Protocol of the Session on March 27, 2003

Die lfd. Nr. 27 ist bereits durch die Konsensliste erledigt.

Wir kommen zu

lfd. Nr. 27 A:

Dringlicher Antrag

Lernmittel sicherstellen – Zwei-Säulen-Modell aus Ausleihe und Elternbeteiligung

Antrag der Grünen Drs 15/1489

Wir kommen zu

lfd. Nr. 27 B:

Dringlicher Antrag

Sicherung der Abfallentsorgung ab 2005 unter Berücksichtigung der Entscheidungen des EuGH

Antrag der SPD und der PDS Drs 15/1490 Änderungsantrag der Grünen Drs 15/1490-1.

Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall.

Eine Beratung wird inzwischen wieder gewünscht. Es beginnt die SPD, und zwar der Abgeordnete Herr Buchholz. – Bitte schön!

Vielen Dank, Frau Präsidentin!

[Beifall bei der SPD]

Weil ich gar nichts sage, gibt es schon Applaus – vielen Dank!

Nein, seien Sie nicht irritiert, der Applaus gilt dem Regierenden Bürgermeister, dass er es möglich gemacht hat, zu später Stunde noch an unserer Sitzung teilzunehmen.

Entschuldigung, ich wollte dem Regierenden Bürgermeister natürlich nicht seinen Applaus wegnehmen!

Meine Damen, meine Herren! Wir haben nicht zum ersten Mal die Abfallpolitik auf der Tagesordnung. Wir haben auch einen Antrag vorliegen, der sich wiederum mit dem Abfallwirtschaftskonzept des Landes Berlin befasst. Wir haben im vergangenen Jahr sehr intensive Diskussionen zu diesem Thema geführt – in den beteiligten Ausschüssen, im Ausschuss für Stadtentwicklung und Umweltschutz, im Ausschuss für Wirtschaft und natürlich auch hier im Plenum. Dabei haben wir gemerkt, wie komplex dieses Thema ist.

Wir haben nun eine aktuelle Notwendigkeit, dass wir dieses Thema sehr dringlich auf die Tagesordnung nehmen müssen. Sie erinnern sich sicher, dass vor zwei Wochen alle Fraktionen festgestellt haben, dass die beiden

Wir bitten um Unterstützung des Antrages zusammen mit den Änderungen, die von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vorgeschlagen wurden. – Vielen Dank!

Danke schön! – Für die CDU-Fraktion hat Herr Abgeordneter Goetze das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dieser dringliche Antrag scheint nach unserer Bewertung überhaupt nicht dringlich zu sein. Deswegen beantragen wir die Überweisung in den Fachausschuss und die Beratung dort. Warum ist das so? – Uns ist eben vorgetragen worden, dass es hier angeblich Auswirkungen gebe auf die Frage, inwieweit sich Preisentwicklungen auf Grund des EuGH-Urteils verändern könnten. Die Preise für die Entsorgung, Verbrennung, Behandlung von Abfällen – was auch immer in Frage kommt – können sich in den nächsten Wochen, Monaten und Jahren zunächst einmal nur reduzieren. Sie können sich deswegen reduzieren, weil ein wesentlicher Bestandteil dieser beiden zitierten Urteile nämlich der ist, dass unbehandelte Abfälle in einem weitaus größeren Maße als bisher in Anlagen, die nicht für die Abfallverwertung geeignet sind, mit entsorgt werden können, also im konkreten Fall bei der Zementindustrie. Dieses größere Angebot und die Tatsache, dass man vorher nicht behandeln muss, führen dann zu entsprechenden Preissenkungen. Warum sollte man jetzt also beschleunigt ausschreiben?

Urteile des Europäischen Gerichtshofs vom 13. Februar 2003 für die deutsche Abfallwirtschaft insgesamt und auch für die Berliner Abfallwirtschaft sehr weitreichende Konsequenzen haben. Die gesamte deutsche Abfallwirtschaft ist durch diese Urteile in – so kann man fast sagen – Aufruhr versetzt worden, da sich große Veränderungen ergeben. Diese müssen wir – um marktgerecht und zukunftsfähig zu handeln – schnellstens in Berlin umsetzen.

Es gelten drei Grundsätze für dieses Abfallwirtschaftskonzept: Wir wollen und wir müssen die Entsorgungssicherheit des Landes Berlin dauerhaft gewährleisten. Wir wollen die wirtschaftlichste Lösung für die Gebührenzahler und das Land Berlin auswählen. Und wir wollen über ökologische Kriterien eine nachhaltige Abfallpolitik sicherstellen. – Das sind die Kriterien, die wir haben. Und wir haben nun, wie Sie sicher wissen, eine Änderung vorzunehmen bei den Maßnahmen für die Sicherstellung dieser Entsorgungssicherheit. Wir haben bisher vorgesehen, gut 400 000 t behandelten und unbehandelten Müll auszuschreiben. Wir werden dies nun ändern. Wir werden nur noch unbehandelten Müll ausschreiben und nicht mehr in einer Größenordnung von rund 400 000 t, sondern in einer Größenordnung von 460 000 t. Wir haben damit aber keine Notwendigkeit mehr, dass spezielle Behandlungsanlagen in Berlin bzw. vor den Toren Berlins errichtet werden. Dadurch wird auch ein Investitionsrisiko vom landeseigenen Unternehmen und dem Land genommen. Wir haben für die Ausschreibung auch vorgesehen, dass sie, um wirtschaftliche Lösungen zu finden, in mehreren Losen erfolgt, d. h. dass sich verschiedene Anbieter darum bewerben können. Das heißt eben auch, dass Teilmengen mit einer kürzeren Laufzeit ausgeschrieben werden können. Und das heißt weiterhin, dass ein vorzeitiges Kündigungsrecht für den Ausschreibenden möglich sein muss. – Und das ist, indem wir es hier als Abgeordnetenhaus so explizit hineinschreiben, auch eine Festlegung: Wir wollen ökologische Kriterien sicherstellen. Das beginnt bei einem hohen Energienutzungsgrad und geht über die Minimierung von klimaschädlichen Gasen bis zur Transportoptimierung, d. h. wir wollen kurze Transportwege, damit die Umwelt nicht zusätzlich belastet wird. Das alles ist sehr dringend und sehr drängend, weil uns die Entscheidungen des EuGH direkt betreffen. Denn jeder Tag, an dem noch die alten Ausschreibungen gelten, kostet das Land Berlin Geld. Wir wollen den Senat wirklich auffordern, unverzüglich zu handeln. Darum ist der dringliche Beschluss in diesem Moment notwendig, da wir sonst als Abgeordnetenhaus wieder allen Entwicklungen hinterherlaufen werden, aber die Konsequenzen tragen müssen. Wenn wir jetzt an alle Ausschüsse überweisen, werden wir nicht vor Mitte Mai über dieses Thema beschließen können. Ich verspreche Ihnen, das wird den Gebührenzahler, die Gebührenzahlerin und das Land Berlin Geld kosten. Das wollen wir an dieser Stelle verhindern.

[Beifall bei der SPD – Beifall der Frau Abg. Seelig (PDS)]

[Buchholz (SPD): Wunschdenken!]

Der Bundesumweltminister Jürgen Trittin hat genau das festgestellt. Er sagt wörtlich:

Die Urteile des Gerichtshofs schaffen zumindest Klarheit für die Frage der Abgrenzung, auch wenn ich mir gewünscht hätte, dass die Richter strengere Kriterien an die Verwertung von Abfall gelegt hätten.

Er fordert die EU-Kommission auf, die rechtlichen Ausdifferenzierungen für dieses Verfahren vorzunehmen, nämlich die Frage zu regeln, wann ein Abfall ein solcher zur Verwertung oder ein solcher zur Beseitigung ist. Das ist völlig unklar. Das heißt, Ausschreibungen, die jetzt über das Knie gebrochen werden, haben möglicherweise keine rechtliche Grundlage mehr, wenn die EUKommission dieses Problem in wenigen Monaten aufgenommen und konkretisiert hat.

Zum Dritten haben wir, was die Abfallwirtschaftspolitik in Berlin angeht, nicht nur eine Rolle vorwärts erlebt, wir haben eine Rolle rückwärts, eine zur rechten Seite, jetzt eine zur linken Seite hinnehmen müssen. Die Handlungsmaximen, die dieser Senat bei dieser Problemlösung hat, sind überhaupt nicht mehr erkennbar. Sie werden auch durch den vorliegenden Antrag, der erstaunlicherweise von den Grünen unterstützt wird, nicht schärfer, denn in Ziffer 2 dieses Antrages werden keine klaren Aussagen gemacht, sondern es wird gesagt, es solle geprüft werden. Mit Dringlichkeit soll hier ein Beschluss zu

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Am 13. Februar hat der Europäische Gerichtshof zwei Urteile mit erheblichen Konsequenzen für

die Diskussion um Müllverbrennung in Müllverbrennungsanlagen und Industrieanlagen verkündet. Diese Urteile haben bundesweite Auswirkungen auf die Planung und den Bau von Entsorgungsanlagen, auch in Berlin. Die Entscheidung kam scheinbar überraschend, war aber doch voraussehbar. Deutschland konnte sich bei den europäischen Partnern mit seinem vorbildlichen Umweltrecht nicht durchsetzen. Da Heizwert und Schadstoffgehalt der Abfälle nach den EuGH-Entscheidungen keine Kriterien für eine Verwertung mehr sind, ist über die Umsetzung getroffener Entscheidungen auf Abgeordnetenhaus- und Senatsebene neu nachzudenken, und das gerade auch vor dem Hintergrund der Gesetzgebung im Bund und in den Ländern, die besagt: Verwertung vor Beseitigung. Wir hatten uns mit diesem Urteil schon einmal am 19. Februar befasst und hatten mit großer Mehrheit einen Antrag verabschiedet, der die Einbeziehung dieser Urteile beinhaltete. Darauf kommen wir nun mit unserem Antrag zurück.

Für Berlin ist ein Umsteuern bezüglich der geplanten Ausschreibung für Siedlungsabfälle, die für das Jahr 2005 noch mit ca. 983 000 Tonnen pro Jahr zu erwarten sind, angesagt. Macht es nach der neuen Rechtsprechung Sinn, die Planung und den Bau teurer Trenn- und Verwertungsanlagen zu beauftragen, wenn danach möglicherweise doch alles verbrannt wird? – Hierzu sind neue Entscheidungen notwendig. In jedem Fall sind unsinnige Investitionen zu vermeiden. Im Hinblick auf eine maßvolle Gebührenentwicklung sind neue Wege zu suchen.

einem Anliegen gefasst werden, das offensichtlich schon nächste Woche im Senat ansteht, d. h. das entweder ausgeprüft ist – dann ist das hier eine scheinheilige Nummer, das noch einmal als Willensbildung des Parlaments vorzulegen – oder wo tatsächlich noch Prüfvorgänge anstehen. Dann wäre es uns unbenommen, in 14 Tagen hierüber eine qualifizierte Entscheidung zu treffe

Was stehen denn für Prüfungen aus? – Es steht die Prüfung aus, ob man Teilmengen für kürzere Laufzeiten vorsehen kann, ob es ein vorzeitiges Kündigungsrecht gibt, ob es Schwankungsbreiten geben soll.

[Zuruf des Abg. Buchholz (SPD)]

Es wird ein maximaler Prozentsatz von 50 % einer auszuschreibenden Menge definiert, die vielleicht in einem Public-Private-Partnership-Verfahren vergeben werden soll. Wieso nicht 30 %, wieso nicht 70 %? – Dazu stellen Sie sich nicht der Debatte. Sie definieren die ökologischen Kriterien nicht – siehe Ziffer 3 Ihres Antrages –, die bei der Vergabe berücksichtigt werden sollen. Sie diskutieren auch die Frage nicht, ob diese ökologischen Kriterien möglicherweise die ganze Ausschreibung wertlos machen, weil sie nach Vergaberecht überhaupt nicht vorgenommen werden dürfen.

[Zuruf des Abg. Buchholz (SPD)]

Und Sie beantworten nicht die Frage, wohin Sie mit der Abfallverwertung und -beseitigung wollen. Der Antrag macht dazu überhaupt keine Aussage, d. h. 100 % des Berliner Abfalls können theoretisch in irgendwelchen Verbrennungsanlagen landen – eine Position, die bei der SPD ganz neu ist, die sich vielleicht angedeutet hat, die bei den Grünen aber extrem erstaunlich ist, zumal an dieser Stelle keinerlei Aussagen dazu gemacht werden, dass man so etwas nicht haben will, sondern vielleicht einen anderen Weg der Entsorgung oder Verwertung gehen müsste.

Dieser Antrag ist erstens über das Knie gebrochen, zweitens völlig unscharf, drittens unnötig, weil im Senat schon Vorentscheidungen getroffen wurden, und viertens auch gar nicht sinnvoll, weil die Wahrscheinlichkeit sehr groß ist, dass 100 % der Berliner Abfallmengen in irgendeiner Form befeuert werden. Das ist ein erstaunlicher Vorgang, dass dem das Parlament in einer Sofortabstimmung zustimmen möchte. Deswegen sagen wir: Das ist überflüssig. Nachdem man über Jahre hinweg in der Abfallwirtschaftspolitik des Landes Berlin einen Eiertanz aufgeführt hat, fehlen nun angeblich 14 Tage, um sich qualifiziert darüber zu unterhalten. Das ist ein Missbrauch der parlamentarischen Mehrheit. Da machen wir nicht mit.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Danke schön! – Für die PDS-Fraktion hat Frau Abgeordnete Hinz das Wort.

Das wollen wir mit unserem Antrag tun. Wir können auf Grund des hohen Zeitdrucks – bis zum Juni 2005 ist bekanntlich nicht mehr viel Zeit – keine Entscheidungen mehr aufschieben. Wir haben diesen Antrag deshalb mit Dringlichkeit vorgelegt. Herr Goetze, die Diskussion um Kapazitäten in Zementwerken haben wir geführt. Gerade diese Kapazität war nicht vorhanden. Deswegen sind Entscheidungen zu treffen, um kostengünstige Verträge abzuschließen.

Schwerpunkt unseres Antrags sind die Gewährleistung von Entsorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit und Umweltverträglichkeit – das immer verbunden mit hoher Flexibilität. Wir wollen mit unserem Antrag erreichen, dass Wertschöpfung in Berlin bleibt. Wir sehen Möglichkeiten, über ein PPP-Modell mit der BSR und anderen Entsorgern berlinnah – neben Ruhleben – weitere Entsorgungsleistungen in der Stadt zu halten. Wir haben Kriterien für die Ausschreibung formuliert, die bundesweit üblich sind. Es werden Verpflichtungen bis ins Jahr 2015 eingegangen, aber nicht darüber hinaus. Wir wollen mit unserem Antrag eine Weichenstellung vornehmen.

Dieser Antrag war in unserer Fraktion allerdings nicht ganz unumstritten. Es wird befürchtet, dass es zu Effizienzverlusten bei der BSR kommt. Aber wir haben weiterhin verantwortungsvoll zu entscheiden, und wir werden diesen Prozess begleiten. Es gibt eine Reihe von Berich

Alle Formulierungen in dem Antrag können nicht darüber hinwegtäuschen, was eigentlich beabsichtigt ist. Hier soll

das staatliche Monopol der BSR bis 2015 abgesichert werden. Es werden neue Verpflichtungen eingegangen, und das wahrscheinlich zu Lasten der Steuerzahler. Diese können nicht so einfach aufgelöst werden, wie derzeit noch die Monopolstellung der BSR und die Zielvereinbarung. Es handelt sich hier um den Versuch, das „Weiter so!“ bei den Monopolen im Land Berlin mit einem scheinbaren Wettbewerb zu koppeln. So etwas machen wir nicht mit.