Protocol of the Session on March 27, 2003

Aber, Frau Senftleben, Sie haben gerade gemeinsam mit Herrn Lindner in einer Presseerklärung, über deren Ton ich mich hier besser nicht äußern will, geschrieben, dass alle bisher wegen sog. Friedensdemonstrationen ausgefallenen Schulstunden restlos nachgeholt werden müssten. Dafür habe Schulsenator Böger per Rundschreiben an die Schulleiter unverzüglich zu sorgen. Ich denke, dem ist nichts hinzuzufügen außer dem Satz: So wird Schulschwänzen nicht zu bekämpfen sein. – Vielen Dank!

[Vereinzelter Beifall bei der PDS]

Danke schön! – Frau Senftleben hat das Wort für eine Kurzintervention. – Bitte!

Liebe Frau Schaub! Ich habe damit gerechnet, dass Sie dieses Thema aufbringen. Ich freue mich auch, dass ich noch einmal hier vorne stehen und Stellung dazu nehmen kann, denn Sie haben die Pressemitteilung nicht richtig gelesen. Es ist völlig klar – das haben der Fraktionsvorsitzende und ich zu dieser Geschichte gesagt –: Wir verstehen es, akzeptieren es, dass sich die Jugendlichen am Tag, als der Irakkrieg ausbrach, in einer Demo hier in Berlin versammelt haben. Völlig richtig und akzeptabel! Aber wir müssen uns auch die

Danke schön! – Jetzt hat Herr Mutlu von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort – bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Last but not least. Ich kann mich Frau Schaub voll und ganz anschließen. Als ich diesen Antrag gelesen habe, habe ich mich gefragt, ob künftig in der Geschäftsordnung Qualitätskriterien für Anträge festgelegt werden sollten. In letzter Zeit habe ich es regelrecht satt, immer wieder – egal, ob von Rot-Rot oder von Seiten der CDU – einen Antrag zu diskutieren, mit dem wieder einmal der Senat aufgefordert wird, er möge doch ein Konzept vorlegen, er solle doch sagen, was für Maßnahmen eingeleitet werden. Es gibt doch noch den Weg, dass man selber mal Eckpunkte vorgibt, dass man vorschlägt, wie man die Misere behandeln will, davon muss man doch Vorstellungen haben. Dieser Antrag gibt das nicht her, und ich finde es sehr schade, dass man dieses Thema hier so abhandelt. Ich kann mir sehr wohl vorstellen, dass im Schulausschuss – wie in der Vergangenheit auch – wenig Beiträge diesbezüglich kommen werden und wir wieder einen Prüfauftrag beschließen, zu dem der Senat uns in einigen Monaten einen Bericht vorlegt, an der eigentlichen Misere selbst wird sich aber nichts ändern.

Frage stellen, ob weitere Demos in der Schulzeit stattfinden können. Ich finde, dies ist eine berechtigte Frage. Bürgerengagement kann auch in der Freizeit stattfinden.

[Beifall bei der FDP]

Und das heißt schlicht und ergreifend, dass die Demos in die Freizeit gehören. Ich habe überhaupt nichts dagegen. Demonstrieren ist ein Bürgerrecht, das ist völlig richtig. Die Aussagen, die ich vorhin gemacht habe, stehen in keinem Widerspruch zu der Pressemitteilung, die Herr Dr. Lindner und ich gestern herausgegeben haben. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Danke schön! – Das Wort zur Erwiderung hat Frau Abgeordnete Schaub!

Verehrte Frau Senftleben! – Ich zitiere Ihre Presseerklärung – mit Erlaubnis der Präsidentin, so hoffe ich:

Die FDP begrüßt das große politische Interesse und Engagement der Berliner Schüler in der Frage des Irakkonflikts. Gleichwohl nehmen wir nicht hin, dass deshalb Schulstunden geschwänzt werden.

[Beifall des Abg. Dr. Augstin (FDP)]

Und nun der vorhin zitierte Satz:

Alle bisher wegen sog. Friedensdemonstrationen ausgefallenen Schulstunden müssen restlos nachgeholt werden. Dafür hat Schulsenator Böger per Rundschreiben an die Schulleiter unverzüglich zu sorgen.

[Zuruf der Frau Abg. Senftleben (FDP)]

Abgesehen davon, dass es nicht angebracht ist, dem Schulsenator in diesem Ton mitzuteilen, was er denn zu tun und zu lassen hätte, steht aber etwas ganz anderes dahinter.

[Beifall bei der SPD]

Es widerspricht dem, was Sie sagten. Sie deklarieren auch die erste Friedensdemonstration der Schülerinnen und Schüler als Schulschwänzen. In Ihrer Presseerklärung steht keine Ausnahme davon, das konnten alle mithören und nachlesen. Das halte ich dann doch für politisch außerordentlich bedenklich. Ich bin froh über dieses Engagement, und natürlich wird es nicht sein können, dass Schülerinnen und Schüler jeden Tag oder drei Mal die Woche an solchen Demonstrationen teilnehmen, das ist aber gar nicht das Problem. Ich bin froh darüber, dass in diesem Jahr Schülerinnen und Schüler trotz der Schwierigkeiten in 2001 – wir erinnern uns – den Mut zu solch einer großen Massendemonstration hatten und dass es keine Repressionen gegen Schülerinnen und Schüler in dieser Stadt geben wird, auch, so hoffe ich, im Ausnahmefall nicht, und dass wir das nicht etwa als Schulschwänzen deklarieren. Nach meiner Auffassung ist das politische Weltkunde, wie sie praktischer und besser nicht

stattfinden kann. Wir haben alle unseren Beitrag dazu zu leisten, und wir alle sind dem Frieden verpflichtet. Das Engagement der Schüler haben wir alle hoch zu achten – eine Generation, über die gerne gesagt wird, sie sei unpolitisch, erhält dann hier noch einen Seitenhieb. – Danke!

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Wir werden diesen Antrag mit einem Änderungsantrag im Schulausschuss begleiten. Wir werden zeigen, wie es auch anders gehen kann. Ich hoffe, dass dann die antragstellende Fraktion diesem Beispiel folgt und zukünftig etwas qualitativere Anträge stellt.

Nun haben Sie sich sicherlich gefragt: Was hat er denn zu dem Antrag gesagt? Abwarten, Sie werden den Änderungsantrag erhalten, ich werde mich jedenfalls an der Debatte in dieser Art und Weise nicht beteiligen. – Danke sehr!

[Beifall bei den Grünen]

Danke schön! – Für eine Kurzintervention erhält ausnahmsweise Herr Goetze das Wort – bitte schön!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Mutlu! Es mag Ihnen entgangen sein, dass die Opposition die Aufgabe hat, den Senat zu kontrollieren. Da Sie sich immer halb als Mitglied einer Koalition mit SPD und PDS verstehen,

[Frau Dr. Klotz (Grüne): Vorsicht, ja!]

bringen Sie das vielleicht gelegentlich durcheinander. Der Senat hat die Arbeit zu leisten, und das Abgeordnetenhaus hat zu bewerten, was vorgelegt worden ist. Und wenn keine Arbeit oder schlechte Arbeit geleistet worden ist,

Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Ich sehe, das ist nicht der Fall. Eine Beratung ist nicht vorgesehen. Es wird die Überweisung an den Ausschuss für Jugend, Familie, Schule und Sport gewünscht. – Hierzu erhebt sich kein Widerspruch, dann werden wir so verfahren.

dann ist das zu bewerten und gegebenenfalls zu ändern. Sie können doch aber nicht ernsthaft von einer Oppositionspartei, die Sie offensichtlich nie zu sein scheinen, erwarten, dass man die Konzepte selber präsentiert und damit die Arbeit des Senats macht. Das kann es ja nicht sein.

[Frau Dr. Klotz (Grüne): Aber inhaltliche Eckpunkte machen ja vielleicht auch mal Sinn!]

Natürlich ist die Koalitionsseite ein bisschen schwach besetzt auf dieser Ebene, das sehen wir ja auch so. Aber wir sind nicht dazu da, die Arbeit der Regierung zu machen. Wir sollten vielleicht die Rollenverteilung zwischen Opposition und Regierung beibehalten.

[Zuruf des Abg. Over (PDS)]

Den Spezialfall, der ihre Fraktion betrifft, hatten wir hier noch nicht. Aber vielleicht können wir uns ja doch noch auf eine vernünftige Umgangsweise verständigen.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Danke schön! – Herr Mutlu hat das Wort für eine Beantwortung. – Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Goetze! Ich schätze Sie ja sehr. Selbstverständlich haben wir als Opposition die Aufgabe, die Regierung zu kontrollieren, und nicht, ihre Arbeit zu erledigen. Dieser Seitenhieb kommt aber nicht an bei uns.

Aber wenn ich mir Ihren Antrag noch einmal anschaue – in welcher Weise kontrollieren Sie hier Maßnahmen des Senats? Sie sagen: Gib uns vor!

[Zuruf des Abg. Goetze (CDU)]

Zu unserem Verständnis von Oppositionsarbeit gehört auch, gestalterisch zu sein und eigene Ideen zu entwickeln, Konzepte in die Diskussion einzubringen.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Ich sehe nicht, was daran falsch sein soll.

[Ritzmann (FDP): Herr Mutlu, wer klatscht denn da bei Ihnen?]

Ich habe ein Ziel, und wenn ich dieses Ziel definieren kann und dieses Ziel in diesem Hause vielleicht auch als Minderheit durchsetzen kann – um so besser. Aber stets nur irgendwelche Berichte einfordern, das tut mir Leid, das können Sie machen, wir werden es so jedenfalls nicht machen.

[Beifall bei den Grünen und der PDS]

Danke schön! Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung an den Ausschuss für Jugend, Familie, Schule und Sport. – Hierzu höre ich keinen Widerspruch, dann werden wir so verfahre