Protocol of the Session on May 15, 2019

Vielen Dank, Herr Präsident. - Sehr geehrte Damen und Her ren! Liebe Kollegen und Gäste! Sie schießen mit Kanonen auf Spatzen. Genauso hat der Deutsche Ferienhausverband den Gesetzentwurf der Landesregierung bewertet. Völlig unbeirrt von der Tatsache, dass der Ferienhaustourismus in Branden burg eine wichtige Chance für unser Land ist und negative Auswirkungen durch die Vermietung von Ferienwohnungen in Brandenburg gar nicht nachweisbar sind, drücken Sie mit aller Macht diesen völlig unsinnigen Gesetzentwurf durch - ich rede über den zweiten Gesetzentwurf, nicht über den ersten -, nur um sagen zu können: Wir haben ja und wir wollen ja … Aber ich sage Ihnen mal ganz deutlich, was Ihre Aufgabe ist und vor allem war:

Die Verfassung des Landes Brandenburg gibt Ihnen mit Artikel 47 Abs. 1 die Legitimation - besser und genauer gesagt: die Pflicht -, einen veritablen Beitrag für angemessenen Wohn raum zu leisten, und das unter anderem durch Maßnahmen des sozialen Wohnungsbaus.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Herr Kalbitz, da Sie weder bei der Anhörung noch bei der Be ratung im Ausschuss dabei waren, würde ich gerne fragen, ob Ihre Kollegen Sie darüber informiert haben, dass es einen Unterschied gibt zwischen Ferienhäusern und Wohnungen, die zu Wohnzwecken genutzt werden sollen?

Das ist völlig korrekt. Das ist mir auch klar, darauf komme ich in meinen weiteren Ausführungen noch zu sprechen. Mir ging es darum, dieses Problem auch einmal zu fokussieren, weil es eine Rolle spielt, sonst hätte es der Deutsche Ferienhausver band nicht thematisiert. Und es ist ein Thema - ich komme auch gleich noch zu den Zahlen. Deshalb stimmen wir ja auch dem ersten Entwurf zu, aber dem Gesetzentwurf zur Zweck entfremdung nicht. Wir differenzieren das ganz genau, und das war - wie ich das mitbekommen habe - auch das Ergebnis aus den Ausschüssen.

Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage der Kollegin Lieske?

Gerne. Ja, bitte.

Herr Kalbitz, ich betone nicht noch einmal, dass Sie nicht im Ausschuss anwesend waren. Das spielt jetzt auch keine Rolle. Es gibt Protokolle, ich traue Ihnen zu, dass Sie das nachlesen und damit auch umgehen können.

(Kalbitz [AfD]: Das ist doch schon mal was!)

Es geht jetzt noch einmal um die Rolle, die Sie angesprochen haben, die Aufgabe, die wir als Land haben, nämlich dafür Sorge zu tragen, dass sozialer Wohnraum im Land möglich ist. Ich frage Sie: Wie schätzen Sie den Betrag von 100 Millionen Euro für die Wohnraumförderung in Brandenburg ein? Würden Sie glauben, dass das substanziell ist oder etwas für die Porto kasse?

Entschuldigung, 100 Millionen Euro sind natürlich nichts für die Portokasse. Das ist eine veritable Größe. Aber das richtet sich ja nicht nach der investierten bzw. zur Verfügung gestell ten Summe, sondern nach dem Bedarf, und für mich muss der Maßstab sein - auf die Speckgürtel-Problematik komme ich noch zu sprechen -: Reicht das, um diese Missstände und das, was aufgelaufen ist, zu beheben, oder reicht es nicht? 100 Mil lionen Euro sind nie nur etwas für die Portokasse, wenn sie aus Steuergeldern kommen, weil das hart erarbeitetes Geld der Bürger ist. Insofern wäre das eine Marginalisierung.

(Beifall AfD)

Die Frage, die sich unbenommen dieses Betrages trotzdem stellt, lautet: Sind diese Maßnahmen ausreichend, um die Prob leme zu beheben? Das eine hat nicht zwingend etwas mit dem anderen zu tun. Natürlich geht es schlussendlich immer um Geld, das ist uns klar. Nur weil Sie das so schön formuliert ha ben: Für die Portokasse sind 100 Millionen Euro garantiert nichts. Das ist schon ein veritabler Betrag, das erkenne ich an. Die Diskussion, die wir führen, ist aber: Reicht es aus? - Gut, vielen Dank.

Ich führe fort - ich bezog mich auf Artikel 47 Abs. 1, den Auf trag der Landesregierung für Maßnahmen des sozialen Woh nungsbaus. Hierbei ist die Landesregierung in der Pflicht. Sie haben die Verantwortlichkeiten oftmals weggeschoben und das Problem verlagert. In dieser konkreten Problematik, die ich an sprach, bezüglich des Ferienhaustourismus - darum ging es - bedeutet dies nämlich: Der Ferienhaustourismus ist auch quan titativ kein maßgeblicher Aspekt, um für fehlenden sozialen Wohnraum verantwortlich zu sein.

Die gesamte Landesplanung hat sich aus unserer Sicht zu sehr auf die Entwicklung des Berliner Umfeldes ausgerichtet und nicht auf die Bedürfnisse der Brandenburger. Brandenburg hört nicht mit dem Speckgürtel auf zu existieren. Brandenburg ist ein Flächenland. Ich freue mich auch, dass der Ministerpräsi dent die ländlichen Räume vor einigen Wochen völlig über raschend entdeckt hat.

Der Ferienhaustourismus ist für unsere ländlichen Regionen ein nicht zu unterschätzendes Standbein. Die Kommunen pro fitieren von Einkommens- und Umsatzsteuer, Gewerbesteuer,

Tourismusabgaben und Kurtaxe. Nicht auszudenken, welche finanzielle Lücke beim Zweckentfremdungsverbot klaffen würde. Das wissen übrigens auch die Kommunen. Sie haben zum Teil das Potenzial des Ferienwohnungstourismus erkannt und fördern - wie der Landkreis Potsdam-Mittelmark - quali tätsverbessernde Maßnahmen bestehender Ferienwohnungen und Zimmer mit bis zu maximal 5 000 Euro.

In der Zusammenfassung hieße das: Bis Juni 2019 wird geför dert, was dann untersagt oder eingeschränkt würde. Das muss man erst einmal verstehen.

Die Frage, ob nun ein Berliner Gesetz übernommen wird, um die Probleme Berlins in Brandenburg zu lösen, stellt sich auch beim Wohnungsmangel im brandenburgischen und Berliner Umland. Es stellt sich einzig und allein durch die in Berlin zelebrierte Willkommenskultur, auch durch den Migrations druck.

(Zuruf der Abgeordneten Große [DIE LINKE])

Das ist ein Thema, das immer ausgeblendet wird. Es heißt ganz klar: In dem Moment, wo sogenannte Flüchtlinge nicht mehr in Heimen wohnhaft sind, sondern der Versuch gemacht wird, für sie Wohnraum zu generieren, wird dadurch zusätzlicher Druck auf den Wohnungsmarkt ausgeübt. Alles andere ist einfach eine Illusion.

Wenn man sich die Bevölkerungsprognosen in Brandenburg anschaut, stellt man fest, dass gar kein Handlungsbedarf bestünde. Der Handlungsbedarf entsteht durch den nicht auf hörenden Zuzugsdruck der Berliner Bevölkerung - ungeachtet der tatsächlichen Bedürfnisse der Brandenburger Bevölkerung. Verstehen Sie mich nicht falsch: Das Wohnraumförderungs gesetz ist gut

(Zuruf des Abgeordneten Domres [DIE LINKE])

und längst überfällig. Aber es löst das eigentliche Problem der fehlenden Wohnungen nicht,

(Frau Dannenberg [DIE LINKE]: Keine Ahnung!)

weil jahrelang der soziale Wohnungsbau vernachlässigt wurde; das können Sie in Zahlen nachvollziehen. Das lässt sich so schnell nicht lösen, vor allem nicht mit dem vorgelegten Papier.

Herr Woidke, Ihre Partei spricht ja so gern von gleichwertigen Lebensverhältnissen. Sie hatten jahrelang Zeit, geeignete Maß nahmen umzusetzen. Wenig Effizientes ist passiert. Es be schleicht mich auch so langsam die Frage: An welche Lebens verhältnisse wollen Sie sich anpassen?

Zusammenfassend kann man nur sagen, dass das von der Landesregierung vorgelegte Maßnahmenpaket die Ursachen des knappen bezahlbaren Wohnungsmarktes nicht beheben kann und nicht beheben wird. Das Wohnraumzweckentfrem dungsgesetz greift nicht, weil die Zahl der Ferienwohnungen zu gering ist. Und das Wohnraumförderungsgesetz produziert mehr Wohnraumberechtigungsscheininhaber. Dem Gesetz über Soziale Wohnraumförderung stimmen wir als erstem Schritt in die richtige Richtung gern zu. Das Gesetz über das Verbot der Zweckverwendung lehnen wir aus besagten Gründen ab.

Machen Sie Ihre Hausaufgaben, dann haben Sie von Rot-Rot vielleicht noch die Chance - ich weiß gar nicht, wann das sein soll -, dies ab 2024, 2029 oder irgendwann wieder in eine Poli tik umzusetzen, die weniger schlecht ist. - Vielen Dank.

(Beifall AfD - Frau Johlige [DIE LINKE]: Das nennt man Fremdschämen!)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht der Abgeordnete Jungclaus.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Verehrte Gäste! Wie in anderen Teilen Deutsch lands spitzt sich die Situation auf dem Wohnungsmarkt natür lich auch in einigen Regionen Brandenburgs immer mehr zu. Die Mieten in Potsdam und anderen berlinnahen Orten steigen, und auch Menschen mit mittlerem Einkommen haben immer mehr Schwierigkeiten, etwas Passendes zu finden.

Lange Zeit war die Hauptstadtregion eine Art Insel der Glück seligen mit außerordentlich niedrigen Mieten und geringen Kaufpreisen. Doch mehr und mehr Menschen können nicht mehr umziehen, weil es im günstigen Segment schlicht viel zu wenig Wohnungen gibt. Ein Grund dafür ist: Es gibt heute nur noch sehr wenige Wohnungen mit Mietpreisbindung; deren Zahl hat drastisch abgenommen und nimmt weiter ab.

Der vorliegende Gesetzentwurf wurde im Grundsatz von den Interessenvertretungen beider Seiten - also Wohnungs wirtschaft sowie Mieterinnen und Mieter - befürwortet, auch, weil er das zunehmende Bedürfnis der Menschen einbezieht, gemeinschaftlich zu leben, und weil erwartet wird, dass durch die Veränderungen Bürokratie abgebaut wird.

Von den Sozialverbänden hingegen kam Kritik, die wir - zu mindest teilweise - heilen konnten. Freibeträge gelten jetzt für Alleinerziehende auch dann, wenn deren Kinder älter als 12 Jahre sind. Was die Einkommensgrenzen betrifft, gab es jedoch in beiden beratenden Ausschüssen unterschiedliche Auffassungen, weswegen wir unseren Antrag nochmals zur Abstimmung stellen. Letztlich wird es aber ohnehin auf die Richtlinien ankommen, in denen dann Regelungen getroffen werden: zu Freibeträgen, Wohnformen etc.

Schon bei der Anhörung wurden uns diverse Beispiele vorge tragen, die in den Richtlinien präzisiert werden müssen. Bis lang waren zum Beispiel Einbauküchen in geförderten Woh nungen nicht förderfähig. Doch auch wenn wir bei einigen kleinteiligen Punkten nun Verbesserungen bekommen, lösen wir das eigentliche Problem nicht, denn durch dieses Gesetz, durch die Erhöhung der Zahl der Anspruchsberechtigten, wird es keine einzige Sozialwohnung mehr geben. Das gehört zur Wahrheit dazu, liebe Kollegin Lieske.

(Beifall B90/GRÜNE und AfD)

Damit bin ich auch ganz bei den Anzuhörenden, die bei dieser Frage ebenfalls wenig optimistisch waren; denn auch die Förderung, die es bereits gibt, wird ja nicht ausreichend in

Anspruch genommen - so viel zu den 100 Millionen Euro, Herr Kalbitz. Bei Zinsen im Bereich von 1 % am freien Kapital markt sind Investoren nun einmal nicht groß auf Darlehen an gewiesen, an die dann auch noch Bedingungen geknüpft sind.

Aber was kann die Landesregierung tun, um endlich mehr Sozialwohnungen zu schaffen? In der Anhörung waren die Ex perten gegenüber einer landeseigenen Wohnungsbaugesell schaft, wie sie der stellvertretende Ministerpräsident nun im Wahljahr nach viereinhalb Jahren Amtszeit plötzlich ins Spiel gebracht hat, sehr skeptisch. Anders bei den kommunalen Gesellschaften. Und auch wir sind davon überzeugt, dass die Kommunen hier noch viel stärker tätig werden können, ob nun durch eigene Wohnungsbaugesellschaften oder mit entspre chenden Kooperationen. Auf jeden Fall benötigen aber gerade kleinere Kommunen hierfür zusätzliche technische und kauf männische Ressourcen und Beratung, so wie es unser Ent schließungsantrag fordert. Deshalb bitte ich hier auch noch einmal um Zustimmung zu diesem Antrag.

Bei dem anderen zu beratenden Entwurf geht es um das Zweckentfremdungsverbot, basierend auf dem Auftrag der Regierungsfraktionen, zu prüfen, ob es eines Gesetzes bedarf, um die Zweckentfremdung von Wohnraum zu touristischen Zwecken zu verhindern. Das Prüfergebnis fußt nun auf einer Bedarfsabgabe von 31 Kommunen im Speckgürtel, einer Schätzung der Landeshauptstadt Potsdam und einigen Presse berichten. Die Datenlage ist also sehr wackelig. So war auch das Stimmungsbild in der Anhörung entsprechend gemischt: Drei Anzuhörende sprachen sich dafür aus, vier sprachen sich dagegen aus, und auch wir haben intensiv abgewogen, werden dem Gesetzentwurf aber am Ende zustimmen. Denn selbst, wenn das Problem noch nicht den Umfang hat wie beispiels weise in Berlin, lieber Kollege Genilke, so hat letztendlich die Landesregierung eine Verpflichtung, auch zukünftige proble matische Entwicklungen zu antizipieren - und das tut sie hier mit.

(Beifall B90/GRÜNE und SPD)

Zum Thema problematische Entwicklung noch Folgendes: Ein immer größer werdendes Problem sind inzwischen die Vermie tungen, die überhaupt nicht unter Zweckentfremdung oder Mietpreisbremse fallen, nämlich die der teilmöblierten Woh nungen, die vorher normale Mietwohnungen waren. 20 Quad ratmeter - es werden ein Tisch und ein Stuhl hineingestellt - werden dann befristet für etwa ein halbes Jahr für 500 Euro monatlich vermietet. Ich schlage daher vor, dass sich die Ministerin die Situation bei den befristet vermieteten Wohnun gen noch einmal besonders anschaut und eine passende Lösung auch für dieses Problem findet. - Vielen Dank.

(Beifall B90/GRÜNE)

Vielen Dank. - Es spricht der Abgeordnete Königer.

Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Meine Damen und Herren Abgeordnetenkollegen! Sehr geehrte zahlreich erschienene Be sucher! Das Prinzip der Subsidiarität, das für unser politisches System konstituierend ist, hat zwei Grundpfeiler: Zum einen

sollen Entscheidungen möglichst an der Basis getroffen wer den. Dazu gehört, dass man dort dann auch die Arbeit macht. Wer sich für die Suppe entscheidet, soll sie auch auslöffeln müssen - so einfach ist das. Der zweite Grundpfeiler der Sub sidiarität ist aber, dass Entscheidungen auf einer höheren Ebe ne getroffen werden, wenn die Basis nicht in der Lage ist, sie umzusetzen. Dann gilt aber auch: Wenn die obere Ebene Suppe kochen kann, soll sie sie gefälligst selbst auslöffeln. Das haben wir alle bei der Kreisgebietsreform vor mehreren Jahren erfah ren dürfen.

Dass die Landesregierung jetzt ein Gesetz vorlegt, das die Gemeinden ermächtigt, sich um die Zweckentfremdung von Wohnungen zu kümmern, ist erst einmal zu loben. Das steht ganz im Gegensatz zur sozialistischen Tradition des bürokrati schen Zentralismus, dem SPD und Linke normalerweise so gern folgen. Im vorliegenden Entwurf hätte ich mir mehr Zentralismus und einen ganzheitlichen Ansatz von der Landes regierung gewünscht, denn Wohnraumprobleme sind komplex. Das gilt auch für die Zweckentfremdung von Wohnungen, sei es durch Touristen oder andere gesellschaftliche Gruppen.

Ich muss auf ein altes und dennoch aktuelles Thema kommen, den Umgang mit Flüchtlingen. Deren Unterbringung wird nämlich von einem ziemlich rigorosen und zentralistischen Regime bestimmt, bei dem die Interessen, Wünsche oder Be lange der Gemeinden oft viel zu kurz kommen. Ein Beispiel: Der Landrat von Potsdam-Mittelmark hatte seinerzeit zuge sagt, einige Wohnungen des Übergangswohnheims auf der Jugendhöhe in Werder günstig an Werderaner zu vermieten und nicht ausschließlich Flüchtlinge dort einziehen zu lassen. Nach fast drei Jahren Sanierung wohnen jetzt ausschließlich Flüchtlinge dort. Hier hätte die Kommune viel mehr Mit spracherecht haben müssen. Das wäre auch besser für die Inte gration der Flüchtlinge.

Die Landesregierung will die Kommunen ermächtigen, sich selbst um Zweckentfremdung von Wohnungen durch Touristen zu kümmern. Wahrscheinlich wird sie sich demnächst dafür noch heftig feiern lassen, weil sie ja das Prinzip der Subsidiari tät einfordert.