Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr verehrte Frau Lehmann, der Gesetzentwurf des Versorgungsstrukturgesetzes
greift Regelungen für zukünftige Schließungsverfahren auf, aber - Ihre Frage ist berechtigt - nicht ausreichend.
Ich möchte aber noch sagen: Dass wir überhaupt in die Situation kommen, dass Krankenkassen geschlossen werden müssen, hat damit zu tun, dass es im vergangenen Jahr ein Finanzierungsgesetz des Bundes gab, mit dem die Beitragssatzungsautonomie der Krankenkassen aufgehoben worden ist und die Notwendigkeit besteht, Mehrkosten über Zusatzbeiträge der Krankenkassen zu leisten. Erst diese Situation hat zur Schließung der Kassen geführt. Es widerspricht dem Gedanken einer Sozialversicherung, wenn die Krankenkassen auf diese Art und Weise in den Wettbewerb geschickt werden. Die Folgen waren absehbar, und sie sind eingetreten; die Leidtragenden - das ist das Problem - sind die Versicherten.
Der Gesetzentwurf des Versorgungsgesetzes greift dieses Problem auf, das nach den Erfahrungen aus dem Schließungsverfahren der City BKK unbedingt der Lösung bedurfte. Mit dem, was jetzt geregelt ist, soll das Kassenwahlrecht gestärkt und die Ablehnung eines Versicherten durch die Krankenkassen verhindert werden, was gesetzlich sowieso als Pflicht geregelt ist. Die Kassenaufsicht kann dem Kassenvorstand bei rechtswidriger Ablehnung eines Mitgliedes - das wird neu sein - ein Zwangsgeld von 50 000 Euro verhängen. Das hätte in dem vergangenen Schließungsprozess vielen geholfen und deutliche Entscheidungen befördert.
Das eigentliche Problem ist, dass der Gesetzgeber in Bezug auf Versicherte, die wegen laufender Behandlungen oder einer Pflegestufe kontinuierlich Leistungen der Kassen beanspruchen und erhalten, keine Regelungen getroffen hat. Sie sind nicht Bestandteil des Gesetzentwurfs, und das ist schlecht. Der Gesetzgeber stellt dies ausweislich des neuen § 217 SGB V in die Zuständigkeit des GKV-Spitzenverbandes Bund. Ich bezweifle, dass das ausreichend sein wird. Der Gesetzentwurf des Versorgungsgesetzes schreibt zu dieser Problematik in § 155 Abs. 2 SGB V lediglich vor, dass der Vorstand einer geschlossenen Kasse alle für die Erbringung der Leistungen erforderlichen Angaben beibringen muss. Insbesondere vor dem Hintergrund weiterer drohender Schließungen im BKK-System ist zunächst mit einer noch bestehenden Rechtsunsicherheit und weiteren Belastungen für die verbleibenden Kassen zu rechnen. Das bedeutet weitere Belastungen auch für die Versicherten. Wir werden sehen, wie der GKV-Spitzenverband Bund dieses Problem löst; da müssen wir abwarten.
Das Versorgungsgesetz enthält keine Vorgaben für einen geordneten Übergang; dazu muss die sogenannte Taskforce des GKV-Spitzenverbandes Regelungen erlassen. Sie sehen, es gibt eine Menge Defizite im Gesetzentwurf. Wir werden unsere Position bis zur Verabschiedung des Gesetzentwurfs über die Ausschüsse des Bundesrates einbringen. Unser Ministerium richtet eine offene Arbeitsgruppe aller Aufsichtsbehörden ein; das erachten wir gerade auch mit Blick auf die beabsichtigten weiteren Schließungen im BKK-System als notwendig. Ich möchte Sie an dieser Stelle informieren: Der Vorstandsvorsitzende der AOK Nordost hat mir schriftlich mitgeteilt, dass die AOK aus dem Schließungsverfahren der City BKK gelernt habe und gut aufgestellt sei, um Versicherte aufnehmen zu können. - Vielen Dank.
Vielen Dank. - Wir kommen zur Frage 744 (Euro-Gipfel in Brüssel und Wirkungen auf den Landeshaushalt Branden- burgs), die der Abgeordnete Görke stellt.
Der Europäische Rat hat Ende Oktober ein Maßnahmenpaket zur Stabilisierung der Finanzmärkte in Europa beschlossen. In diesem Maßnahmenpaket ist unter anderem als Zielstellung formuliert, dass die Defizitgrenze in Griechenland bis zum Jahr 2020 um 120 % gesenkt werden soll. Zur Absicherung dieser finanzpolitischen Risiken haben die EU und die Europäische Finanzunion beschlossen, ein Paket über 100 Milliarden Euro, welches durch sogenannte finanzpolitische Hebel flankiert wird, aufzulegen.
Ich frage die Landesregierung: Welche Auswirkungen haben die Beschlüsse des Europäischen Rates auf den Landeshaushalt?
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Görke, Sie haben angemerkt, dass beschlossen worden ist, die Schuldenlast zu reduzieren und dazu ein Instrument mit dem unmöglichen Namen „Europäische Finanzstabilisierungsfazilität“ - das kann sich kaum jemand merken - zu schaffen. Die EFSF verfügte über ein bestimmtes Volumen. Alle waren sich einig, dass dieses Volumen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit im Krisenfall nicht ausreichend sein würde, und deswegen ist beschlossen worden, zwei zusätzliche Hebel einzusetzen - entweder separat oder kombiniert.
Was bedeuten diese Hebel? Der eine Hebel ist das sogenannte Versicherungsmodell, das ist in etwa vergleichbar mit der Teilkaskoversicherung eines Autos. Die Finanzfazilität garantiert für neue Anleihen die Übernahme der Garantie von 20 % oder 30 %. Damit erhofft man sich, dass auch andere Anleger Anleihen kaufen. Wenn ein Verlust eintritt, haften sie erst, wenn er oberhalb von 20 % oder 30 % liegt. Das setzt voraus, dass sich genügend andere Kapitalgeber finden lassen, und macht es zwingend erforderlich - weil es sonst nicht funktioniert -, dass mit den Garantien langfristig und strukturell Haushalte in Ordnung gebracht werden. Das heißt, man geht davon aus, dass sich die Länder für geringere Kreditzinsen Geld am Markt besorgen können, wenn diese Garantie gegeben wird.
Der zweite Hebel ist das sogenannte Zweckgesellschaftsmodell. Die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität würde sich als Miteigentümerin an einer Zweckgesellschaft an Anleihen von Staaten beteiligen. Der Vorteil ist - das muss man durchaus anerkennen -, dass man damit das Volumen erhöht und nicht den Garantierahmen für die öffentliche Hand, also für diejenigen, die sich an der Stabilisierungsfazilität beteiligen, konstant hält. Wenn die Hebel ihre Wirkungen verfehlen, bedeutet das nichts anderes, als dass die Gesamtgarantiesumme enorm steigt. Das gleiche Problem: Es muss funktionieren. Insgesamt betrachtet kann das verheerende Auswirkungen haben.
Das Problem ist, dass nur Pflaster geklebt werden; die Ursache wird nicht bekämpft. Solange sich die Mitgliedsstaaten im Euroraum nicht dazu verständigen, dass man den Handel mit Finanzprodukten verbieten muss, weil das nichts mehr mit Realwirtschaft zu tun hat, dass man ganz andere Instrumente wie eine Finanztransaktionssteuer einführen muss - jeder Bürger muss Mehrwertsteuer zahlen, wenn er etwas kauft, der Handel mit Finanzprodukten ist „for nothing“ - und außerdem die Haushalte der Mitgliedsstaaten im Euroraum, nicht nur den Haushalt des eigenen Landes, stärker kontrollieren muss, ist das Problem nicht gelöst.
Es ist des Weiteren entschieden worden, dass das Eigenkapital der Banken bis 2012 auf 9 % aufgestockt werden soll.
Sie fragten nach den Auswirkungen auf Brandenburg. Zunächst muss man sagen, dass sich die von der Bundesrepublik gegebene Garantie ausschließlich auf Garantien der Mitgliedsstaaten bezieht. Das hat also keine unmittelbare Auswirkung auf Brandenburg, aber indirekt kann das sehr wohl der Fall sein. Wenn die Garantie eingelöst würde, müsste die Bundesrepublik Deutschland neues Geld am Kreditmarkt aufnehmen, und das wäre wahrscheinlich nicht mehr zu so günstigen Konditionen wie derzeit möglich. Wenn die Bundesrepublik zu schlechteren Konditionen Kredit aufnimmt, ist die Gefahr, dass das im Durchgriff Auswirkungen auf Brandenburg haben könnte, nicht von der Hand zu weisen. Wir sind gut geratet, weswegen wir derzeit günstig Kredit aufnehmen können, aber Auswirkungen sind sehr wohl möglich, weil die Bonitätsbewertungen eines Bundeslandes nicht vollkommen unabhängig sind vom Bund; das würde ja keinen Sinn machen.
In der zweiten Runde wären wir betroffen, wenn die Bundesrepublik Deutschland - weil sie das Maastricht-Kriterium einhalten muss - das zusätzlich ausgegebene Geld anderswo einsparen muss. Das kann in Bereichen geschehen, an denen die Bundesländer beteiligt sind, oder bei Sozialausgaben, wovon Länder und Kommunen stark betroffen wären. Der Bund könnte versuchen - dies ist hypothetischer Natur -, sich einen größeren Anteil an der Umsatzsteuer zu sichern. Mögliche Zinserhöhungen hätten Auswirkungen auf Privathaushalte und kleine und mittelständische Unternehmen; nicht nur, dass die Kreditzinsen stiegen, gleichzeitig würden auch die Einlagen geringer bezinst. Das hat dann wiederum eine Auswirkung auf die Kaufkraft. Aber Kaufkraft und Binnennachfrage sind etwas ganz Wichtiges.
Sie sehen: Folgewirkungen sind durchaus möglich. Wir hoffen alle gemeinsam, dass uns dies erspart bleibt. - Danke.
Herr Minister, die Frage des Kollegen Görke war eigentlich recht kurz und einfach, nämlich: Gibt es Auswirkungen auf Brandenburg? Die Antwort ist schlicht und ergreifend: Mittelfristig ja!
Die Frage, die ich gern nachgeordnet stellen möchte, ist - Sie haben das sehr einseitig dargestellt -: Würden Sie mir Recht
geben, dass die Auswirkungen auf Brandenburg sehr viel schwieriger und riskanter gewesen wären, wenn man diese Maßnahmen nicht ergriffen hätte? Diesen Aspekt hätte ich gern noch einmal betrachtet.
Ich bin gern bereit, diesen Aspekt zu erwähnen, weil auch auf Grundlage der Intervention von Brandenburg sehr wohl ein Umdenken bezüglich der Kreditvergabe an Griechenland erfolgt ist.
Wenn Sie sich erinnern: In dem ersten Hilfspaket hat man die Kreditvergabe an Griechenland über Privatinvestoren laufen lassen. Das bedeutete, dass sich diese bei der Europäischen Zentralbank für ungefähr 1 bis 1,5 % Geld geliehen und an Griechenland mit Zinsen bis zu 14 % weitergereicht haben. Damit hat man Griechenland kaputtgemacht. Ein Land, welches kein Geld hat, kann nicht noch 14 % Zinsen zahlen.
Daraufhin kam in der bundesdeutschen Debatte - einschließlich Brandenburgs - der Vorschlag: Wenn man dort tatsächlich helfen will, muss man die Laufzeiten verlängern und die Kreditzinsen minimieren, damit das Land überhaupt eine Chance hat. Das hat man gemacht. Das ist richtig und das ist gut so ganz klar und deutlich gesagt.
Ich sage lediglich, wie man diese Fazilität ausgestaltet hat. Da hätte ich mir durchaus noch viel mehr Maßnahmen - das habe ich darzustellen versucht - zusätzlich gewünscht.
Denn so haben wir - da wiederhole ich mich - die Ursache nicht beseitigt. Selbstverständlich glaube ich, dass es notwendig ist.
Es war schon bei der Einführung des Euro das Problem: Der Euro ist überall eingeführt worden, obwohl die Länder eine total unterschiedliche Produktivität hatten. Wenn man dann nicht zumindest eine Harmonisierung oder Annäherung von wirtschaftspolitischen, arbeitsmarktpolitischen und steuerpolitischen Maßnahmen organisiert, wird immer derjenige, der ökonomisch stärker ist - das ist in diesem Fall die Bundesrepublik Deutschland - davon profitieren. Denn sie kann ihre Waren viel besser nach Griechenland verkaufen, und wir setzen damit auch die kleine und mittelständische Industrie in diesem Land unter Druck, weil die Produktivität bei uns höher ist und wir dadurch billiger exportieren können. Also ist es, so glaube ich, auch im Interesse der Bundesrepublik Deutschland, dass der Euro stabil gehalten wird und dass die Länder nicht aus dem Euro-Raum ausscheren.
Da Sie mich soeben gefragt haben: Ich habe mich sehr gewundert, wovor die europäischen Staats- und Regierungschefs auf einmal Angst haben, wenn der Chef eines Landes auf die Idee kommt, dass man, wenn man so drastisch eingreifen muss, die Bevölkerung befragen müsse, damit sie auch weiß, worüber sie abstimmt.
Ich habe mich dabei natürlich an Brandenburg erinnert. Wir haben gute Erfahrungen mit Volksentscheiden; wir hatten bereits zwei. Einmal hat die Bevölkerung gesagt: „Jawohl, was dort vorgeschlagen wird, ist wunderbar.“ Das war unsere Verfassung. Beim zweiten Mal, bei der vorgesehenen Zusammenlegung von Berlin und Brandenburg - die vorrangig aus fiskalischen Gründen nicht vollzogen worden ist, weil Berlin viel höher verschuldet war als Brandenburg - haben die Brandenburgerinnen und Brandenburger nein gesagt. Ich denke daher, dass man vor Volksabstimmungen in solchen wichtigen Fragen keine Angst zu haben braucht.
Meine Damen und Herren, nun sind der Euro und die Finanzen sicher ein ganz wichtiges Thema. Trotzdem muss ich an Sie appellieren, bei den Antworten die in der Geschäftsordnung vorgesehenen Redezeiten von 3 Minuten einzuhalten.
Der letzte Punkt war beispielsweise eine Ja-/Nein-Frage: Geben Sie mit mir Recht, dass... Sie hätte ganz kurz beantwortet werden können.
Wir kommen nun zur Frage 745 (Legalisierung harter Dro- gen), die der Abgeordnete Prof. Dr. Schierack stellt.
Auf dem Bundesparteitag der Partei DIE LINKE wurde mit großer Mehrheit ein Grundsatzpapier verabschiedet, welches unter anderem die Legalisierung sogenannter harter Drogen vorsieht, zum Beispiel Kokain und Heroin. Dieser Beschluss löste eine breite Debatte in der Öffentlichkeit aus.
Ich frage die Landesregierung: Wie positioniert sich die Landesregierung zur Legalisierung harter Drogen?
(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE: Aber Herr Schie- rack, da haben Sie nicht alles gelesen! Da fehlt noch ein wenig. - Zuruf von der CDU: Ihr seid doch die Landesre- gierung! - Weitere Zurufe der Abgeordneten Görke und Frau Kaiser [DIE LINKE])
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Prof. Schierack, vielen Dank für diese Frage. Ich möchte das korrigieren: Es ist nicht irgendein Grundsatzpapier, sondern