Zum Ersten haben wir im Zuge der Abschichtung viele Aufgaben und viel Verantwortung in die Bezirke verlagert, aber nicht gleichermaßen die wirklichen Entscheidungskompetenzen. Oder aber es gibt unzählige Doppel- und Mehrfachzuständigkeiten, und diese kosten Zeit und Geld und bilden aus sich heraus ein sich gegenseitig reproduzierendes Blockadepotential. Wir brauchen also eine radikale Aufgaben- und Prozesskritik von oben nach unten. Und wenn Aufgaben in die Bezirke verlagert werden,
Zum Zweiten haben wir es in Berlin mit einer ausgewucherten Überregulierung zu tun. Wir schätzen, dass ein sehr großer Teil der Verwaltungsvorschriften nur da ist, weil er da ist, und nicht, weil er nötig ist. Aber eine zu große Regelungsdichte schafft eine Fülle von Auslegungsmöglichkeiten, und das fördert Verwaltungswillkür und auch Bürokratenherrschaft. Auch hierfür sind die Hauptursachen nicht in den bezirklichen Selbstverwaltungsorganen zu finden, aber die Folgen schlagen häufig im bezirklichen Handeln durch. Man muss die Regulierungsdichte brechen. Deshalb sind wir sehr froh, dass der Innensenator und der Wirtschaftssenator die Initiative ergriffen und aus dem Stand weit über einhundert Verwaltungsvorschriften benannt haben, deren Streichung zur Entbürokratisierung und vor allem zur Beschleunigung der Verfahren beitragen wird.
Zum Dritten haben wir nicht nur zu viele Regelungen und Verordnungen, sondern vor allem haben wir solche, die politische Initiativen der Bezirksämter und der BVV zur Erweiterung von Bürgernähe und der Bürgerorientiertheit hemmen und dafür die natürliche Lust der Bürokratie befriedigen, möglichst viel zu verbieten, zu verzögern, dann eventuell nur halbherzig zu gewähren und möglichst lange Zeit dafür in Anspruch zu nehmen. In der doch von uns allen gewollten Bürgergesellschaft haben Verwaltungen aber nichts zu gewähren, sie haben zu gewährleisten. Denn in einer wirklichen Bürgergesellschaft haben erstens die Einwohnerinnen und Einwohner grundsätzlich mit ihren Ansprüchen Recht, und zweitens ist die Verwaltung in erster Linie Dienstleister für die Bevölkerung. Und wenn sich Bezirksämter und BVV gegen viele Vorschriften und Regelungen mitunter in diesem Sinne bewegen, dann müssen wir sie unterstützen und nicht abschaffen wollen.
Und des Weiteren erhalten die Bezirke zwar Globalsummen zugewiesen, aber diese Decke – darauf zielt ja auch der Antrag der Grünen-Fraktion – wird immer knapper. Deshalb führt kein Weg um den Produkthaushalt herum, und vor allem nicht um einen ziel- und wirkungsorientierten Einsatz der knappen Mittel. Doch auch hier liegt nicht allein der schwarze Peter bei einer angeblichen Blockade durch Bezirksämter und BVV, sondern auch und sehr stark in der Tatsache, dass die Vorbereitungen auf den Produkthaushalt und den ziel- und wirkungsorientierten Mitteleinsatz in der Hauptverwaltung weit zurückgeblieben sind. Und da liegen denn auch die eigentlichen Kostentreiber. Vor allem in den Verwaltungsaufgaben, an denen Haupt- und Bezirksverwaltungen anteilig und arbeitsteilig zusammenwirken.
Um das zusammenzufassen: Es ist in den Bezirksverwaltungen sicherlich viel aufzuräumen. Bezirksämter und BVV haben da viel zu tun. Aber es ist in höchstem Maße unredlich, angesichts dieser wirklichen Ursachen die Schuld den bezirklichen Selbstverwaltungsorganen zuzuschreiben. Nicht wenige dieser Fallstricke werden durch uns selbst und durch die Hauptverwaltung gelegt. Ich ergänze, was ich an anderer Stelle bereits gesagt habe: Wir brauchen in den Bezirken mehr und nicht weniger Politik, und wir brauchen in der gesamten Verwaltung einen deutlichen Abbau von Bürokratie.
Und zu einem dritten und letzten Punkt: Wenn wir nun schon erkennen konnten, dass die bezirklichen Selbstverwaltungsorgane nicht die Quelle für Bürokratie, Hemmnisse, Blockade oder auch der zitierten Verantwortungslosigkeit sind, könnte doch nur noch ein einziger Aspekt für ihre Auflösung sprechen. Das ist die Frage, ob die Stadt nicht besser geleitet und gesteuert werden könnte, wenn es die politischen Selbstverwaltungsorgane in den Bezirken nicht gäbe. Es ist die Frage, ob wir beim Grundsatz dezentraler politischer Entscheidungsprozesse in bezirklich-kommunalen Fragen bleiben oder ob wir diese Entscheidungsprozesse zentralisieren wollen. Der Koalitionsvertrag von SPD und PDS sowie die politischen Aktivitäten der Koalition geben darauf bereits eine eindeutige Antwort.
Wir sind dabei, die Entscheidungskompetenzen der BVV zu erweitern, Herr Wieland, Ihnen haben wir unsere Papiere dazu ja übergeben.
Wir sind dabei, die Beteiligung der Einwohnerinnen und Einwohner deutlich auszubauen. Auch diese Vorschläge haben wir allen Fraktionen zur Mitarbeit übergeben.
Wir sind auch dabei, moderne Regelungen für bezirkliche Bürgerentscheide einzuführen – das haben wir auch allen anderen Fraktionen zur Mitarbeit übergeben.
SPD und PDS haben in ihrem Koalitionsvertrag weiterhin beschlossen, bis 2006 die Einführung politischer Bezirksämter zu schaffen. Wir haben beschlossen, bei der weiteren Verlagerung von Aufgaben nach dem Verfassungsgrundsatz der bezirklichen Zuständigkeitsvermutung zu handeln und mit jeder Aufgabenverlagerung – auch das haben wir im
Koalitionsvertrag beschlossen – auch die erforderlichen Ressourcen mitzugeben. Für die Realisierung dieser Koalitionsvereinbarung setzt sich die PDS mit aller Konsequenz und gegebenenfalls auch gegen jedermann ein.
Der Hintergrund dafür ist, dass die 3,5 Millionen Stadt als Einheitsgemeinde nur dann flexibel im Interesse der Einwohnerinnen und Einwohner agieren kann, wenn sie in der Summe ihrer Teile funktioniert. Deshalb ist die PDS für eine deutliche Stärkung der bezirklichen Selbstverwaltung, und das schließt jegliche Art von weiterer politischer Zentralisierung aus. Berlin muss im Interesse seiner Einwohnerinnen und Einwohner viel stärker von unten gedacht werden.
Vor allem mit Blick auf die beabsichtigte Länderfusion zwischen Berlin und Brandenburg wird oft gesagt, dass dann Berlin – ich bin sofort fertig – nur noch eine kreisfreie Großstadt sei und ohnehin zentral geleitet werden müsse. Wir glauben nicht, dass das das einzige Modell sein muss. Die PDS empfiehlt, in die Diskussion das Modell einzugeben, das in Süddeutschland für Großstädte möglich ist und auch funktioniert, auch im Sinne sehr guter StadtUmland-Beziehungen, nämlich das Modell des Stadtkreises. Damit würde die Stadt als Einheitsgemeinde weiter existieren, aber die Bezirke würden eine größere Eigen- und Selbstständigkeit und Verantwortung bekommen, auch in Beziehung auf das Umland, was sicherlich auch im Interesse des Umlands wäre. Aber diese Debatte dürfen wir nicht abtöten mit der Frage: Wollen wir die Bezirke abschaffen, wollen wir sie nicht abschaffen? Diese Debatten müssen wir sachlich führen. Ich bin mir gewiss, dass wir heute einen ersten Start dazu machen werden. – Danke schön!
Danke, Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich muss schon etwas schmunzeln, denn der durchaus sympathische Entlastungsversuch für Diskussionen an Ihrer Basis, den Sie hier versuchen, der hat schon gewisse Aspekte. Die Wahrheit ist doch, Herr Kollege Zotl, liebe Kollegen im Abgeordnetenhaus, dass die PDS und auch Teile der SPD nach den Diskussionen der letzten Tage einen riesigen Dampf im Kessel haben.
Sie haben am Anfang gesagt, es sitzen alle in den Schützengräben. Davor haben wir bereits vor längerer Zeit hier im Hause gewarnt, denn viele Prozesse, die auch im Zuge der Haushaltsberatungen eingetreten sind, haben genau dazu geführt, dass wir jetzt verhärtete Fronten in der Stadt haben. Und Sie wollen also die bezirkliche Selbstverwaltung stärken. Das ist ja was ganz Neues! Was unter dem Stichwort dezentrale Fach- und Ressourcenverantwortung, d. h. Geld und Entscheidungen vor Ort seit Jahren diskutiert wird, im Verwaltungsreformgrundsätzegesetz längst gesetzlich verankert ist und leider nur in Teilen umgesetzt ist, wird doch gerade von Ihrem Senat torpediert, wo es nur geht. Die einschlägigen Bestrebungen der Senatsverwaltung für Finanzen will ich hier gar nicht aufzählen. Ich sage es zum wiederholten Male: Die Bezirke sind soweit, ab 2004 können dort die Haushalte nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen und mit eigenverantwortlicher Bewirtschaftung aufgestellt werden. So sollte es bisher auch durchgeführt werden, weil alle Experten sagen, dass das der beste Weg ist, um strukturell zu verändern und sparsam zu wirtschaften. Oder etwa jetzt doch nicht? Könnte es sein, dass nach den Vorgängen der letzten Monate jetzt Ihren Truppenteilen an der bezirklichen Basis langsam schwant, dass der Senat in Wahrheit etwas anderes im Schilde führt? Deshalb heute die Beruhigungspillendiskussion? Weil selbst die Bezirksbürgermeister von SPD und PDS jetzt gegen den Senat auf den Barrikaden stehen? Die Wahrheit ist in der Tat, dass Rot-Rot im Zweifel immer gegen die Bezirke entschieden hat. Im Senat und auch mit Ihrer Mehrheit im Parlament und in den Ausschüssen.
Um hier einige Beispiele zur Wahrheitsfindung beizutragen: Wir haben im Mai in der AG Bezirke, die ja als Unterarbeitsgruppe des Hauptausschusses dafür zuständig ist, beantragt:
Der Senat wird aufgefordert, alle Mehrausgaben der Bezirke, die auf Mengenabweichungen beruhen und für die die Ausgaben je Fall gesetzlich vorgeschrieben oder durch verbindliche Regelungen der Hauptverwaltungen, z. B. durch den Abschluss von Rahmenverträgen, festgelegt sind, im Rahmen der Basiskorrektur im vollen Umfang auszugleichen.
Dann im Hauptausschuss im Juni, auf Antrag meiner Fraktion zur Beschlussfassung über das Haushaltsentlastungsgesetz die Formulierung:
Der Senat überträgt unverzüglich grundsätzlich alle Zuständigkeiten für den Erlass von Rahmenverträgen, Vereinbarungen und sonstigen Regelungen, die ganz oder überwiegend eine Entgeltpflicht oder Einnahmeverzichte zu Lasten der Bezirke zum Gegenstand haben, an die Bezirke. Das Nähere regelt der Senat durch Rechtsverordnungen.
er solle vor seiner Abstimmung daran denken, dass er noch einmal nach Hause in seinen Bezirk muss. Was passiert? – Abgelehnt mit Stimmen von SPD und PDS, und nun haben sie den Salat.
Gleicher Antrag im Abgeordnetenhaus im Juni – abgelehnt mit Stimmen von SPD und PDS. Und last but not least, im Oktober zum Zweiten Haushaltsentlastungsgesetz, noch einmal der Versuch aus der Fraktion der CDU im Abgeordnetenhaus – wieder abgelehnt mit Stimmen von SPD und PDS. Was erzählen Sie hier heute eigentlich diesem Parlament und der staunenden Öffentlichkeit in dieser Stadt?
Noch eine kleine Anekdote zur Arbeit der Bezirksverordnetenversammlungen vom gestrigen Hauptausschuss, lieber Kollege Zotl. Der Hauptausschuss beschloss dereinst:
Der Senat wird aufgefordert, die Übertragbarkeit der Sachmittel der Fraktionen in den Bezirksverordnetenversammlungen über die Fraktion des Abgeordnetenhauses zu regeln. Diese Regelung soll ab dem 1. Januar 2003 gelten. Über die Umsetzung ist dem Abgeordnetenhaus zu berichten.
Das ist die rote Nummer 0965. Gestern erfahren wir im Hauptausschuss: Das machen wir nicht. Das sagte Staatssekretär Bielka von der Senatsfinanzverwaltung.
Oder nehmen wir das Beispiel Quartiersmanagement bei Senator Strieder: 5,4 Millionen € in 2002, verdoppelt gegenüber 2001, plus Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von 4,4 Millionen €, verdreifacht gegenüber 2001, plus 1 Millionen € für so genannte externe Teams. Das sind zusammen satt zweistellige Millionen €. Bei der Mittelvergabe spielen die gewählten Bezirksgremien allenfalls eine untergeordnete Nebenrolle, entschieden wird in der Senatsverwaltung.
Die bezirklichen Projekte und Einrichtungen bleiben dagegen auf der Strecke. Wir haben im Hauptausschuss die Frage gestellt: In welchem Umfang beabsichtigen die Bezirke ab 2002, auf Grund ihrer Unterfinanzierung Einrichtungen im Sozial- und Jugendbereich in den einzelnen Gebieten – gemeint sind die Gebiete des Quartiersmanagements – zu schließen? – Antwort aus den Bezirken: Friedrichshain-Kreuzberg: 3 Einrichtungen, Pankow: 9 Einrichtungen plus massive Reduzierungen bei allen anderen, Tempelhof-Schöneberg: 3 Einrichtungen, Hellersdorf-Marzahn: 9 Einrichtungen akut gefährdet, Treptow-Köpenick: 3 Einrichtungen akut gefährdet.
Selbst die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales hat dem staunenden Hauptausschuss gestern mitgeteilt, dass laut Vertragspartner während der Quartiersmanagementlaufzeit in diesen Gebieten ein Abbau von Leistungsangeboten zu beobachten sei. Ja, wo sind wir denn? 11 Millionen € im Strieder-Topf, Abriss in den Bezirken. Das ist die Politik vom SPD-Landesvorsitzenden Strieder