Als wir gestern im Ausschuss von der zuständigen Staatssekretärin mehrfach hörten, dass die Summe so klein sei, man habe im Nachtrag nicht alles ändern können, hat es uns fast die Sprache verschlagen! Da geht es mal um 1,5 Millionen €, mal um 350 000 €, addiert über alle Einnahmen und Ausgaben geht es um sage und schreibe 150 Millionen €. Wenn man dem gegenüberstellt, welche Mühe sich der Senat sonst beim Kürzen der vielen sozialen Einrichtungen macht, scheinen mir die Koordinaten von Rot-Rot doch in eine gefährliche Schie
Meine zweite Erkenntnis der gestrigen Sitzung war die neue Sparphilosophie des Finanzsenators, wenn es um landeseigene Betriebe geht. Zur Bank sagt er wörtlich: Auch eine Bank braucht ein bisschen Fett. – Dieses Fett, das er der Bankgesellschaft lassen möchte, das wir aber für den Haushalt dringend benötigen, ist ein deutlich über das gesetzlich Notwendige hinausgehender Betrag von rund 250 Millionen €. Diese Herangehensweise, Herr Sarrazin, ist ein Schlag ins Gesicht all derer, denen Sie mit Ihrem Nachtrag an den Geldbeutel gehen –den Eltern, den Mietern, den Wohlfahrtsverbänden, dem Zoo, dem Tierpark, den Opern. Denen haben Sie gerade ihr Fett genommen und sie auf massivste Diät gesetzt. Das ist das Gegenteil der von Ihnen versprochenen sozialen Gerechtigkeit.
Herr Wechselberg, ich frage Sie, wer hier den Blindflug macht, wenn Sie davon reden. Sie unterschrieben und genehmigten gestern einen Vertrag mit der Bankgesellschaft, der dieser Bank dauerhaft eine Eigenkapitalquote von 9,7 % sichert. Sie genehmigten diese Summe, ohne zu wissen, wie der Jahresabschluss der Bank im Jahr 2002 aussehen wird. Statt die Bank zu zwingen, erst einmal ihren Jahresabschluss vorzulegen und dann zu prüfen, wie viel zusätzliches Kapital sie benötigt, garantieren sie jetzt die 9,7 %. Gesetzlich vorgeschrieben sind 8,4 %. Wir haben es offensichtlich! Die Bank kann jetzt in aller Ruhe überlegen, wie viel Bares sie vom Steuerzahler haben will. Soll es etwas mehr sein, werden im Jahresabschluss 2002 halt noch einige Risikorückstellungen gebildet. Risiken gibt es ja genug. Soll es etwas weniger sein, verzichtet man darauf. Letztendlich entscheidet die Bank darüber, wie viel wir zahlen müssen. Wir haben das Heft nicht mehr in der Hand. Es ist ein nach oben offenes Spiel auf der Berliner Skandalskala.
Wer sich von den landeseigenen Betrieben so auf der Nase herumtanzen lässt, wird diese Betriebe nicht sanieren können. Wer sich so vorführen lässt, sollte schleunigst sehen, viele dieser Betriebe zu verkaufen. Da Sie das nicht tun, ist es kein Wunder, dass wir in diesem Haushalt eine neue Kreditermächtigung für Vivantes in Höhe von 250 Millionen € erteilen sollen. Auch die Wohnungsbaugesellschaften sollen neue Bürgschaften über 1,3 Milliarden erhalten, da die alten auslaufen.
Die Beteiligungen des Landes haben ohne die Bankgesellschaft und trotz laufender Zuschüsse und Zahlungen aus dem Haushalt in Milliardenhöhe Bilanzverluste von jährlich zwischen 700 Millionen € und 1,3 Milliarden € erwirtschaftet. Die Trennung von vielen dieser Beteiligungen ist schon längst keine Frage der Vermögenserlöse mehr, sondern nur noch eine Frage der Risikominimierung. Es ist völlig absurd, wenn wir im Haushalt über Kürzungen von 50 000 € hier und 30 000 € dort diskutieren. Es ist absurd, wenn wegen dieser Summen Einrichtungen und Projekte schließen müssen, aber unsere Landesunternehmen Jahr für Jahr Milliarden Euro verbrennen, ohne dass von Ihnen massiv gegengesteuert wird.
Die Sprache ist leider von Herrn Sarrazin gestern eingeführt worden. Mir war sie auch neu. Ich fand sie allerdings bildlich so passend für einige Verwaltungen, dass ich sie hier gern verwende.
Das gilt besonders für das Fett der Stadtentwicklungsverwaltung, das wir mit rund 150 Millionen € ausmachen konnten, wenn man die Ansätze 2003 mit den Ausgaben des Jahres 2002 vergleicht. Einiges davon ist erklärbar. Vieles sind aber kleine Reserven, nette Pölsterchen.
Herr Strieder ist zwar recht drahtig, aber seine Verwaltung hat reichlich Fett angesetzt. So bleiben ihm immer wieder genügend Mittel, um seinem eigentlichen Hobby nachzugehen. Mal erklärt er Toilettenhäuschen zu Projekten von stadtpolitischer Bedeutung. Neuerdings haben es ihm die Imbissbuden besonders angetan. Vom Toilettenmann zum Würstchenpeter, was ist das für eine Karriere!
Es ist eine Stadtentwicklungsverwaltung, die auch bei neuen Ausgaben wenig Skrupel kennt. Eine halbe Million Euro wurde allein gestern von der Koalition für einen aerodynamischen Park in Adlershof bewilligt! Anderswo verfallen Einrichtungen, und hier werden nun besondere Schilfarten angepflanzt. Schwerpunkte muss man eben klar definieren und setzen.
Dieser Senat fordert den Mentalitätswechsel immer nur von anderen, nicht aber, wenn es um die eigenen Belange geht. So sind die Sachausgaben der Hauptverwaltung gegenüber den Ausgaben des Vorjahres mit Zuwächsen von rund 380 Millionen € dabei. Erst wenn man diese Zahl kennt, wird deutlich, wie lächerlich die Erfolgsstory von den angeblichen Erhöhungen der Zuschüsse an die
15 Millionen € an Einsparungen wurden vom Senator in der Presse verkündet. Wenig später schaute er dann in den Haushalt und stellte fest, dass dort überhaupt nur 14,1 Millionen € enthalten waren. Also stehen im Haushalt jetzt nur 8 Millionen €. Das kann ja mal passieren. Wenn dann zwei Wochen später nachgefragt wird, wie das umgesetzt werden soll, liest man von der schulpolitischen Sprecherin der SPD in der „Berliner Morgenpost“: „Die SPD hat die Umsetzung des Sparbeschlusses noch nicht diskutiert.“ So wurde es heute hier auch von Frau Spranger wiederholt. So habe ich mir seriöse Politik immer vorgestellt: Augen zu und durch! So kann es nicht
sein. Es gibt genügend ausreichend Deckungsmasse im Haushalt, um diesen Unsinn rückgängig zu machen. Wir werden dies tun!
Auch die verfassungsrechtliche Schieflage des Haushalts hat sich verstärkt. Herr Senator Sarrazin, Sie erhöhen sich mit dem Nachtrag Ihre Kreditermächtigung um 471 Millionen €. Gleichzeitig senken Sie Ihre Ansätze für Investitionen um 60 Millionen €. Investitionen gibt es eigentlich nur noch, wenn sie andere, der Bund oder die EU, bezahlen. Die Schieflage wird von Jahr zu Jahr schlimmer. Wir vermissen Ihr Gegensteuern auch gegen diese wirtschaftspolitische Katastrophe.
Im Nachtrag verzichten Sie auf einen Teil an EU- und Bundesmitteln, weil Sie sich nicht in der Lage sehen, zustehende Gelder mit Maßnahmen zu unterlegen. Warum, so frage ich Sie, nutzen Sie nicht alle Möglichkeiten, um beispielsweise das umfangreiche Oberstufenzentrenprogramm mit diesen Mitteln zu finanzieren? Angesichts von 3 000 fehlenden Ausbildungsplätzen im Herbst ist das ein bildungspolitischer Skandal.
Bezirke ist. Wenn Sie die Bezirksansätze mit den realen Ausgaben der letzten Jahre vergleichen, müssen die Bezirke weiterhin dreistellige Millionenbeträge sparen, während sich die Hauptverwaltungen richtig bedienen. Das ist das Gegenteil von Mentalitätswechsel und sozialer Gerechtigkeit.
Pölsterchen gibt es aber natürlich überall. So wissen inzwischen alle, dass es im Jahr 2003 zu erheblichen Rückerstattungen der Stadtreinigung für Müllgebühren und Straßenreinigung kommen wird, natürlich auch an die Verwaltungen. Rund 20 Millionen € werden dies für den Landeshaushalt sein. Es ist eine anscheinend zu kleine Summe, um sie im Haushalt abzusetzen. Der Senat hat es nicht getan. Das ist eine Verhöhnung der vielen Menschen, die in dieser Stadt von Sparmaßnahmen betroffen sind.
Wir begrüßen Ihre Erfolge in Sachen Ausstieg aus der Wohnungsbauförderung. Allerdings warten wir immer noch auf das Senatskonzept zum Härtefallfonds. Schaffen Sie endlich die Voraussetzungen, um Unsicherheiten in der Mieterschaft Berlins zu beenden. Die Mieter haben das Recht zu erfahren, worauf sie sich in den nächsten Jahren einstellen müssen!
Es ist richtig, die Diskussion um die Lernmittelfreiheit zu führen. Aber welche Freiheit meinen Sie eigentlich? Wissen Sie, wie viel Mittel die Berliner Eltern in den letzten Jahren schon aufgebracht haben, um Lernmittel für ihre Kinder zu kaufen, für Klassenreisen, für Theater- und Museumsbesuche, für Arbeitsbögen, Hefte, Kopien und Literatur? Das haben sie bisher freiwillig getan, denn die Lernmittelfreiheit ist schon lange nicht mehr gegeben. Ihre Kürzungsvorschläge jetzt sind nicht nachvollziehbar und undurchsichtig. Letztendlich werden Sie mehr Geld brauchen als bisher und nicht sparen. Deshalb gibt es noch kein Konzept des Senats zur Umsetzung. Das ist das klassische Sparmodell des Senats nach dem Motto: Erst entscheiden, dann denken! Wie kommt ein rot-roter Senat zu solch unsinnigen Beschlüssen? Es ist ganz einfach: In der PDS brodelt es. Also wurde in der Senatsklausur die Erhöhung der Kitagebühren kurzerhand auf die zweite Jahreshälfte vertagt. Dann ist der Parteitag vorbei. Die fehlenden Millionen Euro soll die Abschaffung der Lernmittelfreiheit bringen. Das ist ein sehr fauler Kompromiss!
Warum verzichten Sie auf Einnahmen, die Ihnen in der Zukunft Ausgaben ersparen könnten? Warum setzen Sie mit diesen Mitteln nicht endlich den Schwerpunkt Bildung um, statt ständig nur davon zu reden? Warum lassen Sie diese Mittel lieber verfallen? Es gibt genügend Vorhaben, die planungsreif in den Schubladen liegen.
Deswegen fordern wir den Senat auf, endlich Schluss mit dem Unsinn zu machen, Gelder, die Berlin dringend benötigt, nicht in Anspruch zu nehmen und nicht abzurufen. Sie haben augenscheinlich nicht die Kraft umzusteuern und die Blockade einzelner Personen in der Berliner Fondsverwaltung für EU-Mittel aufzubrechen.
Es sind Fragen über Fragen. Warum nur hat ein rotroter Senat eine solche Schieflage beim Sparen? Festzuhalten bleibt, dass der Entwurf zum Nachtragshaushalt 2003 alle Fragen zur Zukunft Berlins offen lässt. Angesichts der Erfahrungen nach einem Jahr Rot-Rot sinken unsere Hoffnungen, dass SPD und PDS die Fähigkeit haben, die notwendigen Reformen anzuschieben. Das müssen wohl die Oppositionsparteien, das müssen wir wohl in die eigene Hand nehmen.
Danke schön! – Wir treten nunmehr in die 2. Rederunde ein. Es beginnt wiederum von der CDU-Fraktion Herr Zimmer. – Bitte schön!
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Herr Schruoffeneger, die Hoffnung habe ich nie gehabt, das unterscheidet uns voneinander.
Sie sagten, Frau Spranger, es sei nicht Aufgabe des Nachtragshaushalts, strukturelle Veränderungen vorzunehmen. Ich denke, es müsste insgesamt Aufgabe von Haushaltspolitik in dieser Stadt sein. Ich weiß nicht, warum Sie da unterscheiden; Ihre Doppelhaushalte tun es auch nicht. So gesehen, sind Sie da konsequent: Sie tun es nicht. Aber jetzt so zu tun, als wenn der Nachtragshaushalt dafür nicht das richtige Instrumentarium gewesen wäre... Es wäre schon möglich gewesen, auch Schwerpunkte zu setzen. Sie müssen auch auf irgendeine Art und Weise die Idee gehabt haben, dass Sie sie jetzt in den Nachtragshaushalt eingestellt haben. Es muss irgendjemand gesagt haben: An diese Punkte gehen wir mal ran. – Es muss ein Entscheidungsfindungsverfahren gegeben haben. Was hätte denn dagegen gesprochen, auch dort einmal eine strukturelle Überlegung zu Grunde zu legen, wenn Sie jetzt sagen, Sie machen das nicht, weil Sie das einfach so nach dem Würfelverfahren machen? Gut, das lässt auch tiefe Einblicke in das Haushaltsplanaufstellungsverfahren der Koalition zu.
Zur Kürzung Tierpark und Zoo: Das ist Realsatire, liebe Frau Spranger. Niemand hier in diesem Saal meint ernsthaft, dass es richtig wäre, dem Zoo oder dem Tierpark unangemessen Gelder zu kürzen. Der entscheidende Punkt ist: Sie schreiben das in einen Haushaltsplanentwurf hinein, nur um sich kurze Zeit später als der Retter der Vierbeiner und interessierten Zweibeiner darzustellen. Das ist der unlautere Punkt dabei.
Lieber Herr Liebich! Sie müssen sich nicht grämen, dass Sie es nicht auf die Reihe kriegen. Das ist für mich auch traurig, ich würde Ihnen den Erfolg wünschen, indes – Sie bewerkstelligen es einfach nicht. Da lohnt es sich auch nicht, weiter Tränen darüber zu verschwenden.
Frau Spranger, ich habe Ihnen schon häufiger gesagt: Es tut mir immer ein bisschen Leid, wenn Sie hier nach vorn müssen, um Verteidigungsreden zu halten für die Haushalte und Nachtragshaushalte und sonstigen Irrungen und Wirrungen, die aus der Senatsverwaltung für Finanzen kommen.
Aber ich will Sie überhaupt nicht darüber im Unklaren lassen, was wir mit unseren Anträgen wollen. Es ist legitim zu sagen: Wir wollen in der derzeitigen Situation keinen weiteren Ausbau von Straßenbahnnetzen in dieser Stadt. Dieses Geld könnte man sinnvoller für eine andere Infrastruktur einsetzen.
Wir wollen keinen Straßenrückbau in dieser Stadt, solange wir Straßen haben, die wegen Schlaglochgefahr auf 10 km/h „heruntergezont“ sind.
Und wir wollen, dass das Geld, das Sie sich beispielsweise auch bei Herrn Strieder im Einzelplan für das Quartiersmanagement beiseite gelegt haben, in die notorisch unterfinanzierten Bezirke fließt – weil es dorthin gehört. Dort ist konkret Politik vor Ort zu machen.
Herr Strieder, es ist witzig, das aus Ihrem Munde zu hören, aber da Ihr Zwischenruf vermutlich nicht im Protokoll steht, braucht man darauf nicht weiter einzugehen.
Wir wollen, dass Ausbildungsplätze sichergestellt werden, und wir wollen, dass das Ausgabeverhalten in bestimmten Politikfeldern analysiert wird. Frau Spranger, was ist dagegen einzuwenden? – Nichts! Was ist dagegen einzuwenden, wenn man zu Beginn einer Haushaltsberatung sagt, worauf man hinaus will? – Auch nichts. Dann wissen Sie und die Senatsverwaltungen wenigstens, worauf Sie sich einstellen müssen. Das dient durchaus einer strukturierten Beratung. Wir werden sehen, was Sie daraus machen, insgesamt im Hauptausschuss. Nur: Meine Erfahrungen im Hauptausschuss sind eher die, dass – egal, was es für ein Antrag ist – innerhalb kürzester Zeit festgestellt wird: Wir werden jetzt mal den Schluss der Debatte beantragen. – Dafür gibt es immer ein paar Spezialisten. Und dann ist das Thema beendet.
Das ist, ehrlich gesagt, auch kein besonders praktikabler Umgang mit Anträgen – egal, von wem sie kommen.