Protocol of the Session on November 14, 2002

Welche Haushaltsvorsorge haben Sie getroffen, um diesen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen?

Herr Senator Dr. Sarrazin!

Keine, wie der Innensenator sagt, weil die Leute von anderen Ländern übernommen werden.

Danke schön, Herr Finanzsenator! – Ich muss einmal eines sagen: Wir hatten dies in der letzten Runde auch schon, dass nicht ganz zuständige Senatoren gefragt worden sind.

[Sen Dr. Sarrazin ist bereit zur weiteren Beantwortung.]

Danke schön, Herr Senator Dr. Sarrazin!

[Heiterkeit und Beifall]

Ich will einmal einen Vorschlag zum Verfahren machen. Wenn sich im Laufe einer Frage herausstellt, dass es der falsche Senator ist, machen wir es einfach so, dass dann, wenn der Fragesteller einverstanden ist, der richtige antwortet, weil es keinen Sinn hat, dass dann diese Dreiecksgeschichten zu Stande kommen.

[Abg. Trapp (CDU) meldet sich zu einer weiteren Nachfrage.]

Herr Trapp hat leider keine Nachfrage mehr.

Jetzt ist der Kollege Pewestorff dran. – Bitte schön, Herr Kollege Pewestorff!

Wahrscheinlich gilt hier auch der Satz: Wenn wir den falschen Senator haben, machen wir halt Neuwahlen, wir wählen einen neuen Senator zum Antworten. – Meine Frage richtet sich an den Senator für Wirtschaft: Herr Senator! Nachdem es in Berlin durchaus ernst zu nehmende Meldungen gab, dass Unternehmen mittelfristig ihren Produktionsstandort hier schließen, gab es in den letzten Tagen auch Meldungen, dass es Firmenentscheidungen gab, in Berlin neu ansässig zu werden. Welche Gründe dieser Unternehmungen sind Ihnen bekannt, diese Entscheidungen durchzuführen? Inwiefern haben auch Instrumente der Wirtschaftsförderungspolitik zu dieser Entscheidung der Unternehmen beigetragen?

Herr Senator Wolf – bitte!

Meine Damen und Herren! Wir haben aktuell, dass KBE Kunststofffenster entschieden hat, seinen Sitz, die Firmenzentrale aus Dillingen im Saarland, nach Berlin zu verlegen. Sie wissen, das Unternehmen hat ca. 350 Arbeitsplätze in der Produktion in Marienfelde. Durch diese Entscheidung werden wahrscheinlich 100 zusätzliche Arbeitsplätze nach Berlin kommen.

Die zweite Entscheidung, die jüngeren Datums ist und heute auch in der Presse war, ist, dass das Stinnes Logistikzentrum nach Berlin kommt, mit wahrscheinlich 230 Arbeitsplätzen.

Ich glaube, dass es bei beiden Unternehmen wichtig und ausschlaggebend war, dass Berlin trotz aller schwierigen Meldungen, die wir in der letzten Zeit hatten, ein guter Standort ist, sowohl bezüglich der Infrastruktur als auch bezüglich der Qualität des Standorts und der Kostenstruktur. Inwieweit und in welchem Umfang Instrumente der Wirtschaftsförderung hier genutzt worden sind, entzieht sich im Detail meiner Kenntnis. Aber ich denke, das ist auch ein Thema, das man nicht unbedingt öffentlich diskutieren sollte. Es macht auf jeden Fall deutlich, dass wir nicht nur negative Schlagzeilen haben, die meistens etwas größer sind und die ich auch nicht schön reden will, weil das, was am Anfang bei der Begründung der Aktuellen Stunde und in der Diskussion der Aktuellen Stunde gesagt wurde, natürlich schlimme Nachrichten sind, wobei wir von Seiten der Wirtschaftsverwaltung auch immer wieder versuchen, auf unterschiedlichen Ebenen – mit Unternehmen, Gewerkschaften und Belegschaftsvertretungen – nach anderen Lösungen zu suchen. Es handelt sich aber in den meisten Fällen um konzerninterne Entscheidungen, und hier wirkt sich nachteilig aus, dass die Entscheidungen meistens außerhalb Berlins über Berliner Unternehmen von den Konzernzentralen getroffen werden, was uns nicht daran hindert und davon abhält, alles zu tun, um Arbeitsplätze hier in Berlin zu halten. Aber ich bin Ihnen dankbar für die Frage, weil sie deutlich macht, dass es nicht nur Arbeitsplatzabbau, sondern auch Arbeitsplatzaufbau für Berlin gibt. Ich bin zuversichtlich, dass wir in den nächsten Wochen noch weitere positive Meldungen haben. Das liegt nicht nur daran, dass ich als Wirtschaftssenator generell für Optimismus zuständig bin, sondern weil ich begründete Anhaltspunkte dafür habe, dass es auch in den nächsten Wochen und Monaten weitere positive Meldungen geben wird.

Danke, Herr Senator! – Keine Nachfrage des Kollegen Pewestorff?

Dann hat Frau Dr. Hiller von der Fraktion der PDS das Wort!

Danke schön, Herr Präsident! – Meine Frage, glaube ich, geht an den Finanzsenator, Herrn Sarrazin. – Inwiefern ist das Kabarett „Die Distel“ durch den voraussichtlichen Verkauf des Grundstücks, worauf das MetropolTheater steht, gefährdet?

Herr Senator Dr. Sarrazin!

Gar nicht, Frau Abgeordnete. Denn es ist ja, soweit ich das kenne, in dem Gebäudeteil, der erhalten bleiben soll und auch denkmalgeschützt ist – im Admiralspalast.

[Frau Ströver (Grüne): Das darf doch nicht wahr sein! Wissen Sie eigentlich – – ]

Danke schön, Herr Senator! – Eine Nachfrage von Frau Dr. Hiller!

Weiß der Senator, wie lange dieses Mietrecht noch bestehen wird?

Herr Senator Dr. Sarrazin!

Das ist mir nicht bekannt, Frau Abgeordnete!

Dann haben wir die nächste Frage des Kollegen Hoffmann von der CDU. – Bitte schön, Herr Hoffmann!

Wie erklärt sich denn der Senator für Finanzen den Sachverhalt, dass jetzt nach einem Rundschreiben der Sozialsenatorin an die Bezirke höhere Leistungssätze gemäß § 3 Asylbewerberleistungsgesetz gewährt werden sollen, im Hinblick auf den Sparwillen des Senats, unter Berücksichtigung der aktuellen Finanzlage Berlins?

Herr Senator Dr. Sarrazin!

Das sind gänzlich andersartige Sachverhalte, Herr Abgeordneter. Im einen Fall geht um die Kostensätze, die werden gesetzlich einvernehmlich festgelegt, im anderen Fall geht es um die Zahlen der Bewerber und um deren Anerkennung, dass sie überhaupt Leistungen bekommen. Und Ausgaben ergeben sich aus der Zahl mal den Kosten pro Fall. Mein Ziel ist, dass wir die Zahlen absenken, und das ist ja nicht das Thema Kostensatz.

Herr Kollege Hoffmann, eine Nachfrage – bitte!

Wie erklären Sie sich dann, dass die Ausgaben dafür aber für die Bezirke steigen?

Die Ausgaben fallen, Herr Abgeordneter Hoffmann!

Danke schön! – Damit ist die Fragestunde für heute beendet.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 2:

Aktuelle Stunde

bezirkliche Selbstverwaltung stärken, Bürokratie abbauen

Antrag der PDS und der SPD

Hierzu rufe ich auch auf

Dringlicher Antrag

Abschaffung der Bezirke durch finanzielle Erdrosselung verhindern

Antrag der Grünen Drs 15/972

Der Dringlichkeit des Antrages wird nicht widersprochen.

Dann liegen mir Wortmeldungen vor – für die PDS der Herr Kollege Zotl. – Bitte schön, Herr Kollege Zotl, Sie haben das Wort!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zu Beginn noch einmal ausdrücklich betonen: Wenn wir im Land Berlin nur noch über eine strukturelle Haushaltskonsolidierung eine Chance haben, aus dem tiefen Finanzloch herauszukommen, dann muss die Debatte um alle Strukturen geführt werden. Eine sachliche Debatte verlangt aber, zunächst die Tatsachen, die realen Widersprüche abzuprüfen. Und zu drei diesbezüglichen Problemkreisen möchte ich im Folgenden sprechen.

Ohne Zweifel gibt es in den bezirklichen Selbstverwaltungsstrukturen Blockadepotentiale. Die Frage ist aber, ob das an ihrer Existenz liegt. Denn im Kern insistiert der Vorschlag zu ihrer Abschaffung doch darauf, dass mit dem Wegfall der politischen Wahlbeamten und der BVV Hauptfaktoren für Bremspotentiale, Kostentreiberei und Verantwortungslosigkeit beseitigt wären.

Ich greife aus der Fülle der Realität einen Bezirk heraus, nämlich den, den ich am besten kenne, weil ich da wohne, weil ich da lebe und als Wahlkreisabgeordneter tätig bin: den Bezirk Lichtenberg von Berlin. Hier werden seit längerem viele Initiativen von Bezirksamt und BVV auf den Weg gebracht, um den Konsolidierungsanforderungen zu entsprechen, dafür intelligente Lösungen zu entwickeln und zugleich Einsparungen mit einer deutlichen Qualitätssteigerung der bürgernahen Dienstleistungen zu verbinden. Das Kostenbewusstsein – das kann man eindeutig so sagen – im Verwaltungshandeln ist in diesem Bezirk freilich differenziert, aber ungleich höher ausgeprägt als zum Beispiel in der Masse der

Hauptverwaltung. Im Bezirk wurde ein Netz von Bürgerämtern errichtet, die alle über ein gleiches und hohes Leistungsangebot, über eine zweite Spätsprechstunde sowie über die Praxis verfügen, dass alle Leistungen aus einer Hand angeboten werden, und das bei Einhaltung aller Sparauflagen und ausschließlich unter Nutzung der internen Ressourcen. BVV und Bezirksamt befördern Kiez- und Ortsbeiräte, wenn sie sich denn aus der Bevölkerung heraus bilden. Sie sind grundsätzlich die ersten Ansprechpartner für die Bezirkspolitik, wenn es um Belange des Kiezes geht. Jetzt hat das Bezirksamt gemeinsam mit der BVV und der Verwaltung weitreichende Überlegungen angestellt, wie entsprechend komplexen Lebenslagen bestimmte Leistungen generell aus einer Hand angeboten, Strukturen in dieser Hinsicht neu formiert werden und dabei Aufwand und Kosten deutlich gesenkt werden können. All das – und diese Liste ließe sich fortsetzen – geht auf Initiativen des Bezirksbürgermeisters, der einzelnen Stadträtinnen und Stadträte zurück, ist von der BVV initiiert worden und wird von ihr kontrolliert.

Sicherlich können viele von Ihnen aus anderen Bezirken Ähnliches berichten, und überall würde sich zeigen, dass die Fortschritte nicht zu trennen sind vom Wirken der Bezirksverordnetenversammlung und den Bezirksämtern. Deren Abschaffung würde genau diese vielen Fortschritte beim Umbau der Berliner Verwaltung zu einer bürgernahen Dienstleistungsverwaltung und die Entwicklung einer bürgerschaftlich geprägten Bezirkspolitik grundlegend behindern. Mit Gewissheit kann man an dieser Stelle also sagen: Wir brauchen in den Bezirken nicht weniger, sondern wir brauchen mehr Politik und mehr politische Kompetenzen. Ob mit der Abschaffung der politischen Strukturen aber auch Kostentreiberei, Verantwortungslosigkeit und Bürokratie verschwinden würden, also die Kernfrage, die von denen angesprochen wird, die diese Diskussion aufbringen, ist ernsthaft zu bezweifeln. Zum einen wissen wir, dass die Ursachen dafür weniger in der Politik als in der Verwaltung selbst liegen. Und zum anderen gibt es auch viele Ursachen, die in den Unausgereiftheiten unserer politischen Gesamtstruktur liegen. Und dazu will ich in meinem zweiten Punkt einige Anmerkungen machen.