Protocol of the Session on November 18, 2015

An welche Ebene richten sich die einzelnen Antragspunkte?

Teilweise sind Entscheidungskompetenzen des EU-Parlaments betroffen. Da frage ich Sie: Warum bringen Sie Ihre Forde rungen nicht an geeigneter Stelle, nämlich im EU-Parlament, ein?

(Zuruf von der CDU: Ein Abgeordnetenpraktikum!)

Herr Lucke war dort, nicht wahr? Aber er ist Ihnen ja abhand engekommen.

Meine Damen und Herren! Auch inhaltlich ist der Antrag keine Meisterleistung. Deutschland bzw. die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union können nicht einfach das Territorium fremder Länder besetzen, um Flüchtlingslager außerhalb der Europäischen Union, insbesondere in Afrika und Asien, zu er richten. Dazu müssten Verhandlungen mit Ländern in der Kri senregion aufgenommen werden. Mit welchen Ländern denn? Mit Jordanien, Ägypten, Irak, Libyen? Diese Länder sind in stabil; das müssten Sie eigentlich wissen. Wenn Sie diese Ver handlungen mit dem Iran, mit Saudi-Arabien und Israel zu füh ren versuchen, sage ich ihnen voraus: Diese Staaten werden höchstwahrscheinlich nicht willig sein. Darüber hinaus stellt sich die Frage der logistischen Organisation. Wie wollen Sie das organisieren? Wollen Sie Mitarbeiter des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge in diesen Ländern einsetzen? Diese Frage hätten Sie in Ihrem Antrag beantworten müssen. Das di plomatische Personal allein wäre mit einer solchen Aufgabe auf jeden Fall überlastet. Zudem fällt Außenpolitik in die Kom petenz der Bundesregierung. Die Landesregierung kann dem Bund dahin gehend keine Vorgaben machen.

Es geht weiter. Die Forderung, dass die Dublin-III-Verordnung wieder Geltung erlangt, ist nicht mehr aktuell. Deutschland hat Ende August das Dublin-Verfahren für Syrienflüchtlinge aus gesetzt, die Verordnung wird für Syrienflüchtlinge aber wieder angewendet. Vielleicht sollten Sie die Chronologie und die ak tuelle Politik verfolgen. Eine längere Überstellungsfrist in Arti kel 29 Abs. 1 Satz 1 der Dublin-III-Verordnung ist zwar wün schenswert, aber im EU-Parlament und im Rat der Europä ischen Union nicht durchsetzbar. Eine Abänderung kann nur im Rahmen eines ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens mit qualifizierter Mehrheit erfolgen.

Der Vorschlag zur Abänderung der Asylverfahrensrichtlinie verkennt das Menschenrecht, dass jeder Asylbewerber grund sätzlich einen Anspruch auf Einzelprüfung seines Verfahrens hat - das müssen Sie zur Kenntnis nehmen -; eine Ausnahme bilden lediglich Flüchtlinge aus sicheren Drittstaaten. Grund gedanke dieser Regelung ist, in einem europäischen Rechts raum ohne Binnengrenzen, der auf einheitlichen Grundprin zipien über den Schutz von Flüchtlingen nach der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechts konvention beruht, eine unkontrollierte Weiterwanderung von Flüchtlingen zu vermeiden. Jedem Asylsuchenden werden da her im Erstaufnahmeland ein rechtsstaatliches Verfahren und eine faire Prüfung seines Asylbegehrens gewährt. Bei Angehö rigen sicherer Herkunftsstaaten liegen diese Voraussetzungen nicht unbedingt vor. Die Sichere-Herkunftsstaaten-Regelung stellt ein ganz anderes Regelinstrumentarium dar. Ich könnte dazu weiter ausführen, aber wissen Sie, das ist mir Ihr ober flächlicher und vor Populismus strotzender Antrag eigentlich nicht wert. Wir lehnen ihn ab. - Danke schön.

(Beifall CDU, SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank. - Für die Fraktion DIE LINKE spricht die Abge ordnete Johlige.

Herr Vizepräsident! Meine Damen und Herren! Die hohe Zahl der nach Europa kommenden Flüchtlinge ist eine historische Bewährungsprobe für die Europäische Union. Es muss eine ge meinsame europäische Antwort darauf gefunden werden, wie auf diese Herausforderung zu reagieren ist. Ich bin der festen Überzeugung, dass die europäische Antwort auf die aktuelle Situation nur eine solidarische sein kann. Alle Staaten der Eu ropäischen Union müssen Verantwortung übernehmen. Dabei geht es vor allem darum, die finanziellen Lasten, die diejenigen Länder tragen, die mehr Flüchtlinge bei sich aufnehmen als an dere, gerecht innerhalb der EU zu verteilen.

Der Antrag der AfD gibt keine solidarische Antwort. Er setzt auf bürokratische und inhumane Regelungen, will die Freizü gigkeit innerhalb Europas einschränken und versucht in Punkt 4 sogar, Menschen das individuelle Recht auf Asyl voll ständig zu nehmen. Zu einem solchen Ansinnen wird es keine Zustimmung der Linken geben. - Danke schön.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht der Ab geordnete Jungclaus.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Ich habe einige Zeit darüber nachgedacht, ob ich zu diesem Antrag überhaupt sprechen soll. Die durchaus extrem unter schiedlichen Positionen unserer Fraktionen sind, so denke ich, auch heute wieder ausreichend aufgezeigt worden. Ich habe mich bislang aber immer schwer damit getan, mich einer Dis kussion mit der AfD grundsätzlich zu verweigern.

Im Frühjahr 2014 hatte ich im Kreistag mit dem damaligen Kreisfraktionsvorsitzenden der AfD durchaus konstruktive Ge spräche, auch zum Thema Asyl. Im Landtagswahlkampf hatte ich von meiner Wahlkreis-Gegenkandidatin Christina Schade nie irgendwelche rechtspopulistischen Töne vernommen, und auf Bundesebene bemühten sich Lucke, Henkel und Co. lange, das Absinken der AfD auf Pegida-Niveau zu verhindern. Heute stellt sich nun die Situation wie folgt dar: Lucke hat den Flü gelkampf gegen Petry verloren, die sich ihrerseits mit den noch weiter rechts stehenden Leuten wie Höcke auseinandersetzen muss.

(Zurufe des Abgeordneten Galau [AfD])

Bei mir im Kreistag hat der AfD-Fraktionsvorsitzende Fraktion und Partei verlassen; die Fraktion besteht dort nun aus dem Pressesprecher der Brandenburger Landtagsfraktion und einem Lokalpolitiker, der Parteien wie „Die Rechte“ und „Freiheit/ Arbeit/Werte“ gründete

(Domres [DIE LINKE]: Aha!)

und in der letzten Wahlperiode mit der DVU eine gemeinsame Fraktion bildete.

(Galau [AfD]: Zum Thema, bitte!)

Hier im Landtag wurde meine damalige Gegenkandidatin aus dem Fraktionsvorstand gewählt, die Fraktion ist zunehmend monothematisch unterwegs und Alexander Gauland gefällt sich mehr und mehr in der Rolle, die Flüchtlingssituation mit dem Untergang des Römischen Reiches zu vergleichen; dazu das Zitat: „als die Barbaren den Limes überrannten.“

Oder er spricht gespielt angsterfüllt von „Horden junger Män ner, gut gekleidet, durchtrainiert, frisch frisiert, die da an den Hauptbahnhöfen aus den Zügen sprangen“. Wenn es nicht so traurig wäre, könnte man Ihren Fraktionsvorsitzenden - leider ist er jetzt nicht anwesend - fragen, ob ihn bei „jung“, „gut ge kleidet“, „frisch frisiert“ und „durchtrainiert“ vielleicht nur der Neid gepackt hat.

(Vereinzelt Beifall B90/GRÜNE - Lachen bei SPD und DIE LINKE - Galau [AfD]: Das ist menschenverachtend! - Weiterer Zuruf von der AfD: Das ist Diskriminierung älterer Männer!)

So bleibt mir aber nur festzustellen, dass es offenbar doch Po sitionen gibt, bei denen man dermaßen weit auseinander liegt, dass sich jede Diskussion erübrigt. Bei dem vorliegenden An trag scheint mir das der Fall zu sein.

Wenn Sie mutige Schritte gehen wollen, dann helfen Sie den Schutzsuchenden; das erfordert manchmal mehr Mut, als sol che Anträge zu stellen. - Vielen Dank.

(Beifall B90/GRÜNE sowie SPD und DIE LINKE)

Die Abgeordnete Schade hat eine Kurzintervention angezeigt.

Nur zur Richtigstellung, Herr Jungclaus: Ich wurde nicht he rausgewählt, sondern wir haben uns sehr wohl in der Fraktion zusammengesetzt - so macht man das - und besprochen, wer sich am besten für welche Position eignet und wer die meiste Erfahrung hat. Da ich zu diesem Zeitpunkt politisch noch keine Erfahrung hatte, haben wir gesagt, dass jeder das macht, was er am besten kann. Daran sollten sich vielleicht andere Fraktionen ein Beispiel nehmen. - Danke.

(Beifall AfD - Zurufe der Abgeordneten Frau Lieske und Frau Lehmann [SPD])

Herr Jungclaus, möchten Sie darauf etwas entgegnen? - Das ist nicht der Fall.

Das Wort erhält nun der Abgeordnete Königer.

Liebe Kollegen! Jetzt haben wir uns mächtig amüsiert, Herr Jungclaus, wie Sie gerade voll am Thema vorbeigesprochen

haben. Das verwundert mich und meine Fraktionskollegen nicht.

(Widerspruch bei B90/GRÜNE, SPD und DIE LINKE)

Vielleicht einmal zu Ihrer Partei: Sie werfen uns vor, wir seien radikal oder extremistisch. Bei den Pädophilen, die Sie in Ihrer Partei haben, haben Sie sich hier ruhig zu verhalten.

(Beifall AfD - Widerspruch und Buhrufe von den Frakti onen SPD, DIE LINKE und B90/GRÜNE)

Die hier von Ihnen wieder einmal an den Tag gelegte Empö rungskultur ist einfach nur noch lächerlich.

Herr Kollege Kurth, wir haben nun mal eine Partei und wir sprechen mit einer Stimme, ganz egal, in welchem Landesver band. Das ist bei Ihnen vielleicht wünschenswert, aber bei uns wird es in die Tat umgesetzt, Herr Kollege.

Zu Ihnen, Herr Lakenmacher: Wir sind noch nicht im Bundes tag. Deswegen müssen wir leider Gottes noch diesen Umweg wählen, dass wir über die Bundesratsinitiative diese verfehlte Politik auf Bundesebene ändern wollen. Vielleicht haben Sie aber einen direkten Draht zu Ihrer Kanzlerin; diese könnte das nämlich von heute auf gleich ändern, wie sie es am 5. Septem ber gemacht hat, indem sie das Grundgesetz nämlich ad absur dum geführt hat.

(Beifall AfD)

Wir haben bereits vor einem Jahr an gleicher Stelle die Pro bleme thematisiert, vor denen unser Land heute steht. Sie ha ben uns damals wie heute als Hetzer, geistige Brandstifter, braune Suppe und was weiß ich noch bezeichnet.

Sehr geehrte Volksvertreter der Altparteien in diesem Hause, Sie stehen in den Trümmern Ihres eigenen Weltbildes. Daran ist nicht die AfD schuld. Wir haben frühzeitig davor gewarnt.

(Zuruf der Abgeordneten Mächtig [DIE LINKE])

Selbst mitten in der Krise lügen Sie sich unbeirrt in die eigene Tasche und wollen nicht mit der Realität konfrontiert werden. Aber wir stehen zunehmend nicht alleine. Denn es gibt ihn noch, den vernunftbegabten Teil in den Altparteien.

Hier ein paar Beispiele der letzten Wochen: 126 Bundestagsab geordnete der Union - man höre und staune - verlangen einen Wechsel in der Politik. Wörtlich heißt es in einem Brief:

„Die gegenwärtig praktizierte ‚Politik der offenen Gren zen‘ entspricht weder dem europäischen oder deutschen Recht, noch steht sie im Einklang mit dem Programm der CDU.“

(Beifall AfD)

Der Oberbürgermeister von Magdeburg tritt aus der SPD aus:

„Ich bin nicht bereit, mir den Mund verbieten zu lassen.“

„Ich kann nicht bis zur Landtagswahl … schweigen und falsche Sachverhalte akzeptieren.“