Protocol of the Session on January 16, 2003

Ich rufe auf

lfd. Nr. 34:

a) Antrag

Ziel- und wirkungsorientiertes Controlling – Hilfen zur Erziehung –

Antrag der CDU Drs 15/1181

b) Antrag

Ziel- und wirkungsorientiertes Controlling – Wirtschaftsberatung und -förderung –

Antrag der CDU Drs 15/1182

Eine Beratung ist auch hier nicht vorgesehen, jedoch wurde vorgeschlagen, die Reden zu Protokoll zu geben. Ich bitte darum, dass die Rednerinnen und Redner die Redebeiträge abgeben.

Es gibt mehrere Arten von Schaufensteranträgen. Eine

davon besteht darin, auf einen anrollenden Zug zu springen und zu versuchen, sich zum Lokführer zu erklären. Genau darum handelt es sich bei den beiden vorliegenden Anträgen zu ziel- und wirkungsorientiertem Controlling. Aber vielleicht unterhalten die Unterzeichner dieser Anträge sich ja nicht mit anderen, fachkundigen Kollegen der eigenen Fraktion und wissen nicht, dass der ziel- und wirkungsorientierte Umbau der Berliner Verwaltung mit Beschlüssen des Senats im Dezember des vergangenen Jahres begonnen hat.

Ein kurzer Blick zurück in die jüngste Vergangenheit.

Ziel- und wirkungsorientiertes Controlling wurde im

Modellversuch „Integration durch Arbeit/IdA“ in Neukölln und Treptow/Köpenick entwickelt und erprobt. Schon die Durchführung des Probe-/Echtbetriebs stieß auf den beharrlichen Widerstand der Senatsverwaltung für Finanzen. Gemeinsam haben wir über die Parteigrenzen hinweg im Ausschuss für Verwaltungsreform dafür gesorgt, dass der Probe-/Echtbetrieb durchgeführt wird.

Dann die Abnahme-Besprechung für IdA Ende ver

gangenen Jahres. Dabei stellt sich – wie schon zuvor beim Ausschuss-Besuch vor Ort – heraus, dass keinerlei fachliche Begleitung des Projekts durch die Senatsverwaltung für Finanzen stattfindet oder nur unzureichend durchgeführt wird. Die bezirklichen Ämter – denen ich an dieser Stelle für Ihr Engagement danken möchte – waren, gemeinsam mit dem beauftragten Beratungsunternehmen, meistens auf sich allein gestellt. Bei SenFin herrschte Mentalreservation. Folgerichtig die Empfehlung, das ziel- und wirkungsorientierte Controlling zu begraben.

Wenn wir heute eine gegenseitige Entscheidung haben

und sogar über eine Übertragung auf andere Felder diskutieren, dann nur deshalb, weil die Verwaltungsreformer aus der Koalition daraufhin Krach geschlagen haben. Dafür – Frau Kollegin Flesch und Herr Zotl – herzlichen Dank.

Unsere Anträge wollen den Druck aufrechterhalten

und deutlich machen, dass wir das ziel- und wirkungsorientierte Controlling überall dort einsetzen müssen, wo Transferleistungen stattfinden und Kontrolle wie Auswertung dringend vonnöten sind. Wichtig ist auch, dass die Berliner Bezirke ein Werkzeug an die Hand bekommen, wo hinter der Sachbearbeitung Daten und Sachverhalte verdichtet werden können. Nur dann kann man auch steuern, auswerten und vergleichen – mit anderen Bezirken, mit anderen Städten und Gemeinden, bundesweit.

Eine Zeitung dieser Stadt schrieb von der „heimlichen

Revolution“ in den Berliner Amtsstuben, und tatsächlich, selten wurde eine so wesentliche und wichtige Entscheidung so unspektakulär getroffen. Und selten war die Chance so groß, den Umbau des Unternehmens Berlin hin zu einer effizienten, effektiven und an den Bedürfnissen der Einwohnerinnen und Einwohner sowie an der Wirtschaft orientierten ausgerichteten Verwaltung zu einem Erfolg zu bringen. Denn eine ziel- und wirkungsorientierte Steuerung setzt die Definition von Zielen, die Festlegung von Kennzahlen zur Messung von Wirkungen und Qualitäten voraus. Quasi als „Abfallprodukt“ der Erarbeitung politischer, strategischer und operativer Ziele muss es zwangsläufig zu der dringend benötigten aufgabenkritischen Betrachtung der bisherigen Produktpalette der Berliner Verwaltung sowie zur Optimierung der Geschäftsprozesse kommen.

In den Senatsverwaltungen wird mit Hochdruck daran

gearbeitet, prioritäre Politikfelder für den vorrangigen Einsatz ziel-wirkungsorientierter Controllinginstrumente zu identifizieren. Hilfen zur Erziehung und die Wirtschaftsförderung gehören nach dem Bereich „Hilfen zur Arbeit“ zu denen, die nach Auffassung der SPD-Fraktion hohe Priorität genießen.

Der Verwaltungsreformausschuss unter Einschluss der

Oppositionsfraktionen hat die Entscheidungen des Senats begrüßt, hat er sie doch seit langem eingefordert. Wenn ich diese Anträge auch als Schaufensteranträge bezeichne, begrüße ich dennoch die Initiative, die erstmalig nicht aus dem Verwaltungsreformausschuss kommt. Es ist höchste Zeit, dass sich auch die Fachausschüsse mit diesem Thema beschäftigen, sind sie es doch vorrangig, die die politischen Ziele definieren. Unabhängig davon werden wir uns mit der Qualität des Inhalts der Anträge kritisch auseinander setzen müssen.

Wir alle stehen vor einem neuen Weg politischer

Steuerung. Es reicht nicht aus, den Senat aufzufordern, neue Steuerungsinstrumente in den Verwaltungen einzuführen, unsere Beteiligung als aktives und selbstbewusstes Parlament wird hier mehr gefragt sein denn je.

Insoweit wünsche ich uns allen eine gute und intensi

ve Beschäftigung mit dem Thema.

Wir haben diese beiden Anträge heute ursprünglich

eingebracht, um die Entscheidungsfreude des Senats im Hinblick auf die Einführung des ziel- und wirkungsorientierten Controllings zu beschleunigen. Und das ist auch nach der inzwischen erfolgten Entscheidung in der Staatssekretärsrunde in dieser Sache aus meiner Sicht noch nötig.

Darüber hinaus hat IdA sogar eine konkrete Kosten

einsparung erbracht. Und das ist uns allen besonders wichtig. Ich appelliere deshalb an alle hier im Hause, schnell den Weg für das ziel- und wirkungsorientierte Controlling in den beiden nächsten Bereichen – Hilfen zur Erziehung und Wirtschaftsberatung und -förderung – frei zu machen. Hier geht es um dreistellige Millionen EuroBeträge, und hier geht es um die Einführung eines Systems, das die Verwaltungen dringend brauchen. Für Hilfen zur Erziehung ist bereits ein Verfahren im Bezirk Neukölln von der bezirklichen Verwaltung selbst entwickelt worden. Das brauchen wir jetzt alle, und zwar schnell.

In diesem Zusammenhang muss im Senat jetzt endlich

klargestellt werden, dass die Senatsverwaltung für Finanzen hier in der Verantwortung ist, Controllingsysteme und entsprechende Pools für alle Verwaltungen im Land Berlin zu koordinieren. Dort laufen inzwischen nicht nur die Zahlen, sondern nach der neuen Struktur auch die Verwaltungsreformaktivitäten zusammen. Da muss jetzt gehandelt werden!

Ausdrücklich möchten wir davor warnen, jetzt eine

Sturzgeburt zu initiieren. Deshalb haben wir große Prob

leme mit den von Ihnen aufgeworfenen Problemfragen in beiden Anträgen, weil diese das Wesen eines ziel- und wirkungsorientierten Controllings nur ungenügend oder auch gar nicht abbilden. Zudem sind auch Ihre Terminvorstellungen völlig inadäquat zu der Seriosität, mit der dieser Wandel vorbereitet – wohlgemerkt: vorbereitet und nicht verzögert – werden muss. Die Verwaltungsreformspezialisten aus allen Fraktionen haben sich nicht deshalb so intensiv für das ziel- und wirkungsorientierte Controlling eingesetzt, dass es wegen mangelnder folgenkritischer Vorausschau und Problemerklärung zum Schlagwort und zur Lachnummer verkommt. Genau das aber würde geschehen, wenn wir dem Antrag der CDU in der jetzigen Form folgen würden. Selbst der Probe-EchtBetrieb des ziel- und wirkungsorientierten Controllings im Sozialamt Treptow-Köpenick hat gezeigt, dass damit der gesamte Arbeitsprozess neu durchdacht und neu strukturiert werden muss, weil nämlich alles länger dauert und die Belastung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unverhältnismäßig ansteigt, wenn die Dateneingabe einfach an das bisher übliche Verfahren angehängt wird.

Auch im Bereich der Hilfen zur Erziehung sind bereits

jetzt einige weitere Probleme bekannt. Ziel- und wirkungsorientierter Mitteleinsatz und das entsprechende Controlling bei den Hilfen zur Arbeit basieren auf einem differenzierten Umgang mit den Betroffenen. Es gibt – leider – auch einen nicht unbeträchtlichen Anteil unter ihnen, wo ein spezifischer Aufwand mit Sicherheit aus verschiedenen Gründen zu keinem der gewünschten Ergebnisse führen wird. Eine solche Differenzierung verbietet zu Recht das Kinder- und Jugendhilfegesetz. Es formuliert hingegen den individuellen Rechtsanspruch einer bzw. eines jeden auf uneingeschränkte Hilfen zur Erziehung. Hier muss also eine Differenzierung darin bestehen, noch stärker den konkreten Sachverhalt zu analysieren und Maßnahmen konsequent

personenbezogen abzuschätzen und einzusetzen. Das ist aber nicht übers Knie zu brechen, das muss – soll unser gemeinsames Ziel erreicht werden – gründlich durchdacht und eventuell sogar experiment

Ich bitte daher im Namen meiner Fraktion um eine

zügige Beratung unserer beiden Anträge in den zuständigen Ausschüssen und möglichst rasche Umsetzung in den betroffenen Verwaltungen.

Die Anträge der CDU-Fraktion zielen darauf, zügig in

den Bereichen der Hilfen zur Erziehung sowie der Wirtschaftsberatung und -förderung ein ziel- und wirkungsorientiertes Controlling einzuführen. Dieses Anliegen steht in Übereinstimmung mit der Konzeption von Senat und Koalition, denn eine möglichst breite Einführung eines ziel- und wirkungsorientierten Controllings gehört zu den Schwerpunkten der rot-roten Koalitionsvereinbarung sowie zu den sieben Leitprojekten des Senats bei der Neuausrichtung der Verwaltungsmodernisierung. Im Kern geht es darum, dass vor allem in den Transferbereichen – also da, wo über einzelne Verwaltungen beträchtliche finanzielle Mittel an spezifische Bedürftigen- und Zielgruppen weiter gereicht werden – nicht mehr allein und vorrangig das bisherige mengenorientierte Controllingverfahren gelten soll. Die Qualität und das Resultat eines Transferprozesses z. B. im Sozialbereich kann eben nicht nur – und vielleicht sogar überhaupt nicht richtig – daran gemessen werden, in welcher möglichst geringen Zeit Sozialhilfebescheide und Zahlungsanweisungen ausgefüllt werden, sondern es ist doch das entscheidende Kriterium, ob und wie die bzw. der Betreffende fachlich und psychisch stabilisiert und ob sie bzw. er dem ersten oder zweiten Arbeitsmarkt wieder zugeführt werden konnte. Zu einem solchen Controllingsystem kann es gar keine Alternative geben und schon gar nicht Zeiten knappester Kassen.

Ganz in diesem Sinne hat der Senat seit einigen Jahren

im Bereich der Hilfen zur Arbeit den ziel- und wirkungsorientierten Mitteleinsatz sowie ein entsprechendes Controlling, einschließlich einer geeigneten datengestützten Technologie, entwickeln lassen, gefördert und ausprobiert. Ende Oktober 2002 wurde im Bezirksamt TreptowKöpenick der Probe-Echt-Betrieb abgeschlossen. In Verantwortung der federführenden Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz wurde – unter Einbeziehung aller Beteiligten – die Evaluierung eingeleitet. Der Staatssekretärsausschuss für die Verwaltungsmodernisierung hat im November 2002 ein positives Evaluierungsergebnis ausgesprochen. Im Dezember 2002 hat darauf hin der Senat zwei Dinge beschlossen: Zum ersten wird das ziel- und wirkungsorientierte Controlling im Bereich der Hilfen zur Arbeit flächendeckend eingeführt. Zum zweiten sind alle anderen Senatsbereiche aufgefordert, bis zum 31. Januar 2003 weitere Einsatzbereiche zu benennen, wobei ausdrücklich die Hilfen zur Erziehung und auch die Wirtschaftsförderung benannt wurden. Der 31. Januar 2003 ist aber in vierzehn Tagen.