Aber der nächste Sommer ist mindestens so weit entfernt wie ihr Selbstlob vom eigentlichen Ziel des Antrags. Sie wollen über weitere Schritte zur Stärkung der frühkindlichen Bildung debattieren. Frühkindliche Bildung, also der Zeitraum von der Geburt bis zur Einschulung, legt den Grundstein für das späte re erfolgreiche Lernen in der Schule. Sie bejubeln stattdessen eine Studie, die sich mit dem Leseverständnis von 14- bis 15-jährigen Jugendlichen befasst. Das passt irgendwie nicht zusammen. Ich habe die Vermutung, Ihr Antrag soll Ihnen die Möglichkeit geben, Ihr Hochglanzpapier „Kitabetreuung in Brandenburg - Unser Vier-Punkte-Plan für Eltern und Kinder“ zu bewerben.
Das haben Sie sich zwar verkniffen, aber da ich sonst nichts in Ihrem Antrag finde, was eine Betrachtung lohnen würde, möchte ich das kurz tun. Gleich zu Anfang setzen Sie sich für die Verbesserung des Betreuungsschlüssels ein. Hervorragend - da ziehen SPD und AfD mal an einem Strang.
Aber wäre es nicht ehrlicher, über einen Netto-Personalschlüs sel zu reden? Sie wissen ganz genau, dass das Problem nicht beim gesetzlichen Personalschlüssel liegt, denn dieser sagt we nig darüber aus, wie viele Erzieher tatsächlich zum Zeit punkt X mit den Kindern arbeiten oder in welcher Einrichtung Hausmeister und Köchin hinzuaddiert werden. - Ja, ja, das ist nicht erlaubt, das weiß ich auch, und genau darum geht es doch. Unterhalten Sie sich einmal mit Kitaerziehern. Sie wer den feststellen, dass das größte Problem des Betreuungsschlüs sels in den Randzeiten - bei Urlaub - und besonders in der Grippezeit - bei Krankheit - liegt. Es ist sogar so schlimm, dass die Eltern in manchen Kitas zeitweise die Anwesenheitslisten selbst führen müssen, weil am Morgen nicht genügend Perso nal bereitsteht. Daran wird auch der von Ihnen geforderte Be treuungsschlüssel von 1:12 bzw. 1:5 wenig ändern. Auch das ist nur ein Betreuungsschlüssel auf dem Papier und kaum eine reelle Zahl.
Da wir gerade bei Realitäten sind: Eine Kitaleitung kann im mer nur eines erfolgreich im Sinne der Kinder tun - entweder leiten oder erziehen. Stellen Sie konsequenterweise die Kitalei tung komplett von erzieherischen Aufgaben frei. Das ist übri gens einer der Punkte, Frau Kollegin Große, die ich auf unserer Reise nach Südtirol als beispielgebend empfunden habe.
Weitere Schritte zur Stärkung der frühkindlichen Bildung kön nen wir gern im Bildungsausschuss diskutieren. Ich frage mich ohnehin, warum wir heute eine Aktuelle Stunde zu diesem Thema abhalten müssen. Wenn ich mich recht erinnere, war es doch Frau Theiss von der SPD, die einen Antrag der FREIEN WÄHLER und einen Ergänzungsantrag unserer Fraktion zum
„Anders als Sie müssen wir nicht nur benennen, was wir uns wünschen, sondern auch sagen, wie es finanziert wer den kann.“
Und nach so einer steilen Aussage kommen Sie mit diesem An trag um die Ecke. Was Sie sich wünschen? Sie wollen Schritte zur Stärkung der frühkindlichen Bildung debattieren. Und wie finanzieren Sie es? Sie lassen die Mittel für das Betreuungs geld vollständig in die Kitas fließen. - Gut, die Botschaft ist angekommen. Die SPD ist supersozial und macht prima Bil dungsarbeit! - Nun führen wir mal eine Debatte.
das meine ich ein bisschen anders. - Vielleicht haben wir und die FREIEN WÄHLER noch ein paar andere Vorschläge. Mei ne sehr verehrten Damen und Herren, es gibt nun wirklich ge nug Themen, die wir in der Aktuellen Stunde besprechen soll ten. Ich erinnere nochmals an die heutige Demonstration.
Ja, den bringe ich auf den Weg. - Ich erinnere nochmals an die heutige Demonstration vor dem Landtag. Da geht es um The men, die die Menschen wirklich bewegen. Dieser substanzlose Li-La-Launeantrag ist nur Verschwendung von Papier und Le benszeit.
Wir setzen die Aussprache fort. Zu uns spricht die Abgeordnete von Halem für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kolle gen! Sehr geehrte Gäste aus nah und fern, herzlich willkom men hier bei uns! Ich freue mich als Bildungspolitikerin natür lich über jede Gelegenheit, über Bildungspolitik zu diskutie ren, auch wenn es mir ähnlich erging wie manch anderem hier: Ich habe den Sinn und Zweck dieser Aktuellen Stunde nicht ganz verstanden.
Im ersten Absatz des Antrags geht es um den Ländervergleich IQB. Und ja, auch ich habe mich über die Ergebnisse gefreut
und denke, da haben sowohl das Ministerium als auch viele Lehrerinnen und Lehrer etwas gut gemacht. Sich allerdings jetzt des größten Kompetenzzuwachses zu rühmen - da würde ich doch gern ein wenig Wasser in den Wein gießen. Es wurde bereits gesagt: Beim letzten Ländervergleich aus den Jahren 2008/2009 belegten wir in Englisch den letzten, im Hör- und im Leseverständnis den vorletzten Platz. Jetzt haben wir uns etwas verbessert, aber wir liegen noch immer deutlich unter dem Bundesdurchschnitt. Es muss klar sein, dass es keinen Platz für eine „Hängematte“ gibt. Wir haben zwar einen klei nen Schritt getan, aber die Arbeit muss weitergehen, wir müs sen uns noch deutlich mehr anstrengen, um ein Ergebnis zu er reichen, dessen wir uns rühmen können.
Zweites Thema: Betreuungsgeld. Sie schreiben, Sie würden dafür sorgen, dass das Betreuungsgeld, diese 60 Millionen Eu ro, in den Jahren 2016 bis 2018 vollständig in die Kitas fließen. Die Verbesserungen, die im Nachtragshaushalt 2016 verzeich net sind, als auch das, was bislang im derzeit diskutierten Dop pelhaushalt steht, übersteigt zwar in Summe die Mittel aus dem Betreuungsgeld. Das basiert aber entweder auf Tarifsteigerun gen oder auf Dingen, die Sie als Koalition ohnehin schon vor hatten.
Nun schreiben Sie im Antrag, Sie wollen mit der Aktuellen Stunde weitere Schritte im Bereich frühkindliche Bildung dis kutieren. Warum steht dann aber nichts dazu in diesem Antrag? Mike Bischoff hat uns vorhin erzählt, um welche Punkte es geht, aber warum stehen diese nicht im Antrag? Darüber wird kein Wort verloren. In der Pressemitteilung der SPD vom 27. September sind hingegen Vorhaben aufgeführt: Leitungs freistellung, Kiez-Kitas, das Sanierungsprogramm, Entlastung bei den Elternbeiträgen. - All das sind prima Schritte. Insbe sondere für die Leitungsfreistellung haben wir lange gekämpft und haben viel darüber diskutiert. Letztendlich bedeutet die Leitungsfreistellung natürlich auch eine Verbesserung der Fachkraft-Kind-Relation. Die Fachkraft-Kind-Relation drückt das tatsächliche Verhältnis zwischen der Anzahl der Kinder und der Anzahl der Fachkräfte aus, und nicht der Betreuungs schlüssel, auch wenn dieser die rechnerische Grundlage bildet. Sie alle wissen, dass die Frage nach der tatsächlichen Gruppen größe entscheidend für die Qualität von Kindertagesstätten ist. Auch das können wir in dem SPD-Beschluss vom 7. Septem ber lesen. Zu Recht spricht sich dieser Beschluss auch dafür aus, dass die Investitionen in diesem Bereich konzentriert wer den und dass weitere Anstrengungen nötig sind.
Wir beantragen in der jetzigen Haushaltsdebatte 30 Millionen Euro pro Jahr für die dritte Betreuungsstufe und die Einstel lung von jährlich 200 Millionen Euro aus dem Geld für den neu verhandelten Länderfinanzausgleich in die mittelfristige Finanzplanung für eine weitere Verbesserung des Betreuungs schlüssels und einen Einstieg in die Beitragsfreiheit.
Wir alle wissen: Mit den 15 Millionen Euro, auf die sich die Koalition festgelegt hat, kommen wir nicht weit. Es gibt Be rechnungen des Bildungsministeriums zur Frage, was eine komplette Elternbeitragsfreiheit die Kindertagesstätten kosten würde. Da ist von Beträgen von ungefähr 130 Millionen Euro im Jahr die Rede. Das heißt, wenn wir tatsächlich darüber re den wollen und wenn wir das ernst meinen, muss in diesen Be reich auch mehr Geld investiert werden. Perspektivisch müs sen wir dahinkommen. Wir wissen, dass die ersten Jahre so
wichtig sind, und insofern ist es absurd, dass die Eltern für die Kita Beiträge zahlen müssen und für die Schule nicht. Es gibt nur einen Grund, aus dem das so ist: die Historie. Das stammt aus einer Zeit, als man noch dachte und davon überzeugt war, dass Erzieherinnen vorrangig für das Sortieren von Bauklötzen zuständig sind - mehr nicht. Entsprechend wurden sie bezahlt, und das ist absurd.
Jahrelang haben wir den Stufenplan für mehr Qualität im Kita bereich gefordert und wir brauchen ihn weiterhin. Wir brau chen die Angleichung der tatsächlichen Gruppengrößen, damit die Erzieherinnen mehr Zeit für jedes einzelne Kind haben. Und wir müssen die Eltern entlasten. Wir Grünen machen mit diesem Antrag vor, wie das langfristig funktionieren kann.
Ein Punkt noch, weil heute ja der große Demo-Tag für bessere Arbeitsbedingungen ist: Es gibt noch etwas anderes, was in diesem Kontext absurd ist. Entlang der Bildungsbiografie ver dienen die Pädagogen umso besser, je älter die Kinder sind. Die Kita hat das niedrigste Verdienstniveau, die Hochschule das höchste. Auch das ist absurd.
Der Schlusssatz: Weil wir wissen, dass die ersten Jahre für die Chancen im Leben so wichtig sind, sind wir der Meinung, dass wir auch an diesem Punkt langfristig nachlegen müssen. Aber jetzt gönnen wir der Koalition gern einen Boxenstopp, um Weihrauch zu tanken. Und dann muss die Arbeit weitergehen.
Vielen Dank. - Wir setzen die Aussprache fort. Für die Landes regierung spricht Herr Minister Baaske.
Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Nichts mit Boxenstopp. Hier geht es weiter. Vollgetankt haben wir auch. Sprit ist da.
Wir sind voller Kraft und Elan. Das sehen Sie diesem Antrag an. Ich werde das aber gleich auch noch begründen.
Wenn selbst der Kollege Hoffmann hier wertvolle Redezeit - es war gefühlt fast die Hälfte seiner Redezeit - dafür verbraucht, um über Baden-Württemberg herzuziehen, gilt ja dort der alte brandenburgische Lobesatz „Da kannste nicht meckern!“, gibt es also an Brandenburg offensichtlich wenig auszusetzen.
Ich habe mich schon gewundert, dass von ihm nicht die Volte kam: Na, es ist doch logisch, dass unsere Kinder besser Deutsch
können. Weil der Unterricht dauernd ausfällt, müssen sie sich ja den Stoff selbst anlesen. Deswegen sind sie besser. - Selbst das hätte ich noch von ihm erwartet. Aber das hat er nicht ge bracht. Das ist auch so weit in Ordnung.
Weil die Frage kam - unter anderem von Herrn Königer -, was das jetzt alles mit dem IQB-Ländervergleich zu tun hat, Fol gendes. - Übrigens, Herr Königer, ich bin mir sicher: Wenn wir nur ein Stückchen schlechter gewesen wären als der Bundes durchschnitt, hätten Sie hier womöglich die Aktuelle Stunde beantragt und gefragt, warum das so ist.
Aber - wie gesagt - weil die Frage zum IQB-Ländervergleich kam, will ich doch noch einmal bewerten, wie er beim letzten Mal ausfiel, als Mathematik und Naturwissenschaften getestet wurden. Ich höre immer wieder, dass Leute sagen: Ja, es ist kein Wunder, dass Brandenburg so schlecht abschneidet. - Ich sage, wir schneiden nicht schlecht ab. Beim letzten IQB-Län dervergleich war Brandenburg in Mathematik das drittbeste Land. Wir hatten in Biologie zweimal - es werden immer zwei Kompetenzbereiche gemessen - Platz drei. In Chemie hatten wir die Plätze zwei und vier, und in Physik hatten wir die Plät ze drei und vier. Das heißt also, in Naturwissenschaften und Mathematik haben wir im IQB-Ländervergleich vor Bayern und Baden-Württemberg mit Platz drei abgeschlossen.
Herr Königer, es ist eben nicht so, dass da irgendwie einmal in die Schulen gegangen und geguckt wird, was die da machen, nein, von den Schülerinnen und Schülern werden bundesweit die gleichen Vergleichsarbeiten geschrieben, und zwar in einer signifikanten Größe nach einer Zufallsauswahl der Schulen und der Schülerinnen und Schüler. Dann wird unabhängig ge messen, was die Schülerinnen und Schüler können. Das ist das unabhängigste Vergleichssystem, das Deutschland hat. Und da schneiden wir in den Naturwissenschaften mit Platz drei ab. Da muss man doch ehrlicherweise einmal sagen: Das ist eine tolle Leistung der Schülerinnen und Schüler, aber auch der Lehre rinnen und Lehrer.
Jetzt kommen Englisch und Deutsch dazu. Auch dort sind die Ergebnisse hervorragend, muss man sagen. Ja, in Englisch sind wir nicht so gut gewesen. Auch 2012 sind wir in Englisch nicht gut gewesen. Ich kann mich gut erinnern, dass danach eine gro ße Debatte durchs Land ging. Es wurde gesagt, wir müssen un sere Englischlehrer mehr qualifizieren, und sie müssten ihren Urlaub - ich glaube, Holger Rupprecht oder jemand anders hat das damals gesagt - einmal nicht in Spanien, sondern lieber in England verbringen. Das war dann auch noch solch ein Satz, der dazu geführt hat, dass wir verstärkt dafür gesorgt haben, dass die Kolleginnen und Kollegen stärker in Korrespondenz mit englischsprechenden Kolleginnen und Kollegen treten und die Sprache besser lernen. Aber auch dort ist der Zuwachs der Fähigkeiten und der Kompetenz unserer Schülerinnen und Schüler signifikant gewesen: um 49 Punkte auf 482 Punkte. Das ist ein Riesensprung. Selbst die IQB hat gesagt, dass es kein Bundesland gibt, das sich so stark verbessert hat wie Brandenburg. - Das gehört eben zur Ehrlichkeit dazu.
Auch was das Fach Deutsch angeht, muss ich sagen: Die Sprünge, die wir da gezeigt haben - im Leseverständnis von Platz 13 auf Platz 4, im Hörverständnis von Platz 14 auf Platz 5 und in Rechtschreibung von Platz 15 auf Platz 6 -, sind riesig. Bis ganz vorn, hinein in die Elite, ist Brandenburg da gesprun gen. Das gehört eben auch zur Wahrheit.