Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist zu Recht von Frau Hertlein darauf hingewiesen worden, dass eine Bundesgesetzgebung zu diesem Thema versucht worden ist, die am Bundesrat gescheitert ist. Es gibt aber auch Gründe, warum diese Gesetzgebung im Bundesrat an den Stimmen von CDU- und FDP-mitregierten Ländern gescheitert ist, weil sie nämlich die aktuellen Probleme, die gerade vorgeherrscht haben, als dieses Thema aufgekommen ist, gar nicht löst, beispielsweise den Nitrofenskandal.
Das hätte nichts, aber auch gar nichts dazu beigetragen, den Nitrofenskandal zu verhindern oder in irgendeiner Form schneller abhandeln zu können,
sondern dieses Gesetz ist stattdessen ein ähnlich schräges, wie es das auf Bundesebene auch schon gewesen ist, denn, Frau Senatorin, Sie kümmern sich hier sehr intensiv um die Fragen der Informationsverteilung, aber die Fragen der Informationsgewinnung erklären Sie überhaupt
nicht. Sie drücken sich darum herum, dass wir bundesweit festzustellen haben, dass es keine ausreichenden Lebensmittelkontrollen in den Ländern gibt. Das ist nämlich etwas, das Geld kosten würde in Form von Lebensmittelkontrolleuren. Das können wir übrigens bundesweit parteiübergreifend feststellen, egal in welchem Bundesland - daran wird gespart, das würde richtig Geld kosten, und dann versucht man, die Verbraucher zu beruhigen, indem man ihnen Verbraucherinformationsgesetze auftischt, in der Hoffnung, das würde dazu führen, dass sich der Verbraucher sicherer fühlt. Aber im Grunde ist das Defizit damit nicht aus der Welt geschafft. Es gibt diese ausreichenden Lebensmittelkontrollen nicht.
Es gäbe die Möglichkeit, sich um die Präzisierung von Produktkennzeichnungen in einer einfachen und verständlichen Form zu bemühen. Da ist es auch sinnvoll, über ein Bundesgesetz miteinander zu sprechen. Aber was das Land Berlin hier eigentlich tun müsste, wäre nicht ein Alleingang wie dieser, sondern es müsste versuchen, über eine Initiative im Bundesrat die Widerstände, die es bei anderen Bundesländern gegen dieses Gesetz gegeben hat, aufzugreifen und zu gucken, ob es möglich ist, eine gemeinsame Haltung für ein Verbraucherinformationsgesetz auf Bundesebene zu schaffen.
Das ist auch deswegen der Vorschlag, den wir Ihnen hier als FDP-Fraktion machen und den ich für erheblich sachgerechter halte, weil Sie sich bitte noch einmal für einen Moment vor Augen halten mögen, was passiert, wenn wir tatsächlich in Zukunft in allen Ländern die gleiche Verhaltensweise haben wie im Bundesland Berlin, nachdem dieses Gesetz verabschiedet würde. Jeder hätte seine eigenen Regelungen für eine Verbraucherinformation, jeder würde in die Welt setzen, was dem jeweiligen Landesrecht entspricht.
Aber selbst wenn Sie die Verbraucherinnen und Verbraucher des Landes Berlin im Auge haben, brauchen Sie nicht zu glauben, dass die Informationen, die Sie in die Welt setzen, an den Landesgrenzen Berlins Halt machen. Diese Informationen sind dann bundesweit verfügbar. Es tritt ein Informationschaos auf, wenn wir mit 16 verschiedenen Landesgesetzgebungen hantieren, anstatt auf der Bundesebene ein einheitliches Recht zu schaffen, das regelt, wie in solchen Fällen vorzugehen ist und welche Defizite wir bei der Verbraucherinformation aufzuarbeiten haben. Das Hauptproblem ist aus meiner Sicht, dass Ihr
Verbraucherinformationsgesetz nichts als ein Placeboprodukt für die Verbraucher ist. Es hilft nicht wirklich weiter. Deswegen stimmen wir ihm nicht zu. Gesetze haben wir schon genug. Wir brauchten eher weniger Landesgesetze und verordnungen in Berlin.
Brauchbar wäre ein vernünftiges Bundesgesetz. Das ist in den letzten Beratungen im Bundesrat nicht geglückt. Das ist schade. Machen Sie einen neuen Anlauf in dieser Richtung, aber verschonen Sie uns mit diesem Landesgesetz!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich nehme kurz Bezug auf meine Vorredner: Herr Brinsa, wenn Sie sich hier als der Verbraucherschützer par excellence profilieren, dann erinnere ich Sie daran, dass es im Bundesrat die CDU war, an der ein Verbraucherinformationsgesetz in der letzten Legislaturperiode scheiterte. Wäre sein In-KraftSetzen mit Unterstützung der CDU im Bundesrat gelungen, dann wären wir heute ein Stück weiter. Wenn Sie sich heute hinstellen und jammern, wir hätten in Bezug auf Verbraucherinformationen Defizite, dann haben Sie dazu einen wesentlichen Beitrag geleistet.
Zweitens: Herr Matz, ich greife zwei Ihrer Stichworte auf, nämlich Placebo und Alleingang. Zum Thema Alleingang sagte ich eben etwas. Auf Bundesebene war ein Scheitern zu verzeichnen. Wir haben diese Tatsache am 30. Mai im Plenum im Rahmen einer Aktuellen Stunde ausführlich diskutiert und einen Entschließungsantrag von SPD und PDS verabschiedet. Die CDU hat sich im Bundesrat gegenüber diesem Verbrauchergesetz quer gestellt. Dieses Bundesgesetz, von dem Sie sagen, es sei richtig und erforderlich, hätte verabschiedet werden können. Deswegen ist heute das notwendig geworden, was Sie als Alleingang bezeichnen.
Unseren Gesetzentwurf begrüße ich ausdrücklich. Er ist nicht nur ein wichtiges Anliegen in der Koalitionsvereinbarung, sondern er löst auch etwas ein, was die Senatorin am 30. Mai in Aussicht gestellt hat. Schauen Sie ihn sich an. Dabei werden Sie feststellen, dass das Gesetz ausdrücklich als Rechtsgrundlage
vorgesehen ist, bis der Bund möglicherweise ein Verbraucherinformationsgesetz erlässt. Ein Blick in die neue Koalitionsvereinbarung von Rot-Grün wird Sie belehren, dass die Diskussion dieses Gesetzentwurfs wieder aufgenommen werden soll.
Aber wenn wir darauf warten, haben wir vielleicht wieder das Problem mit der verbraucherunfreundlichen CDU und einem Scheitern im Bundesrat. Deswegen hat Berlin eine sinnvolle, an den Verbraucherinteressen orientierte Initiative ergriffen. Damit unterstreichen wir, dass wir uns für Verbraucherinteressen stark machen. Jeden Tag kann wieder ein BSESkandal auf die Tagesordnung geraten. Darauf haben wir keinen Einfluss. Wir möchten dann aber besser gewappnet sein als bisher.
Dass nicht alles, was Sie sich wünschen, über Landesgesetzgebung abzusichern ist, hat die Senatorin im Rahmen einer Aktuellen Stunde auf meine entsprechende Anfrage hin ausgeführt. Das heißt aber nicht, dass wir deswegen die Hände in den Schoß legen, nichts tun und abwarten sollten, dass die CDU lernfähig wird. Es war richtig, die Initiative zu ergreifen.
Auf Inhalte ist Frau Hertlein bereits eingegangen. Wir haben im Fachausschuss genügend Zeit für weitere Vertiefungen. Ich habe festgestellt, dass die Resonanz in der Öffentlichkeit unterschiedlich ist. Die Industrie- und Handelskammer lehnt jegliche Form von Kontrolle, wie sie in diesem Gesetz vorgesehen ist, ab. Ich hoffe, wir haben an diesem Punkt nicht nur Diskussionsbedarf, sondern können die Frage der Kontrolle - insbesondere die der Herstellerseite - noch vertiefen. Wenn wir dieses Gesetz schnell verabschieden, sind wir nicht mehr so blank und nackt wie bisher. Herr Brinsa, ich appelliere an Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen von der CDU im Bundesrat: Helfen Sie mit zu beschleunigen! Dann werden wir diese Rechtsgrundlage bald durch ein Bundesgesetz ablösen können.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren der CDU-Fraktion! An Sie wende ich mich besonders, weil wir Ihnen zu
verdanken haben, dass wir in diesem leeren Haus - Ihre eigene Fraktion hat offenbar auch kein massives Interesse - bei der I. Lesung dieses Gesetzes eine Rederunde durchführen müssen. Wir müssen aus einem zweiten Grund über das Gesetz reden, nämlich weil es in der Tat - das sagten meine Vorrednerinnen schon - die CDU/CSU war, die vor wenigen Monaten ein entsprechendes Bundesgesetz nicht im Bundesrat passieren ließ. Sie haben das Gesetz verhindert, obwohl gerade der Nitrofen-Skandal den Höhepunkt erreicht hatte.
Herr Matz, ich muss Ihre Erinnerung korrigieren: Sie sagten, ein entsprechendes Bundesgesetz hätte nichts geändert. - Das Gesetz hätte aber sehr wohl etwas geändert, denn es gab Landesbehörden, die zu einem Zeitpunkt über Informationen verfügten, als die Öffentlichkeit noch nichts davon wusste. Die Behörden wären verpflichtet gewesen, diese Informationen weiterzuleiten, wenn es eine entsprechende Rechtsgrundlage gegeben hätte. Insofern treffen Ihre Aussagen von vorhin nicht zu.
Die damalige Begründung für die Ablehnung der CDU war spannend: Vor dem NitrofenSkandal sagte sie, sie könne dem Bundesgesetz nicht zustimmen, weil es gegenüber der Wirtschaft zu restriktiv sei. Nach dem NitrofenSkandal war Ihre Begründung, dass das Gesetz zu lasch sei. Sie hätten die Chance gehabt, sich der Initiative von Niedersachsen anzuschließen. Niedersachsen wollte eine Verschärfung des Gesetzes. Sie haben das nicht getan. Meine Herren von der CDU-Fraktion - Damen sehe ich nicht -, Sie haben einen Eiertanz vollführt. Sie sind damit völlig unglaubwürdig und haben heute nicht gesagt, wohin Sie konkret wollen.
Weil Sie dieses Bundesgesetz verhindert haben, müssen wir über ein Landesgesetz diskutieren. Der Senat will ein eigenes Gesetz beschließen. Das ist gut gemeint und ehrenwert, aber ein Berliner Gesetz - da decken sich unsere Auffassungen, Herr Matz - reicht nicht aus. Die Berliner Regelung deckt nur einen Teil von dem ab, was das Bundesgesetz leisten sollte. Darüber tröstet uns auch nicht hinweg, dass dieses Gesetz nur bis zum In-Kraft-Treten der Bundesregelung gelten soll.
Man könnte in das Berliner Gesetz noch einiges aufnehmen. Nach dem Berliner Gesetz können die Behörden künftig über Verstöße gegen Kennzeichnungsverschriften, Täuschungsvorfälle und Grenzwertüberschreitungen informieren. Was fehlt, sind Informationsrechte der Verbraucherinnen und Verbraucher gegenüber den Behörden und damit das Ende der öffentlichen Geheimniskrämerei. Frau KnakeWerner, an dieser Stelle haben Sie eine Chance verpasst. Aber wir haben noch die Ausschussdiskussion. Vielleicht bekommen wir das noch hin. Zudem fehlen wesentliche Elemente des Bundesgesetzes. Dazu gehört der Zugang zu Produktinformationen und die Information über Tatbestände, die nicht gesundheitsschädigend sind, sondern nur Ekeltatbestände erfassen. Das ist beispielsweise bei angebrüteten Eiern in Nudeln der Fall. Solche Informationen bekommen die Verbraucherinnen und Verbraucher nach dem Berliner Gesetz nicht. Es fehlt - dazu hätte ich Kritik von der rechten Seite des Hauses erwartet - auch ein Mitsprache- oder Anhörungsrecht der Wirtschaft. Das sollte man aufnehmen, um das Gesetz rund zu machen.
Und weil das so ist und weil es besser wäre, wenn wir ein länderübergreifendes Gesetz hätten, haben wir das Bundesgesetz unterstützt. Da waren diese Regelungen enthalten. Sie von der CDU haben das Ganze verhindert. Ihnen haben wir zu verdanken, dass wir heute in Berlin darüber diskutieren müssen und dass der Senat ein eigenes Gesetz vorgelegt hat. Statt das nun anzunehmen und still in sich zu gehen, nörgeln Sie herum. Das ist keine konstruktive Oppositionsarbeit. Da müsse Sie noch eine Weile üben, aber Sie werden ja auch Gelegenheit dazu haben.
Wir unterstützen die Bundesregelung. Ob wir dem vorliegenden Landesgesetz zustimmen können, hängt davon ab, ob diese Auskunftsrechte gegenüber den Behörden noch eingefügt werden und ob die Anhörungspflicht von Unternehmen eingefügt wird. Wir machen unsere Entscheidung vom Ausgang der Beratung im Ausschuss abhängig.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung an den Ausschuss für Gesundheit, Soziales, Migration und Verbraucherschutz - federführend - und an den Ausschuss für Wirtschaft, Betriebe und Technologie. - Ich höre hierzu keinen Widerspruch. Dann haben wir das so überwiesen.
I. Lesung des Antrags der Fraktion der CDU über Zweites Haushaltsentlastungsgesetz 2002 (2. HEntG 2002)
Antrag der Fraktion der Grünen über keine Anschlussförderung für die Wohnungsbaujahrgänge 1987 bis 1997
Antrag der Fraktion der Grünen über Regionalisierungsmittel auch für Ausbildungs- und Nachtverkehr einsetzen
Für die gemeinsame Beratung dieser drei Anträge steht nach der Geschäftsordnung eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Dies werden wir vom Präsidium aus bei Überschreitung der Redezeit - so haben wir uns im Ältestenrat verständigt - großzügig handhaben.