Protocol of the Session on December 13, 2017

Des Weiteren liegt Ihnen auf Drucksache 6/7790 ein Entschlie ßungsantrag der AfD-Fraktion vor.

Die Aussprache wird von der Abgeordneten Richstein für die CDU-Fraktion eröffnet. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Inte gration ist eines der großen Zukunftsthemen, die uns in den nächsten Jahren und wahrscheinlich Jahrzehnten beschäftigen werden. Darin dürften sich alle Fraktionen hier im Landtag Brandenburg einig sein, und ich hoffe, das ist nicht die einzige Gemeinsamkeit, die wir haben.

Integration kann aber nur in Kooperation gelingen: zwischen den föderalen Ebenen, aber auch innerhalb der föderalen Ebe nen. Daraus leitet sich ab, dass Integration mit politischer Ko operation beginnt. Gerade diese politische Kooperation hätte ich mir bei dem vorliegenden Gesetzentwurf gewünscht. Aber es kam anders.

Im Jahr 2015, als Brandenburg über 28 000 Asylsuchende auf nahm, zeigte sich interfraktionell eine große Bereitschaft, ge meinsam über Integrationsmodelle und -konzepte bis hin zu einem Integrationsgesetz nachzudenken. Die CDU-Fraktion hat sehr frühzeitig, im Herbst 2015, ihre Position zur Integration im Sinne des Grundsatzes „Fordern und Fördern“ erarbeitet und vorgestellt. In einem Landtag, in dem die Meinungen von „Grenzen dicht!“ über „Integration ist eine Bringschuld“ bis „Zu uns darf jeder kommen, wir möchten alle integrieren, mög lichst sogar inkludieren“ gehen, würde so eine Diskussion na türlich sehr schwierig werden. Ich hatte mich auf kontroverse Diskussionen gefreut, die vielleicht zu neuen Ansätzen, neuen Ideen, neuen Projekten geführt hätten. Aber es kam anders.

Nach einer langen Hängepartie im Ungewissen ließen uns die SPD und die Linke dann endgültig hängen. Sie entschieden sich

gegen ein Gesetz und forderten gleichzeitig die Landesregie rung auf zu prüfen, in welchen Rechtsvorschriften sie gesetzge berischen Handlungsbedarf sieht - ein bisschen schizophren, aber auch nur ein bisschen.

Meine Damen und Herren, die CDU-Fraktion ist der Auffas sung, dass dieses Gesetz dringend erforderlich ist; denn dadurch wird das Ziel der Integration und Teilhabe der Menschen mit Migrationshintergrund verpflichtend gefordert und gefördert.

(Beifall CDU)

An dieser Stelle möchte ich mich herzlich bedanken: bei den befassten Referenten der CDU-Fraktion, dem Parlamentari schen Beratungsdienst des Landtags, den Praktikern und Mig ranten, die uns ihre Einschätzung zu dem Gesetzentwurf mit teilten und in dem Prozess mitarbeiteten. Alle waren sehr engagiert dabei, wohl wissend, dass diese sehr detaillierte Ar beit wahrscheinlich dem Schicksal eines Oppositionspapiers entgegengehen und im Papierkorb landen würde.

Aber während wir an dem Gesetzentwurf arbeiteten, hat die Lan desregierung ihr Integrationskonzept von 2014 überarbeitet und die neue Fassung am 16. November 2017 vorgelegt, sodass wir heute beides behandeln. Bei dem Konzept handelt es sich aber leider um nicht viel mehr als einen Bericht. Der Blick in die Zukunft bleibt aus, und vor allem die Fragen zum Gestaltungs spielraum des Landes sowie dazu, wie das Land Brandenburg mit Zuwanderung und Integration in Zukunft umgehen wird, blieben unbeantwortet. Die Landesregierung sieht derzeit keinen gesetzgeberischen Regelungsbedarf, da das Landesintegrations konzept „durch die Operationalisierung von Zielen in Form von Meilensteinen eine höhere Form der Verbindlichkeit“ erhalte.

Jeder, der sich ein wenig im Projektmanagement auskennt - und in diesem Sinn verstehe ich Ihre Meilensteine -, weiß, dass Meilensteine ein gutes Instrument sein können, um die Projekt planung und die Kontrolle des Projektfortschritts zu erleich tern, indem man den Projektverlauf in überprüfbare Etappen teilt. Meilensteine sind vieles, aber sie sind nicht verbindlicher als die vorher benannten Zielbeschreibungen.

Meine Damen und Herren, ich komme jetzt zum Gesetzentwurf. Ziel des Integrationsgesetzes ist es, den Zusammenhalt in der Gesellschaft durch Integrationsketten zu stärken und den Men schen mit Bleiberecht Perspektiven für einen Neubeginn in Deutschland zu eröffnen. Dabei möchten wir auch den gesetzge berischen Spielraum nutzen, der uns vom Bund vorgegeben und ermöglicht wurde. Der Grundsatz des Forderns und Förderns zielt darauf ab, die Integration der Menschen, die zu uns gekom men sind, in die Gesellschaft und den Arbeitsmarkt durch staat liche Maßnahmen zu fördern und gleichermaßen ihre eigenen Bemühungen im Integrationsprozess einzufordern. Dafür müs sen wir nachhaltige Strukturen schaffen, diese institutionalisie ren und verbindlich gestalten. Ebenso brauchen wir aber ein ausgewogenes System aus Pflichten und Teilhaberechten.

Machen wir uns nichts vor, meine Damen und Herren: Mit So zialromantik allein kommen wir bei den zu erfüllenden Integra tionsaufgaben nicht weiter. Es wird immer Menschen geben, die sich nicht in unsere Gesellschaft, unsere Werte- und Rech teordnung integrieren wollen. Hierauf brauchen wir Antworten.

(Beifall CDU und AfD)

Natürlich ist die Entscheidung, ein Integrationsgesetz zu verab schieden, eine sehr politische Entscheidung. Wir definieren da mit unser Verständnis von Integration, erhöhen aber auch ihren politischen Stellenwert. Vielleicht gelingt es uns, einen integra tionspolitischen Konsens gesetzlich zu verankern und damit die Debatten zu versachlichen. Das Gesetz kann ebenso bei Men schen mit Migrationshintergrund für Integration werben und ihnen konkrete Handlungsnormen vorgeben.

Eine Migrantin, die unseren Gesetzentwurf gelesen hat, sagte: Integration ist der einzige Weg, die Flüchtlingssituation von ei ner Krise in eine neue Energiequelle umzuwandeln. - Und sie hat Recht.

(Frau Lehmann [SPD]: Da hat sie Recht, ja!)

Uns war es wichtig, in der Präambel den Konsens, auf dem das Gesetz fußen soll, zu beschreiben. Das seit 1989 stolz Erreich te, unsere Verantwortung gegenüber denen, die zu uns gekom men sind, die Achtung unserer Sprache, Kultur, Tradition, Wer te und Rechtsgrundsätze sowie das Recht jedes Einzelnen auf ein selbstbestimmtes und selbstverantwortliches Leben - das ist die Basis, von der sich die Normen des Gesetzentwurfs ablei ten. Bewusst begrenzen wir den betroffenen Personenkreis nicht auf Flüchtlinge oder Asylsuchende, sondern schließen alle Menschen ein, die keine Deutschen im Sinne des Arti kels 116 Abs. 1 Grundgesetz sind.

In Zukunft wird uns meines Erachtens insbesondere die Zu wanderung dringend benötigter Arbeitskräfte beschäftigen. Auch hier ist Integration zwingend notwendig, damit wir nicht die gleichen Fehler machen, wie sie im Westen auftraten.

Wir möchten mit dem Gesetz die Stellung der Integrationsbe auftragten dadurch stärken, dass sie vom Landtag gewählt wird. Ebenso wollen wir ihre Aufgabe und die des Integrationsbeirats verbindlich festschreiben.

Da die Arbeit hauptsächlich vor Ort gemacht wird, sollen kom munale Integrationszentren eingerichtet werden, ohne Doppel zuständigkeiten entstehen zu lassen. Und da Integration keine Einbahnstraße - nicht nur eine Bringschuld, sondern auch eine Holschuld - ist, erwarten wir auch eine interkulturelle Öffnung der Verwaltung. Wir können nicht nur von der Wirtschaft die Beförderung der Integration in den Arbeitsmarkt erwarten, son dern müssen als Vorbild vorangehen.

Jetzt komme ich zu dem Teil, wo SPD, Linke und Grüne am wenigsten zustimmen werden: zum Fordern. Ja, wir möchten individuelle Beratung, und dort, wo es angezeigt ist, möchten wir verbindliche Integrationsvereinbarungen. Sollten diese nicht eingehalten werden, müssen daraus Konsequenzen folgen.

(Beifall CDU und AfD)

Auch hier möchte ich eine Migrantin zitieren, die sagte: Mitleid wird die Integration unbedingt behindern. Flüchtlinge sollen fühlen, dass sie nicht anders als andere sind. In Deutschland ist jeder vor dem Gesetz gleich. - Daher bringt es uns wenig, wenn wir Menschen, die wir integrieren wollen, in Watte packen. Na türlich brauchen sie auch Empathie und Anreize. Das allein reicht aber nicht.

Meine Damen und Herren, im Besonderen Teil des Gesetzes wollen wir in Einzelgesetze gehen und diese ändern. Das ist der

große Bereich der Bildung und der Sprachbildung: Wir möch ten zum einen recht frühzeitig die Pädagogen interkulturell und integrativ weiterbilden, Sprachschatztests in der Kita sollten bereits im vorletzten Jahr durchgeführt werden. Aber wir möch ten zum anderen auch, dass Eltern zu verpflichtenden Bera tungsgesprächen in die Schulen kommen. Wir möchten das Studienangebot der Hochschulen für Menschen mit Migrati onshintergrund erweitern.

Natürlich handelt es sich um eine gesellschaftliche Aufgabe. Wir hatten gerade am Samstag die Sportgala: Integration durch Sport sollte ein wichtiger Bestandteil sein und über das Modell, das wir schon jetzt haben, hinausgehen. Aber auch Förderange bote und die Verantwortung der Wirtschaft dürfen nicht außen vor bleiben - insbesondere möchte ich hier die Sozialwirtschaft und das Gesundheitswesen nennen.

Ein Punkt, über den wir hier schon mehrfach diskutiert haben und der uns sehr wichtig ist - aber den Regierungsfraktionen sowie den Grünen nicht -, ist, dass wir eine Zentrale Ausländer behörde haben, die die Durchsetzung der Ausreisepflicht um setzt. Und - da greifen wir einen Vorschlag auf, den der Innen minister in einem Gespräch mit den Landräten und den Oberbürgermeistern schon einmal gemacht hat - der Verbleib in der Erstaufnahme soll bis zu 24 Monate möglich sein - und die ses eben nicht, ohne dass auch in diesem Zeitraum Integrations maßnahmen angeboten werden. Im Gegenteil: Die Menschen sollen sich dort, in der Erstaufnahme, schon an Integrations maßnahmen beteiligen.

Wir sind sehr dafür, die Wohnsitzauflage nach § 12a AufenthG einzusetzen, und wir möchten gern, dass wir einen Integrations schlüssel bekommen und die Wohnsitzzuweisung sich daran orientiert.

Lassen Sie mich nun zum Entschließungsantrag der AfD kom men. Ich denke, dass die CDU nicht die einzige Partei und Frak tion ist, die sich Gedanken darüber macht, wie man mit anderen umgeht. Bei den Grünen hat man sich während der Sondierungs gespräche gedacht, es käme anders. Jetzt wissen wir nicht, ob GroKo, KoKo oder wie oder was kommt. Deswegen machen wir uns jetzt Gedanken, wie wir mit der SPD umgehen. Auch über die AfD machen wir uns Gedanken. Wir würden uns gern inhaltlich mit der AfD auseinandersetzen; aber Sie machen es uns leider unmöglich. Es wäre schön, wenn Sie einmal wirklich politische Inhalte bringen würden, sodass wir uns damit ausein andersetzen könnten. Sie haben jetzt noch zweieinhalb Plenarta ge Zeit, uns einmal wirklich zu überraschen.

Aber politische Inhalte sind auch in Ihrem Entschließungsan trag wieder einmal Fehlanzeige. Sie fordern, den Schutz und die Förderung der deutschen Leitkultur in der Verfassung des Landes Brandenburg zu sichern. Meine Damen und Herren von der AfD, die Leitkultur muss nicht in die Verfassung, die Leit kultur ergibt sich aus der Verfassung.

(Beifall CDU und SPD)

Wenn Sie das begreifen, sind Sie schon einen Schritt weiter.

Ich habe jetzt kaum noch Zeit, auf das Integrationskonzept ein zugehen.

(Zuruf: Schade!)

Es ist aber eine Enttäuschung. Ich habe es Ihnen gesagt: Die Änderungen gegenüber dem Konzept von 2014 sind nur margi nal. Ich finde keine verbindlichen Ziele; ich finde keine Zeitabläufe. Meilensteine werden nicht so definiert, wie ich sie aus dem Projektmanagement kenne. Es wäre schön, wenn wir das Thema noch einmal im Ausschuss aufrufen würden. Deswegen werbe ich sehr dafür, sowohl das Konzept als auch den Gesetz entwurf an die Ausschüsse zu überweisen. - Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Der Abgeordnete Kalbitz hat eine Kurzintervention angezeigt. - Bitte schön.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Besu cher! Liebe Kollegin Richstein, unser Programm ist voll von Lösungen.

(Lachen bei der SPD)

- Da haben Sie gar nichts zu lachen; denn, ganz ehrlich: Was uns von Ihnen unterscheidet, ist der Umstand, dass Sie bereits in der Verantwortung waren und noch sind und die Gelegenheit hatten, das umzusetzen. Aber die Bilanz für Brandenburg ist dünn.

(Frau Lehmann [SPD]: Hervorragend!)

- Hervorragend, ja! Das ist Pippi Langstrumpf: Ich mach’ mir die Welt, wie sie mir gefällt. - Genau, nicken Sie mal eifrig. Sie glauben das wirklich, nicht? - Unfassbar!

(Einzelbeifall)

Aber um sich einem ernsthaften politischen Mitbewerber, der CDU, zuzuwenden: Ich muss ganz klar sagen: Es ist falsch, wenn Sie konstatieren, dass wir keine Lösungsansätze haben. Es ist falsch, wenn Sie sagen, dass wir das auch nicht kommu nizieren. Und ich sage Ihnen eines: Wir warten mal auf 2019.

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE)

- Ich höre mir das Geplätscher vom linken Rand ruhig an, das ist kein Thema. Sie werden froh sein, wenn Sie 2019 noch in der Stärke vertreten sind.

Ihr Ton wird sich verändern. Warum? - Mit wem wollen Sie für dieses Land Zukunft gestalten? Die Menschen, die Wähler sind - das zeigt sich auch in den Prognosen - schon viel weiter. Mit wem wollen Sie Zukunft gestalten? Mit Rot, Dunkelrot - nach der Bilanz, die diese Koalition gezeitigt hat? - So sehr auf Selbstzerstörung können Sie gar nicht bedacht sein, dass Sie das versuchen. Daher freue ich mich auf den veränderten Ton und auf viel konstruktivere Gespräche für die Zukunft. In die sem Sinne glaube ich, da schon weiter zu sein.

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE)

- Sie können sich feiern, solange Sie wollen. Wissen Sie, wer laut ist, hat nicht zwingend Recht! - Vielen Dank.