Protocol of the Session on November 9, 2011

Was Risiko und Restrisiko bedeuten, haben wir nicht zuletzt in einem Hochtechnologieland wie Japan in Fukushima erlebt. Ich bitte Sie liebe, Brandenburgerinnen und Brandenburger, wirklich: Bis zum 4. Januar liegen die Unterlagen aus. Bis zum 4. Januar nächsten Jahres kann jeder Bürger der Bundesrepublik Deutschland seinen Einspruch einlegen.

(Zuruf von der SPD: Richtig!)

Ich will Ihnen einmal ein Zitat aus dem mehrere Hundert Seiten umfassenden Papier nennen:

„Schwere Störfälle werden nicht in Betracht gezogen.“

Dieses Papier - ich kannte es schon, es gab es auf der Website schon - ist vor Fukushima erstellt worden und ist nach Fukushima in keinem Komma verändert worden. Das Wort Fukushima taucht in der Betrachtung der Umweltauswirkungen in dem gesamten Papier der Republik Polen nicht auf. Ich halte das für wirklich sehr bedenklich.

Ich will Ihnen sehr deutlich sagen, worum es eigentlich geht. Zwei der ersten Standorte, an denen 2030 Atomkraftwerke errichtet werden sollen, sind nur 200 km von Brandenburgs Grenze entfernt - 200 km! Sieben mögliche Standorte sind nur 100 km entfernt. Drei mögliche Standorte davon sind nur 20 km entfernt. Jeder Standort soll mit zwei Atommeilern bestückt werden.

Jetzt gibt es die Möglichkeit, sich nach europäischem Recht dazu zu positionieren. Ich finde, wir haben nicht nur das Recht, sondern im Interesse nachfolgender Generationen auch die Pflicht, jetzt unseren Widerspruch und Einspruch einzulegen. Unter Nachbarn, gerade unter freundschaftlichen Nachbarn in der Europäischen Union, muss man sich auch die Wahrheit sagen können. Ich schließe mich da meiner Kollegin Hackenschmidt ausdrücklich an: Hier versagt Europa in Gänze. Die Glühbirne wird verboten - finde ich übrigens richtig -, aber Atomkraftwerke kann jedes europäische Land im Zweifel seinem Nachbarn direkt an die Oder vor die Haustür setzen. Vollkommen egal, ob 20 km, 200 km oder 300 km entfernt, im Falle eines Ernstfalles wäre das unendlich schlimm für unsere Region.

(Beifall SPD, DIE LINKE und GRÜNE/B90)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Von Herrn Bretz sehr gern. Das verlängert die Redezeit. Bitte.

Bitte.

Herr Kollege Bischoff, ich höre Ihnen gern zu. Ich habe eine kurze Nachfrage: Ist Ihnen bekannt, wie viele Atomkraftwerke Deutschland mit einer Distanz von unter 200 km umgeben?

Würden Sie in Kenntnis - ich gehe davon aus, dass Ihnen das bekannt ist, weil Sie darüber gesprochen haben - deshalb sagen, dass von diesen Atomkraftwerken, die Deutschland umgeben, ein Gefahrenbestand für die Bewohner der Bundesrepublik Deutschland ausgeht? Ja oder nein?

(Zurufe von der Fraktion DIE LINKE und GRÜNE/B90: Ja! Ja!)

Herr Präsident, ich möchte gern die Antwort geben. Ob davon Gefahren ausgehen? Das ist wirklich eine alberne Frage!

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Das, was mir bekannt ist, Herr Bretz, ist, dass das größte Industrieland dieser Europäischen Union, die Bundesrepublik Deutschland - auch mit Zustimmung Ihrer Kanzlerin, obwohl Rolle vorwärts, Rolle rückwärts, Salto mortale - den Ausstiegsbeschluss erneuert hat. Wir haben einen großen gesellschaftlichen Konsens, um die Energie und auch das Geld freizusetzen - ENERTRAG steht unten, wir werden nachher heruntergehen und klatschen - für solche alternative Formen, die keine Gefahren für die Bevölkerung darstellen. Übrigens, die Endlagerung ist in Polen genau wie in Frankreich und in anderen Ländern nicht geklärt.

Was ich Ihnen aber noch antworten möchte, ist Folgendes: Mir ist bekannt, dass Frankreich Atomkraftwerke betreibt. Schauen Sie einmal auf die Karte, da sind viele an der deutschen Grenze errichtet. Nachtigall, ick hör dir trapsen. Wissen Sie, wer in Polen die Atomkraftwerke bauen will? Der französische Konzern AREVA. Da geht es noch einmal richtig um die Wurst.

Es besteht die Gefahr, dass eine europäische Entwicklung einfach zunichte gemacht wird. Übrigens ist nicht nur Deutschland ausgestiegen, sondern inzwischen auch Belgien, selbst wenn es kein sehr großes europäisches Land ist.

(Görke [DIE LINKE]: Doch!)

Es gibt mehr Diskussionen darüber.

Ein letzter Punkt. Mein geschätzter Kollege Bretz, ich kann Ihnen nur sagen: Wir steigen aus. Es gibt aber kein Land in Europa, das neue Atomkraftwerke baut - nur Polen plant sie. Es gibt in der Europäischen Union kein Atomkraftwerk im Bau. Nur Polen als europäischer Nachbar plant sie direkt vor unserer Haustür. Das muss uns Brandenburger sehr wohl interessieren.

(Beifall SPD, DIE LINKE und GRÜNE/B90)

Ich will zum Schluss kommen und einmütig einen Appell an Sie richten. Ich möchte den Appell richten, von dieser Einspruchsmöglichkeit nicht nur heute mit Ihrer Zustimmung Gebrauch zu machen, sondern ich möchte auch die Bürgerinnen und Bürger bitten, sich daran zu beteiligen.

Dieses Programm ist ein Programm für die nächsten 30 bis 40 Jahre der Republik Polen. Wenn jetzt nicht ein breiter Einspruch und ein breites Nein in Deutschland erfolgen, wird das, wie ich meine, zwar nicht als Zuspruch und nicht als Zustimmung, so doch im schlimmsten Fall zumindest als Duldung des polnischen Atomenergieprogramms missverstanden.

Ich bitte Sie deshalb im Interesse der Bürgerinnen und Bürger, auch der regionalen Initiativen, „Atomkraftfrei leben in der Uckermark“ ist eine davon, die schon 20 000 Unterschriften gesammelt und jetzt im Einspruchsverfahren bereits mehrere Hundert Einsprüche gesammelt hat, herzlich: Atomkraft - nein Danke!

(Beifall SPD, DIE LINKE und GRÜNE/B90)

Damit kommen wir zur Abstimmung über den Antrag der SPDFraktion, der Fraktion DIE LINKE und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucksache 5/4207. - Wer ihm folgen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Gibt es Enthaltungen? - Der Antrag wurde ohne Enthaltungen mehrheitlich angenommen.

(Zuruf von der SPD: Schwarz-Gelb steht! - Bretz [CDU]: Es gibt noch einen Entschließungsantrag! - Bischoff [SPD]: Ja, es gibt noch einen Entschließungsantrag oder habt Ihr den zurückgezogen?)

- Entschuldigung! Ich gebe zu, auf meinem Blatt unten steht: Bitte wenden!

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der CDU, vorliegend in der Drucksache 5/4243. Wer dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Enthaltungen? Bei einigen Enthaltungen ist der Antrag mehrheitlich abgelehnt.

Wir kommen zum Entschließungsantrag der Fraktion der FDP, vorliegend in Drucksache 5/4249. Wer dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen ist der Antrag mehrheitlich abgelehnt.

Aber jetzt schließe ich den Tagesordnungspunkt 14 und rufe Tagesordnungspunkt 15 auf:

Studiengang Sonder-/Inklusionspädagogik an der Universität Potsdam vorbereiten

Antrag der Fraktion der SPD der Fraktion DIE LINKE

Für die Koalitionsfraktionen spricht die Abgeordnete Große.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hoffe auch auf so viel Harmonie wie bei dem Antrag zur ländlichen Entwicklung, zumal wir uns im Ziel des Antrages einig sind.

Wir haben mit den Fraktionen an runden Tischen, in diversen Veranstaltungen und in Ausschüssen häufig darüber gesprochen, dass wir die dringende Notwendigkeit sehen, wieder ein grundständiges Studium der Sonderpädagogik - künftig auch der Inklusionspädagogik - an der Universität Potsdam einzurichten. Ich hoffe, dass wir uns in der Sache einig sind. Man hätte sich natürlich bemühen können, einen gemeinsamen Antrag einzubringen. Das war aber zeitlich nicht möglich. Es gab auch diverse Bedenken, die wir vielleicht später in der Debatte erfahren.

Ein Blick zurück, damit klar ist, warum wir einen Antrag stellen und es als Regierungsfraktion nicht einfach machen. Das große Fragezeichen ist ja: Warum beauftragen wir uns selbst und machen es nicht einfach? Im Jahr 1997 war es so, dass der Wissenschaftsrat in einem Gutachten empfohlen hatte, in Brandenburg künftig keine Sonderpädagogen mehr auszubilden, eine aus heutiger Sicht sehr unglückliche Empfehlung, der dann gefolgt worden ist.

(Vereinzelt Beifall DIE LINKE)

Daraufhin wurde im Jahr 2001, also vor zehn Jahren, das Institut für Sonderpädagogik schrittweise abgeschafft. Eine sonderpädagogische Ausbildung war danach nur noch im Rahmen eines Weiterbildungsvereins WiB e. V. möglich, der eine sehr gute Ausbildung durchgeführt hat. Aber die Kolleginnen und Kollegen mussten diese Weiterbildung selbst finanzieren und waren mit 800 bis 900 Euro im Semester dabei. Das haben sehr viele Kolleginnen und Kollegen gemacht. Dafür sollten wir uns heute noch einmal bedanken.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Daran sieht man, dass es einen großen eigenen Anspruch gegeben hat, Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf zu entsprechen und sich selbst in den unterschiedlichen Fachrichtungen der Sonderpädagogik zu qualifizieren.

Wir haben neben diesem WiB e. V. nur noch die Möglichkeit gehabt, in Berlin Pädagogen im Bereich Sonderpädagogik auszubilden. Das ist aufgrund einer Vereinbarung geschehen. Ber

lin hat für das Land Brandenburg jährlich 30 Sonderpädagogen ausgebildet, von denen allerdings nur neun oder zehn Pädagogen bzw. manchmal gar keine Pädagogen im Land Brandenburg angekommen sind. Sie haben sich in anderen Bundesländern beworben, weil sie sich dort offensichtlich die besseren Einsatzmöglichkeiten versprachen.

Das Modell hat auch den Mangel an Sonderpädagogen, den wir seit Jahren mit uns herumschleppen, nicht beheben können. Inzwischen ist es so, dass Berlin diese Pädagogen dringend selbst benötigt, weil sich auch Berlin auf den Weg zu einer inklusiven Schule macht. Es möchte natürlich Sonder- und Inklusionspädagogen für den eigenen Bedarf ausbilden.

Auch das im Jahr 2005 geänderte Lehrerbildungsgesetz, wonach wir Referendare im Bereich der Sonderpädagogik aus anderen Bundesländern im Land Brandenburg aufnehmen, hat zwar kleine Lücken gefüllt, aber nicht den Mangel an Sonderpädagogen decken können.

Wir wissen, dass es dringenden Handlungsbedarf gibt. Das belegen im Übrigen auch die ausgewiesenen deutlichen Bedarfe im Schulressourcenkonzept. In diesem Konzept ist festgeschrieben, dass im Zeitraum von 2015 bis 2025 ein jährlicher Einstellungsbedarf von 78 und 115 Sonderpädagogen vorhanden ist. Das hat bisher in jedem Schulressourcenkonzept gestanden, nur hatte es die damalige Ministerin Frau Wanka, CDU, immer abgelehnt, diese Zahlen anzuerkennen. Wir hatten unendlich viele Ausschusssitzungen, in denen der Streit immer darum ging: Das Bildungsministerium hat diesen Bedarf festgemacht, das damals CDU-geführte Wissenschaftsministerium hat diesen Bedarf abgestritten.

(Beifall DIE LINKE)

Der Bedarf im derzeitigen Schulressourcenkonzept ist zunächst daran festgemacht worden, dass wir weiterhin Förderschulen haben werden. Sie alle wissen, dass wir uns auf dem Weg zur Inklusion mit anderen Schulmodellen und einem damit verbundenen besonderen Bedarf an Sonderpädagogen mit einem erhöhten quantitativen und qualitativen Anspruch machen. Insofern brauchen wir möglicherweise mehr Sonderpädagogen, als das Schulressourcenkonzept ausweist.

Wir haben mittlerweile gemeinsam ein Konzept zur Weiterentwicklung der Lehramtsausbildung im Land Brandenburg in den Ausschüssen für Bildung, Jugend und Sport und im Wissenschaftsausschuss beraten. In Richtung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sage ich sehr deutlich: natürlich nur beraten, nicht abschließend behandelt. Wir nehmen uns sehr viel Zeit für dieses Konzept. Wir haben uns außerparlamentarischen schriftlichen Expertisenrat eingeholt. Das ist eine ganz neue Form. Wir haben eine Art Anhörung gehabt.