Protocol of the Session on February 20, 2003

das Ende der Anschlussförderung, das Facility Management, die One-Stop-Agency, die Klage Berlins beim Bund auf Haushaltsnotlagegelder, eine umfassende Steuerung der Sozialtransferausgaben eingeleitet und, Frau Ströver, sogar eine faire Chance, eine Opernstrukturreform durchzusetzen. Das ist eine überaus beachtliche, wenn auch auszubauende Agenda von Strukturreform. Und Berlin wäre heute nicht in dieser desparaten Lage, wenn andere Regierungen ähnlich rasch und nachdrücklich gehandelt hätten.

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Schließlich bedarf es einer klaren finanzpolitischen Strategie, der die Berliner Politik eindeutig folgt. Wir haben uns dazu verpflichtet, dass Berlin seine Hausaufgaben macht. Denn das ist die Voraussetzung dafür, dass andere uns beim Abbau unserer Zins- und Schuldenlast helfen, die wir selbst nicht mehr bewältigen können. Unsere jährliche Deckungslücke von 5 Milliarden € setzt sich aus rund 3 Milliarden € Zinsen und zinsgleicher Ausgaben – hierzu verklagen wir den Bund und die anderen Bundesländer auf entsprechende Hilfen – sowie einem konsumtiven Defizit von rund 2 Milliarden € zusammen. Letzteres ist die eigentliche Herausforderung dieser Legislaturperiode, weil Berlin hier selbst handeln muss. Niemand nimmt uns die Bewältigung dieser Ausgabenüberschüsse ab, weder können wir diese auf Dauer weiterhin durch Schulden finanzieren, noch kann Berlin diese konsumtiven Ausgaben durch das bescheidene öffentliche

Vermögen kompensieren, das uns hinterlassen worden ist. Beides hat die große Koalition zur Genüge getan, beide Wege sind uns nun grundsätzlich versperrt. Wir müssen Berlin deshalb in die Lage versetzen, die laufenden Ausgaben auch durch laufende Einnahmen zu finanzieren. In diesem Sinne hält die PDS am ausgabeseitigen Konsolidierungspfad fest.

Wir wollen die öffentlichen Ausgaben auf das Niveau anderer Bundesländer absenken und Berlin dafür fit machen, unter halbwegs stabilen Rahmenbedingungen die öffentlichen Ausgaben selbst finanzieren zu können. Das ist unsere Planungsgrundlage, nicht der ökonomische und fiskalische Ausnahmezustand. Alles andere wäre auch eine Überforderung dieser Stadt. Ich bin froh, dass wir in diesem Punkt einen weitgehenden Konsens zwischen den Fraktionen haben. Denn es bleibt meines Erachtens keine sinnvolle Alternative, als diese zusätzlichen Lasten, Herr Zimmer, dem hatten Sie im Hauptausschuss auch schon einmal zugestimmt, in die Verschuldung Berlins einzustellen. An allem anderen würde sich das Land Berlin verheben. Deshalb erhöhen wir mit dem Nachtragshaushalt die Neuverschuldung um 471 Millionen €.

Eigene Hausaufgaben muss das Land Berlin allerdings im Zusammenhang mit der Überschreitung der Sozial- und Transferausgaben machen. Hier ist festzustellen, dass unsere ursprünglichen Zielsetzungen zu ambitioniert

Bei der FDP ist demgegenüber das Mantra von Privatisierung und Deregulierung zu besichtigen. Herr Lindner, wir wollen uns auch von Beteiligungen trennen und haben das bereits oft genug gesagt, aber dafür braucht es mehr als das rein ideologische Bekenntnis. Die Beteiligungen,

die wir noch haben und die wir hier vorgefunden haben, sind nun einmal alles andere als marktgängig. Das ist das Problem. Bei aller Bereitschaft, Vermögensgeschäfte zu tätigen, findet die Bargeldorientierung des Finanzsenators dort ihre Grenze, wo wir Gefahr laufen, städtisches Vermögen weit unter Wert zu verschleudern, oder Risiken ausschließlich dem Land aufgebürdet werden sollen.

Die Grünen sparen im Gegensatz dazu schon mit – nur wie! Ihren neuesten Coup durften wir gestern im Hauptausschuss vernehmen. Sie wollen Millionen bei der Bankgesellschaft abgreifen und räumen selbst ein, dass Sie sich dabei im Blindflug befinden. Im Blindflug, Herr Eßer, weil Sie nicht wissen können, welche Eigenkapitalausstattung die Bank im Frühjahr oder Herbst benötigt, wenn die EU-Kommission ihre Entscheidung zur Beihilfefrage bekannt gibt,

gewesen sind, insbesondere im Hinblick auf die zeitlichen Fristen, die wir benötigen, um im Bereich der Sozialausgaben, der in mehrfacher Hinsicht ein besonders sensibler ist, zu einer Ausgabensenkung durch eine verbesserte Steuerung zu gelangen. Eine Überschreitung von 290 Millionen € in 2002 ist uns hier Mahnung genug, um eine entsprechende Vorsorge in 2003 zu treffen. Wir stellen deshalb 180 Millionen € in den Landeshaushalt ein, um eine Reserve aufzubauen für den Fall, dass es auch in 2003 zu entsprechenden Überschreitungen kommen wird. Und um Ihren Einwendungen an dieser Stelle prophylaktisch zu begegnen, meine Damen und Herren von den Grünen: Hier geht es nicht um den Wettstreit, wer die größeren Wohltaten für die Berliner Bezirke zusammenpackt, auch wenn ich bei Ihnen gelegentlich diesen Eindruck habe, sondern um die Vorsorge für ein Haushaltsrisiko. Wir werden entgegen Ihrer Argumentation die Bezirke nicht einfach aus der Steuerungsverantwortung entlassen, sondern halten hier den Druck aufrecht. Wir werden sie allerdings auch nicht im Regen stehen lassen, wenn sie steuern und die Ausgaben dennoch steigen. Das allerdings werden wir erst am Ende des Jahres 2003 zu beurteilen haben.

Die Kürzungsmaßnahmen, die wir mit diesem Nachtragshaushalt vornehmen, halten wir insgesamt für ausgewogen und vertretbar. Hier wurde eben nicht mit dem Rasenmäher, sondern mit einer Menge Augenmaß gespart. Kein Politikbereich ist über Gebühr strapaziert worden, und weil uns eine vergleichsweise faire Lastenverteilung gelungen ist, hält sich die öffentliche Reaktion auch in Grenzen.

Erlauben Sie mir noch eine Anmerkung zu den Vorschlägen der Opposition: Ich räume ein, dass es mir schwer fällt, eine grundlegende strategische Alternative zu unserem Vorgehen bei der Sanierung des Landeshaushalts überhaupt zu erkennen. Bei der CDU, Herr Steffel und Herr Zimmer, scheint es sich darauf zu konzentrieren, ein lokal begrenztes Wirtschaftswunder initiieren zu wollen, gewissermaßen als korrespondierende Farce zu der historischen Tragödie, die Sie Anfang der 90er Jahre vollzogen haben, als Sie auch glaubten, durch milliardenschwere Investitionen Berlin zur Metropole hochspekulieren zu können. Das Ergebnis kennen wir und haben es heute auszubaden.

[Beifall bei der PDS]

Dass Sie uns heute wieder mit derartigen Vorschlägen, wenn auch ohne das damalige grandiose Format, kommen, lässt tief blicken in der Frage, wie weit Sie eigentlich mit der programmatischen Erneuerung gekommen sind. Die Standpauke von Frau Merkel zum Solidarpakt scheint da bestenfalls ein Anfang gewesen zu sein.

[Beifall bei der PDS]

[Frau Dr. Klotz (Grüne): Und Sie wissen es wohl!]

und weil Sie außerdem noch gar nicht wissen können, wie die EU entscheidet.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Lindner?

Ich bitte darum!

Herr Kollege! Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass die 604 Millionen € nicht die FDP-Fraktion, sondern die Senatsverwaltung für Finanzen in das Konzept hineingeschrieben hat? Sind Sie im Weiteren bereit zu erklären, wie Sie die 604 Millionen € mit Leben erfüllen wollen?

Ein Haushaltsansatz, Herr Dr. Lindner, der eine Absichtserklärung ist, befreit nicht davon, in einem konkreten Privatisierungsverfahren am Ende noch einmal die Ergebnisse zu bewerten. Wenn sich herausstellt, dass wir für eine Beteiligung wie beispielsweise die GSW nicht genügend Geld realisieren, um einen Verkauf verantworten zu können, werden wir das auch nicht machen – ungeachtet von Haushaltsansätzen.

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Trotzdem halten wir an ihnen prinzipiell fest und untersetzen sie auch mit Privatisierungsabsichten.

Ich wollte in der Frage der Bank fortfahren, da ich fürchte, dass die Grünen auf diesem Punkt insistieren werden und mir hier an einer inhaltlichen Auseinandersetzung gelegen ist. Ich habe den Eindruck, meine Damen und Herren von den Grünen, es wäre klug, wenn Sie noch einmal den Gang in den Datenraum machen würden und sich anschauen, welche Quoten im EU-Notifizierungsverfahren vorgesehen sind. Denn dies haben wir gestern noch einmal gemacht und mussten leider feststellen, dass die Bankgesellschaft Berlin in Größenordnungen darunter liegt,

[Eßer (Grüne): Ja! Frau Dr. Klotz (Grüne): Ja, das ist ja das Problem!]

Wenn das etwas Positives sein soll, das Fehlen jeglichen Schwerpunktes, dann ist es wirklich etwas Neues. Das ist aber kein Politikwechsel sondern nur ein Machtwechsel, und es ist der katastrophalen Lage der Stadt überhaupt nicht angemessen.

Erinnerungen an die große Koalition löst bei mir aber Vieles aus. Zum Beispiel wenn Herr Wowereit als Regierender Bürgermeister die gleichen politisch fatalen Kürzungsvorschläge beim Besuchsprogramm für jüdische Emigranten macht, wie sie uns Herr Diepgen jahrelang offeriert hat. Menschen, die unter den Nazis diese Stadt verlassen mussten, können durch dieses Programm im hohen Alter ihre alte Heimatstadt noch einmal besuchen. Hier kürzt ein rot-roter Senat, ein unmoralischer Beschluss, der auch dadurch nicht besser wird, dass die Fraktionen im Hauptausschuss ihn hoffentlich einvernehmlich wieder aufheben werden.

Angesichts eines erstarkenden Rechtsextremismus ist das ein genauso fatales politisches Signal wie die Kürzung beim Programm Jugend gegen Rechtsextremismus – Respect. Auch dieses muss und wird von uns in den Haushaltsberatungen zurückgenommen werden.

weil die Sanierung der Bankgesellschaft eben nicht unproblematisch verläuft und weil die Bankgesellschaft eben alles andere als über den Berg ist. Das ist ein Grund dafür, Herr Eßer, dass Sie da nicht einfach in die Kasse greifen können, sondern dass man außerordentlich vorsichtig sein muss, wenn man dort Kapitalquoten absenken möchte, so wie Sie das vorhaben.

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Zu Ihrer Beruhigung, Herr Eßer, wenn wir in Zukunft tatsächlich feststellen, dass die Bank gesichert zu viel Kapital hat: Was hindert denn das Land Berlin als Eigentümer, Absenkungen der Kapitalbasis vorzunehmen? – Gar nichts! Das machen wir aber gegebenenfalls auf einer seriöseren Grundlage, als Sie uns heute anzubieten haben.

Schließlich noch ein Fazit: Selten hat eine Landesregierung einen eindeutigeren inhaltlichen Regierungsauftrag erhalten als diese Koalition aus SPD und PDS. Unsere Aufgabe ist die Bewältigung des finanziellen Desasters, das uns hinterlassen worden ist. Der Nachtragshaushalt sichert in diesem Sinne die beschlossenen Sanierungsschritte des Doppelhaushaltes 2002/2003 – nicht mehr aber auch nicht weniger. – Vielen Dank!

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Danke sehr! – Für die Fraktion der Grünen hat nunmehr das Wort Herr Abgeordneter Schruoffeneger.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben nun von den Vorrednerinnen und Vorrednern der Koalition die Erfolgsstory gehört. Die Erfolgsstory ging bei Frau Spranger in dem Satz auf: Wir haben die Einsparsumme in voller Höhe erbracht, die Eckzahlen erreicht.

[Heiterkeit des Abg. Dr. Lindner (FDP) und: Das ist absurd!]

Frau Spranger, welche Eckzahl denn? Die rot-rote Eckzahl des Koalitionsvertrags, die rot-rote Eckzahl der mittelfristigen Finanzplanung, die rot-rote Eckzahl des Haushalts 2002/2003 oder die vierte rot-rote Eckzahl des Nachtragshaushalts? Das haben Sie leider vergessen zu erklären. Das ist aber entscheidend. Eckzahlen zu erreichen, ist keine Kunst, wenn man sie vierteljährlich ändert und nicht an der Realität orientiert. Wenn man die Realität sieht, ist klar, was dieser Nachtragshaushalt wirklich ist, dann wird klar: Er besteht aus Stümperei und Flickschusterei.

[Beifall bei den Grünen]

Eine klare Linie: nicht erkennbar. Schwerpunktsetzung: Fehlanzeige. Statt dessen das übliche Sparen mit dem Rasenmäher wie wir es aus langen Jahren der großen Koalition gewohnt sind. Neu ist nur, dass man diesen Rasenmäher jetzt auch noch offensiv verkauft.

Am 12. Februar äußerte sich der haushaltspolitische Sprecher der PDS in der Morgenpost – er hat es heute ähnlich wiederholt –:

Die Einsparungen sind ziemlich gerecht über die Fläche verteilt.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

[Beifall bei den Grünen]

Im Hauptausschuss haben wir schon gestern mit den Beratungen des Nachtragshaushalts begonnen. Ich habe dabei viel über die neue Philosophie der Koalition mit dem Haushalt gelernt. Den ersten Aha-Effekt hatte ich bei der Rede von Frau Spranger – das geht mir augenscheinlich häufiger so –, da sie uns mitgeteilt hat, dass die Haushaltsrisiken bei dieser Koalition erst dann in den Haushalt eingestellt werden, wenn sie kassenwirksam werden. Das ist die neue Transparenz dieser Koalition.

[Widerspruch der Frau Abg. Spranger (SPD)]

Früher hat man die Risiken schamvoll verschwiegen, jetzt stellt man es als sinnvolle Maßnahme dar, sie nicht im Haushalt abzubilden. Sie werden dann in die Begründung geschrieben. Herr Sarrazin widmet diesen Risiken große Teile seiner Rede, aber im Haushalt werden sie nicht abgesichert. So sind wir uns heute schon sicher, dass auch der Haushalt 2003 mit einem Defizit in Milliardenhöhe abschließen wird.

Sie wissen das auch selbst, und deshalb genehmigen Sie sich einen tiefen Schluck aus der „Schuldenpulle“ und erhöhen nicht nur die Nettokreditaufnahme um 471 Millionen €, sondern auch die Kassenkredite um weitere 660 Millionen €. 1 Milliarde € höhere Schulden als noch vor einem Jahr versprochen, schon nach einem Jahr Rot-Rot: das Scheitern Ihrer bisherigen Haushaltspolitik.

flage zu geraten.

Die fetten Jahre, Herr Sarrazin, sind vorbei. Deswegen fordern wir Sie auf, nicht die Bank mit Fett zu versorgen, sondern den Senatsverwaltungen endlich das Fett abzusaugen, das sie sich im Lauf der fetten Jahre zulegen konnten.