Aus Sicht der CDU bedeutet Resozialisierung nicht so viele Vollzugslockerungen wie möglich, sondern so viele Therapien wie nötig.
Ein zweiter Aspekt, der sich aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes ergibt, lautet: Die erforderlichen therapeutischen Behandlungen müssen schon während des vorangehenden Strafvollzuges so zeitig beginnen und so intensiv durchgeführt werden, dass sie nach Möglichkeit bereits vor Strafende abgeschlossen werden und sich die Frage nach einer anschließenden Sicherungsverwahrung möglicherweise gar nicht mehr stellt.
Ob das alles angesichts der jetzt schon angespannten personellen Situation im Strafvollzug zu stemmen sein wird, ist mit mehreren großen Fragezeichen zu versehen. Auch die Anhörung im Rechtsausschuss hat das verdeutlicht. Ihr Gesetzentwurf strotzt vor Absichtserklärungen und Sollvorschriften hinsichtlich der vorgesehenen Therapie- und Behandlungsmaßnahmen. Wenn Sie aber nicht ausreichend qualifiziertes Personal für die Sicherungsverwahrung in Brandenburg zur Verfügung stellen, bleibt Ihr Gesetz nur eine wertlose Hülle.
Doch die negative Krönung des Ganzen ist, dass die Sicherungsverwahrten nach Ihrem Gesetzentwurf finanzielle Zuwendungen erhalten sollen, wenn sie an Behandlungsmaßnahmen teilnehmen. Das ist nicht vermittelbar! Wie wollen Sie das den Opfern von Straftaten erklären, die oft noch nicht einmal die Möglichkeit haben, kostenfrei therapeutisch behandelt zu werden?
Im Übrigen warne ich vor allzu großer Therapiegläubigkeit. Viele Sicherungsverwahrte - das wissen Sie - haben mehrere gescheiterte Therapien und Therapieansätze hinter sich. Viele von ihnen sind therapieunwillig oder sogar austherapiert. In einem solchen Fall können Sie mit neu angebotenen Therapien nichts mehr erreichen.
Auch das muss gesagt werden: Wir hätten uns auf dem Gebiet der Sicherungsverwahrung schon allein aus Kostengründen eine Zusammenarbeit auch mit Berlin gewünscht. Man muss nicht in Berlin und Brandenburg jeweils eine eigene Sicherungsverwahrungseinrichtung vorhalten. Andere Länder machen uns das vor. Hamburg und Schleswig-Holstein wie auch Thüringen und Hessen haben gemeinsame Einrichtungen zur Unterbringung von Sicherungsverwahrten, und das ist auch sinnvoll, weil das viel Geld spart.
Sie hingegen reden immer nur viel von Verbundlösungen. Es ist an der Zeit, dass Sie der Öffentlichkeit und dem Landtag auch einmal offenbaren, ob es nun wirklich einen norddeutschen Verbund geben wird, denn sowohl die Justizministerin von Mecklenburg-Vorpommern - Uta-Maria Kuder - als auch die Justizministerin von Schleswig-Holstein - Anke Spoorendonk haben dies bereits verneint. Es ist also die Frage, ob Sie nicht auf einen Zug warten, der längst abgefahren ist.
Ich komme zum Schluss. Wir lehnen den Gesetzentwurf ab, weil dieses Gesetz die Freiheitsrechte der Sicherungsverwahrten unverhältnismäßig zulasten der Sicherheit der Bevölkerung ausdehnt. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Eichelbaum. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der SPD-Fraktion fort. Herr Abgeordneter Kuhnert hat das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Bundesverfassungsgericht stand hier vor einer schwierigen Entscheidung. Hier musste eine extreme Gratwanderung gemacht werden, die, wie ich denke, gut gelungen ist. Es geht darum, dass man Strafgefangenen, die ihre Haft bis zum letzten Tag verbüßt haben und die trotzdem - Sie haben es gesagt - eine Gefahr für die Menschen darstellen, das Freiheitsrecht, das ihnen jetzt eigentlich wieder zustünde, vorenthalten muss, ohne dass es ein neues Gerichtsurteil gibt. Deshalb hat das Bundesverfassungsgericht, glaube ich, auch keine andere Chance gehabt, als so zu entscheiden, wie es entschieden hat; Sie haben es gerade beschrieben: Einmal geht es um das Abstandsgebot - dass sich diese Sicherungsverwahrung von der normalen Haft unterscheiden muss - und darum, dass möglichst viele Dinge drinnen so sind wie draußen - bis auf das eine Recht, das Freiheitsrecht, das vorenthalten wird. Das schlägt sich auch in der Sprache
nieder, indem nicht mehr vom Verwahrraum die Rede sein darf, sondern es dann Zimmer heißt. Man wohnt dann also unter Ausschluss des Freiheitsrechtes.
Die Anhörung hat ergeben - jedenfalls wurde das von einer großen Mehrheit der Anzuhörenden, auch Vertretern der Opposition, so gesagt -, dass dieser Gesetzentwurf sehr nah an dem ist, was das Bundesverfassungsgericht vorgibt. Ich denke, das ist auch die einzige Möglichkeit, die wir haben, dieses Gesetz möglichst nah umzusetzen. Alles andere hätte neue Klagen und neue Gerichtsentscheide zur Folge.
Das Bundesverfassungsgericht hatte, glaube ich, auch keine andere Chance, als als zweites Standbein - Sie haben das genannt - zu entscheiden, dass die Unterbringung, die Sicherungsverwahrung freiheits- und therapieorientiert sein muss. Im anderen Falle hätten wir die Situation, die wir bei den nachträglichen Sicherungsverwahrungen haben, dass die Täter - also jene, die ihre Strafe schon abgebüßt haben - freigelassen und dann von einem Dutzend Polizisten rund um die Uhr bewacht werden müssen. Insofern muss die Sicherungsverwahrung therapieorientiert sein.
Es wurde uns in der Anhörung auch bestätigt, dass die Kriterien für Haftlockerungen so sind, dass die von Ihnen beschriebene Gefährdung der Bevölkerung nicht besteht.
Wichtig ist die von der Kollegin Teuteberg eingeforderte Berichtspflicht gerade bei diesem Gesetz, weil wir hier in allen 16 Bundesländern aufgrund des Urteils des Europäischen Gerichtshofs und dann auch des Bundesverfassungsgerichts Neuland betreten und aus den regelmäßigen Berichten dann erkennen können, wo gegebenenfalls geändert und nachgebessert werden muss. - Ich empfehle das Gesetz zur Annahme. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Kuhnert. - Wir kommen nunmehr zum Beitrag der FDP-Fraktion. Frau Abgeordnete Teuteberg hat das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Schon bei der Einbringung des vorliegenden Gesetzentwurfes wurde deutlich: Die weit überwiegende Mehrheit des Landtages steht für einen therapiebezogenen und resozialisierungsfreundlichen Vollzug der Sicherungsverwahrung in Brandenburg. Und der vorliegende Gesetzentwurf ist dazu geeignet, das auch zu gewährleisten. Wirklich entscheidend sind aber nicht nur die Buchstaben des Gesetzes, sondern vielmehr die personelle Ausstattung und die Qualifikation der Bediensteten in allen Anstalten.
Die im Gesetz festgelegten ambitionierten Standards sind nur zu erreichen, wenn ausreichend gut aus- bzw. fortgebildetes Personal vorhanden ist.
Sehr geehrte Damen und Herren von SPD und Linke! Ich möchte Sie hier noch einmal an die Einlassungen von Herrn
Köbke, der heute auch hier ist, und anderen in der Anhörung erinnern. Kritik am Gesetz wurde primär bezüglich dessen geübt, dass bei den Praktikern Vorbehalte bestehen, ob seitens der Regierung auch wirklich ausreichend Personal zur Verfügung gestellt werden wird. Hier stehen Sie, Herr Minister Schöneburg, jetzt in der Pflicht. Wie Sie im Rechtsausschuss ausgeführt haben, soll auf einen Nachtragshaushalt in dieser Wahlperiode verzichtet und erst im nächsten Doppelhaushalt - also für das Jahr 2015 - nachjustiert werden. Wir sind gespannt, wie Sie im Ergebnis die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes auch personell umsetzen wollen. Möglicherweise muss hier auch noch einmal über den Personalbedarfsplan 2018 gesprochen werden.
Lassen Sie mich noch auf einen wesentlichen Punkt kommen. Wir Liberale unterstützen die Einführung eines Diagnoseverfahrens und die Bereitstellung vielfältiger therapeutischer sowie sozialtherapeutischer Maßnahmen. In diesem Zusammenhang will ich noch einmal deutlich machen: Wir brauchen die sogenannte norddeutsche Lösung, denn nur durch eine Kooperation mehrerer Bundesländer wird es möglich sein, hochwertige spezialisierte Therapieangebote für diesen relativ kleinen Personenkreis besonders gefährlicher Täter bereitzustellen und gleichzeitig den finanziellen Aufwand in einem vertretbaren Rahmen zu halten. Das wird nur durch Kooperation und Spezialisierung möglich sein.
Meine Damen und Herren, wir stehen derzeit noch am Anfang der neuen Ausgestaltung des Vollzugs der Sicherungsverwahrung in Brandenburg. Die gesetzlichen Regelungen werden rechtzeitig, wenn auch - im Vergleich mit anderen Bundesländern - spät geschaffen. Das Bundesverfassungsgericht hatte die Politik aufgefordert, bis zum 31. Mai dieses Jahres zu handeln.
Durch das Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz verfügt Brandenburg künftig über ein möglichst bundeseinheitliches Vollzugskonzept aus einem Guss, das den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes sowie den Leitlinien des Bundesgesetzgebers entspricht und keine Spielräume für Umgehungen in der Praxis erlaubt.
Wichtig ist auch, dass wir hier eine Berichtspflicht aufgenommen haben. Ich denke, schon nach dem ersten Bericht werden wir die praktischen Probleme besser beurteilen können; sie werden sich zeigen. Spätestens dann sollten wir noch einmal konkret über die sachliche und personelle Ausstattung im Bereich des Vollzuges der Sicherungsverwahrung sprechen.
Lassen Sie mich zuletzt noch den Opferschutz ansprechen: Ich glaube, alle Rechtspolitiker hier im Parlament sind sich bewusst, wie sensibel das Thema Sicherungsverwahrung zu diskutieren ist. Unsere Aufgabe ist es, gesetzliche Rahmenbedingungen zu schaffen, die sicherstellen, dass die Untergebrachten befähigt werden, keine Straftaten mehr zu begehen, und sie somit vorzeitig auf Bewährung entlassen oder auch Maßregeln für erledigt erklärt werden können.
Die Schaffung von Akzeptanz in der Bevölkerung für diese Tatsache ist ebenfalls eine Aufgabe für uns Parlamentarier. Hier würde ich mir manchmal mehr Geschlossenheit wünschen.
Bei all jenen, bei denen die Gefährlichkeit nicht gemindert werden kann, ist nun sichergestellt, dass für sie eine sichere Unterbringung bereitgehalten wird. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Teuteberg. - Frau Abgeordnete Mächtig wird die Aussprache für die Fraktion DIE LINKE fortsetzen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Gäste! Meine Vorredner sagten es, der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat am 17.12.2009 der Beschwerde eines in der Bundesrepublik in nachträglicher Sicherungsverwahrung einsitzenden Gefangenen stattgegeben. Diese Entscheidung ist seit dem 10.05.2010 rechtskräftig. In dieser Entscheidung wurde die Vollzugspraxis der nachträglichen Sicherungsverwahrung in der Bundesrepublik Deutschland deutlich kritisiert. Sie ist mit dem Rückwirkungs- und Doppelbestrafungsverbot der Europäischen Menschenrechtskonvention unvereinbar.
Wir haben, resultierend aus dieser Rechtsprechung, auch im Land Brandenburg die Aufgabe, ein Sicherungsverwahrungskonzept zu schreiben, das der Menschenrechtskonvention entspricht. Dies resultiert nicht zuletzt aus dem Handlungsauftrag der gesetzlichen Grundlage für Sicherungsverwahrte, die zum 31. Mai dieses Jahres neu zu regeln ist. Dazu gehören in erster Linie die Umsetzung des Abstandsgebotes - der Kollege Eichelbaum ging darauf ein - und die Sicherung eines Vollzugsplanes, der auf einer schnellen, umfassenden Behandlungsuntersuchung zu erstellen ist.
Der Rechtsausschuss hat dazu zwei Ausschussreisen - in die Niederlande und nach Hamburg - durchgeführt, und wir konnten sehen, was möglicherweise nicht so gut ist - wie in Hamburg - und möglicherweise besser ist - wie in den Niederlanden. Deshalb möchte ich kurz auf das eingehen, was der Kollege Eichelbaum hier gesagt hat. Sie machen tatsächlich wieder das Gleiche wie in den vergangenen Diskussionen, Sie versuchen mit einem guten Gesetzentwurf, Angst zu schüren;
denn Sie sagen: Ja, auch Sicherungsverwahrte haben Ausgang. Sie sagen nicht, dass sie natürlich begleiteten Ausgang haben. Sie sagen, dass die Therapie eine Form der Lockerung ist. Ich bitte Sie sehr: Sie ist eine Form der Behandlung. Wir wissen alle gemeinsam: Ein Sicherungsverwahrter hat zunächst seine Strafe abgesessen. Er ist für die von ihm begangene Tat bestraft worden, je nach Größe der Tat mit 2, 5, 7, 10 oder 15 Jahren. Man stellt fest: Straftat - Strafe. Jetzt ist er aber für die Gesellschaft nicht tragbar, weil die Gefahr besteht, er könnte wieder eine Straftat begehen. In diesem Fall wird Sicherungsverwahrung ausgesprochen. Wenn man dies tut, muss man sie aber so gestalten, dass sie logischerweise nicht die Fortsetzung von Strafe ist, sondern so, dass dieser Mensch auch ein Recht auf ein relativ normales Leben - ich sage - in einer geschlossenen Gesellschaft hat, weil er für die offene Gesellschaft eben nicht geeignet ist und man ihn möglicherweise vor sich, aber auf jeden Fall die Gesellschaft vor ihm schützen muss. Das ist der Sinn der Sicherungsverwahrung.
Wir wollen, dass Menschen, die in Sicherungsverwahrung leben, das Recht haben, in ihrem Umfeld geschützt relativ groß
Sie sind vorhin darauf eingegangen, dass wir uns eine engere Zusammenarbeit mit Berlin wünschen. Da staune ich ein bisschen - Sie selbst waren an dem Ringen, auch im Rechtsausschuss, beteiligt, hier gemeinsam und länderübergreifend tätig zu werden -, weil wir wissen, dass es sich im Land Brandenburg um acht Personen handelt - Herr Minister, ich glaube, das ist die aktuelle Zahl. Wir tun manchmal so, als würden wir über Hunderte reden. Wir reden also nicht über Menschenmassen. Aber für diese acht muss man natürlich auch das Verhältnis von Leistung und Kosten bedenken.
Natürlich ist es für alle Länder besser, wenn sie in Bezug auf die Sicherungsverwahrung zusammenarbeiten. Sicherungsverwahrte, die zum Beispiel permanent zum Mord neigen, weil sie einen Hang dazu haben, weil ihnen völlig das eigene psychische Verhalten fehlt, Mord als Untat zu empfinden, muss man anders therapieren als zum Beispiel Leute, die kleine Kinder vergewaltigen. Hier gibt es unterschiedliche Behandlungsmethoden. Und entsprechend dieser unterschiedlichen Behandlungsmethoden wäre es sinnvoll, sie in unterschiedlichen Einrichtungen unterzubringen und damit auch die Kosten für alle Länder vernünftig zu begrenzen. Wir wissen aber auch, dass die Länder abgelehnt haben. Nun müssen wir auf dem Weg zur Umsetzung des Gesetzes, auf dem wir uns gerade befinden, weitere Partner suchen. Ich bin übrigens ganz sicher, da die Haushaltslage nicht nur in Brandenburg angespannt ist, dass sich auch andere Länder letztlich einer solchen gemeinsamen Arbeit im Rahmen der Sicherungsverwahrung nicht verschließen werden.
Aber das, Herr Eichelbaum, was Sie zum Schluss gesagt haben wir hätten ein Gesetz zur Sicherungsverwahrung zulasten der Sicherheit -, kann ich hier nicht stehen lassen. Ich bitte Sie und wenn wir es gemeinsam machen -: Lesen Sie das Gesetz noch einmal! Auch Sie haben mir gerade bestätigt: Dieses Gesetz ist Opferschutz und deshalb geht es eben nicht zulasten der Sicherheit, sondern liegt im Interesse der Sicherheit. - Danke.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Mächtig. - Wir kommen nunmehr zum Beitrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Frau Abgeordnete Niels hat das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir sprechen heute über die Sicherungsverwahrung und sind mit dem Gesetz in der 2. Lesung. Dem vorausgegangen ist eine Anhörung im Rechtsausschuss am 21. Februar. Ich werde einmal ein Angebot an Danny Eichelbaum schicken und vielleicht eine Nebentätigkeit genehmigt bekommen für die entsprechende Weiterbildung, die ich ihm gewähre. An jenem Tag hatte kein Abgeordneter der CDU irgendeine Frage an die Anzuhörenden, es gab keinen einzigen Wortbeitrag. Absolut interessant ist, dass deswegen aus der Not heraus Herr Koldehoff, ein Ministeriumsmitarbeiter, zitiert wurde, der in Berlin
sprach. Das finde ich für einen Brandenburger Landtagsabgeordneten ganz interessant, mal so aus der Not geboren. Das Zitat lautete sinngemäß, Herr Koldehoff habe gesagt, selbst wenn die Gefahr eines Rückfalls bestünde,