Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Fraktion Bündnis 90/Grüne hat in einer Folge von zwei Wochen hier Anträge betreffend Antidiskriminierung eingebracht. Das Antidiskriminierungsgesetz hinsichtlich der gleichgeschlechtlichen Lebensweisen gab es vor zwei Wochen.
Und wenn ich jetzt ein paar freundliche Worte dazu sage, Frau Paus, dann gehört das nicht zur Anbiederung der CDU an die Grünen. Das will ich ausdrücklich sagen, denn schon im Ahlener Programm der CDU von 1949 war ein Toleranzgebot – –
[Frau Seelig (PDS): Da stand aber viel! – Zurufe von der SPD, der PDS und den Grünen – Wieland (Grüne): Das haben Sie Buchstabe für Buchstabe umgesetzt!]
Herr Wieland! Ich buchstabiere Ihnen „Ahlener“, wenn Sie noch nie etwas davon gehört haben. – Schon in diesem CDUProgramm war ein Toleranzgebot und ein Antidiskriminierungsgebot enthalten, und da lagen die Grünen noch nicht einmal in den Wehen, Herr Wieland.
Sie haben vor 14 Tagen dieses Antidiskriminierungsgesetz für gleichgeschlechtliche Lebensweisen eingebracht. Dieses sieht die CDU-Fraktion grundsätzlich positiv. Wir haben es in die Ausschüsse überwiesen und werden das auch positiv und konstruktiv begleiten. Das wollte ich einmal vorausschicken, weil das auch in einem gewissen Zusammenhang zu dem Gesetzesantrag, den Sie jetzt eingereicht haben, steht, nämlich – das passt in etwa dazu –, weil Sie sich in dieser Zeit – nicht zu Unrecht, das hat Herr Ratzmann dargestellt, wie die Lebensverhältnisse in unserem Lande sind – sicher mit den sonstigen Lebensgemeinschaften, die es außer Ehe und Familie in unserem Lande – und in Berlin nicht in kleiner Zahl – gibt, beschäftigen.
Sehen Sie es mir nach! Ich kenne nicht alle neuen Abgeordneten. – Ja, wenn die Frage kurz und einprägsam ist.
Kurz und einprägsam: Ist das Ahlener Programm das nämliche, bei dem die CDU die Verstaatlichung der Schlüsselindustrien und die Einführung des Sozialismus gefordert hat? interjection: [Heiterkeit]
Also, ich rede hier über das Programm der Christlich-Demokratischen Union und nicht über die Politik der SED der früheren DDR.
Soweit Sie – wenn ich jetzt fortfahren darf, Sie wollen mich doch nicht diskriminieren – sich den tatsächlichen Diskriminierungen in Ihrer Gesetzesinitiative annehmen, Herr Ratzmann, Frau Klotz und Herr Wieland, sind wir uns einig. Auch die CDU will keine Diskriminierung von Lebensgemeinschaften, die auf Dauer angelegt sind. Die CDU-Fraktion will überhaupt keine Diskriminierung, auch nicht von Menschen, gleichwohl in welcher Lebensgemeinschaft sie leben. Das ist erst einmal unser Grundsatz, den man noch weiter ausführen muss.
Unter der auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaft versteht man die so genannte Ehe ohne Trauschein und die vielfältigen gleichgeschlechtlichen Lebensweisen. Das hatten Sie eben auch angesprochen. Für die gleichgeschlechtlichen Lebensweisen haben wir durch die bundesgesetzliche Regelung der Lebenspartnerschaft seit über einem Jahr diese gesetzliche Regelung, die hier fördert und absichert – um es einmal kurz zu machen –, und das Berliner Ausführungsgesetz dazu.
Im Grundgesetz und in der Verfassung von Berlin stehen Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Da können wir uns alle gegenseitig zitieren, einschließlich von Herrn Kleineidam, der dass auch noch einmal unterstrichen hat. Diese Lebensgemeinschaft Ehe und Familie wollen wir bewahren und nicht durch andere gesetzliche Regelungen ausgehöhlt sehen. Dabei unterstelle ich nicht im Voraus, das werden wir noch in den Ausschüssen beraten, dass das in Ihrem Gesetzesantrag enthalten ist. Von da her können die anderen auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaften nicht in den Genuss der gleichen staatlichen Förderung und des Schutzes kommen wie Ehe und Familie. Weil das aber so ist, wie Sie es auch selbst in Ihrem Antrag beschreiben, nämlich, dass viele Menschen in anderen Lebensgemeinschaften leben, ob es nun 10 % bundesweit sind und in Berlin sicher mehr, gibt es bereits die beschriebenen zahlreichen Regelungen, die die Belange der auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaften regeln.
Bei der heutigen Behandlung Ihres Gesetzesantrages ist es daher geboten, lediglich grundsätzlich zu dieser Frage Stellung zu nehmen, weil Ihr Gesetzesantrag über zehn gesetzliche Änderungen beinhaltet, die dann in beiden Ausschüssen, sicher federführend im Rechtsausschuss, sehr eingehend behandelt werden sollen. Ich kann Ihnen für die CDU-Fraktion zusichern, dass wir das sehr konstruktiv begleiten werden und sehr konstruktiv an der Lösung des Problems mitarbeiten werden
und auch ohne Vorbehalte, denn wir sehen auch aus der Verfassung heraus die Notwendigkeit, dass man hier etwas regeln kann.
Ja, ich komme auch zum Schluss. – Wir werden uns auch der Frage widmen, die Sie am Schluss angesprochen haben in Ihrer Replik, auch Herr Kleineidam vorhin: Was ist eigentlich eine auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaft? Ich stelle mir zwar das Beispiel, wir schicken jemanden hin und schauen, wo die Kühlschränke stehen, als sehr furchtbar vor. Aber es muss doch auch Erkenntnisse darüber geben, wer nun als auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaft anzusehen ist und wer nicht. Und da haben wir noch ausreichend Möglichkeiten in den Ausschüssen, uns fachlich und sachlich dieses Themas anzunehmen. – Schönen Dank!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die PDS-Fraktion unterstützt uneingeschränkt die Intention des Gesetzesantrages von Bündnis 90/Die Grünen. In der Realität gibt es nicht nur sehr viele nichteheliche Lebensgemeinschaften, sondern der Gesetzgeber hat sich schon dieser nichtehelichen Lebensgemeinschaften angenommen, geht mit ihnen um und hat ihnen auch eine ganze Menge Pflichten auferlegt. Immer wenn es um finanzielle Leistungen geht, wird dieses schon berücksichtigt. Ich erinnere hier nur an solche Fragen wie Sozialhilfe, Wohngeld, Erziehungsgeld, Hort- und Kitakosten. In jedem Fall werden die nichteheliche Lebensgemeinschaften gemeinsam herangezogen und behandelt wie eheliche Lebensgemeinschaften. Insofern ist es nur folgerichtig, dass wenn man schon sagt, dass sie die gleichen Pflichten haben, man auch die Rechte auf die Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft analog zu denen der Ehe verteilt.
Herr Rabbach hat nun gesagt, er ist auch gegen Diskriminierung, allerdings natürlich nicht für Gleichstellung, wegen des besonderen Schutzes, dem Ehe und Familie unterliegen. Das ist ein gewisser Widerspruch, den wir noch in den Diskussionen aufklären müssen. Es ist genauso ein Widerspruch, wenn sich Herr Rabbach auf das Ahlener Programm bezieht und offensichtlich dessen Inhalt nicht kennt.
Zu Herrn Kleineidam möchte ich noch sagen: Ich glaube eben aus den Gründen heraus, die ich eben genannt habe, dass es hier nicht darauf ankommt, nur Fragen zu regeln, wo es um ein Nähe-Verhältnis geht. Ich denke schon, da sollte man einen Schritt weiter gehen, und ich habe auch den Antrag der Grünen nicht so verstanden, dass man es darauf eingeschränkt sieht. Es gilt hier natürlich die Regelungskompetenz des Landes zu beachten. – Danke!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Artikel 12 Abs. 2 der Berliner Verfassung schützt andere auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaften vor Diskriminierung. Ähnliche Regelungen finden sich lediglich in der Brandenburger und in der Bremer Verfassung wieder. Was ist damit gemeint? Gemeint ist damit, dass sogenannte nichteheliche oder eheähnliche Lebensgemeinschaften zwischen Mann und Frau, aber auch gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften geschützt sind. Gemeint ist damit allerdings nicht, dass diese Lebensgemeinschaften mit der Ehe auf eine Stufe gestellt werden dürfen. Nichteheliche und gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaf
ten sind daher nicht durch Artikel 12 Abs. 1 der Berliner Verfassung, wohl aber in vermindertem Umfang – und darauf lege ich Wert: in vermindertem Umfang – durch Absatz 2 geschützt. Dass Bündnis 90/Die Grünen in ihrer Begründung dies auch explizit so anführen, begrüßt die FDP-Fraktion im Abgeordnetenhaus. So kann beispielsweise ein ausländischer Mitbürger, der in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft in Berlin lebt, nicht mit jemandem gleichgestellt werden, der mit einer deutschen Staatsangehörigen verheiratet ist. Ebenfalls begrüßt unsere Fraktion, dass mit der Formulierung „Partner einer auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaft“ eine Formulierung aus der Verfassung übernommen wurde. Der gesellschaftliche Wandel in unserem Land zeigt also, dass es mehr als notwendig ist, auf dieses Problem aufmerksam zu machen und es einer Lösung näher zu bringen.
Antiquierte Gesellschaftsmodelle dagegen dürfen nicht länger auf der Tagesordnung stehen, wie dies ja teilweise die CDU mit ihren Vorschlägen verlangt. Hier beziehe ich mich auf den Vorschlag, Frauen eine Prämie zu bezahlen, wenn sie zu Hause bleiben.
Die FDP-Fraktion des Abgeordnetenhaus setzt sich dagegen für weniger und nicht für mehr Gesetze ein. Alles andere würde den bürokratischen Wust nur verstärken. Die Frage, die in diesem Zusammenhang im Raume steht, ist doch: Wenn Artikel 12 Abs. 2 Verfassungscharakter besitzt, also jeden Bürger Berlins betrifft, wozu dann noch eine Gesetzesänderung? Vielleicht reichen auch Richtlinien und Verordnungen aus, dem Problem entgegenzutreten. Ich gebe zu, dass ich mir hierzu noch keine abschließende Meinung gebildet habe. Deshalb möchte ich dafür plädieren, dass sich alle Beteiligten bezüglich dieses Antrages an einen Tisch setzen, um dem Verfassungsauftrag in der praktischen Politik näher kommen zu können. Es ist ja die I. Lesung, dementsprechend bitte ich auch um die Zustimmung zur Überweisung in unseren entsprechenden Ausschuss. – Danke schön!
Danke schön! – Damit ist die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt beendet. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung an den Rechtsausschuss, und zwar federführend, sowie an den Ausschuss für Jugend, Familie, Schule und Sport. Wer dies so zu tun wünscht, den bitte ich um das Handzeichen! – Danke schön! – Die Gegenprobe! – Stimmenthaltungen? – Damit haben wir dies so überwiesen.
I. Lesung des Antrags der Fraktion der Grünen über Gesetz zur mittelfristigen Absicherung eines sozialverträglichen Personalabbaus – 3. Haushaltsentlastungsgesetz