Protocol of the Session on December 13, 2017

Als Anlass für Ihren Antrag benennen Sie die zunehmende Digi talisierung und die damit einhergehende Monopolisierung von Anbietern im Geschäft der Publizistik. Durch diese Monopoli sierung sehen Sie die Gefahr, dass die literarische Vielfalt verlo rengehen könnte. Dieses Problem sehen wir durchaus auch. Das potenzielle Marktversagen, welches sich hier abzeichnet, muss genau unter die Lupe genommen werden. Leider versäumen Sie aber in dem vorliegenden Antrag, konkrete Maßnahmen zur Lö sung dieses Problems zu entwickeln oder auch nur anzuspre chen. Die drei von Ihnen beantragten Punkte greifen viel zu kurz. Es macht letztlich wenig Sinn, den Marktentwicklungen ausschließlich mit Maßnahmen entgegenzutreten, die diese Ent wicklungen selbst nicht im Ansatz berühren. Was hilft zum Bei spiel ein Literaturpreis des Landes Brandenburg - dem wir nicht negativ gegenüberstehen - gegen Monopolstrukturen in den Ver triebskanälen? Gar nichts! Es hilft dem Gewinner des Literatur preises, im Jahr der Preisverleihung ein paar Bücher mehr über Amazon zu verkaufen. Strukturell verändert dies nichts.

Wir sollten also die marktseitigen Problemstellungen näher be trachten, damit eine weitergehende Auseinandersetzung ermög lichen und entsprechende Maßnahmen beschließen.

Teilweise könnte dieser Antrag, liebe Kollegen von SPD und Linke, auch von uns kommen. Wir freuen uns, dass Sie sich

durch unsere Präsenz dazu genötigt fühlen, die Themen der Identität, der Kultur und deren Erhalt wieder in Ihre politische Agenda zu integrieren,

(Lachen und Zuruf der Abgeordneten Mächtig [DIE LIN KE)

vielleicht sogar neu zu entdecken. Da der Antrag in seiner Wir kung viel zu kurz greift und eher wie ein Schuss aus der Hüfte des Getriebenen aussieht - zumindest so wirkt -, empfehlen wir die Verweisung des Themas an den Ausschuss. Wir finden, es ist diskussionswürdig, und wir glauben, dass wir da gar nicht so weit auseinanderliegen, wie Sie annehmen. Wir freuen uns auf die diesbezügliche Diskussion. - Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Vielen Dank. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht die Abgeordnete von Halem.

Hier liegt das Œuvre - wer es haben will.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Schriftsteller ist eine beliebte Roman- und Filmfigur. Gern zeigt man ihn als introvertierten, psychisch labilen Einzelgän ger, ohne Freunde und ohne stabile Liebesbeziehung.

(Vereinzelt Heiterkeit)

Und wenn das eine oder andere auf den einen oder anderen Au toren auch zutrifft, so sind Schriftsteller im echten Leben natür lich so unterschiedlich wie alle anderen Menschen auch. Nur ein Klischee ist wirklich wahr: Seine Kunst macht ihn in der Regel nicht reich.

Exemplarisch dafür steht der Schriftsteller Mathias Etenhueber. Jetzt werden Sie wahrscheinlich zögern und nicht wissen, wer das ist: der kurfürstliche Hofpoet, 1782 kümmerlich verarmt im Münchner Spital der Barmherzigen Brüder verstorben. Er wur de über Jahrhunderte hinweg bewundert, aber nicht für sein li terarisches Werk, sondern für sein Gesicht: Mit aufgespanntem Regenschirm liegt er unter der Dachschräge auf einer Matratze, eingehüllt in einen Flauschrock, auf dem Kopf eine Schlafmüt ze, in der linken Hand ein paar Manuskriptseiten. Der Ofen da vor ist kalt, und das so betitelte „Dritte Bündelchen meiner Werke“, das davor liegt, wird sicher bald im Ofen verschwin den. Man sieht es ganz deutlich, es wird zu Heizmaterial. - Sie haben es alle erraten: Es ist „Der arme Poet“, den Spitzweg 50 Jahre nach dessen Tod in Öl gemalt hat.

Aus der Feder dieses Literaten, Etenhuebers, stammen die Worte:

„Schreibt Bücher! sagt man euch, wer aber gibt indessen, indem ihr eines schreibt, dem Maule was zu essen?“

Wenn sich auch in den letzten 250 Jahren fast alles im Leben geändert hat - die wirtschaftliche Situation des Schriftstellers und sogar die des Bestsellerautors ist heute, im Jahr 2017, noch immer prekär, wobei auch hier - wer hätte das gedacht - Frauen wieder einmal deutlich weniger verdienen als Männer.

Einen Bestseller schreibt man heute schon mit einer Auflage von etwa 15 000 Stück. Was das monetär heißt, lässt sich leicht ausrechnen: Ein Roman kostet in der Buchhandlung als Hard cover ungefähr 20 Euro. Hat der Autor Glück, bekommt er 10 % des Verkaufspreises - das sind zwei Euro. Bei einem Best seller mit 15 000 verkauften Exemplaren sind das also ungefähr 30 000 Euro; davon gehen noch ein paar Tausend Euro für Steu ern und Sozialversicherung ab. Um einen solchen Roman zu verfassen, braucht ein Autor ungefähr zwei Jahre. Das heißt, wenn ein Bestsellerautor mit seinem Roman in zwei Jahren un gefähr 20 500 Euro netto verdient hat, dann kommt er durch den Verkauf des Buches auf ein Nettomonatseinkommen von 854 Euro - da möchten wir doch nicht tauschen. Das bedeutet natürlich, dass die meisten Schriftstellerinnen und Schriftsteller auch einen Brotberuf ausüben müssen, um überhaupt über die Runden zu kommen, was wiederum bedeutet, dass die Zeit für den schriftstellerischen Schreibprozess begrenzt ist.

Ich kann mir schwer vorstellen, ohne Literatur zu leben. Denn Lesen ist die leichteste Möglichkeit, mit Menschen in Kontakt zu kommen, Orte zu sehen und Dinge zu erleben, die einem das normale Leben sonst nicht bietet. Da ich weiterhin gerne expe rimentierfreudige und überraschende Geschichten und Bücher für uns alle haben möchte, finde ich es richtig, talentierten Au torinnen und Autoren durch unterstützende Maßnahmen besse re Chancen zur kreativen Entfaltung zu geben und mit öffentli chen Mitteln den Weg zum freien Markt zu ebnen. Das möchte auch dieser Antrag. Und das Anliegen betrifft nicht nur Schrift steller; es gilt genauso für Musiker, bildende Künstler, Doku mentarfilmer und andere, die sich vielfach in ähnlich prekären Situationen befinden. Auch hier benötigen wir bessere Förder strukturen für eine interessante und vielseitige Fortschreibung der bisherigen kreativen Formate.

Das wissen auch die Koalitionsfraktionen, und vielleicht ist das auch ein Grund dafür, dass im Antrag nicht wirklich von Geld summen geredet wird, sondern nur von „im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel“. Insofern ist das schon ein bisschen ein Show-Antrag; denn wir wissen sehr genau - selbst wenn wir uns in einem festgezurrten Haushalt befinden -, dass es ein Leichtes für diese Koalition wäre, locker mal ein paar Hunderttausend Euro für irgendetwas auszugeben - beim Fontanejahr zum Beispiel war das möglich, das war überhaupt kein Problem. Das könnte man auch hier tun.

(Beifall des Abgeordneten Vogel [B90/GRÜNE])

Im Antrag sind viele Maßnahmen beschrieben, die für sich betrachtet alle sehr sinnvoll sind; aber darüber steht „im Rah men der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel“. Man hat schon ein bisschen das Gefühl, dass man sich mit diesem An trag brüsten will: Wir tun etwas für die Schriftsteller. - Aber was wirklich dabei herauskommt, wissen wir noch nicht. Ich will nicht sagen, dass er nichts bringt; aber wir wissen es nicht, es ist völlig offen. Insofern kann man diesen Antrag natürlich über weisen, man kann ihn aber auch gleich beschließen; man muss ihn nicht noch einmal gesondert im Ausschuss diskutieren.

Interessant wäre gewesen, zu erfahren, wie viel Geld in diese Maßnahmen gesteckt werden soll. Dazu steht im Antrag über haupt nichts. An unserer Zustimmung wird das aber nichts än dern.

(Beifall B90/GRÜNE sowie vereinzelt SPD)

Vielen Dank. - Für die Landesregierung spricht Ministerin Dr. Münch.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Land Brandenburg gibt es zahlreiche Kulturschaffende, die sich in den unterschiedlichsten Bereichen und allen künstlerischen Genres betätigen. Diese Menschen, ihre Kreativität und ihr Engagement sind eine große Bereicherung für unser Land. Deshalb freue ich mich sehr, dass wir heute über die Herausforderungen debattieren, denen sich gerade Literaturschaffende nicht nur in Brandenburg tagtäglich gegenübersehen. Ich freue mich auch sehr darüber, mit wie viel Poesie und Literaturkenntnis diese Debatte geführt wird. Das ist etwas ganz Besonderes für dieses Haus.

Die Landesregierung und der Landtag tragen mit Verantwortung dafür, dass unter Beachtung des Subsidiaritätsprinzips - das uns sehr wichtig ist - gute und gedeihliche Rahmenbedingungen für Künstlerinnen und Künstler geschaffen werden. Dazu gibt der Entschließungsantrag einen willkommenen Anstoß.

Der Antrag beschreibt zutreffend das Engagement des Landes im Bereich der Literatur. Wir tun hier bereits eine ganze Menge, Frau von Halem. Es ist nicht so, dass wir bei null anfangen.

(Frau Lieske [SPD]: Das weiß sie auch! - Zuruf der Ab geordneten von Halem [B90/GRÜNE])

Dazu zählt beispielsweise die Förderung literarischer Festivals wie LIT:potsdam, das sich in den letzten Jahren wunderbar ent wickelt hat, oder des Brandenburgischen Literaturbüros, das immerhin 200 000 Euro jährlich erhält. Es gibt Digitalisie rungsprojekte und Aktivitäten, die sich besonders an Kinder und Jugendliche richten, beispielsweise der Friedrich-Böde cker-Kreis oder der Verein „Schreibende Schüler“. Der Bereich kulturelle Bildung, die Schnittstelle von Schule und Kultur, bietet gerade jungen Menschen eine ganze Menge Möglichkei ten, Kreativität und Schreibfähigkeit zu entwickeln.

Außerdem unterstützen wir seit Jahren zuverlässig die histori schen Stätten des literarischen Erbes, denn auch daran sind wir reich. Sie sind essenziell für das Selbstverständnis der Branden burgerinnen und Brandenburger und ein wichtiges Aushänge schild für unser Land. Ich spreche von den literarischen Gedenk stätten und Museen zu Heinrich von Kleist, Gerhart Hauptmann, Bertolt Brecht, vom wunderbaren Tucholsky-Museum in Rheinsberg und natürlich vom Fontane-Archiv in Potsdam. Sie alle stellen einen unschätzbaren Reichtum unseres Landes dar und sind über die Grenzen Deutschlands hinaus präsent.

Das Land und sehr viele Engagierte bereiten sich derzeit auf den 200. Geburtstag Theodor Fontanes vor, der auch Anlass sein soll, einen Teil der Aufträge des heutigen Antrages umzu setzen. Ich freue mich auch sehr, dass der Landtag bereits in einem früheren Antrag die Unterstützung zum 200. FontaneGeburtstag bekundet hat. Das wird im Jahr 2019 ein ganz gro ßes Festival werden.

(Vereinzelt Beifall SPD)

Neben den großen, herausragenden Namen der Literaturge schichte gibt es zahlreiche zeitgenössische Autoren - Frau Liedtke hat viele davon bereits genannt -, die unser Land berei chern und die sich mit Themen auseinandersetzen, die die Men schen gerade auch in den ländlichen Räumen bewegen. Ich bin auch ein großer Fan des Buches „Unterleuten“ und kann es nur jedem, der es noch nicht gelesen hat, empfehlen.

Die Literaturförderung des Landes respektiert allerdings auch hier das Subsidiaritätsprinzip. Das bedeutet: Neben den bereits genannten Fördermaßnahmen unterstützen wir Projekte auf kommunaler Ebene vor allen Dingen dann, wenn ein herausge hobenes Landesinteresse besteht oder ein Projekt von überregi onaler Bedeutung ist. Gleichzeitig wird auf der kommunalen Ebene sehr viel Literaturförderung betrieben: Es gibt Arbeits stipendien für einzelne Schriftsteller, es gibt eine Fülle von Fes tivals und Lesungen, es gibt den Welttag des Buches und Ähn liches.

Ansonsten geht es uns selbstverständlich darum, die Position unserer Schriftstellerinnen und Schriftsteller auch auf dem Buchmarkt zu stärken. Ein kulturpolitisches Instrument dafür sind Preise und Stipendien des Landes, die dafür eingesetzt werden, neue Freiräume für schöpferische Arbeit zu schaffen - Sie alle kennen Schloss Wiepersdorf - und erste Erfolge zu ver stetigen.

Der Antrag greift dieses Thema auf und bestärkt die Fortset zung der Diskussion über eine für Brandenburg auch in Zukunft sinnvolle Struktur von Preisen und Stipendien. Ich halte es für eine sehr schöne Idee, dass wir im Jahr 2019 wieder den Litera turpreis einführen werden.

Ich denke, der Antrag spricht für sich und bezeichnet sehr ge nau verschiedene Felder. Letzen Endes ist er auch sehr sinnvoll; denn Brandenburg ist ein Literaturland, und das soll auch so bleiben. Deswegen ist es richtig, dass wir rechtzeitig unser Au genmerk darauf richten, wie wir bei der Förderung literarischen Schaffens weiter vorankommen. Deshalb bitte ich um Zustim mung zum Antrag. Ich werde dem Landtagsausschuss über die Ergebnisse unserer Arbeit berichten. - Herzlichen Dank.

(Beifall SPD sowie vereinzelt DIE LINKE)

Vielen Dank. - Das Wort erhält noch einmal die SPD-Fraktion. - Nicht? - Dann beende ich die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Die AfD-Fraktion beantragt Überweisung des Antrages „Stärkung und Förderung der Lite raturschaffenden in Brandenburg“, Drucksache 6/7798 - Neu druck -, an den Ausschuss für Wissenschaft, Forschung und Kultur. Wer stimmt diesem Überweisungsantrag zu? - Gegen stimmen? - Das war die Mehrheit. Damit ist dem Überwei sungsantrag nicht zugestimmt worden.

Ich rufe den Antrag der Fraktionen SPD und DIE LINKE „Stär kung und Förderung der Literaturschaffenden in Brandenburg“ auf Drucksache 6/7728 - Neudruck - zur Abstimmung auf. Wer stimmt diesem Antrag zu? - Gibt es Gegenstimmen? - Gibt es Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen ist der Antrag mit großer Mehrheit angenommen.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 3 und rufe Tagesordnungs punkt 4 auf:

Gesetz zur Unterstützung der Integration von Men schen mit Migrationshintergrund

Gesetzentwurf der Fraktion der CDU

Drucksache 6/7696

1. Lesung

in Verbindung damit:

Landesintegrationskonzept - Aktualisierte Fassung 2017 - Zuwanderung und Integration als Chance für Brandenburg (gemäß Beschluss des Landtages vom 02.03.2017 - Drs. 6/6122-B)

Konzept der Landesregierung

Drucksache 6/7626

Des Weiteren liegt Ihnen auf Drucksache 6/7790 ein Entschlie ßungsantrag der AfD-Fraktion vor.