Frau Abgeordnete! Ich hatte gerade ausgeführt, dass wir in diesem Sinne an einer Konzeption arbeiten und sie auch breit erörtert werden wird. „Im Sinne Scharouns“ heißt, die Bedeutung des Kulturforums herauszustreichen, aber das heißt nicht, jetzt so zu tun, als könne man Ideenskizzen Scharouns heute noch verwirklichen. Davon sind übrigens vorangegangene Senate schon längst abgekommen, seit 1983, als nämlich verschiedene Planungen auf dem Kulturforum geändert wurden. Es war der CDU-FDP-Senat, der gesagt hat, das wollen wir so nicht weiterführen, sondern wir müssen neue Funktionen überlegen und müssen auch eine neue Reaktion auf die ästhetische Debatte haben. Da gab es den Hollein-Entwurf, dann gab es die Absperrungen, es wurde dann die Linie mit Flatterbändern nachgezeichnet, wie es aussehen könnte. Ich sage noch einmal, ich glaube, dass wir eine bauliche Ergänzung im Bereich des Kulturforums brauchen. Lassen Sie uns darüber reden, in welcher Größe es sein muss, wie es finanziert wird. Ich bin für eine private Finanzierung. Ich sage nur in aller Deutlichkeit: Dass man ein Gästehaus heute damit interpretiert, dass man sagt, da kann man noch ein Hotel hinbauen – sorry, das halte ich für falsch. Das Kulturforum soll ein Kulturforum bleiben und nicht zu einer weiteren Bettenburg werden.
Herr Senator Strieder! Haben Sie zur Kenntnis genommen, dass Ihr eigener Fraktionsvorsitzender und damit Ihre eigene Fraktion für eine Vollendung des Kulturforums im Geiste und in der Architektur Scharouns gestimmt und sich auch so artikuliert hat? Wollen Sie mit Ihrer erregten Stellungnahme auf die ersten Einlassungen meines Kollegen Schmidt andeuten, Ihre eigene Fraktion verfolge Konzepte aus den 60er Jahren?
Ich finde, Herr Dr. Lindner, das macht eine lebendige Demokratie aus, dass man darüber diskutiert und mit einander ringt, welche Konzepte richtig sind. Es ist so, dass es in der SPD-Fraktion unterschiedliche Stimmen gibt wie in den anderen Fraktionen auch.
Ich will noch einmal deutlich machen: Tun wir doch nicht so, als sei das Kulturforum die große „Unvollendete“ geblieben und habe keine Bedeutung. Mit der Eröffnung der Gemäldegalerie haben wir einen wichtigen Schritt vollzogen. Im Rahmen dieser Eröffnung ist uns gelungen, was Vorgängersenaten nicht gelungen ist, nämlich den Autohandel vom Kulturforum zu verbannen. Das war schon einmal ein erster Teil. Manche in der FDP-Fraktion glauben ja auch, dass die kulturelle Bedeutung des Ortes durch den Autohandel besonders unterstrichen worden sei. Das glaubte ich nicht. Ich glaube auch nicht, dass die Parkplätze dort notwendig waren. Die Anlage des Kulturforums jetzt hat deutlich gemacht, dass es eine wirkliche Perle in Berlin ist.
Jetzt geht es um die Frage, wie man da weiter entwickelt. Ich sage noch einmal in aller Deutlichkeit dazu: Von den öffentlichen Aufgaben her gibt es weitaus wichtigere Aufgaben, als das Kulturforum weiter zu bebauen.
Ich sage auch hinzu: Ich bitte, dass in die Diskussion die völlige Funktionsänderung einbezogen wird, die das Kulturforum durch das Ausstellungskonzept der Stiftung Preußischer Kulturbesitz bekommen wird. Wie wir alle wissen, wird die Gemäldegalerie zurück auf die Museumsinsel wandern. Damit bekommt auch die Neue Nationalgalerie eine neue Bedeutung. Was mit dem Kupferstichkabinett wird, scheint noch in der Debatte zu sein. Infolgedessen müssen wir uns auch mit der Stiftung Preußischer Kulturbesitz auseinandersetzen, was die Bedingungen und die künftige Nutzung des Kulturforums angeht. Aber das ist eine lebendige Auseinandersetzung kulturpolitischer und stadtentwicklungspolitischer Art. Lassen Sie uns diese ohne Scheuklappen und ohne Fraktionszwang führen.
Ich rufe dann die fünfte Mündliche Anfrage auf, der Frau Abgeordneten Hämmerling für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu dem Thema
1. Wie begründet der Senat, dass auf Rollstuhlfahrer/innenplätze an den Geraden zu Gunsten von VIP-Plätzen verzichtet wurde und dass damit Rollstuhlfahrer/innen diskriminiert werden, weil ihnen lediglich Plätze mit eingeschränkter Sichtqualität hinter den Toren und den Fanblöcken zur Verfügung stehen?
2. Wer ist verantwortlich dafür und wie wird begründet, dass bei der Sanierung des Olympia-Stadions lediglich 170 zum Teil temporäre Rollstuhlfahrer/innenplätze statt der gesetzlich vorgeschriebenen 700 gebaut werden sollen?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Abgeordnete! Wie Sie wissen, haben wir aus Verantwortung gegenüber dem Baudenkmal Olympia-Stadion beschlossen, es zu sanieren, zu modernisieren, und das auch privatwirtschaftlich durchzuführen. Dabei gab es die Maßgabe, weitestgehend die Originalsubstanz im Olympia-Stadion zu erhalten. Das Konzept, das wir ausgewählt haben, bietet einen Mittelweg zwischen einer Minimalsanierung und einer Hightech-Lösung an. In der Tat ist es notwendig, weil auch ein privatwirtschaftlicher Anteil daran besteht, dass die Refinanzierung insbesondere über die sogenannten VIP erfolgt. Die 5 Prozent VIP-Plätze sollen 35 Prozent der Einnahmen erbringen. Deswegen stellen diese Besucherlogen einen besonderen Faktor im Gesamtkonzept dar.
Zur Festlegung zukünftiger Stellplätze für mobilitätsbehinderte Zuschauer wurden beginnend im Jahr 1999 mit der Beratungsstelle Bauen für Behinderte und allen beteiligten Verwaltungen Konzeptionen entwickelt, um die bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Regelungen von maximal 60 Plätzen deutlich verbessern zu können. Dann haben wir es in einem ersten Schritt geschafft, von den damals vorgeschriebenen 60 Plätzen auf 130 und später auf 170 Plätze zu kommen. Darüber hinausgehend gibt es keine Möglichkeit, weitere Stellplätze für Rollstuhlfahrerinnen und -fahrer anzubieten. Gemäß § 77 Abs. 4 der Bauordnung für Berlin kann bei wesentlichen baulichen Änderungen im Rahmen einer Ermessensentscheidung eine Anpassung an die geltende Bauordnung sowie der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Vorschriften gefordert werden – kann, muss aber nicht. Dies war im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens jedoch nicht mehr möglich. Die Änderung der Versammlungsstättenver
ordnung, auf Grund deren Sie Ihre Stellplatzvorgabe berechnen, war am 29. Juni 2000, und die tatsächliche Baugenehmigung war nur 6 Monate später, nämlich am 28. Dezember 2000. Deshalb war der Zeitraum zu kurz. Man hätte dann nach dem Juni 2000 beginnen müssen, grundsätzlich alles im Olympia-Stadion umzuplanen, um den neuen Bestimmungen der Versammlungsstättenverordnung gerecht werden zu können. Dies hätte zu einer weiteren Verzögerung der Sanierungsmaßnahmen im Olympia-Stadion geführt. Diese Zeitverzögerung ist nicht möglich gewesen. Deshalb bitten wir um Verständnis.
Wenn wir uns die aktuelle Nutzung ansehen, zeigt sich, dass 170 Plätze für Rollstuhlfahrerinnen und -fahrer im Olympia-Stadion eine Anzahl zu sein scheint, die dem tatsächlichen Bedarf gerecht wird. Ich finde, man muss sich jetzt nicht an einzelnen Ausrechnungen und mathematischen Prozentzahlen festhalten, sondern mit 170 Stellplätzen im Olympia-Stadion sind wir vernünftig ausgestattet, wenn ich auch bedauere, dass es nicht möglich war, noch mehr solcher Plätze zu schaffen.
Danke schön, Herr Senator! – Dann frage ich Frau Hämmerling – sie möchte dazu eine Nachfrage stellen und hat das Wort.
Herr Senator Strieder! Das hat jetzt wenig überzeugt. Natürlich werden die Plätze vor den Toiletten und hinter den Fanblöcken ausreichen, weil sie so unattraktiv sind, dass sie für Rollstuhlfahrer einfach nicht zumutbar sind. Und dass bei den VIP-Plätzen nicht daran gedacht wurde, dass auch behinderte VIPs Fußballspiele und andere Veranstaltungen besuchen könnten, erscheint mir auch nicht nachvollziehbar. Stellen Sie sich einmal vor, Herr Schäuble kommt zum Fußballspiel, wo wollen Sie ihn hinsetzen? – Vor die Toilette? – Schönen Spaß auch! Das nur am Rande.
Meine Frage ist jetzt: Jenseits des Olympia-Stadions wird eine ganze Menge mit staatlicher Förderung gebaut: das HolocaustDenkmal oder das Tempodrom – da sind wir ja auch nicht unbeteiligt. Wie kommt es denn, dass auch dort die Belange Behinderter überhaupt nicht berücksichtigt werden? Wer ist dafür verantwortlich?
Frau Abgeordnete! Es ist natürlich nicht zutreffend, wenn behauptet wird, die VIPLogen oder insgesamt die Logen seien für Rollstuhlfahrerinnen und Rollstuhlfahrer nicht zugänglich. Das sind sie natürlich,
Zum anderen ist das Tempodrom ein privates Projekt. Da sind wir weder für die Planung verantwortlich, noch gelten die Vorschriften für öffentlich-rechtliche Räume.
Und hinsichtlich des Holocaust-Mahnmals ist sichergestellt, dass der Ort der Information behindertengerecht ausgestaltet ist und dass Behinderte in diesen unterirdischen Ort fahren können. Es gibt in der Tat ein Problem, da war ich unterlegen bei der Abstimmung im Kuratorium des Holocaust-Mahnmals, weil der Architekt darauf bestanden hat, die Abstände zwischen den Stelen nicht auf mehr als 90 cm zu vergrößern. Behinderte Rollstuhlfahrer können durch das Holocaust-Mahnmal mit dem Rollstuhl fahren, das ist technisch möglich. Die Abstände entsprechen aber tatsächlich nicht den öffentlich-rechtlichen Vorgaben. Ich hatte in der Kuratoriumssitzung darauf hingewiesen. Es gibt ein Problem, das ist das Kurvenfahren um die Stelen herum.
Auf der anderen Seite muss man, glaube ich, auch akzeptieren, dass das Holocaust-Mahnmal keine einfache Bauaufgabe ist, sondern ein künstlerischer Entwurf. Und wenn der Künstler sagt, sein Entwurf leide grundsätzlich Schaden, wenn solche Vorschriften und Bedingungen eingeführt würden, dann muss man auch bereit sein, darüber nachzudenken, ob man dieses
Mahnmal so realisieren will oder nicht. Jedenfalls sah das die Mehrheit des Kuratoriums so. Das Land Berlin hat sich für eine andere Lösung eingesetzt gehabt, aber da der Architekt sagte, dass sei sein Entwurf und das sei seine Lösung, hat die Mehrheit des Kuratoriums – im Übrigen sind alle Parteien, die im Bundestag vertreten sind, im Kuratorium vertreten – dann den Vorschlägen des Architekten zugestimmt.
Es gibt ja noch ein weiteres Problem, die 25 % Gefälle der Durchwegung, das ist eine Art Skipiste, die für Rollis niemals zugänglich ist. Daraus resultiert auch meine Frage: Wie ist es denn möglich, dass Entwürfe prämiert werden, die letztlich nicht behindertengerecht angelegt sind, obwohl es Gesetze gibt, dass behindertengerecht zu bauen ist? Das ist aus meiner Sicht ein Widerspruch.
Ich finde wirklich, Frau Abgeordnete Hämmerling, dass wir uns in Berlin in den letzten Jahren große Mühe gegeben haben, den Mobilitätsbedürfnissen Behinderter in der Stadt mehr und mehr gerecht zu werden. Es ist noch nicht alles zur Zufriedenheit gelöst. Aber ich muss Ihnen schon ehrlich sagen: Ich mache mir für die Rollstuhlfahrerinnen und Rollstuhlfahrer mehr Sorgen um die fehlenden Aufzüge bei U- und S-Bahnen als um die Planung des HolocaustMahnmals.
Und ich finde nicht – das muss ich Ihnen auch ehrlich sagen –, dass die Bewertung des Holocaust-Mahnmals in seiner Realisierung angemessen diskutiert wird, wenn wir es unter dem Gesichtspunkt der Zugänglichkeit für Rollstuhlfahrerinnen und Rollstuhlfahrer diskutieren.
Dieses Mahnmal hat eine deutsche Bedeutung, hat eine Berliner Bedeutung. Das ist ein ganz anderes Thema. Und ich bitte, die Themen wirklich auseinanderzuhalten.
Danke schön, Herr Senator! – Eine weitere Nachfrage kommt von Frau Jantzen. – Frau Jantzen hat das Wort, bitte!