Sehr geehrter Kollege, Sie haben zum einen die Eingangsvoraussetzungen mit einer Notensumme angesprochen, zum anderen von Begabung gesprochen und gesagt, dass begabte Schülerinnen und Schüler gefördert werden sollen. Deswegen interessiert mich, was Sie unter Begabung verstehen und wie Sie den Zusammenhang mit einem Notendurschnitt erklären. Sie kommen aus der Prignitz. Da gibt es solche Einrichtungen mangels Masse an Schülern nicht. Wie stellt sich Ihre Fraktion vor, wie besonders begabte Schüler - ich gehe davon aus, in der Prignitz gibt es sie auch - gefördert werden sollen, wenn die Gymnasien über die Kapazitäten nicht verfügen, und was sagen Sie zu dem Konzept der Landesregierung zu Begabtenstützpunkten?
Zunächst vielen Dank für die Nachfrage. Es ist vollkommen klar: An irgendetwas muss man die Zugangsvoraussetzungen ja knüpfen. Da frage ich Sie: Wenn in der Schule nicht die Zugangsvoraussetzungen an die Noten geknüpft werden, woran denn dann? Das zum einen.
Zum anderen hoffe ich, ist auch Ihnen bewusst, dass die Nichteinrichtung von Leistungs- und Begabungsklassen an Schulen in der Prignitz der geringen Zahl der Schüler insgesamt geschuldet bzw. man andere Gymnasialstandorte nicht gefährden wollte und dass es nicht etwa am Mangel an geeigneten Schülern liegt. - So viel dazu.
Im Land Brandenburg gab es im Schuljahr 2009/2010 1 769 Schülerinnen und Schüler, die sich beworben und die Zugangsvoraussetzungen erfüllt haben, es gab jedoch nur 945 Plätze.
- Sie sagen Gott sei Dank. Ich würde mich freuen, wenn es noch mehr Schüler gäbe, die diese Voraussetzungen erfüllen.
Ich finde es traurig, dass es deutlich mehr Schüler gibt, die die Voraussetzungen erfüllen, als es Plätze gibt. Das finde ich traurig, denn daran kann man sehen, dass sich der Trend einer steigenden Nachfrage in den letzten Jahren fortgesetzt hat.
Jetzt komme ich dazu: In den Landkreisen Prignitz, Uckermark und Oberhavel gibt es ja noch gar keine Leistungs- und Begabungsklassen. Deshalb ist davon auszugehen, dass die Zahl der potenziellen Bewerber tatsächlich noch deutlich höher ist.
Liebe Freunde, es besteht nicht nur ein viel zu geringes Angebot an Plätzen, es gibt darüber hinaus auch - jetzt komme ich wieder darauf zurück - eine regionale Benachteiligung zum einen dort, wo es keine solchen Klassen gibt, zum anderen aber auch, wenn man bedenkt, dass es in Potsdam gleich fünf Leistungs- und Begabungsklassen gibt und im Rest des Landes nur 30. Das ist schade, denn die Zahlen belegen eindeutig, dass es in Brandenburg viele begabte, lernwillige und leistungswillige Schüler gibt.
Liebe Kollegen, die SPD hat ihren Wahlkampf unter dem Schlagwort „gerechte Bildung“ geführt. Das ist an sich nichts Unseriöses,
aber wenn dieser Slogan ernst gemeint war, dann kann es doch nicht sein, dass Schülerinnen und Schülern, die dies wollen und die es können, der Zugang zu einer Leistungs- und Begabungsklasse aus Kapazitätsgründen verwehrt bleibt. Das ist doch keine Gerechtigkeit, meine Damen und Herren. Das ist weder sozial noch regional gerecht.
Der gemeinsame Antrag von CDU und FDP will diesen Missstand nun beseitigen. Ab dem nächsten Schuljahr - 2010/2011 sollen die Leistungs- und Begabungsklassen so ausgebaut werden, dass es künftig für die Hälfte der Bewerber nicht mehr heißt: Die Bedingungen sind erfüllt, die Noten sind gut, du bist begabt, würdest genau hier hineinpassen, aber für dich ist hier leider kein Platz mehr frei. - Das Limit von 35 Klassen im ganzen Land hat keine nachvollziehbare Begründung und ist eine Zahl, die schon lange nichts mehr mit der Realität in unserem Land Brandenburg zu tun hat. Vielmehr muss gelten: Dort, wo
genügend geeignete Schüler sind und der Schulträger dies beantragt, muss auch eine Leistungs- und Begabungsklasse eingerichtet werden können.
Beim Ausbau der Klassen - das muss man gleich dazusagen, sonst kommt das wieder von Ihnen - muss man natürlich auch darauf achten, dass die Grundschulklassen und die Grundschulstandorte nicht durch den Abgang von Schülerinnen und Schülern in die Leistungs- und Begabungsklassen benachteiligt werden. Dafür müssen beispielsweise flexible Lösungen bei den Klassenstärken gefunden werden.
Sehr geehrte Damen und Herren! Die Einführung der Leistungs- und Begabungsklassen war richtig und hat sich bewährt. Begleitstudien des Landesinstituts für Schule und Medien zeigen deutlich: Die Kinder fühlen sich wohl. Die Lernatmosphäre wird von Schülern, Eltern und Lehrern einhellig gelobt. Kein Kind wird dort wegen seiner Leistungsbereitschaft ausgegrenzt.
Auch der Gymnasialschullehrerverband befürwortet die Einrichtung der Leistungs- und Begabungsklassen. Weil dieses Konzept gar nicht so verkehrt gewesen sein kann, hat jetzt selbst Rot-Rot im Koalitionsvertrag an diesem erfolgreichen Weg festgehalten, auch wenn sich die Linke vorher stets beharrlich dagegen gewehrt hat.
Allerdings - so gut das erst einmal ist - muss man auch sagen, dass das Festhalten am Status quo allein nichts ändert. Es verbessert die Situation nicht. Nun kann die Regierungskoalition zeigen, wie ernst es ihr wirklich mit den gleichen Chancen und der gerechten Bildung ist. Nur wenn man sich bei der Anzahl der Leistungs- und Begabungsklassen auch am tatsächlichen Bedarf orientiert, grenzt man keine leistungswilligen Schülerinnen und Schüler mehr aus, die die Voraussetzungen erfüllen und sich in ihrer Befähigung weiter entwickeln wollen. Aus diesem Grund bitten wir um Zustimmung zu diesem Antrag, damit schulische Leistungen nicht durch quantitative Bestimmungen ausgegrenzt werden. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In Brandenburg gibt es zurzeit über 10 000 Schulklassen in den verschiedenen Schulformen. In ihrem ersten bildungspolitischen Antrag befasst sich Schwarz-Gelb im Landtag mit ganzen 35 davon - Sie wollen, dass es mehr werden -, ich meine, das spricht schon für sich.
Außerdem spricht der Antragstext für sich. Gehen wir ihn einmal durch: Da wird die Landesregierung aufgefordert, die Leistungsund Begabungsklassen - ich benutze die Abkürzung LuBK, das hat sich eingebürgert - bedarfsgerecht auszubauen. Was ist eigentlich bedarfsgerecht? Das wird nicht weiter erläutert.
Dann folgt eine Reihe von Relativierungen wie: Die Zahl der Bewerber müsse deutlich über der Zahl der Plätze liegen. Was ist deutlich?
In Ihrem Antrag steht aber nicht, ob es die Träger der abgebenden Grundschulen oder die Träger der aufnehmenden weiterführenden Schulen sein sollen. Dass es hier unterschiedliche Interessenslagen geben kann, haben wir in der Realität in den letzten Jahren durchaus gesehen.
Dann aber - ich komme auf den Antragstext zurück - merken Sie, dass Sie in dieser Sache offensichtlich mit dem Feuer spielen, und rufen sicherheitshalber schon einmal nach der Feuerwehr. Denn da heißt es: Es sind flexible Regelungen zu schaffen, die bei einem Wechsel von Schülerinnen und Schülern in die Leistungs- und Begabungsklassen die einzelnen Grundschulklassen bzw. die Grundschulstandorte nicht benachteiligen. - Ich sage: Die Grundschulklassen sind benachteiligt,
weil nämlich die Leistungsstärksten und Begabtesten - wenn es denn stimmt, dass die in diesen Klassen sind - die Klassen verlassen.
Wir brauchen aber gerade diese Schülerinnen und Schüler an unseren Grundschulen. Sie tragen zur Vielfalt, zur Attraktivität, zur Verbesserung des Lernklimas und damit zur Stärkung der Grundschulen bei.
Ich hatte es immer so verstanden, Herr Senftleben, dass Sie in den letzten fünf Jahren gerade das wollten, nämlich die Stärkung besonders kleiner Grundschulen im ländlichen Raum.
Die sogenannten Leistungs- und Begabungsklassen sind auch nur ein Teil des viel breiteren Konzepts der Landesregierung zur Begabtenförderung. Im Antrag und leider auch im Wortbeitrag fand sich kein Wort von Förderplänen, Schülerwettbewerben, Schülerakademien, Schülerolympiaden, Arbeitsgemeinschaften, E-Learning, Stützpunkten für die Begabtenförderung, Kooperation von Schulen mit wissenschaftlichen Einrichtungen und auch nicht von Ganztagsangeboten; Letzteres zähle ich ebenfalls dazu.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben uns in der vergangenen Legislaturperiode auf die Einführung von maximal 35 LuBK geeinigt. Dadurch sollte - ich dachte, das wäre auch weiterhin eine Vereinbarung mit der CDU - die sechsjährige Grundschule in Brandenburg nicht gefährdet, nicht angetastet werden. Natürlich sollen auch keine Grundschulstandorte gefährdet werden.
Ich behaupte, auch Sie ahnen, dass mit Ihrem Antrag auf Ausweitung von LuBK neue Standortdiskussionen beginnen. Deshalb fordern Sie eine wie auch immer geartete flexible Regelung. Doch ich glaube, Sie wissen, wie sensibel unser Schulsystem gerade im ländlichen Raum ist,
Herr Senftleben, wie ängstlich das Auf und Ab der Schülerzahlen jedes Jahr beobachtet wird. Deshalb sage ich: Finger weg
von mehr LuBK! Im Gegenteil! Wenn dieses Modell, wenn diese Klassen schon unsere besten Schülerinnen und Schüler aus den Grundschulen herausziehen, müssen sie sich auch einer kritischen Überprüfung stellen.
Ich finde, es ist an der Zeit, die Leistungs- und Begabungsklassen auf ihre Wirkung auf Grundschulen und weiterführende Schulen durch das Bildungsministerium intensiver zu untersuchen.
Sie sagen, es gebe zu wenig Plätze für zu viele zugelassene Bewerber. Das ist richtig. Man kann natürlich auch über den Modus der Aufnahme in die Klassen noch einmal sprechen, ob die Notensumme 5 wirklich allgemein für eine Höherbegabung spricht. All diese Fragen kann man stellen. Aber unter dem Strich bleibt: Die Wünsche einiger - da muss man sich im Leben wie in der Politik manchmal entscheiden - müssen zurückstehen, wenn es um das Wohl aller geht.
Ihr Antrag taugt insofern dazu, die bildungspolitischen Unterschiede zwischen Schwarz-Gelb und Rot-Rot hier deutlich werden zu lassen. Ansonsten taugt er nichts. Deshalb werden wir ihn ablehnen.