, lieber Herr Kollege Wieland!

Zum Schluss möchte ich noch ein symptomatisches Beispiel anfügen, bevor die Vertreter der Regierungsfraktion wieder dazu anheben, wie viel sie schon längst getan haben, und uns mitteilen, dass ohnehin alles gut wird. Am 19. Juli vergangenen Jahres haben wir von Seiten der CDU-Fraktion an die Senatsverwaltungen geschrieben und darum gebeten, uns alle Verwaltungsvorschriften aus dem jeweiligen Ressort zukommen zu lassen. Die Senatsverwaltungen haben uns fast wortgleich geantwortet:

Nach Artikel 64 Abs. 3 Satz 3 der Verfassung von Berlin sind die Verwaltungsvorschriften dem Abgeordnetenhaus auf Verlangen vorzulegen. Diese Norm begründet nach ihrem eindeutigen Wortlaut einen Anspruch des Abgeordnetenhauses, nicht aber einzelner Fraktionen oder Abgeordneter. Vor diesem Hintergrund bitte ich um Verständnis dafür, dass ich von einer Übersendung der erbetenen Unterlagen Abstand nehme, da die VvB das von Ihnen geltend gemachte Recht lediglich dem Abgeordnetenhaus zubilligt.

Die Unterschrift erfolgte in diesem Fall von der Senatsverwaltung für Inneres, sehr geehrter Herr Senator Körting, an der Spitze der Entbürokratisierungsbewegung, von Herrn Staatssekretär Lutz Diwell. Das ist die Form des Umgangs mit diesem Haus. Das ist die Vorgehensweise in Sachen Entbürokratisierung, wenn sich ein Parlament damit befassen möchte. Dem ist fast nichts hinzuzufügen,

[Wieland (Grüne): Aber Sie lassen sich doch nicht stoppen!]

außer, dass der von Ihnen angekündigte Mentalitätswechsel ganz offensichtlich auf eine reine Sprechblase beschränkt ist.

[Beifall bei der CDU]

[Wambach (CDU): Ist ja richtig originell!]

Diese Sammlung heute scheint mir doch ein bisschen nach Goethes „Faust“, Vorspiel auf dem Theater, zusammengestellt zu sein: Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen, und jeder geht zufrieden aus dem Haus.

[Goetze (CDU): Gibt es auch irgendeinen substantiellen Beitrag?]

Kommt ja noch! – Da die Anträge überwiesen werden sollen, werde ich mich kurz fassen. Wir sollten trotzdem aufpassen, was wir da jeweils beantragen.

Nehmen Sie z. B. die Drucksache 15/1613, Badeverordnung. Schön formuliert! Das Baden ist allgemein gefährlich, dafür braucht man keine Schilder und keine Verordnung. Aber das Baden an Binnengewässern kann man, wie Sie das in Ihrer Begründung tun, wohl schlecht mit dem Baden an der Nordsee oder am Mittelmeer vergleichen, denn es gibt auch Gewässer, die keinen Zufluss haben. Wir wissen, dass unsere Seen manchmal umkippen, und es muss zumindest überlegt werden – ob man es dann macht, ist eine andere Frage –, ob es nicht Eingriffsvoraussetzungen geben muss, um z. B. einmal zu sagen, das Gewässer ist umgekippt, lasst da keine Kinder ins Wasser, das könnte für sie gefährlich werden.

Nehmen Sie das Energiespargesetz, einen Ihrer weiteren Anträge. Hier ist Berlin Vorreiter, der Bund ist mit einer Teilregelung nachgegangen. Wenn wir nicht gleich alles wieder wegkippen wollen, sollten wir uns mindestens im Ausschuss die Zeit nehmen, die Energiebeauftrag

Rot-Rot tut im Wesentlichen überhaupt nichts. Es gibt vereinzelte Senatoren, die Vorschläge machen und sich rhetorisch positionieren. Da gibt es dann eine Zeitungsmeldung, und das Ganze verschwindet in irgendwelchen Verwaltungen. Ich habe hier im Parlament noch keinen diesbezüglichen Antrag gesehen, der von Rot-Rot eingebracht wurde. Also Ankündigungsreformisten hier!

Wir brauchen ein Gesamtkonzept. Ich glaube, dass der Ansatz zu kurz greift, mit einzelnen Verordnungen anzufangen, sondern Staatsaufgabenkritik ist nötig. Wir müssen diskutieren, welche Aufgaben der Staat wahrnehmen muss; welche Aufgaben muss er mit eigenen Beschäftigten wahrnehmen, welche muss er durch Vertragsgestaltung gewährleisten, da können dann Private die Ausführung übernehmen, und von welchen Aufgaben kann er sich völlig trennen. Wenn wir das gemacht haben, werden zwei Drittel der Vorschriften sowieso wegfallen, weil der Regelungsgegenstand wegfällt. Deswegen bringt es wenig, sich von 10 000 Verordnungen in jeder Sitzung 5 vorzunehmen. Dann können Sie mal errechnen, bis wann wir relevante Erfolge erzielt haben.

Die FDP-Fraktion hat mit „Mehr Berlin, weniger Staat“, unserer Antragsserie, strukturelle Vorschläge gemacht. Das fängt bei der BVG an, das geht über die BSR, es geht über alle Staatstätigkeiten, die das Land Berlin ausübt, von denen wir glauben, dass es keine hoheitlichen Tätigkeiten sind. Bei uns hat sich der Eindruck festgesetzt, dass mit etwas Maniküre versucht werden soll, am Charakter des Landes herumzufeilen. Das wird nicht reichen. Die Hauptstadt Berlin muss mit einem großen Schnitt saniert werden, damit sie zukunftsfähig wird. Die FDP wird daran weiter konstruktiv mitarbeiten.

ten der Bezirke und Senatsverwaltungen zu hören, wie es mit dem Energiesparen in dieser Stadt gelaufen ist. Ich glaube, wir werden erkennen, dass da noch eine Menge zu tun ist.

Sie selbst haben es in einer Formulierung gesagt, dass ein Teil auch in den Vorschlägen von Innensenator Körting enthalten ist. Da klappen Sie letztlich nur nach. Dann können wir nicht den Vorwurf an die Regierung machen, sondern müssen im Ausschuss selbst arbeiten. Dort liegen die Vorschläge. Manche Fachausschüsse haben sich dazu immer noch nicht geäußert.

Allerdings das Feldschutzgesetz, lieber Kollege Wambach, scheint wohl so „wichtig“ zu sein, dass Driehaus und Kärgel das in ihre umfangreiche Berliner Gesetzessammlung nicht einmal aufgenommen haben. Offenbar hat noch niemand gemerkt, dass es darin fehlt. Das ist ein schönes Beispiel, wo man schnell reagieren kann.

Wir sollten das in den Ausschüssen prüfen und die notwendigen Entscheidungen treffen, aber nicht übers Knie brechen.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Danke schön! – Nun für die FDP Herr Abgeordneter Ritzmann!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine Damen und Herren! Die Anträge sind aus unserer Sicht insgesamt unterstützenswert. Sie kümmern sich in erster Linie um überflüssige Regelungen, wo entweder der Regelungsgegenstand weggefallen ist oder die Regelungsgegenstände zwar vorhanden sind, aber von einer anderen Ebene, meist der Bundesebene, bereits abgedeckt sind. Ich glaube, davon gibt es noch Hunderte im Berliner Verwaltungsdschungel. Die müssen wir aufspüren und abschaffen.

Die CDU hat nun den Begriff Dschungel dafür geprägt. Mit diesem möchte ich mich ein bisschen auseinandersetzen. Der Kontext: Wuchernde Bürokratie, Auswüchse der Staatstätigkeit, Filz und Korruption halten das Ganze zusammen und verhindern, dass Licht auf den fruchtbaren Boden Berlins fallen kann, in dem auch Neues wachsen könnte, in diesem schönen und großartigen Land Berlin. Jetzt kommt die CDU und macht Vorschläge, aber für mich liest sich das, als würde die CDU vor diesem Dschungel das Taschenmesser auspacken und versuchen, mit Schnitzereien dem Ganzen eine Kontur zu geben. Aber wenn man aus einem Dschungel einen Garten machen möchte, muss man die ganze Palette anbieten. Dann muss von der kleinen Gartenschere bis zur Kettensäge alles dabei sein, nur dann kann man aus diesem Berliner Bürokratiedschungel das machen, was wir, denke ich, alle wollen, einen Garten. Es muss kein englischer Garten sein, aber ein Garten mit etwas mehr Übersicht und weniger Regulierung.

[Beifall bei der FDP]

[Beifall bei der FDP]

Danke schön! – Für die PDS-Fraktion hat Herr Abgeordneter Dr. Zotl das Wort. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In einem hatte Kollege Lindner in seiner Rede zu einem anderen Tagesordnungspunkt vorhin völlig Recht: Deregulierung ist angesichts der schlimmen Überregulierung inzwischen ein Eigenwert geworden. – Die CDU will – Herr Wambach hat es gesagt – mit ihren Anträgen die Deregulierung voranbringen. Das ist erst einmal gut so. Nicht nur in Berlin, aber auch in Berlin hat die Regelungswut verheerende Ausmaße angenommen. Durch Gesetze und Verordnungen soll eigentlich der Rechtsstaat sicherer und transparenter werden, und das soll sich förderlich für Initiativen in der Gesellschaft und aus der Gesellschaft auswirken. Das ist das Ideal.

In Wirklichkeit produziert die jetzige Regelungsdichte immer mehr Doppel- und Mehrfachverantwortung, bringt überlange Bearbeitungszeiten und befördert vor allem die

Zum einen wurden und werden immer die Patienten, also die Verwaltungen, beauftragt, sich selbst zu diagnostizieren und danach zu operieren. Das geht aus vielen Gründen nicht auf. Es müssen nicht nur die mit der Deregulierung beauftragt werden, die von der Vorschriftenflut leben, sondern vor allem die, die darunter leiden. Natürlich – und da muss man doch dem Vorgehen der CDU zustimmen – sollten wir als Parlament, als Parlamentarie

rinnen und Parlamentarier, höchst aktiv werden. Deshalb ist es nur zu begrüßen, dass die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen sofort die Vorschläge der IHK aufgegriffen hat. Aber das ist erst die Schwalbe, für den Sommer brauchen wir viel mehr öffentliche Beteiligung.

Und das zweite Defizit besteht darin, darauf hat Kollege Ritzmann eben hingewiesen, dass immer nur gefragt wird, was denn an den einzelnen Regelungen wegfallen könnte. Müssen wir uns aber nicht fragen, was wir an Vorschriften überhaupt brauchen? Ich neige einem dem angemessenen Vorgehen zu. Beispiel: Zu einem Tag x, vielleicht in anderthalb Jahren, sollten alle, und zwar ausnahmslos alle Gesetze und Vorschriften außer Kraft gesetzt sein. Zum selben Tag x muss allerdings auch entschieden sein, welche ab da wieder in Kraft sind. Dafür sollte gelten, dass maximal 50 % wieder in Kraft gesetzt werden dürfen, denn die Hälfte der Gesetze und Verordnungen – das sagen ja die Expertenurteile, und zwar nicht nur auf Berlin bezogen – ist nicht da, weil sie nötig ist, sondern sie ist nur da, weil sie da ist. Das wäre so ein Weg, um diesen Dschungel, von dem Sie sprachen, Herr Ritzmann, anzugehen, aber mit dieser Position stelle ich noch ein bisschen die Minderheit dar.

Auslegungswillkür durch die Verwaltung. So wird der Rechtsstaat in Wirklichkeit geschwächt, statt sicherer und transparenter zu werden. Das hemmt die Herausbildung der Bürgergesellschaft und stärkt überkommenes obrigkeitsstaatliches Verhalten. Es festigt die bürokratische Ordnungsverwaltung, wo es doch um die Entwicklung zur Dienstleistungsverwaltung gehen sollte, also genau das Gegenteil von dem, was, wie ich annehme, nach allen Reden alle hier im Hause wollen.

Freilich, auch das muss man sagen, bringen Regelungen nicht nur Unsinn, sondern haben vor allem auch Sinn. Manche politische Schwerpunkte, das möchte ich gern abwägend einwenden, vor allem solche, die zu nachhaltig vernünftigen Veränderungen führen, sind nur über mitunter kleinlich erscheinende Regelungen sowie sogar mit Verboten und Zwängen in Gang zu bringen und durchzusetzen. Darunter fallen nach unserer Auffassung vor allem Fragen der Umweltverträglichkeit, der Demokratie und Antidiskriminierung sowie der Mitbestimmung. Genau auf diese Bereiche, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, scheinen zunächst Ihre Deregulierungsvorschläge zu zielen. Das könnte problematisch werden. Insofern wird es in den Ausschüssen eine intensive Abwägung geben müssen, die aber – das versichere ich namens meiner Fraktion – mit der Intention und dem Willen zum deutlichen Abbau der Vorschriftenflut geführt werden wird.

[Beifall des Abg. Niedergesäß (CDU)]

Es ist ja nicht so – das haben Sie alle gesagt –, dass auf dem Gebiet noch nichts getan worden wäre. Die Senatsverwaltungen für Inneres und für Wirtschaft haben inzwischen über 100 Regelungen zur Disposition gestellt. Natürlich dauert dieser Abwägungsprozess – das ist ja auch gesagt worden – lange und auch zu lange. Aber gerade hinsichtlich wünschbarer Alternativen zur Überregulierung kann es doch nicht um schwarz oder weiß gehen, das ist sicherlich auch Konsens im Haus. Machen wir uns nichts vor: Für die langen Zeiten bei der fachlichen Abwägung und beim Aufwerfen von Gegengründen spielt doch auch eine Rolle, dass sich die jetzige Vorschriftenflut als eine gewaltige arbeitsplatzsichernde Maßnahme darstellt. Meine Fraktion begrüßt auch, dass das Bundesinnenministerium jetzt endlich unter Einbeziehung der Länder und Kommunen eine ebenenübergreifende Gesetzes- und Vorschriftenkritik beginnen wird. Aber bei all diesen Schritten, auch bei den Versuchen unserer Koalition ebenso wie übrigens der Vorgängerregierung, die es ja auch versucht hat und immer stecken geblieben ist an dieser Stelle, gibt und gab es in der Frage der Deregulierung immer zwei große Probleme.

[Beifall bei der PDS – Vereinzelter Beifall bei der CDU und der FDP]

Deshalb werden wir auch auf Antrag der Koalitionsfraktionen im Verwaltungsreformausschuss noch im Juni eine lösungsorientierte Debatte führen, wie wir unter Einbeziehung der bislang Leid tragenden Öffentlichkeit zu einer tatsächlichen und vor allem ergebnisorientierten Strategie der Deregulierung kommen können. – Schönen Dank!

[Beifall bei der PDS und der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU und der FDP]

Danke schön! – Als nächster Redner hat von der Fraktion der Grünen Herr Wieland das Wort!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

[Pewestorff (PDS): Aber alles vorlesen!]

Ich werde jetzt eine Lesestunde halten, Herr Pewestorff. Zunächst: Ich bewundere alle Vorredner, wie sie zu diesen sechs Feldmäuschen der CDU so ernsthaft reden konnten – wirklich, das war eine Leistung!

[Heiterkeit und Beifall bei den Grünen und der SPD]

Wie kann man einen solchen Anlauf nehmen und sagen: Nun kommt man ramboartig als Dschungelkämpfer und haut mal richtig den Paragraphen- und sonstigen Dschungel leer, und dann fällt einem ein: Allgemeine Badefreiheit, Löcher in der Feldmark, Heizungen, Elektrospeicherheizungen und Steuerbeamte, die zu deregulieren sind und im Übrigen nicht mehr in Landespersonalkommissionen oder im Landespersonalausschuss sitzen sollen. Ich