Protocol of the Session on November 9, 2011

Wir unterstützen ausdrücklich Bürgerinitiativen, zum Beispiel die in der Uckermark, und sprechen uns ganz klar aus: Atomkraft - nein danke! Nicht in Deutschland, nicht in Polen, in keinem Land!

(Beifall DIE LINKE, GRÜNE/B90 und vereinzelt SPD)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Steinmetzer-Mann. - Wir setzen mit dem Beitrag der FDP-Fraktion fort. Herr Abgeordneter Lipsdorf hat das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Erste, was mir beim Lesen Ihres Antrags einfiel, war der Briefwechsel zwischen Marx und Engels, die sich ja sehr eindeutig zu Polen geäußert haben.

(Oh! bei der Fraktion DIE LINKE)

- Genau das fiel mir ein. Mit genau dieser Arroganz gehen auch Sie hier vor. Die Intention ist dieselbe.

Ich sage Ihnen eindeutig: Das geht so nicht. Ich stimme Herrn Bretz zu, wenn er sagt, dass man nicht glauben solle, man könne so Europapolitik gestalten, egal worum es geht.

Dass dieser Entschluss der polnischen Regierung bedenklich ist - in dieser Einschätzung stimmen wir alle überein. Wie wir damit umgehen, das ist doch die Frage! So, wie Sie es machen, geht es eben nicht. Wenn Sie ein Muskelspiel veranstalten wollen, dann möchten Sie bitte schön auch Muskeln haben. Wenn Sie als Schwarzenegger auftreten wollen, dürfen Sie nicht die Statur eines Charlie Chaplin haben.

Wenn wir über Wissenstransfer sprechen - es wäre die Frage, wenn wir hier zusammenarbeiten, wie weit wir zusammenarbeiten können - und Wissenstransfer auf den Weg bringen wollen, müssen wir natürlich das Wissen haben. Damit sind wir wieder beim heutigen Morgen, nämlich bei den Hochschulen. Wie intakt sind diese? Wie sind unsere Kenntnisse, damit wir mit der polnischen Seite zusammenarbeiten und entsprechende Angebote unterbreiten können? Darum geht es nämlich. Es geht darum, Angebote und Chancen zu vermitteln, damit man mit der polnischen Seite im Gespräch bleibt. Wenn Sie sagen, dass die polnische Regierung bzw. die polnische Energiepolitik mehr auf erneuerbare Energien setzen sollte, so darf ich Ihnen Folgendes vorlesen:

„Stromlieferanten sind verpflichtet, eine vorgegebene Quote von grünen Zertifikaten vorzulegen, die für die Erzeu

gung von Strom aus erneuerbaren Energien ausgegeben werden.“

Meine Damen und Herren, das ist in Polen so. Dort wird bereits verpflichtend über erneuerbare Energien gesprochen. Dass wir in naher Zukunft Atomkraftwerke an der brandenburgischen Grenze haben sollen, ist nicht schön. Dem stimmen wir auch nicht zu; aber wir sagen: Bleiben Sie bitte im Dialog. Auch wir müssen im Dialog bleiben, und es gibt Möglichkeiten, nicht mit dem Holzhammer oder ganz anderen Dingen in Polen einzumarschieren.

(Widerspruch bei der Fraktion DIE LINKE)

Wenn wir hier über starke Wirtschaft und Industrie sprechen, dann frage ich, Frau Hackenschmidt: Haben wir hier eine starke Wirtschaft und Industrie? Lesen Sie unsere Anträge erst einmal richtig!

Zur Frage der Weiterentwicklung der Technologien: Das wollen vielleicht einige. Wenn man sagt, es gibt Katastrophen und die Technologie ist vielleicht zum derzeitigen Standpunkt der Wissenschaft nicht sinnvoll anwendbar, dann gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder man schafft sie ab, wie es Deutschland will, oder man versucht, sie weiterzuentwickeln, wie es offensichtlich die polnische Seite tun will. Das sind legitime Ansätze, nur muss man, wie gesagt, im Dialog bleiben.

Frau Hackenschmidt, wenn Sie über Vorsitzende der FDP sprechen, dann sagen Sie bitte, über welchen. Dort vorn sitzt einer, das ist der Landesvorsitzende. Wenn Sie den Bundesvorsitzenden meinen, lesen Sie bitte und hören Sie richtig zu, was er sagt. - Danke schön.

(Beifall FDP - Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Lipsdorf. - Es kam der berechtigte Hinweis, dass man bei der Saallautstärke kaum noch etwas versteht. Ich bitte Sie, noch durchzuhalten, meine Damen und Herren Abgeordneten. Wir haben es bald geschafft. Wir setzen mit dem Beitrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fort. Der Abgeordnete Jungclaus hat das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Gäste! Liebe eventuell polnische Zuhörerinnen und Zuhörer! Energia atomowa nie dziekuje - auch wenn man es vielleicht nicht wörtlich übersetzen kann.

(Heiterkeit und Beifall bei der Fraktion GRÜNE/B90 und DIE LINKE)

Im nächsten Jahrzehnt wird weltweit fast die Hälfte der Atomkraftwerke, rund 200, altersbedingt vom Netz gehen - gegenüber nur 60 Reaktoren, die sich derzeit im Bau befinden. Viele weitere Planungen erweisen sich als nicht realisierbar, sei es in Italien, wo sich in einem Referendum die Mehrheit der Bevölkerung gegen neue Atomkraftwerke ausgesprochen hat, oder in Großbritannien, wo potenzielle Investoren aufgrund der immens wachsenden Kosten abspringen, und selbst in der Atomnation Frankreich mehren sich die Kritikerstimmen gegenüber

nicht kalkulierbaren Risiken und der ungelösten Endlagerfrage. In Finnland belasten die explodierenden Preise der Atomenergie die Volkswirtschaft. In Belgien, Österreich und Deutschland hat man sich für einen vollständigen Verzicht auf Kernenergie entschieden. Die Kernenergie wird weltweit ein Auslaufmodell, und das ist auch gut so.

(Beifall GRÜNE/B90, SPD und DIE LINKE)

Das EU-Recht räumt Nachbarländern mit der strategischen Umweltprüfung ein Mitspracherecht bei Planungen mit grenzüberschreitender Wirkung ein. Deshalb wünschen auch wir, mit unseren Bedenken gegenüber dem polnischen Kernenergieprogramm gehört zu werden. Insofern kann ich den Antrag der CDU überhaupt nicht nachvollziehen, denn ich sehe darin keine Belehrung und keinen Eingriff in die Souveränität, sondern lediglich unser EU-verbrieftes Recht.

Die Energieversorgung Polens basiert noch zu über 90 % auf Kohle, die - wie bei uns - jahrzehntelang hoch subventioniert wurde. Zudem ist die dortige Wirtschaft verhältnismäßig energieintensiv. Insofern ist es natürlich verständlich, dass in Polen Energiesicherheit und bezahlbare Strompreise wichtige wirtschaftliche und politische Faktoren sind. Die Ressource Kohle ist endlich, und der mit ihr verbundene CO2-Ausstoß wird immer teurer. Auch der Klimawandel bringt enorme Belastungen für die Volkswirtschaften mit sich.

Unter diesen Voraussetzungen besteht großer Handlungsbedarf in Polen. Hinzu kommt der Wunsch nach Unabhängigkeit, insbesondere vom russischen Gas. Auch dieser Wunsch ist nachvollziehbar.

Bei allem Verständnis für die großen energiepolitischen Herausforderungen, vor denen Polen nun steht, möchte ich aber ausdrücklich dafür werben, einen gemeinsamen atomfreien Weg in der Energie- und Klimaschutzpolitik zu gehen. Grundlagen dafür können verschiedene bilaterale Abkommen bieten, in denen die Absicht zur Zusammenarbeit in den Politikfeldern bekräftigt wird. Zuletzt ist im Juni zum 20. Jahrestag des Nachbarschaftsvertrages eine Erklärung von der polnischen und der deutschen Regierung unterzeichnet worden, in der sich beide Länder für die Entwicklung einer gemeinsamen europäischen Energiepolitik aussprechen, und bereits 2009 haben das Bundesbildungsministerium und das polnische Wissenschaftsministerium ein Abkommen zur Kooperation auf dem Gebiet der Nachhaltigkeitsforschung unterzeichnet.

Aber auch auf regionaler Ebene gibt es Kooperation zwischen Brandenburg und den angrenzenden Woiwodschaften. Lassen Sie uns also auf Landesebene diese Kooperation mit noch mehr Leben füllen! Basis und Antrieb dafür soll die gemeinsame Verantwortung für die nächsten Generationen sein. Lassen Sie uns gemeinsam mit unseren polnischen Nachbarn einen Weg ohne das Risiko Atomkraft gehen! Vor allem die Endlagerproblematik ist nach wie vor nicht gelöst und wird es auch nie sein. Lassen Sie uns aber auch auf eine neue Endlagerproblematik durch unterirdische Verpressung von Kohlendioxid verzichten! So kann ein Modell für grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Klimaschutz und in der nachhaltigen Energiepolitik entstehen, wovon auch die Wirtschaft diesseits und jenseits der Oder profitiert.

In Deutschland wurden allein im letzten Jahr 370 000 neue Arbeitsplätze im Bereich der erneuerbaren Energien geschaffen.

Das kann auch für unsere polnischen Nachbarn ein gutes Argument sein. Auch die Kooperation in entsprechenden Forschungsfeldern wird die gemeinsame Wettbewerbsfähigkeit erhöhen. Die zweifellos hohen Einstiegskosten in die erneuerbaren Energien müssen in Deutschland wie in Polen als strategische Investition in die Zukunft betrachtet werden. Eine nachhaltige Energiepolitik macht sich unabhängig von Monopolisten und steht für eine starke regionale Wertschöpfung ohne Kernenergie und möglichst bald auch ohne Kohle - auf beiden Seiten der Oder. - Vielen Dank und dziekuje bardzo.

(Beifall GRÜNE/B90, SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Jungclaus. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der Landesregierung fort. Frau Ministerin Tack hat das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ein sehr ernstes Thema, das wir zu beraten haben, und ich bin sehr dankbar, dass die drei Fraktionen diesen Antrag eingebracht haben. Die Landesregierung verfolgt vehement eine Energiepolitik ohne die Nutzung der Kernenergie. Darin sind wir uns alle einig; das ist verabredet. Diese Haltung der Landesregierung steht auch in vollem Einklang mit den Beschlüssen, die hier im Landtag gefasst worden sind, und ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass Sie die Landesregierung in einem Punkt dazu auffordern, sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten gegenüber der Republik Polen konsequent gegen den Bau von Atomkraftwerken zu engagieren. Das ist hier beschlossene Sache, das werden wir auch tun. Die Landesregierung hat sich sehr für diesen Beschluss engagiert. Wir haben deutlich klargestellt, dass die Gefahren der Atomenergie nicht an den Ländergrenzen halt machen und deshalb der Ausstieg aus der Atomenergie nicht nur ein Anliegen Deutschlands sein kann, sondern europa- sowie weltweit ein Anliegen sein muss.

Folgerichtig, meine Damen und Herren, hat die Landesregierung in der Vergangenheit bereits mehrfach ihre ablehnende Position bezüglich der polnischen Pläne zur Nutzung der Kernenergie zum Ausdruck gebracht. Das gilt zum Beispiel auch im Zusammenhang mit einer Stellungnahme zum Raumordnungsplan Westpommerns; aber ich habe Sie auch informiert, dass wir im April den deutsch-polnischen Umweltrat in Warschau hatten. Auch dabei haben die Umweltminister von Sachsen, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und der Bundesumweltminister - meine Kollegen von der CDU - sehr deutlich zum Ausdruck gebracht, was wir wollen und welche Unterstützungsleistungen wir bei der Entwicklung der erneuerbaren Energien bringen können. Ich möchte Ihnen, Kollege Bretz, sagen: Insbesondere der Bundesumweltminister hat in dieser Sache eine eindeutige Meinung vertreten, auf das Risiko hingewiesen und beim polnischen Umweltminister sowie den Vertretern des Wirtschaftsministers sehr wohl dafür geworben, dass es Alternativen zur Nutzung der Kernenergie gibt, meine Damen und Herren.

(Bretz [CDU]: Da stehen wir dahinter!)

Die polnische Regierung hat der deutschen Bundesregierung auf der Grundlage des europäischen Rechts den Entwurf eines

Kernenergieprogramms für den Einstieg Polens in die Kernenergienutzung offiziell vorgelegt. Damit bestehen Informationsund Beteiligungsmöglichkeiten für die Öffentlichkeit und für die Behörden Brandenburgs im Rahmen eines grenzüberschreitenden strategischen Umweltprüfungsverfahrens zu diesem Programm.

Das Umweltministerium hat nicht nur alle Ressorts der Landesregierung, sondern auch die Landkreise und kreisfreien Städte im Land informiert und sie auf die Möglichkeit, eine eigene Stellungnahme abzugeben, hingewiesen. Gleichzeitig wurden deutschsprachige Papierfassungen der betreffenden Unterlagen erstellt und den Landkreisen und kreisfreien Städten bzw. dem Landesamt und den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern zur Verfügung gestellt, damit sie Einsicht nehmen und gegebenenfalls einen Widerspruch oder eine Stellungnahme abgeben können.

Durch die Veröffentlichung im Amtsblatt und durch Pressearbeit haben wir darüber hinaus dafür gesorgt, dass die Öffentlichkeit über ihre Möglichkeiten zur Einsichtnahme bzw. zur Stellungnahme unterrichtet ist. Das werden wir wiederholen. Bis zum 4. Januar ist noch ein bisschen Zeit, sich daran zu beteiligen. Diese Informationen stehen auch auf der Internetseite unseres Ministeriums. Wer Einblick nehmen will, sollte das tun und alles Öffentliche und Transparente nutzen.

Das vorliegende Kernenergieprogramm, einschließlich des Umweltberichts wird einer genauen Überprüfung unterzogen. Das kann ich Ihnen hier zusagen. Im Sinne der von Ihnen und von uns gefassten Beschlüsse beabsichtigt die Landesregierung darüber hinaus, das vorgelegte Programm, einschließlich des dazugehörigen Umweltberichtes, sehr kritisch zu hinterfragen. Wir beabsichtigen, in unserer Stellungnahme gegenüber der polnischen Regierung, und das will ich Ihnen zusichern, zwar mit der gebotenen diplomatischen Höflichkeit - anders als Sie von FDP und CDU hier geredet haben -, aber dennoch in der erforderlichen Deutlichkeit

(Beifall DIE LINKE und SPD)

auf die ungeklärten Fragen und Risiken der Nutzung von Atomkraft hinzuweisen und mögliche grenzüberschreitende Umweltauswirkungen zu benennen.

Dabei streben wir eine enge Zusammenarbeit mit der Berliner Verwaltung an. Wir bemühen uns um eine gemeinsame Stellungnahme. Da sind wir noch in der Verabredung.

Zusammenfassend kann ich Ihnen versichern, dass der vorliegende Entschließungsantrag, den Sie eingebracht haben, die bisherigen Beschlüsse des Parlaments zu diesem Thema weiter untermauert und dass die Landesregierung alle ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten weiterhin nutzen wird, um unsere und Ihre ablehnende Haltung zum Einstieg Polens in die Kernenergie zu verdeutlichen. - Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD und GRÜNE/B90)

Meine Damen und Herren, das Wort erhält noch einmal die SPD-Fraktion. Der Abgeordnete Bischoff spricht.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedanke mich für die Möglichkeit, als in der Uckermark geborener Bürger von Brandenburg noch einmal sprechen zu dürfen.

Ich bitte Sie ganz herzlich, in Erwägung zu ziehen: Es geht bei Atomenergie auch um die Gesundheit unserer Bürgerinnen und Bürger. Allein das ist der Grund und der Auslöser für das Beteiligungsverfahren der Europäischen Union gegenüber der Bundesrepublik Deutschland. Allein das ist der Grund, aus dem wir heute hier diesen Antrag vorgelegt haben.

(Beifall SPD)

Ich stelle mir immer wieder die Frage: Gehen von Atomkraftwerken Gefahren aus? Diese Frage ist in Deutschland im Konsens mit Ja beantwortet worden. Deswegen gibt es bei uns einen Ausstieg.

Was Risiko und Restrisiko bedeuten, haben wir nicht zuletzt in einem Hochtechnologieland wie Japan in Fukushima erlebt. Ich bitte Sie liebe, Brandenburgerinnen und Brandenburger, wirklich: Bis zum 4. Januar liegen die Unterlagen aus. Bis zum 4. Januar nächsten Jahres kann jeder Bürger der Bundesrepublik Deutschland seinen Einspruch einlegen.