Es ist mehrfach angesprochen worden, dass in der Frage der Finanzierung der Flüchtlingsunterbringung und Integration von CDU bis Grünen, Rot-Rot in der Mitte, immer Einigkeit bestanden hat und alle Mittel im Haushaltsausschuss aus nahmslos zur Verfügung gestellt wurden. Ich denke, dass wir alle das weiterhin gemeinsam so halten.
Flüchtlinge und Integration lautet die Devise des Nachtrags haushaltes. Das heißt aber auch, dass es mit der Finanzierung der Erstaufnahme nicht getan ist. Willkommen heißen und da mit verbundene Integrationsangebote müssen in erster Linie auf kommunaler Ebene umgesetzt werden. Deswegen muss auch gelten, dass Kommunen durch die Aufnahme von Flücht lingen nicht finanziell belastet werden. Aber genau das pas siert, wenn die Kommunen im Vertrauen auf die vom Land an gekündigten Flüchtlingszahlen - unbegleitete minderjährige Flüchtlinge - sich mit Unterbringungs- und Betreuungskapazi täten bevorraten, das Land aber nur nach tatsächlich ankom menden Personen abrechnet.
Gelingende Integration setzt Spracherwerb voraus. Die Länder haben den Bund mit ihrer Zustimmung zum Asylkompromiss aus seiner Verantwortung entlassen. Deutschunterricht für alle Flüchtlinge wird nicht mehr angeboten. Stattdessen wurden zwei Gruppen gebildet. Diejenigen, die eine Anerkennungs quote von über 50 % haben, wie Syrer und Eritreer, erhalten bereits im Asylverfahren Deutschunterricht, Afghanen, deren Anerkennungsquote nur bei ungefähr 40 % liegt, jedoch nicht. Monatelanges Herumsitzen bis zur Entscheidung über eine An erkennung, völlige Ungewissheit über das Kommende und oh ne jegliche sinnvolle Beschäftigung - überlegen Sie nur ein mal, was das aus Ihnen als junger Mensch gemacht hätte!
Meiner Ansicht nach ist das Land gefordert. Auch dem Letzten sollte klar sein, dass 300 000 Euro nicht ausreichen werden. Setzen Sie das bitte zu den zusätzlichen 1 Million Euro ins Ver hältnis, die jetzt für Abschiebungen noch obendrauf gelegt werden.
Auch mit dem Spracherwerb ist es nicht getan. Traumatisierte Flüchtlinge brauchen psychosoziale Betreuung. Die kann nicht, wie es in Fürstenwalde geschieht, über Lottomittel finanziert werden. Wir brauchen dezentrale Integrationszentren in allen Landkreisen, die mit ausreichenden Mitteln ausgestattet werden.
Gefunden haben wir dazu im Nachtragshaushalt nichts. Das Landesaufnahmegesetz muss ausfinanziert werden. Das muss sich auch im Haushalt wiederfinden.
Es gibt meines Erachtens noch eine Menge Themen zur Flücht lingspolitik, die wir in den Haushaltsberatungen werden auf
werfen müssen, zum Beispiel die Einbeziehung der Freien Schulen in die Beschulung von Flüchtlingskindern und die Ausstattung der Jobcenter. Eines aber ist uns allen klar, näm lich dass das Ausbringen von Stellen noch gar nichts heißt, wenn wir nicht das nötige Personal finden. Das ist eine Aufga be, die in der Folge auf uns zukommen wird.
Es ist angesprochen worden: Der Nachtragshaushalt steht unter Zeitdruck. Aber es gibt eben noch einige andere Themen neben dem BER, der Flüchtlingsunterbringung und der Anpassung der Gehälter für Erzieherinnen und Erzieher, die wir nicht auf die lange Bank schieben können: Nach dem erfolgreichen Volksbegehren gegen Massentierhaltung muss sich Rot-Rot entscheiden, ob 2,5 Millionen Euro für einen Volksentscheid - dessen Kosten einer Landtagswahl entsprechen - im Haushalt veranschlagt oder lieber gleich die zusätzlichen Stellen für ei nen hauptamtlichen Tierschutzbeauftragten im Haushalt ausge wiesen werden sollen.
Den Volksentscheid scheuen weder wir noch die Initiatoren. Wir sehen ihn als einen Beitrag zur lebendigen Demokratie, zur Verbesserung der demokratischen Willensbildung in Bran denburg und fänden es prima, wenn in jedem Haushalt, wenn die Wahlbenachrichtigung eintrifft, über die Tierhaltung in Brandenburg diskutiert werden muss.
Rot-Rot muss sich auch entscheiden, ob man die Kommunen und die Abwasserzweckverbände nach dem Urteil des Bundes verfassungsgerichts zur Beitragsrückerstattung an die Altan schließer mit einem lapidaren Briefchen abspeisen und im Re gen stehen lassen oder Liquiditätshilfen und Zwischenfinanzie rungen bereitstellen will. Sie müssen sich entscheiden, ob Sie angesichts der personell ausblutenden Finanzverwaltung - dan ke, Herr Bretz, für die Ausführungen dazu - bereits in diesem Haushaltsjahr zusätzliche Anwärter einstellen oder alles auf 2017 verschieben. Sie müssen sich entscheiden, ob Sie nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Einstufung von Beamten in allen Besoldungsgruppen und nicht nur der Richter ausreichend Vorsorge im Haushalt treffen oder Vabanque spie len und alles auf die lange Bank schieben. Sie müssen ent scheiden, wir müssen entscheiden. Aber genau das wird von uns erwartet, und dafür werden wir bezahlt.
Es verträgt sich nur wenig damit, dass der Nachtragshaushalt aus Zeitgründen nur an den Finanzausschuss überwiesen wird und die Fachausschüsse von den Parlamentarischen Geschäfts führern aufgefordert werden, sich im Rahmen ihres Selbstbe fassungsrechtes den Haushalt auf den Tisch zu ziehen.
Signale aus dem vom Volksbegehren besonders betroffenen Landwirtschaftsbereich, sich mangels anberaumter Sitzungs termine überhaupt nicht mit dem Nachtragshaushalt zu be schäftigen, sollten die Ausschussmitglieder beschämen.
Wir jedenfalls werden unsere Änderungsanträge einbringen und erwarten eine sach- und fachgerechte Beratung. - Herz lichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank. - Wir setzen die Aussprache fort. Zu uns spricht nun der Abgeordnete Vida für die Gruppe BVB/FREIE WÄH LER.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Ich wünsche zunächst allen ein frohes neues Jahr. Das gilt auch für die erste Debatte, die wir hier im Landtag im Jahr 2016 führen.
Nun ist es so, dass ein Nachtragshaushalt meist aus Gründen, die nicht unbedingt vorhersehbar waren, die gewisse operative Nachjustierungen erforderlich machen, vorgelegt und be schlossen werden muss. Zumindest beim Flughafen BER sieht es nicht so aus. Da wird nicht nachjustiert, da werden die Bürg schaften in Höhe von knapp 900 Millionen Euro erneuert. Ich finde, auch wenn es dafür keine zusätzlichen Gelder gibt, so ist die heutige Debatte doch ein Anlass, kurz das eine oder andere Wort darüber zu verlieren.
Hochmut und Ignoranz in der Sache, vor allem aber Missach tung der Bürger führen dazu, dass diese infrastrukturelle Sünde sich auch im Jahr 2016 anschickt, dem Turmbau zu Babel Ge sellschaft zu leisten, quasi als Flughafen zu Babel: der Tower, damals gebaut, jetzt der Flugplatz zu Babel. Die Parallelen sind ja durchaus vorhanden: Hochmut gegenüber den Bürgern, Zy nismus in der Sache. Auch die Sprachverwirrung erleben wir hier, wo die Weiterreichung eines Darlehens als haushaltsneu tral dargestellt wird, wo vom weltbesten Schallschutz geredet wird, der in Wirklichkeit nichts als Murks ist. Ein Fass ohne Boden ist noch ein bescheidener Zeitgenosse im Vergleich zum BER.
So gehen wir nun auch ins Kalenderjahr 2016, harren der Din ge, die da kommen, und der Finanzminister verliert nicht ein mal ein Wort dazu. Genauso sieht es aus, wenn Sie sich hier dessen rühmen, dass Sie Polizei- und Schulausstattung aufstocken. Jahrelang wurden die Mittel gekürzt. Im Juni 2015 hatten wir beantragt, dass der Betreuungsschlüssel in den Kitas ver bessert wird, und ich musste mir von den Linken anhören: „Das können wir leider nicht tun, der BER muss ja fertig wer den“. Jetzt reduzieren Sie die über ein Jahrzehnt vollzogenen Kürzungen ein kleines bisschen und rühmen sich dessen in al len Medien. Das ist an Heuchelei wahrlich nicht zu überbieten.
Meine Damen und Herren, freilich sieht es im Bereich der Flüchtlingsunterbringung anders aus. Da haben wir einen recht breiten Konsens, dass wir ein gutes Niveau erreichen, erhalten bzw. ausbauen müssen. Ich möchte - wie immer - nur einen Hinweis in dieser Sache geben: Vergessen Sie dabei die Kom munen nicht. Die Anträge, die wir diskutieren, die Beschlüsse, die wir fassen, und der Anspruch, dessen wir uns gegenseitig immer wieder vergewissern, müssen auch praxistauglich sein.
Allerdings müssen wir die Sache auch fiskalisch genau be trachten. Die Finanzierung der Mehraufwendungen erfolgt größtenteils aus der vorhandenen Rücklage. Diese soll um mehr als 280 Millionen Euro gesenkt werden. Ich glaube nicht, dass das seriöse Haushaltspolitik ist. Wenn man sich dessen rühmt, dass man keine neuen Schulden macht, ist das, wenn
man nachhaltig denkt, kein Wert an sich. Man kann einen so großen Batzen nicht durch einen simplen Griff in die Rücklage zukunftsorientiert stemmen. Dazu bräuchte es durchaus auch mehr bzw. besserer Ideen. Rechtlich gesehen ist es zulässig, aber geschickte und fundierte Haushaltspolitik ist das nicht mehr.
Offenbar hofft die Landesregierung, dass schon alles gut gehen wird, aber Haushalt ist - wie vieles im Leben - kein Wunsch konzert. Und siehe da, die Altanschließer stehen auf dem Ta bleau. Da kommt etwas auf uns zu, auch auf den Finanzmini ster. Wegducken geht hier nicht. Das Prinzip „Ruhe ist die erste Bürgerpflicht“, wie uns seit der Landtagswahl 2014 weiszuma chen versucht wurde, ging hier nicht und geht seit dem Urteil erst recht nicht mehr. Die Menschen werden sich diesen Um gang der letzten Jahre nicht gefallen lassen. Das Land steht hier in der Pflicht. Denn wer verfassungswidrig handelt - und das haben Sie getan - und Menschen dadurch in soziale Not bringt, der muss auch fiskalisch dafür einstehen; das muss sich dann auch in den Haushaltsplanungen niederschlagen. Die Menschen haben sich in der Sache nicht kleinkriegen lassen. Sie haben demonstriert und haben Recht bekommen.
Eines sei gesagt: Wenn Sie meinen, dass Sie diese Auswir kungen am Landeshaushalt vorbeireden und die Kosten den Verbänden und Kommunen aufdrücken können, so versichere ich Ihnen: Die Menschen können länger auf den Marktplätzen stehen und für die soziale Gerechtigkeit einstehen, als manche hier auf ihren Ministerstühlen sitzen können.
Meine Damen und Herren, wir fordern daher ehrliche und kla re Finanzierungskonzepte, mit denen sich mittelfristig auch die Schuldenbremse einhalten lässt. Eines ist klar: Dieser Nach tragshaushalt wird die Probleme mit Blick auf das Jahr 2020, wo die Schuldenbremse auf die Länder trifft, nicht verkleinern, sondern vergrößern. Wir waren vor einem halben Jahr bei Ih nen, Herr Schmidt, und sagten: Nicht voreilig die Schulden bremse ziehen! - Wenn wir aber nicht aufpassen - dieser Hin weis sei erlaubt -, werden wir pünktlich zum Jahr 2020 einen Haushalt haben, der eine Schuldenaufnahme nötig macht, die aber dann nicht mehr möglich sein wird. Dazu gehört dann auch der Mut, den Niedrigzins, den wir derzeit noch haben, so lange wie möglich zu nutzen. Das hat der Finanzminister in der regulären Haushaltsdebatte geflissentlich ignoriert.
Wir haben in einer Kleinen Anfrage im Juni 2015 darauf hinge wiesen, dass die Europäische Zentralbank bereit ist, Schuldver schreibungen auch der regionalen Verbände, also auch des Lan des Brandenburg, im Rahmen ihres Programms zum Ankauf von Wertpapieren aus dem öffentlichen Sektor zu erwerben. Diese Überlegungen wurden erstmals im Januar 2015 geäußert, also vor einem Jahr. Wir haben im Juni diesbezüglich nachge fragt. Die Antwort der Landesregierung bezüglich der Schul denportfolios des Landes lautete: Das ist kein Thema für uns.
Was ist passiert? Im Dezember 2015, also vor gut einem Mo nat, hat der EZB-Rat genau das beschlossen - eine hervorra gende Gelegenheit, jetzt noch die Restlaufzeit des Schulden portfolios des Landes Brandenburg zu verlängern, das Niedrig zinsumfeld länger zu nutzen. Gerade in der Nachtragshaus haltsdebatte könnte man zu derartigen operativen Instrumenten bitte auch ein Wort verlieren. Ich hoffe, dass der Finanzminister in der Debatte zum Nachtragshaushalt - im Gegensatz zur Haushaltsdebatte - einige Worte dazu sagt.
Die Zeiten der selbstgerechten Haushaltspräsentation sind spä testens ab 2016 vorbei. Es bedarf einer Kraftanstrengung, und vor allem braucht es die Bereitschaft, eigene Festlegungen selbstkritisch zu überdenken. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Vielen Dank, dass ich noch einmal die Mög lichkeit habe, ans Rednerpult zu treten.
Die Haushaltsdebatte hatte schon etwas Bemerkenswertes, das gebe ich zu, besonders auch - vielleicht gestatten Sie mir, das entgegenzunehmen - wegen des Lobes von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für das Gesamtpaket, das in sich stimmig ist und nicht nur von den Koalitionsfraktionen, sondern auch von Ih nen begrüßt worden ist.
Bemerkenswert war aber auch eines: Ich bin seit 2003 in die sem Parlament - mit vielen verschiedenen Verwendungen. Kol lege Bretz, ich muss schon sagen: Bemerkenswert war, dass die größte Oppositionsfraktion keinerlei Vorschläge unterbrei tet hat, wie ein Haushalt vielleicht einmal etwas anders justiert werden bzw. wo man gegebenenfalls auch einmal nachsteuern könnte.
Das Beste ist - das ist ein Novum -, dass man sagt: Wir reichen das schriftlich nach. - In Zukunft heißt es nicht mehr Haushalts debatte, sondern wir werden in Zukunft nur noch Noten austau schen. Ich glaube, das ist nicht der Weg, den die CDU will.
Herr Bretz, Sie kommen immer mit breit geschwollener Brust daher. Aber heute war es streckenweise, zumindest was die Aussprache zum Beitrag der Landesregierung anbelangt, sehr schmalbrüstig. Ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie die Bilanz der Steuerentwicklung angesprochen haben. Das war uns aber auch nicht neu. Ja, wir haben mehr Steuereinnahmen. Sie stei gen 2016 von 6,9 auf 7,5 Milliarden Euro. Das ist die beste Steuerdeckungsquote in Ostdeutschland. Insofern sind wir ein bisschen stolz. Vielleicht liegt es auch daran, dass die CDU hier nicht mitregiert - so wie in Sachsen-Anhalt oder Sachsen. Schauen Sie sich deren Steuerdeckungsquoten und Entwick lung an! Aber das sei nur nebenbei gesagt.
Ich will Ihnen trotzdem sagen, dass diese tolle Entwicklung auch ein bisschen täuscht. Auf der einen Seite haben wir Grund
zur Freude, auf der anderen Seite verlieren wir Zuweisungen struktureller Art, nämlich Solidarpaktmittel. Das ist in Summe 1 Milliarde Euro bis zum Jahr 2020.
Unter diesen Bedingungen versuchen wir, alles zu schultern. Herr Vida, ja, wir versuchen es mit unseren Ressourcen, mit unseren Steuermehreinnahmen hinzubekommen. Bisher kön nen wir die Entnahmen aus der Rücklage decken. Das ist die Summe, die wir vom Bund im Moment nicht erstattet bekom men. Bitte nehmen Sie das zur Kenntnis! Ansonsten wäre ich der Letzte, der in diese Rücklagen greift; wir brauchen sie noch für das, was da kommt, als Schwankungsrücklage.
Noch einmal zu den Herausforderungen: Ich bin nicht der, der ständig zum Bund rennt. Wir machen unsere Hausaufgaben. Aber wenigstens eine Fifty-fifty-, eine solidarische Finanzie rung muss doch drin sein.