Protocol of the Session on July 8, 2015

Erstens sind Musterverfahren auch nach der derzeitigen Rechtslage möglich; von ihnen wird auch Gebrauch gemacht. Zweitens unterscheiden sich im Abgaberecht die Fälle meist beträchtlich: hinsichtlich Grundstücksfläche, Geschossigkeit, Innen- und Außenbereich, Bebauungsplangebiet, Gewerbenutzung etc. Wirklich identische Fälle, die für Musterklagen benötigt würden und sich nicht gegen eine Gebührensatzung richten, werden sich kaum finden lassen.

Ein befriedender Effekt ist durch Musterklagen drittens nicht zu erwarten, da bei verlorenen Musterverfahren individuell weitergeklagt werden kann und wird. Die in Aussicht gestellte Entlastung der Gerichte findet dadurch nicht statt.

Mit erheblicher Unsicherheit bei der Beitrags- und Gebührenerhebung der Kommunen in allen Bereichen des KAG wäre viertens - zu rechnen.

Entsprechend werden wir auch dieses Mal mit Nein stimmen, gern auch in namentlicher Abstimmung. - Danke schön.

(Beifall B90/GRÜNE, SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank. - Für die Landesregierung spricht jetzt Minister Schröter.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Die AfD will mit ihrem Vorstoß erreichen, dass die Landesregierung einen Gesetzentwurf vorlegt, der Kommunen und Zweckverbände zwingt, in gleichgelagerten Fällen nach dem Kommunalabgabengesetz Musterverfahren zu führen. Der Landtag - das ist mehrfach erwähnt worden - hat sich bereits in der vergangenen Legislaturperiode intensiv damit befasst und sich letztlich gegen eine solche Regelung entschieden. Ich gehe davon aus, dass bereits damals Experten gehört worden sind und vor der Beschlussfassung eine sehr ordentliche Abwägung stattgefunden hat.

Bemerkenswert ist die Begründung des AfD-Antrags. Der Verweis auf die Asylverfahren entlarvt den Antragsteller. Der Verweis auf die Altanschließerbeiträge trägt nicht wirklich, weil am Ende des Jahres diese Problematik abgehakt werden kann. Ich gehe davon aus, dass, wenn man zu einem vernünftigen Ergebnis kommen will - dann wird das Gesetz noch nicht einmal gedruckt sein -, die Frist, die hier noch zur Verfügung steht, nicht einzuhalten ist.

Richtig ist allerdings, dass das Kommunalabgabengesetz überhaupt keine Regelung zum Führen von außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren enthält, damit auch ausdrücklich keine Regelung, die den Aufgabenträgern das Führen von Musterverfahren außerhalb von Gerichtsverfahren verbietet. Sie können es also durchführen. Bei uns gelten auch für das Widerspruchsverfahren in kommunalabgabenrechtlichen Angelegenheiten allein die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung. Diese lässt es zu, bei gleichgelagerten Widersprüchen geeignete Musterverfahren auszuwählen und die verbleibenden Verfahren im Einverständnis mit den Widerspruchsführern bis zum Ausgang des Musterverfahrens ruhen zu lassen. Darüber, ob die Möglichkeit, Musterverfahren in Widerspruchsverfahren zu bestimmen und mit Ruhewirkung für gleichgelagerte Veranlagungen durchzuführen, sinnvollerweise per Gesetz erweitert werden sollte, wird gegenwärtig diskutiert. Das wird erwogen.

Ich will dem Ergebnis dieser Abwägung an dieser Stelle keineswegs vorgreifen. Eine Einschränkung des kommunalen Entscheidungsspielraums durch eine gesetzliche Verpflichtung zum Führen von Musterverfahren kommt aus Sicht der Landesregierung jedenfalls nicht in Betracht. Ich plädiere deshalb für die Ablehnung des Antrags der AfD.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank. - Für die Fraktion der AfD erhält der Abgeordnete Jung das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Liebe Gäste! Die Brandenburger Verwaltungsgerichte sind überlastet. Wer es nicht glaubt, hätte sich davon bei der großen Richterdemonstration neulich vor dem Fortuna-Portal überzeugen lassen können. Der Mangel an Richtern ist eklatant, insbesondere beim Verwaltungsgericht Cottbus, wie uns der Präsident des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg plastisch erzählte. Er hat im Rechtsausschuss auch gesagt, dass es dort Fälle von Altanschließerbeiträgen gibt, durch die es zu unerträglichen Wartezeiten kommt. Sie gehören bei den Verwaltungsgerichten nun einmal zur Tagesordnung.

Mit einer Änderung des Kommunalabgabengesetzes für das Land Brandenburg in Sachen Musterverfahren könnten die erstinstanzlichen Verwaltungsgerichte über gleichgelagerte Fälle in einem einheitlichen Rechtszug entscheiden. Viel wertvolle Zeit würde gewonnen, und die Bürger würden Geld sparen. Darauf bezieht sich im Grunde auch die Kritik, die Herr Schröter anführte: Letztlich muss jeder Einzelne klagen, und jeden kostet das Geld. - Durch Musterverfahren würde man auch eine Effizienzsteigerung und eine Entlastung der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Brandenburg erreichen.

Ganz offensichtlich wollen, wie man dem „Prignitzer“ von gestern entnehmen kann, ein paar Polemiker unseren Antrag konterkarieren. Es wird unterstellt, wir würden mit dem Querverweis auf die Asylpolitik Altanschließer instrumentalisieren. Meine Damen und Herren, wie paranoid muss man denn sein, um hier eine böse Absicht zu wittern?

(Beifall AfD)

Durch unseren Antrag würden gerade die Verwaltungsgerichte entlastet.

(Frau Mächtig [DIE LINKE]: Es ist doch nicht Ihr An- trag!)

Damit wäre den Altanschließern gedient. Ich sage das ganz offen, um auf diese Intrigennetze bestimmter parteipolitisch Erblindeter hinzuweisen:

(Oh! bei der CDU)

Es geht uns um eine arbeitsfähige Justiz und nicht mehr. Auch die Bürgerinitiative Sonnenwalde, Landkreis Elbe-Elster, unterstützt unseren Antrag und findet ihn gut. Ähnliche Rechtsunsicherheiten und ähnlich verzweifelte Bürger gibt es überall im Land, etwa beim Trink- und Abwasserverband Oderbruch-Barnim.

Die Einführung der Musterverfahren würde vieles klären. Einen mit dem Gesetzentwurf der CDU - er ist von der Sache her optimal - zielgleichen Gesetzentwurf blieb die rot-rote Regierung bisher schuldig. Wenn wir unsere Justiz entlasten wollten, müsste man zu Musterverfahren greifen.

Wenn man mit Verwaltungsrichtern in Bayern spricht, unter anderem beim Münchner Verwaltungsgerichtshof, erfährt man, dass sie mit der Einführung von Musterverfahren durchweg gute Erfahrungen gemacht haben. Ebenso ist es in Mecklenburg-Vorpommern: Das Oberverwaltungsgericht in Mecklenburg-Vorpommern hat vor der Einführung der Musterverfahren dreimal so viel Zeit zur Bewältigung einzelner Vorgänge gebraucht.

Eines muss in der Debatte über „Pflicht zur Musterklage oder nicht“ deutlich hervorgehoben werden: Wir wollen nicht die Kommunen zu Musterklagen verpflichten; wir wollen den Gesetzgeber zu Musterverfahren verpflichten, und zwar dort, wo das von den Bürgern gewünscht wird. - Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Vielen Dank. - Wir sind damit am Ende der Debatte.

Ich leite über zur Abstimmung. Die AfD hat über den Antrag in Drucksache 6/1594 - Musterverfahren - namentliche Abstimmung beantragt.

Ich eröffne die Abstimmung und bitte um das Verlesen der Namen.

(Namentliche Abstimmung)

Das Ergebnis der Abstimmung liegt vor. Mit Ja haben 11 Abgeordnete gestimmt; 22 Abgeordnete haben sich der Stimme enthalten, und es gab 49 Nein-Stimmen. Damit ist dieser Antrag abgelehnt.

(Abstimmungslisten siehe Anlage S. 1208)

Ich schließe Tagesordnungspunkt 4 und rufe Tagesordnungspunkt 5 auf:

Rechnung der Präsidentin des Landtages Brandenburg für das Rechnungsjahr 2012 (gemäß § 114 der Landeshaushaltsordnung)

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Haushaltskontrolle

Drucksache 6/1547

in Verbindung damit:

Rechnung des Präsidenten des Verfassungsgerichtes des Landes Brandenburg für das Rechnungsjahr 2012 (gemäß § 114 Landeshaushaltsordnung)

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Haushaltskontrolle

Drucksache 6/1548

Rechnung des Landesrechnungshofes Brandenburg für das Rechnungsjahr 2012 (gemäß § 101 der Landeshaushaltsordnung)

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Haushaltskontrolle

Drucksache 6/1549

Haushaltsrechnung und Vermögensnachweis für das Haushaltsjahr 2012 (gemäß § 114 der Landeshaushaltsordnung)

Bericht des Ministers der Finanzen

Drucksache 6/465

Jahresbericht 2014 des Landesrechnungshofes Brandenburg

Bericht des Landesrechnungshofes

Drucksache 6/200