Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Leistungs- und Begabungsklassen sind eine wichtige Einrichtung im Bildungssystem des Landes Brandenburg.
Wir als FDP - Sie müssen es ja nicht gutheißen, Sie können ja eine andere Meinung haben - haben immer kritisiert, dass die Anzahl der Leistungs- und Begabungsklassen nicht am tatsächlichen Bedarf ausgerichtet ist, sondern förmlich am grünen Tisch in Potsdam - auf welcher Grundlage auch immer - festgelegt wurde.
Nun kann man darüber streiten - da gebe ich Ihnen ja Recht -, ob der Weg, Leistungs- und Begabungsklassen einzurichten, wirklich der richtige Weg ist. Tatsache aber ist, dass man, wenn man schon Leistungs- und Begabungsklassen einrichtet, diese selbstverständlich am Bedarf bemessen muss. Wenn 1 769 Schüler die Befähigung zum Besuch dieser Klassen haben, es aber nur 945 Plätze gibt, dann frage ich mich, wie man den Schülerinnen und Schülern, die keinen Platz bekommen, erklären will, dass nun gerade sie keine Leistungs- und Begabungsklasse besuchen dürfen: weil die Landesregierung nicht bereit ist, diese Klassen weiter auszubauen. Das demotiviert. Demotivation führt zu schlechteren Leistungen und hat mit Leistungsanreiz im Bildungssystem nun wahrlich nichts zu tun.
LuBK sind Klassen für hochmotivierte, ambitionierte und leistungsstarke Schüler, die in ihrer bisherigen Schulkarriere gezeigt haben, dass sie eine Befähigung besitzen, die über dem Durchschnitt liegt.
Wenn es in einigen Landkreisen wie Prignitz, Uckermark und Oberhavel keine LuBK gibt, dann geben wir den Schülern letztlich zu verstehen, dass es dort keine hochmotivierten, ambitionierten und leistungsstarken Schüler gibt. Das ist ein Zustand, den ich weder für gerecht noch für leistungsgerecht noch für zielführend halte.
Wenn die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen in diesem Haus eine Ausweitung der LuBK ablehnen, wie gedenkt man dann, die Begabtenförderung in der Breite aufzustellen?
In Anbetracht der riesigen Flächenkreise sind beispielsweise im Kreis Ostprignitz-Ruppin oder im Landkreis Oder-Spree mit jeweils nur einer Schule mit LuBK die Wege eine Zumutung für Fünft- oder Sechstklässler.
Deshalb ist ein Ausbau unabdingbar. In den Kreisen, in denen es bisher keine LuBK gibt, sind die Schulträger aufgefordert, diese einzurichten, um so auch den Schülerinnen und Schülern dort diese Perspektive zu bieten. Leistung muss sich auch in der Schule lohnen.
Eines sind Leistungs- und Begabungsklassen sicher nicht: Hochbegabtenförderung im klassischen Sinne. Das ist der Punkt, über den wir hier eigentlich reden müssten. In Wahrheit werden Leistungs- und Begabungsklassen nur dem ersten Teil ihres Namens gerecht: Sie sind in erster Linie Klassen für Hochleister; denn die Hochbegabten werden oftmals nicht entdeckt und fristen ein Dasein als Minderleister.
Wir als Freie Demokraten wollen Hochleister fördern. Wir wollen aber auch die Hochbegabten entdecken und diejenigen, die Schwächen haben, unterstützen. Unser Ansinnen ist eine wirklich individuelle und damit begabungsgerechte Förderung aller Schülerinnen und Schüler.
Wir stellen uns in diesem Zusammenhang Fragen, die von der Landesregierung bisher nicht beantwortet worden sind. Im vergangenen Schuljahr wurde erstmals ein Camp für Schülerinnen und Schüler durchgeführt, die im Begriff waren, nicht in die nächste Klasse versetzt zu werden oder den Abschluss nicht zu schaffen. Wir begrüßen diese Möglichkeit ausdrücklich. Aber warum wird ein solches Camp nicht auch mit dem Schwerpunkt „Hochbegabung“ durchgeführt, wie es in anderen Ländern bereits praktiziert wird? Solch ein Camp böte die Möglichkeit einer zusätzlichen Unterstützung und einer besseren individuellen Förderung.
Wie soll die Begabtenförderung denn in Gemeinschaftsklassen erfolgen? Soll dafür mehr Personal zur Verfügung gestellt werden, oder will man ernsthaft mit dem gegenwärtigen Personal
auskommen, das heißt, die Klassenstärken so belassen, wie sie gegenwärtig sind, und dann auch noch von „individueller Förderung“ reden? Wie sieht die Fortbildung der Lehrkräfte aus? Wichtig ist doch, dass Hochbegabte auch erkannt werden. Die Frage der Diagnostik ist hier die entscheidende, um Begabte zu erkennen und nicht als Minderleister mit einem weniger qualifizierten Abschluss, als sie eigentlich hätten erreichen können, aus dem System zu entlassen.
Wir brauchen neben diesen Klassen für Hochleister auch Angebote, die sich speziell an Hoch- und Höchstbegabte richten. Die eingeführten Leistungs- und Begabungsklassen sind ein wichtiger Baustein einer begabungsgerechten Förderung von Schülerinnen und Schülern. Aber diesen Weg müssen wir konsequent weitergehen und im nächsten Schritt spezielle Klassen - besser noch: Schulen - für Hoch- und Höchstbegabte einrichten, in denen ihre Begabung gefördert und gefordert werden kann. Das bedeutet nicht, alle Hochbegabten in spezielle Klassen oder Schulen zu schicken. Das bedeutet aber sehr wohl, ein Angebot zu schaffen, um individuellen Lern- und Lebenswegen gerecht zu werden. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Von Ihrem Antrag, meine Damen und Herren von CDU und FDP, bin ich wirklich nicht überrascht, und Sie werden von meiner Reaktion darauf nicht überrascht sein. Es ist bekannt, dass die Linke die Einrichtung von Leistungs- und Begabungsklassen abgelehnt hat. Es ist im Übrigen kein Zufall, dass es in meinem Landkreis, dem Landkreis Oberhavel, keine Leistungs- und Begabungsklassen gibt. Auch bei uns leben natürlich Kinder mit schneller Auffassungsgabe, Kinder mit hohem sprachlichem Niveau, Kinder, die rasch Zusammenhänge erfassen, Kinder, die eine ursprüngliche Freude daran haben, sich geistig zu tummeln. So in etwa lautet übrigens die entsprechende Definition des Bundesbildungsministeriums.
Auch wir im Landkreis Oberhavel versuchen, diese Kinder gezielt zu fördern - Herr Büttner, Sie haben auf die unterschiedlichen Wege abgezielt -, aber nicht durch Bildung vermeintlich homogener Gruppen, sondern wir tun das individuell. Begabung ist immer individuell. Damit bin ich schon bei der grundsätzlich anderen Philosophie, die unserer Haltung im Vergleich zu der Ihrigen zugrunde liegt. Das ist, zumindest zunächst, eher eine pädagogische als eine politische Frage.
Sie, meine Damen und Herren von CDU und FDP, gehen davon aus, dass Begabung naturgegeben, angeboren sei. Aus der behaupteten „natürlichen Ungleichheit“ leiten Sie eine spezielle Sie sagen: „begabungsgerechte“ - Förderung, differenzierte Bildungsangebote und im Grunde auch das gegliederte System ab.
(Senftleben [CDU]: Wir sind ja auch alle unterschiedlich in diesem Landtag und bilden verschiedene Fraktionen!)
Wir gehen von der universellen Bildungsfähigkeit des Menschen aus und sagen: Jeder Mensch ist begabt. Menschen mit
besonderen Begabungen sind unterschiedlich, wie es auch verschiedene Begabungen gibt. Die Ausformung dieser Begabungen ist wiederum unterschiedlich. Es gibt keine festen, angeborenen Dispositionen, sehr wohl aber lebenslange Entwicklungsprozesse. Im Zuge der Aneignung von „Weltwissen“ sind Anregungen materieller Art und natürlich auch solche des sozialen Umfeldes wesentlich.
Weil dem so ist, muss Schule ein anregungsreiches Klima bieten, und zwar für jedes Kind. Wir schöpfen in diesem Land die Potenziale bisher unzureichend aus. In dieser Einschätzung sind wir uns einig. Dafür gibt es verschiedene Ursachen. Eine davon ist, dass es Defizite im Umgang mit Heterogenität, mit Unterschiedlichkeit gibt; Herr Büttner, da bin ich bei Ihnen. Menschen mit niedrigem sozialen Status haben es übrigens inzwischen auch in Brandenburg schwer, höhere Bildung zu erwerben. Wir finden an den Gymnasien und erst recht in den Leistungs- und Begabungsklassen so gut wie keine Kinder mit Lernmittelbefreiung. Dem wollen wir mit dem Schüler-BAföG entgegentreten. Das ist natürlich nur ein Tropfen auf den heißen Stein, aber immerhin. Mit einer Ausweitung der Leistungsund Begabungsklassen würden wir den Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungsbeteiligung weiter verstärken. Genau das wollen wir nicht.
Sie behaupten in der Begründung Ihres Antrags, die Leistungsund Begabungsklassen seien erfolgreich. Ja, sie sind gut angewählt. Eltern wollen immer das Beste für ihre Kinder, das ist selbstverständlich. Es gibt auch andere Gründe, zum Beispiel, dass man mit einer ganz konkreten Situation an einer Grundschule unzufrieden ist.
Natürlich unterrichten Gymnasiallehrer gern in Klassen, die durchweg aus sogenannten „handverlesenen“ Schülerinnen und Schülern bestehen, wie ich sie vorhin charakterisiert habe. In der Regel kommen diese Schülerinnen und Schüler aus bildungsnahen Elternhäusern, was vieles erleichtert. Aber den „Erfolg“ müssen wir doch erst evaluieren. Woran machen wir ihn denn fest? Wie wird das Abitur dieser Schülerinnen und Schüler aussehen? Wie wird sich ihre berufliche Entwicklung gestalten? Wie wird sich ihre soziale Kompetenz entwickeln? Schließlich: Wohin fließt denn die Begabung dieser Schülerinnen und Schüler? Inwiefern können wir gegenrechnen, dass diese Kinder mit all ihren Anregungen, mit all ihrer Kreativität und Phantasie den Grundschulen fehlen und dort nicht mehr positiv wirken können?
Ist Ihnen bekannt, dass es bereits eine Evaluierung der Schnellläuferklassen - der Vorgänger der Leistungs- und Begabungsklassen - gegeben hat und dass von etwa 1 000 Schülern 997 gesagt haben, sie würden sich wieder für eine solche Klasse entscheiden, weil sie sich endlich im Unterricht nicht mehr langweilten und die Schule ihnen wieder Spaß mache?
Ist Ihnen außerdem bekannt, dass in der Vergleichsarbeit die in der 7. Klasse befindlichen Schnellläuferklassenschüler besser abgeschnitten haben als die Schüler der 8. Klasse an Gymna
sien? Ich stelle diese Frage, weil Sie soeben gesagt haben, der Erfolg sei noch gar nicht gemessen worden.
Ich habe schon gesagt, woran ich den Erfolg gern messen würde. Anhand einer Vergleichsarbeit ist das nicht möglich. Im Übrigen waren die Schnellläuferklassen nicht mit den jetzigen Leistungs- und Begabungsklassen identisch.
In den Schnellläuferklassen ging es um schnelleres Lernen, um das Zusammendrücken des Stoffes auf ein zwölfjähriges Abitur. Ich denke, das ist nicht vergleichbar.
Meine Damen und Herren von der CDU, Sie wollten uns mit Ihrem Antrag den Wind auch dadurch aus den Segeln nehmen, dass Sie diese flexiblen Regelungen für die möglicherweise gefährdeten Grundschulen einfordern. Sie wissen aber genau, dass die bisherigen Leistungs- und Begabungsklassen in jedem Jahr Vollzeitlehrereinheiten dem System entziehen. In Ihrer Regierungszeit ist das auch nicht durch zusätzliche Stellen kompensiert worden. Auch durch die Leistungs- und Begabungsklassen sind Pool-, also Förderstunden weggefallen. Das ist nicht wirklich gerecht.
Wir wollen die sechsjährige Grundschule als wichtigen Baustein hier im Land Brandenburg nicht gefährden. Darin sind wir uns mit dem Koalitionspartner einig. Sie können davon ausgehen, dass wir Kinder mit speziellen Begabungen auch weiterhin besonders fördern werden. Wir werden das Netz der Begabungsstützpunkte stärken. Wir brauchen keine zusätzlichen Leistungs- und Begabungsklassen, sondern gute Bildung für alle. Wir brauchen mehr Schüler mit Hochschulreife und weniger Schüler ohne Abschluss. Das alles muss Schule leisten. Das kann Schule auch alles leisten, wenn wir die Rahmenbedingungen dafür gestalten - nicht nur für die 1 769 Kinder, die eine Leistungs- und Begabungsklasse besuchen, sondern für alle 240 000 in den 10 000 Klassen. Dann ist jede Klasse eine „Leistungs- und Begabungsklasse“.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Leistungs- und Begabungsklassen sind zur Zeit der Großen Koalition auf Wunsch der CDU eingeführt worden. Dessen hat sich Kollege Hoffmann schon gerühmt.
Längeres gemeinsames Lernen befördern sie allerdings nicht. Im Gegenteil, sie höhlen die sechsjährige Grundschule aus.
Linie, dass die entsprechenden Eltern mit der Unterrichtsqualität und der Förderung ihrer Kinder in der Grundschule nicht zufrieden sind.