Protocol of the Session on February 23, 2012

Ich möchte an dieser Stelle auch deutlich sagen, lieber Christoph Schulze, dass das vom Umweltbundesamt veröffentlichte Gutachten keine neue Datenlage darstellt. Es ist eine Bestätigung dessen, was wir hier seit über einem Jahr in vielen Aus

schusssitzungen - im Umweltausschuss, im Ausschuss für Infrastruktur und Landwirtschaft - und auch im Landtag diskutieren. Ich bin ein bisschen enttäuscht, lieber Christoph, dass du nicht alle Dinge, die hier gelaufen sind, vollumfänglich wahrnimmst. Ich hätte dich - das möchte ich persönlich anmerken - im Kampf um die Meinungsbildung gern an meiner Seite gewusst.

Insofern möchte ich auch den Vortext meiner Rede weglassen und nur noch eine Anmerkung an Herrn Genilke richten, der hier wieder, wie es ja scheinbar die Lesart der CDU ist, die Gesundheitsministerin in die Bütt ruft. Nur, um hier die fachlichen Ebenen so zu benennen, wie sie wirklich zu benennen sind: Der Emissionsschutz liegt in der Verantwortung der Gesundheitsministerin. Das Schallschutzprogramm wird durch die FBB umgesetzt. Die Kontrollbehörde für die Umsetzung des Schallschutzprogramms ist die Planfeststellungsbehörde.

(Genilke [CDU]: Das tröstet uns!)

Deswegen, Herr Genilke, beschäftigt sich unser Ausschuss jeden Monat in einem besonderen Tagesordnungspunkt mit diesem Thema.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Lieber Christoph Schulze, ich möchte mich an Ihren Anträgen abarbeiten, um hier wirklich die inhaltliche Auseinandersetzung zu führen, weil ich nämlich denke, der Worte sind noch nicht genug gewechselt. Zu den Fragen um die Schutzbedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger kann man sich nicht oft genug in die Bütt werfen.

Ich möchte zuallererst zu Drucksache 5/4708 reden. Das Gutachten des Umweltbundesamtes ist erstellt worden, ja, aber im Rahmen der lärmfachlichen Bewertung zur Festsetzung der Flugrouten für den Flughafen Berlin Brandenburg und durch das Bundesaufsichtsamt. Die Entscheidungsebene für eine Zustimmung zum Gutachten und eine damit verbundene gesetzliche Novellierung ist der Bund. Die Linke hatte genau diese Erwartung an das Bundesaufsichtsamt und an Herrn Ramsauer, Herr Genilke, und das habe ich auch am 26. Januar, lieber Christoph, deutlich und vollumfänglich dargelegt und dazu argumentiert. Deshalb bin ich auch ein bisschen enttäuscht.

Wir haben damals im Januar Ja zu der Einschätzung des Gutachtens, es ist der falsche Standort, gesagt. Wir haben damals im Januar Ja zu der Einschätzung, dass Fluglärm krank machen kann, gesagt. Wir haben im Januar Ja zum Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr, weil stadtnaher Flughafen, gesagt. Wir haben damals - im Januar - Ja zur Empfehlung des Bundesumweltamtes gesagt, die Verfahren zur Planfeststellung und zur Festsetzung der Flugrouten von den Beteiligungs- und Mitwirkungsrechten der Bürgerinnen und Bürger her zu harmonisieren.

Frau Abgeordnete Wehlan, lassen Sie eine Frage des Abgeordneten Schulze zu?

Ich möchte zusammenhängend zu den Anträgen reden; das ist schon schwierig genug - wenn man an den Einstieg der Präsidentin denkt.

Lassen Sie mich kurz eine Anmerkung zu Ihrem Entschließungsantrag, Frau Ludwig oder Herr Genilke, machen, den Sie in die Diskussion einbeziehen wollten: All das, was ich eben dazu gesagt habe, steht explizit im Gutachten des Bundesamtes, für das Sie sich heute mit Ihrem Antrag aussprechen. Ich kann das nach der gestrigen Debatte nun wirklich nicht mehr ernst nehmen. Ihr Ja zum Bau einer dritten und nun auch vierten Start- und Landebahn zur Erweiterung des Flughafens vorzugsweise am Standort Sperenberg und Ihr Ja zu mehr Flugverkehr als Wachstumsmotor passen im wörtlichen Sinn nicht in die Landschaft. Auch das Bundesumweltamt spricht sich übrigens für die Verlagerung des Kurzstreckenflugverkehrs auf die Schiene aus. Ihr Agieren gestern und heute ist in der Sache völlig gegensätzlich und nicht schlüssig, und es ist politisch durchsichtig und billig. Sie wollen um des Kritisierens willen kritisieren.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Das bekommen Sie bei jedem Thema hin. Darüber würde ich einmal nachdenken! Nur weiß kein Mensch, was Sie eigentlich wollen.

(Genilke [CDU]: Weil es noch nie so passiert ist, Frau Wehlan!)

Ich glaube, das ist mittlerweile Ihr Markenzeichen.

Aber zurück zu Ihrem Antrag, lieber Christoph Schulze. Das Thema Nachtflugverbot ist im Landtag behandelt worden. Den Stand der Dinge kennen Sie; er ist auch für mich unbefriedigend. Aber ich erinnere Sie an Zeiten, in denen Sie als Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD in genau solchen Zwängen waren, als ich in der letzten Legislatur zu unserem Antrag für ein wirkliches Bündnis am Boden sprach, in dem auch explizit das konsequente Nachflugverbot ausgewiesen war. Die Toilettengänge oder Saalverlassereien, wenn es um Wahlkreisfragen geht, sind einfach sprichwörtlich. Ich sage das an dieser Stelle nur, weil es mir ein bisschen vorkommt, als wenn Sie uns heute zu Debatten vorführen wollten, die wir hier tief inhaltlich geführt haben und die eben nicht so einfach zu führen sind.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Ich werde deshalb ehrlich und ernsthaft für unsere Forderung, ein konsequentes Nachtflugverbot für alle deutschen Flughäfen bundeseinheitlich zu regeln, hier und und immer wieder hier werben

(Beifall DIE LINKE)

- mit klaren Vorgaben bei stadtnahen Flughäfen; genau das thematisiert das Umweltbundesamt in seinem Gutachten.

Es geht darum, gesundheitlichen Belangen von Gesetzes wegen Vorrang einzuräumen und zugleich Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden. Inzwischen liegt ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages vor, das eindeutig besagt: Es ist möglich, ein Nachtflugverbot für dicht besiedelte Regionen festzusetzen, aber eben nur auf der Bundesebene, sonst greift man verfassungsrechtlich in das Luftverkehrsgesetz ein.

Zu Ihrem Antrag in Drucksache 5/4753: Lieber Christoph Schulze, der Landtag hat sich bereits im Dezember auf Initiati

ve von SPD und die Linke gegen den Bau einer dritten Startund Landebahn, was ja die Planung einschließt, ausgesprochen. Das war übrigens an dem denkwürdigen Tag, an dem Sie Ihre Fraktion verließen. Der Beschluss vom 16. Dezember 2011 heißt: Schutzbedürfnis der Bürgerinnen und Bürger ernst nehmen und eine dritte Start- und Landebahn verhindern bzw. ausschließen, also fast genau so wie Ihr Antragstext. Und Herr Schulze, SPD und Linke sind sehr dafür, dass wir den Beschluss heute angesichts des gestrigen Begehrens der CDU zum Bau einer dritten, vierten und was weiß ich wievielten Startund Landebahn erneut bekräftigen.

(Zurufe von der CDU: Fünften! Zwölften!)

Das macht Bürgerinnen und Bürger unsicher; man kriegt hier doch überhaupt nicht mehr mit, wofür die CDU steht.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Deswegen liegt Ihnen auch der Entschließungsantrag vor - genau für diesen Punkt, den wir im Dezember schon einmal gesetzt haben.

Die Entwicklung des Luftverkehrs bedarf gerade wegen der erheblichen nachteiligen Auswirkungen auf Gesundheit und Umwelt der Steuerung und Begrenzung. Ich darf erinnern, dass im Landesentwicklungsprogramm deshalb unter anderem eine Verringerung des Kurzstreckenflugverkehrs zugunsten des Eisenbahnverkehrs festgelegt ist.

Dem gleichen Ziel dient die Festlegung in dem Beschluss vom Dezember, in dem die Landesregierung gebeten wird, sich auf Bundesebene für einheitliche Regelungen zu einem konsequenten Nachtflugverbot in dicht besiedelten Gebieten einzusetzen. Diese Forderung wurde nicht im Selbstlauf durchgebracht.

An dieser Stelle ist es nicht möglich, mehr zu diesen Fragen des Nachtflugverbots zu regeln, und das wissen Sie auch. Die Änderung des Landesplanungsstaatsvertrages mit Berlin durch beide Länder muss einvernehmlich erfolgen, und das ist auch in Berlin aktuell nicht machbar. Wer sich dafür ausspricht, die Kapazitätsentwicklung und international wettbewerbsfähige Betriebszeiten sicherzustellen, scheidet als Verhandlungspartner aus.

Mit Ihrem dritten Antrag - Drucksache 5/4754, Verschonung der Ortsmitte von Blankenfelde-Mahlow von doppelter Überfliegung von der und zur nördlichen Start- und Landesbahn sprechen Sie mir aus dem Herzen. Wir kennen beide die Betroffenheit in unserem Landkreis in Blankenfelde-Mahlow, und Sie wissen auch, dass es zwei Ebenen sind, die wir ansprechen sollten und auch müssen. Deshalb auch der Entschließungsantrag. Den haben Sie nicht einmal wahrgenommen, wenn ich Ihre Eingangsausführungen recht verstanden habe. Es gibt zwei Entschließungsanträge zu dreien Ihrer Anträge, und wir haben im Januar auch noch einen Packen Anträge in die Fachausschüsse gegeben.

Ich möchte mich in Anbetracht der Zeit noch einmal ein bisschen konzentrieren.

(Lachen und vereinzelt Beifall bei der CDU sowie Zuruf: Ja, konzentrieren Sie sich!)

Das Problem, das in diesem dritten Antrag vermittelt wird, betrifft mehrere Ebenen: die Deutsche Flugsicherung, die Flugrouten, das Bundesaufsichtsamt. Sie haben das alles ausführlich in Ihrer Begründung geschrieben. Wir sollten gemeinsam alle Möglichkeiten zur Veränderung dieser Situation nutzen.

Die Chance ist uns auch mit der Empfehlung des Umweltbundesamtes gegeben, einen Evaluierungszeitraum einzuziehen, den wir nun auch durch das Bundesaufsichtsamt für ein Jahr bestätigt bekommen haben. Ich denke, gerade deshalb ist es wichtig, dass wir heute diesen Akzent setzen und uns auch zu dieser politischen Herangehensweise verständigen.

Die zweite Ebene - das ist unsere Ebene, und das ist auch wieder die Ebene FBB - haben wir in unserem Entschließungsantrag deutlich benannt, und deswegen werbe ich für die Entschließungsanträge und natürlich auch dafür, hier politischen Druck zu machen.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Der Abgeordnete Beyer setzt für die FDP-Fraktion fort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber wenn ich in der Einleitung zu einem Tagesordnungspunkt - wie eben durch die Frau Präsidentin vorgetragen - höre, dass diverse namentliche Abstimmungen beantragt sind, ist eines immer klar: Es geht um eine extrem wichtige Debatte, die viele Bürgerinnen und Bürger im Land berührt. Ob es dann aber in der Debatte immer ausschließlich um die Sache geht, ist leider eine andere Frage.

Ganz ähnlich ist das auch mit der Sache: Wenn man als Parteivorsitzender eine Einladung von einer anderen Parteivorsitzenden des Landes bekommt, weiß man, das es um eine extrem wichtige Frage geht, die mit Sicherheit viele Menschen im Land Brandenburg berührt; aber ob es dann ausschließlich um die Sache gehen soll, ist auch eine andere Frage.

(Beifall FDP, GRÜNE/B90 und vereinzelt SPD und DIE LINKE)

Aber wie das auch immer sein mag, ich möchte eines auf alle Fälle festhalten: Wir debattieren vielfach zu diesen Themen, die hier heute anstehen, wir haben uns in den vergangenen Wochen und Monaten in vielen Plenardebatten damit beschäftigt, und ich habe den Eindruck - ich möchte das ausdrücklich betonen -, dass alle fünf Fraktionen und auch alle 88 Kolleginnen und Kollegen dieses Hauses das Schutzbedürfnis der Bürgerinnen und Bürger im Land Brandenburg ernst nehmen.

(Beifall FDP und vereinzelt SPD)

Ich glaube nicht, dass es in dieser Frage darum geht, mehr oder weniger fair zu sein, sondern es geht um wichtige Fragen, bei denen wir alle in teilweise schwierigen Abstimmungsbedürfnissen stehen.

Davon aber ganz unabhängig - ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, Kolleginnen und Kollegen - habe ich ein wenig den Über

blick über die diversen Anträge, Entschließungsanträge und Neudrucke verloren. Wenn ich es richtig sehe, liegen uns fünf Anträge vor: SPD und die Linke reichen zwei Entschließungsanträge mit mehr oder weniger ähnlichem Inhalt ein - ich meine das ganz wertneutral -, der eine bezieht sich auf drei Anträge des Abgeordneten Schulze, der andere nur auf ein Detailthema; dann gibt es noch diverse Neudrucke und auch heute noch einmal Neudrucke - also es ist relativ kompliziert. Das soll uns nicht davon abhalten - ich schließe mich da Kollegin Wehlan an zu versuchen, diese Dinge sach- und fachgerecht abzuarbeiten.

Es gibt einen ersten Antrag des Kollegen Schulze, der Kolleginnen und Kollegen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Kollegen Goetz, der sich mit dem Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr beschäftigt. Darüber haben wir im Landtag bereits abgestimmt. Wir haben damals auch festgestellt: Es gibt eine Nachtflugregelung, die durch das Bundesverwaltungsgericht bestätigt ist. Ich sage deshalb deutlich - es wird ja namentliche Abstimmungen geben -: Ich werde diesen Antrag ablehnen.

Zweitens gibt es einen Entschließungsantrag der CDU-Fraktion zu diesem Thema, der - soweit ich das beurteilen kann - in Punkt 1 und 2 identisch mit dem vorgenannten Antrag der Kollegen Schulze, Goetz und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist. Punkt 3 lautet, dass eine Arbeitsgruppe gegründet werden soll. Diese Arbeitsgruppe soll dem Ziel dienen, in einen Dialog zwischen Flughafengesellschaft und Betroffenen zum Thema der Nachtrandzeiten, die auf das absolut notwendige Maß zu reduzieren sind, zu treten.

Sie alle kennen diesen Spruch, den ich jetzt zu den Arbeitsgruppen machen könnte. Ich mache ihn nicht, das Thema ist mir zu ernst; es stellt sich mir aber doch die Frage, was eine weitere Arbeitsgruppe in diesem Verfahren bewirken soll. Ich sage deshalb ganz klar: Der Antrag ist durchaus ernst zu nehmen, er ist auch berechtigt, aber er wirkt ein bisschen auf mich, als sei er nichts Halbes und nichts Ganzes, und deshalb werde ich ihn ablehnen.

Es gibt drittens den Antrag des Abgeordneten Schulze, der Grünen und des Kollegen Goetz, der sich auch wieder um ein Thema dreht, mit dem wir uns vielfach beschäftigt haben: Es geht um die sogenannte dritte Start- und Landebahn. Wir als Liberale nehmen Landtagsbeschlüsse ernst. Ich habe diesen damaligen Beschluss nicht geteilt, ich habe ihm auch nicht zugestimmt, ich halte ihn für falsch, aber es ist der Rahmen, in dem wir uns bewegen - ganz einfach! Ich denke, wir sollten das akzeptieren. Als Liberaler sage ich deutlich: Ich will mich heute nicht für alle Zeiten festlegen. Ich will Entscheidungen dann treffen, wenn sie sich real stellen. Und ich glaube, diese Entscheidung stellt sich momentan nicht. Wie das auch immer sei andere Kollegen sehen das anders -, ich werde auch heute diesen Antrag ablehnen.