Wenn wir mal einen Schritt zurücktreten und ehrlich sind, müssen wir also anerkennen, dass die Menschen keineswegs allein gelassen werden, dass kein Ort aufgegeben wird und dass niemand, lieber Christoph, zynisch wegschaut. Wir haben geprüft und abgewogen, was für den ordentlichen Betrieb eines Flughafens zumutbar ist und was den Bürgerinnen und Bürgern zuzumuten ist.
Wir wollen auch für die Anrainer des Flughafens, für die Menschen, die im Einzugsbereich der Start- und Landerouten leben, die Belastungen so niedrig wie möglich halten. Unser Entschließungsantrag unterstreicht genau dieses Anliegen. Der Flugbetrieb soll von Beginn an unter der Prämisse organisiert werden, so wenig Lärmbelastung wie möglich zu verursachen. Das Lärmschutzprogramm soll unbürokratisch umgesetzt werden, und die Flughafengesellschaft soll weiter intensiv das Gespräch mit den Anwohnerinnen und Anwohnern und den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern suchen.
Eines werden wir damit aber nicht ändern können: dass dieses Verkehrsprojekt zusätzliche Belastungen für die Anwohner bedeutet. Wenn wir etwas ändern wollen, dann müssen wir grundsätzlich über Verkehrsströme und Verkehrswege sprechen. Da hast du mich, Christoph, jederzeit an deiner Seite.
Ich habe das gestern schon einmal gesagt: Anstatt zum Beispiel über eine dritte Startbahn zu sprechen, zu der wir uns gerade Ende letzten Jahres und heute noch einmal klar positionieren, sollten wir darüber reden, ob mittel- und langfristig tatsächlich jeder und alles oder derjenige, der heute oder morgen in die Luft geht, das auch in Zukunft noch tun muss. Wenn wir hier eine Trendumkehr schaffen, ist damit nicht nur den Blankenfeldern gedient.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Kircheis. - Zum Redebeitrag der Abgeordneten Kircheis hat Herr Abgeordneter Goetz eine Kurzintervention angemeldet. Herr Abgeordneter Goetz, Sie haben dazu jetzt die Gelegenheit.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Kollegin Kircheis, Sie haben darauf hingewiesen, dass immer wieder der Eindruck vermittelt werde, dass Politik die Anliegen und Probleme der Betroffenen nicht ernst nehme und dass das falsch sei, dass das so nicht sei. Dass aber dieser Eindruck immer wieder entsteht, liegt zum großen Teil eben auch an der Politik selbst. Auch Sie haben diesem Eindruck eben wiederum Vorschub geleistet. Sie haben zum einen gesagt, dass die SPDFraktion die Sicherheit immer an die erste Stelle stelle. Das ist völlig unstreitig. Das macht die SPD-Fraktion, das machen alle anderen Fraktionen, das machen auch die Bürgerinitiativen, das machen auch die Menschen im Umfeld Schönefelds, des neuen Flughafens, auch die wollen, dass Sicherheit an erster Stelle steht. Sie haben dann gesagt, dass für Ihre Fraktion der Lärmschutz an zweiter Stelle stünde. Genau da ist die Wahrnehmung der Realität eine andere, nämlich die, dass bei Abwägungen von Lärmschutz und Wirtschaftlichkeit im Zweifel oft Entscheidungen zugunsten der Wirtschaftlichkeit getroffen wurden. Auch das stellen die Betroffenen fest. Wir haben eine Vielzahl von Entscheidungen dazu gehabt. Das Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr war zum Beispiel eine solche Entscheidung, bei der zwischen Wirtschaftlichkeit und Lärmschutz abgewogen und die Abwägung zugunsten der Wirtschaftlichkeit getroffen wurde. Das ist ein Beispiel von vielen, die immer wieder dazu führen, dass die Leute hören, Lärmschutz sei für uns ganz wichtig, stehe auf Platz 2, aber eine andere Realität wahrnehmen und entsprechend reagieren.
Wenn wir einmal allein auf diese Woche schauen, was an neuen Ergebnissen bekannt geworden ist: Die Anwaltskanzlei, die die Kommunen Teltow, Kleinmachnow und Stahnsdorf vertritt, hat Akteneinsicht genommen und festgestellt, dass wir ab Juni im Gegensatz zu bisher angekündigten 48 Überflügen über die eine Route mit über 80 Überflügen rechnen müssen. Es ist nicht etwa so, dass die Flughafengesellschaft das nach außen getragen und kommuniziert, dass sie gesagt hätte: Hier hat sich etwas geändert, es werden mehr Überflüge. Es ist nicht so, dass die Landesregierung das gemacht hätte oder wer auch immer.
Nein, die betroffenen Kommunen nehmen Akteneinsicht und stellen fest, dass neue Erkenntnisse vorliegen, und zwar schon seit vielen Monaten, die aber nicht gebracht worden sind. Die Leute stellen auf eigene Initiative schrittweise fest: Es werden Teile der Wahrheit vor uns verborgen, wir werden ab 3. Juni, wenn der Flughafen in Betrieb geht, mit neuen Realitäten konfrontiert. Das schafft neues Misstrauen. Da muss Abhilfe geschaffen werden. Es gibt deutlichen Bedarf an verbesserter Kommunikation. Selbst wenn neue Belastungen dazukommen, müssen die von der Landesregierung und von der Flughafengesellschaft kommuniziert werden und dürfen nicht erst zufällig durch Dritte herauskommen. Genau deswegen besteht immer wieder der Eindruck, dass Politik die Anliegen der im Umland Betroffenen eben nicht ernst nimmt, sondern sich anders verhält. Es entsteht der Eindruck, dass Wirtschaftlichkeit eben doch vor Lärmschutz geht. - Ich danke Ihnen.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Goetz. - Frau Abgeordnete Kircheis hat die Möglichkeit, darauf zu reagieren. - Sie verzichtet. Demzufolge setzen wir die Aussprache mit dem Beitrag der CDU-Fraktion fort, den Herr Abgeordneter Genilke halten wird.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zum wiederholten Male befassen wir uns mit dem Thema Lärmschutz am Flughafen Berlin-Brandenburg. Das war auch in den letzten Wochen mehrmals Thema im Ausschuss für Infrastruktur und Landwirtschaft. Dabei zeigt sich immer wieder, dass die Landesregierung nicht nur aus meiner Sicht mit dem Thema Flughafen mittlerweile absolut überfordert ist. Uns liegen nun drei Anträge vor, dazu ein hilfloser und überflüssiger Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen und einer, wie ich meine, die Tatsachen benennender Entschließungsantrag unserer Fraktion.
Erneut sollen wir heute über das Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr abstimmen. Das Umweltbundesamt hat in seinem Gutachten zur lärmfachlichen Bewertung der Flugrouten am BER erneut ein solches Nachtflugverbot gefordert. Wir alle haben die Studie gelesen. Wir erwarten von der Landesregierung nun auch einmal eine Stellungnahme, wie sie sich dazu positioniert.
Meine Fraktionsvorsitzende hat alle Fraktionsvorsitzenden dieses Landtags, aber auch die Landesvorsitzenden zu einem Gespräch eingeladen. Keine einzige Partei, keine einzige Fraktion hat dieses Gesprächsangebot angenommen.
Nun gilt es, auf der Grundlage geltenden Rechts Lösungen zu finden. Ich möchte an dieser Stelle das Beispiel Frankfurt am Main ansprechen. Wir waren letzte Woche dort. Seit Oktober 2011 gilt in Frankfurt am Main ein striktes Nachtflugverbot von 23 bis 5 Uhr. Die Flüge, die bis dahin in den Nachtzeiten abgefertigt worden sind, wurden eine Zeitlang zum Flughafen Köln/ Bonn verlagert. Neuerdings werden diese Flüge jedoch wieder in Frankfurt, und zwar nicht in den Nachtzeiten, abgefertigt. Das heißt, es gibt offensichtlich Spielräume und Möglichkeiten.
Hier müssen wir ansetzen. Auf der Grundlage des Planfeststellungsbeschlusses müssen wir im Dialog mit den Airlines nach Lösungen für mehr Lärmschutz suchen, und das Beispiel Frankfurt zeigt, dass dies sehr wohl möglich ist. Darüber hinaus müssen wir natürlich auch über andere Anreizmechanismen nachdenken; ein Stichwort ist hier sicherlich Lärmentgelte.
Zur Frage einer dritten Start- und Landebahn. Wir haben bereits gestern darüber debattiert. Die Landesregierung verschließt weiterhin die Augen vor der Problematik, wie ich meine, nach dem Motto: Es wird schon alles gut gehen, wir werden schon kein Kapazitätsproblem haben. - Ich zitiere aus Ihrem eigenem Gutachten - ich habe es mitgebracht, weil ich den Eindruck habe, dass einige es nicht gelesen haben -, 100 Seiten stark, vom MIL in Auftrag gegeben, auf den 6. Oktober 2011 datiert - ich habe es vor zwei Wochen auf Anfrage bekommen -: Vorläufig wird noch evaluiert im Hinblick auf die Verkehrsprognose. Das heißt, bevor der Ausschuss diese Studie zur Verkehrsentwicklung der Allgemeinen Luftfahrt in Berlin-Brandenburg offiziell in der Hand gehalten hat, wurde das Ergebnis schon wieder schön- bzw. plattgemacht. Ergebnis dieses Gutachtens ist, dass wir in Spitzenzeiten im Bereich der Allgemeinen Luftfahrt 120 Flugbewegungen pro Stunde haben werden - früh zwischen 8 und 10 Uhr - ich habe es gestern angesprochen -, aber auch nachmittags zwischen 16 und 19 Uhr. Das ist die Problematik des Ganzen. Daraufhin hat der Minister sich genötigt gefühlt zu sagen: Dann müssen sie halt nach Cottbus fliegen, dann müssen sie in Schönhagen landen. - All das funktioniert sicherlich zum Teil, nur dass wir einen Single-Airport haben, geben wir damit im Grunde schon im Vorfeld auf. Das ist das Problem, was ich sehe. Frau Kircheis, wenn Sie heute sagen, wir müssten über die Luftverkehre noch einmal reden, haben Sie unseren gestrigen Antrag offensichtlich nicht richtig gelesen. Sie haben mit dem Flächenverbrauch, mit der Umnutzung von bestimmten Flächen, die möglicherweise infrage kommen, wenn es 2020 tatsächlich zu Engpässen kommt - so steht es im Gutachten -, Tatsachen geschaffen.
Jetzt komme ich zu einem weiteren Aspekt: Bei den kommunalen Strukturen reden wir vom Jahr 2030 - das ist in 18 Jahren. Ihr Cottbuser Bürgermeister möchte wenn möglich Studien, die sich mit der Entwicklung der Kohle bis zum Jahr 2070 beschäftigen, erarbeitet haben. Nur beim Flughafen möchten Sie nicht einmal acht Jahre nach vorn denken. Das macht Sie unglaubwürdig, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Wir haben auch in Schönhagen keine Kapazitäten. Wir denken immer, wenn wir von der Allgemeinen Luftfahrt, von der Business Aviation reden, dass einmotorige Flugzeuge wie die Cessna gemeint sind. Das ist längst vergessen. Ich rate Ihnen, Studien zu lesen, die nicht vom MIL erstellt wurden - und berichtigt worden sind, bevor wir sie gelesen haben. Es gibt Studien von Roland Berger, in denen eindeutig steht, dass der Luftverkehr im Business-Aviation-Bereich um 9 % wachsen wird. Das sind Flugzeuge mit 10 bis 120 t Abfluggewicht. In Schönhagen können nur Flugzeuge mit maximal 14 t landen, weil die Landebahn entsprechend klein ist. Da, wo Flugzeuge nicht starten können, können sie auch nicht landen. Dann gibt es ein Problem. Wohin sollen sie? Die Antwort der Metropolregion Berlin kann doch nicht ernsthaft lauten, dass diese Flugzeuge in Leipzig oder Cottbus landen sollen. Meine Damen und Herren, kommen Sie zur Vernunft! Das ist Unfug und wird uns nicht weiterbringen.
Wir kommen auch nicht mit der Maßgabe hin, dass die Menschen für eine Entfernung von 600 km gefälligst die Bahn nutzen. Der Flughafen Schönefeld wurde seinerzeit - das können Sie gern nachlesen - für 18 Millionen Passagiere gebaut. Das war in der DDR möglich. Dort wurde das Problem anders gelöst, nämlich dadurch, dass die Freizügigkeit der Menschen eingeschränkt wurde. Ich denke, das kommt für uns wohl nicht infrage.
Der Minister hat uns gestern vorgeworfen, wir stünden mit unserem Anliegen, uns einer neuen Startbahn zu widmen, isoliert in der Welt. Vielleicht stehen wir damit isoliert in diesem Landtag, bei den Leuten im Lande stehen wir diesbezüglich nicht mehr isoliert da. Sie haben verschlafen und den Zug längst verpasst.
(Frau Mächtig [DIE LINKE]: Sie haben eine Diskoanlage beschlossen und wundern sich nun, dass sie laut ist!)
Was mich richtig verwirrt, ist, dass die für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz zuständige Ministerin bei der ganzen Betrachtung - wir reden heute über Gesundheit, so heißt Ihr Antrag, Herr Schulze - nicht ein einziges Wort gesagt hat. Sie ist in dieser Frage, gerade was den Schallschutz angeht, geradezu eine Schlaftablette, das muss ich Ihnen so ehrlich sagen. Das geht so nicht weiter.
Zum Thema Lärmschutz und Lüfter hat sie nichts gesagt. Was die Anfrage unseres Abgeordneten Dombrowski im Ausschuss zum Thema Klimaschutz, Lüftereinbau angeht, so war der Vertreter Dr. Helsig nach drei Minuten verschwunden. Er ward im Ausschuss nicht mehr gesehen. Das ist keine Handlungsweise einer tragfähigen Regierungsmannschaft. Das ist Feigheit.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte gar nicht auf das eingehen, was sonst noch zu klären wäre. Denken wir an das NAT-Kriterium. Wir haben eine sprachlose Landesregierung, die sich Dinge gefallen lässt, die sie im Planfeststellungsbeschluss nicht verortet hat. Das habe nicht ich beschlossen, das stand im Planfeststellungsbeschluss, und ich erwarte von der Landesregierung, dass sie noch einmal eindeutig klarstellt, dass dies gilt, dass sie das der Flughafen-Gesellschaft gefälligst auch so vermittelt und nicht wartet, bis ein Klarstellungsantrag gestellt wird. Wo kommen wir denn da hin? Irgendetwas muss sich die Planfeststellungsbehörde ja dabei gedacht haben, als sie das Nichtüberschreiten von 55 db(A) festgelegt hat. Jetzt sagt sie: Es wird einmalig Lärmschutz eingebaut, und wenn es vonseiten des Flughafens anders eingebaut wird, ist bis 2015 Ruhe. - Es kann doch nicht ernsthaft unsere Herangehensweise sein, dass wir einen Lärmschutz für drei Jahre einbauen.
Meine Damen und Herren! Ich denke, das, was wir gesagt haben, ist nicht aus der Luft gegriffen. Das haben uns gestern zumindest die Abgeordneten der FDP, Herr Beyer, zugebilligt. Alle von uns im Landtag und im Ausschuss verwendeten Zahlen waren nicht unsere eigenen, sondern Zahlen, die wir von der Landesregierung nach Anfragen oder Studien erhalten haben.
Herr Schulze, Sie können sich darauf verlassen, dass wir zumindest Ihrem Antrag, was die Festschreibung des Landesentwicklungsprogramms angeht, folgen. Das, was Sie fordern, ist nur folgerichtig und zeigt die Ernsthaftigkeit. Ich bin gespannt, ob sich die Regierungskoalition auch darauf einigen kann. Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Genilke. - Die Aussprache wird nunmehr mit dem Beitrag der Fraktion DIE LINKE fortgesetzt. Frau Abgeordnete Wehlan hat das Wort.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Christoph Schulze, die Linke nimmt das Schutzbedürfnis der Bürgerinnen und Bürger ernst.
Ich möchte an dieser Stelle auch deutlich sagen, lieber Christoph Schulze, dass das vom Umweltbundesamt veröffentlichte Gutachten keine neue Datenlage darstellt. Es ist eine Bestätigung dessen, was wir hier seit über einem Jahr in vielen Aus