Protocol of the Session on June 9, 2016

(Beifall SPD, CDU, DIE LINKE und BVB/FREIE WÄHLER Gruppe)

Wir versuchen hier ja doch - bei allen unterschiedlichen Auf fassungen -, zum Thema zu sprechen. Das ist jetzt auch meine Aufgabe.

Meine Damen und Herren, der Ministerpräsident hat jüngst verkündet, den Windkraftausbau bremsen und den Strompreis in den Griff bekommen zu wollen, weil die Windkraft - so Dr. Woidke - unzuverlässig und teuer sei. Er durfte sich dafür unkritisch in der Presse feiern lassen.

Das Problem ist lediglich, dass das Energiekonzept der Lan desregierung 2030 und die Ausbauziele weiterhin stehen, es also wie gehabt weitergeht. Ich hätte erwartet, dass nach diesen vollmundigen Ankündigungen des Regierungschefs ein Antrag von der SPD und den Linken kommt, der darauf eingeht - zum Beispiel mit dem Zurückfahren der Ausbauziele von 2 % der Fläche in Brandenburg. Mit anderen Worten: Ich hätte erwar tet, dass Sie das tun, was Sie sagen.

Doch weit gefehlt, denn der Antrag der Koalition sieht ein klassisches „Weiter so!“ vor und ist eine widersprüchliche An sammlung von Absichtsbekundungen, gespickt mit Oberfläch lichkeiten. Da wird der Atomausstieg - wobei die Anlagen in den westdeutschen Bundesländern stehen - als Begründung für mehr Windkraftanlagen in Brandenburg herangezogen.

Wie soll das also in Brandenburg gedeckt werden? Es schließt sich logischerweise an, und Sie schreiben es: durch noch mehr Netzausbau. - Wie sollen bitte die Windkraftanlagen in Bran denburg, die drei Viertel des Jahres stillstehen, diese Versor gungsstabilität schaffen?

(Beifall des fraktionslosen Abgeordneten Hein)

Dafür wollen Sie - wie Sie schreiben - mehr Speicher, um den Windstrom zwischenzuspeichern. Allerdings hat die Landesre gierung auf zahlreiche Anfragen - von uns, von der CDU, von allen möglichen Leuten hier - offen zugegeben, dass es dafür keine bezahlbare Technologie gibt - und das auf absehbare Zeit. Dann schreiben Sie, Sie wollten die gesellschaftliche Ak zeptanz steigern, indem der Strompreis niedrig bleibt - wobei das ein Euphemismus ist, es ist der höchste Preis in Europa -, doch im gleichen Atemzug kündigen Sie weiteren teuren Netz ausbau und finanziell untragbare Energiespeicher an. Beides würde vom Bürger bezahlt werden.

Es wird einem ganz anders, wenn Herr Holzschuher hier ver kündet, wir könnten Gas nicht subventionieren, und damit populistisch gegen russisches Gas schimpft. Vielleicht habe ich etwas verpasst: Welche Energiequelle wird hier hoch sub ventioniert? Was passiert denn seit Jahren mit der Windkraft? Es hat sich ein ganzes Subventionssyndikat um diese Ener gieart gebildet. Sie sollten endlich das tun, was Sie den Bür gern versprochen haben, nämlich den Ausbau des teuren EEG-Stroms bremsen, statt nur in der Presse darüber zu re den.

(Zustimmung des Abgeordneten Senftleben [CDU])

Der Landesregierung gibt ja in manchen Bereichen sachliche Antworten, zum Beispiel in Drucksache 6/1144: Keine Spei cherung möglich; ausbleibende Einspeisung; Speicher dienen lediglich der Frequenzerhaltung. Dabei sind die von Herrn Homeyer genannten 15 Minuten schon positiv hochgerechnet, wenn wir den weiteren Ausbau auf 10 500 Megawatt Nennleis tung in Betracht ziehen, da wir schon heute bei den Spitzen über dem Tagesbedarf liegen, den Speicher bräuchten, aber eben nicht haben.

Oder in der Antwort auf Drucksache 6/3853: Die Ausbauziele anderer Länder sind nicht bekannt. - Es wird hier immer her ummoralisiert: „Na ja, wir in Brandenburg müssen unseren Beitrag leisten, weil die Berliner …“, und „Wir müssen ja auch exportieren“ usw. Ich wäre bereit, das zu akzeptieren, wenn Sie wenigstens darlegen könnten, dass Sie wissen, wie die Ausbau ziele und die Planungen anderer Bundesländer sind. Die Lan desregierung sagt: Wir haben keinen Plan, keine Koordinie rung, keine Abstimmung mit anderen Bundesländern, wissen nicht, welche Ausbauziele dort für die Windkraft geplant sind. Das heißt, wir bauen sehenden Auges auf eine Überproduktion hin. Wir planen und bauen, ohne zu sehen, welchen Bedarf wir haben, welche Überproduktion wir erzielen, weil wir keinen bundesweiten Abgleich haben. Das betrifft nicht nur Branden burg, sondern alle Bundesländer.

Deswegen haben wir als Gruppe BVB/FREIE WÄHLER uns erlaubt, diesen Antrag zur 10H-Regelung noch einmal einzu reichen. Es wurde - vor allem von den Regierungskoalitions vertretern - geunkt: Die10H-Regelung geht nicht, Bayern müs sen wir uns nicht als Vorbild nehmen, denn diese Regelung wird ja sowieso bald vom Verfassungsgerichtshof in Bayern kassiert. - Ich habe es noch in den Ohren, das wurde mir immer vorgehalten.

So haben sich die Verfassungsexperten der Regierungskoalition - dieses Prädikat haben sie sich seit der Altanschließerproblematik wirklich verdient - überschlagen zu erklären: Es wird in Bayern durch die Gerichte sowieso bald aufgehoben. - Nun ist das Urteil da. Sie wollen nicht darüber reden, denn der Inhalt ist genau das Gegenteil. Der Bayerische Verfassungsge richtshof führt aus: Es liegt keine unzulässige Verhinderungs planung vor, lediglich eine Einschränkung möglicher Flächen - unbestritten -, aber eben keine Aufhebung. - Das war exakt un sere Argumentation, das wollten Sie nur nicht hören. Dabei ist die Bevölkerungsdichte in Bayern mehr als doppelt so hoch wie die in Brandenburg. Das heißt, dort führt diese Einschrän kung zu mehr Kollision, zu einem größeren Ausschluss der Flächen, und selbst dort wurde es für zulässig befunden. Bay ern hat gerade einmal 1 000 Windkraftanlagen, wir haben 3 500, die Sie auf 6 500 ausbauen wollen. Das heißt, Branden burg ist noch weiter als Bayern davon entfernt, mit dem Vor wurf der Verhinderungsplanung konfrontiert zu werden. Des wegen ist der Vorhalt, dass eine 10H-Regelung verfassungs rechtlich nicht haltbar wäre, absolut widerlegt.

Akzeptanz schafft man nur - das hören wir hier immer -, indem man die Bevölkerung mitnimmt. Deswegen bräuchte es einen Vorstoß zu einem vernünftigen Abstand. Mir ist bewusst: Das geht nur mit Änderung auf bundesgesetzlicher Ebene. Deswe gen unser Vorschlag, mit 2017 ein Jahr festzuschreiben, wel ches eine Abstimmung zwischen den Bundesländern ermög licht. Deswegen - auch wenn wir zustimmen werden - ist der Antrag der CDU nicht weitreichend genug, denn die Anlagen

werden von Jahr zu Jahr in der Produktion sieben Meter höher. Deswegen ist eine anlagenhöhenunabhängige Abstandsrege lung nicht ausreichend, gerade im Hinblick auf den Immissionsschutz und die Bedrängungswirkung.

(Bretz [CDU]: Es ist aber nicht so, dass die jedes Jahr sieben Meter höher werden!)

- Ja, aber im Schnitt in der Produktion. Wenn wir uns die Na benhöhe ansehen, die die Windräder jetzt erreichen, sehen wir, dass die jetzt ganz anders ist, als sie noch vor fünf Jahren war. Wir werden zustimmen, aber wir sind dafür, eine anlagenhö henabhängige Abstandsregelung festzuschreiben.

Es ist ebenfalls nicht ausreichend, nur einen Abstand zu reinen Wohngebieten festzuschreiben. Reine Wohngebiete kommen bauplanungsrechtlich sehr selten vor - das wissen Sie. Wir brauchen auch einen Abstand zu allgemeinen Wohngebieten, auch zu Dorfgebieten.

Meine Damen und Herren, wir möchten auch deutlich machen, dass Brandenburg nicht der Büttel der Nation ist. Bundeswirt schaftsminister Gabriel verkündet, den Netzausbau bremsen zu wollen, und nennt ausschließlich westdeutsche Bundesländer, die entlastet werden sollen. Was dort möglich ist, sollte auch hier möglich sein; denn Brandenburg hat wahrlich seinen Bei trag geleistet. Deswegen hoffe ich, dass in den kommenden vier Wochen noch viele Bürger das Volksbegehren für 10H und gegen Bebauung in Wäldern unterschreiben - bis zum 6. Juli ist noch Zeit. Wir hoffen auf viele Unterschriften.

Ich hoffe darauf, dass auch die Unkultur, vorgeblich im Namen des Klimaschutzes den Wald abzuholzen, der Vergangenheit angehört. Als Herr Homeyer das hier kritisierte, nuschelte der Minister, das sei Populismus - so habe ich Herrn Vogelsänger verstanden. Kommen Sie in den Liepnitzwald, wo jahrelang gekämpft wurde, um diesen Umweltfrevel zu verhindern: Dort werden riesige Anlagen mit Schattenwurf auf den Liepnitzsee errichtet und Naherholungsgebiete zerstört. Sprechen Sie bitte nicht moralisierend von Klimaschutz, wenn Sie zugleich Bäu me abholzen - dabei müssen nicht nur Kiefern, sondern alle möglichen Holzarten dran glauben.

Meine Damen und Herren, da die Zeit verrinnt, möchte ich noch einige Worte zum Schallschutz sagen. Wir erleben land auf, landab, dass es heißt, die Leute sollten sich nicht so haben. Meist sind es Berliner Energieexperten, die sagen, die Bewoh ner der Dörfer - die dann von Windparks umzingelt sind - soll ten sich nicht so haben. Bei Messungen werden keine Echtwer te ermittelt, da zu Zeiten gemessen wird, zu denen die Wind richtung nicht repräsentativ ist. Vom Landesumweltamt erteilte Auflagen werden nicht eingehalten, Messungen werden nicht oder nicht rechtzeitig durchgeführt. Die Rückbaukautionen werden nicht eingezahlt; trotzdem wird gebaut. Die gesund heitsschädigende Wirkung von Infraschall wird geleugnet, ob wohl sie mittlerweile - medizinisch unstrittig - bekannt ist. Deswegen brauchen wir eine deutliche Ausweitung der Kont rollen.

Die Nachweise über die Schallmessungen sind zeitnah zu lie fern. Derzeit gilt eine Frist von 12 Monaten. In den ersten 12 Monaten nach Errichten einer Anlage erfolgt kein Schall messungsnachweis; nach 6 Monaten wird aber eine neue Anla ge beantragt. Dann heißt es: Na ja, da dort bereits Anlagen ste

hen, ist die Landschaft schon jetzt entwertet, also können dort ruhig weitere gebaut werden. - Das heißt: Bis die erste Schall messung vorliegt, stehen schon weitere Anlagen dort. Deswe gen fordern wir eine Verkürzung der Frist auf drei Monate, um den weiteren Ausbau zu stoppen. Es geht auch darum, die Landschaft generell zu schützen und nicht zu entwerten.

Meine Damen und Herren, Brandenburg und seine Einwohner haben in diesem Bereich genug Opfer gebracht, einen ausrei chend großen Beitrag zur Energiewende geleistet - die Belas tungsgrenze ist erreicht. Es braucht einen Neuaufschlag für 10H und vor allem strengere Schallmessungen. - Vielen Dank.

(Beifall BVB/FREIE WÄHLER Gruppe)

Vielen Dank. - Es ist eine Kurzintervention angezeigt worden. Die Abgeordnete Bessin hat das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen! Sehr geehrter Herr Vida, zu Ihren anfänglichen Ausführungen: Ich hatte bereits in der PGF-Runde darauf aufmerksam gemacht, dass sich unser Antrag auf die Rechtsstaatlichkeit bezieht. Die anderen Parla mentarischen Geschäftsführer hatten den Antrag entweder bis dahin nicht gelesen oder haben eine entsprechende Themen konfrontation einfach nur herausgefordert. Damit, die Themen behandlung auf Freitag zu verschieben, war ich einverstanden - aber nicht damit, dass die Themen in einem Tagesordnungs punkt zusammengefasst werden. Dass die Debatte nun so statt findet, wurde von der Mehrheit dieses Plenums beschlossen.

Dass wir zu den Themen, die wir in dieses Plenum einbringen, sprechen, ist wohl selbstverständlich und mehr als üblich. Wenn Sie die Tagesordnung weiterlesen, sehen Sie auch, dass wir noch einen weiteren Sprecher haben, der sich zu weiteren Themen äußern wird.

Indem Sie Themen zusammenfassen, werden Sie nicht errei chen, dass Themen, die uns wichtig sind, die wir in diesem Ple num vertreten, in irgendeiner Art und Weise untergehen. Denn wir werden unsere Themen trotzdem wie geplant an den Mann bringen und auch hier im Plenum umsetzen.

(Beifall AfD - Zuruf des Abgeordneten Domres [DIE LINKE])

Herr Vida, möchten Sie darauf reagieren?

Meines Wissens wurde die Redezeit verlängert, gerade weil es ein komplexer Themenbereich ist. Da kann man sehr wohl von Ihrem energiepolitischen Sprecher - so will ich ihn jetzt einmal bezeichnen - erwarten,

(Lachen des Abgeordneten Genilke [CDU])

dass er auch zu den anderen Anträgen spricht.

Da Sie hier der Rechtsstaatlichkeit das Wort reden, Frau Bes sin, möchte ich betonen: Zur Rechtsstaatlichkeit gehört auch, das Gewaltmonopol der Polizei in allen Bereichen anzuerken nen - nicht nur in den Bereichen, die sich für presse- und öf fentlichkeitswirksame Verlautbarungen eignen. Da Herr Dr. Gauland sich ja zu seiner „differenzierten“ Betrachtung des Gewaltmonopols geäußert hat, möchte ich Sie einfach darauf hinweisen. Wenn Sie darüber diskutieren wollen, müssen Sie sich auch Erwiderungen gefallen lassen. Denn Gewaltmonopol bedeutet auch, Herr Dr. Gauland, dass Sie das Handeln der Po lizei in allen Bereichen respektieren und anerkennen, auch wenn es Ihnen einmal nicht passt oder gefällt. Darüber können wir gerne diskutieren; aber ich glaube, das wird dann etwas un angenehmer für Sie.

(Zuruf der Abgeordneten Bessin [AfD])

Vielen Dank. - Wir setzen die Debatte mit dem Beitrag des Ab geordneten Domres für die Fraktion DIE LINKE fort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Um der Legendenbildung vorzubeugen, liebe Frau Bessin: In der PGF-Beratung haben Sie die Möglichkeit, Nein zu sagen. Wenn Sie eine Verbindung von Tagesordnungspunk ten nicht möchten, reicht ein einfaches Nein, dann findet das nicht statt.

(Frau Bessin [AfD]: Darauf werde ich Sie beim nächsten Mal hinweisen!)

Sie haben dieses Nein nicht in der PGF-Beratung geäußert und auch nicht schriftlich zur Präsidiumssitzung übermittelt. Daher bitte ich Sie, das einfach zu akzeptieren. Wenn Sie Nein sagen, ist es auch ein Nein. Sie haben nicht Nein gesagt, also gut.

(Beifall DIE LINKE und B90/GRÜNE - Frau Bessin [AfD]: Ich werde Sie daran erinnern!)

Herr Kollege Gauland, dass Sie sich hier als Hüter von Moral, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie aufspielen, ist nun wirk lich das Letzte.

(Zuruf von der AfD: Aber Sie!)

Wer Polizisten in der Öffentlichkeit als Knallchargen bezeich net, wer nichts zu der unsäglichen Rede von Herrn Königer zum Aktionsplan gestern sagt,

(Einzelbeifall DIE LINKE)

wer lieber von Terror von links schwafelt, als die Realität im Land anzuerkennen und sich dazu zu äußern, dass Flüchtlings unterkünfte brennen und Flüchtlingen Gewalt angetan wird,

(Zuruf des Abgeordneten Königer [AfD])

wer klammheimlich mit Rechtsextremen, der NPD und „Der III. Weg“ Veranstaltungen durchführt - Sie haben zur Demons tration „Zukunft Heimat“ in Lübben am 29. Oktober aufgeru

fen, haben hier vor dem Landtag Schulter an Schulter mit dem „Bürgerbündnis Havelland“ gestanden -, wer Sprüche und Zita te von der NPD, von „Der III. Weg“ und von freien Kamerad schaften - ich kann helfen: „Heute sind wir tolerant, morgen …“

(Zuruf von der SPD: Aber das wusste er doch nicht! - Zu ruf von der AfD)