Protocol of the Session on November 9, 2011

strategischen Umweltprüfung als Nachbar beteiligt zu sein. Beteiligen können sich alle, die von den Umweltwirkungen potenziell betroffen sind.

Wie stellen Sie sich als CDU und FDP dieser Frage? - Vom 5. Oktober 2011 bis zum 4. Januar 2012 kann in Warschau direkt Stellung zum polnischen Energieprogramm genommen werden. Das ist europäisches Recht. Das müssen wir nutzen.

(Beifall des Abgeordneten Bischoff [SPD])

Wir tragen Verantwortung für unsere Bürgerinnen und Bürger. Ich denke, das ist auch gut so.

Vielleicht ist hier eine Parallele angebracht: Im Zuge der finanzwirtschaftlichen Verflechtungen innerhalb Europas halten wir es für völlig normal, von Griechenland eine Wirtschaftspolitik zu fordern, die den Bürgern dort erhebliche Einschnitte abverlangt. Der FDP-Vorsitzende droht Griechenland sogar mit dem Rauswurf aus der Eurozone. Schließlich geht es da auch um unser Geld und unseren Wohlstand.

Hier machen Sie aber eine Zwei-Klassen-Gesellschaft auf, die ich nicht für gerechtfertigt halte. Die Folgen eines Störfalls der Atomanlage tragen wir nämlich alle. Wenn Polen eine Energiepolitik verfolgt, die in Deutschland abgelehnt wird und deren Risiken auch wir zu tragen haben, weil wir davon betroffen sind, dann sollten wir uns auch nach außen erklären. Es verstehe deshalb wer will, wenn Sie das als Eingriff in das autonome Recht der Republik Polen bzw. als Belehrung und diesbezügliche Aufforderung bezeichnen. Ich finde, das ist nicht nur unser Recht, sondern es ist unsere Pflicht, und zwar unseren Bürgerinnen und Bürgern gegenüber.

(Beifall SPD, DIE LINKE sowie GRÜNE/B90)

Wir jedenfalls fühlen uns nicht einseitig der ökonomischen Stabilität unseres Landes verpflichtet. Daher freue ich mich, dass sich der Landtag wie schon im Mai 2010 klar zu diesen polnischen Plänen positioniert hat. Ein ausschließliches Dagegen ist uns jedoch zu wenig. Was wir noch tun können, ist, Beispiel zu geben, dass eine starke Wirtschaft und Industrie auch ohne Atomkraft sicher versorgt werden kann.

Ich bin davon überzeugt, dass die Energiewende in Deutschland die beste Werbung für eine nachhaltige Energiepolitik in ganz Europa ist und wir es noch erleben werden, dass auch andere Länder diesem deutschen Beispiel folgen werden. Deshalb sind wir in der Fraktion für die Ablehnung der beiden Entschließungsanträge. Ich hoffe, dass wir dann eine Mehrheit für den Antrag von SPD, Linken und GRÜNE/B90 zu diesem Thema finden. - Danke.

(Beifall SPD, DIE LINKE sowie GRÜNE/B90)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Hackenschmidt. - Wir kommen zum Beitrag der CDU-Fraktion. Herr Abgeordneter Bretz wird die Aussprache fortsetzen.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin

Hackenschmidt, ich wollte Ihnen antworten. Zunächst einmal möchte ich ganz klar und deutlich sagen: Ich finde Ihre Wortwahl in Bezug auf das, was andere demokratisch gewählte Fraktionen in diesem Haus machen, zumindest sehr bedenklich. Das möchte ich Ihnen an dieser Stelle deutlich sagen.

(Beifall CDU und FDP)

Zur Faktenlage: Wir haben in Europa derzeit ca. 200 Kernkraftwerke. Wir haben in Europa etliche Kernkraftwerke, die sich in der Planung bzw. bereits im Bau befinden. Das gilt im Übrigen auch für andere Kontinente. Als Beispiel in besonderer Weise gilt das für Asien, wo die in Bau befindlichen und die geplanten Atomkraftwerke ein Vielfaches einnehmen.

Nun will ich mit Ihnen keine anachronistische Debatte führen, weil die Frage der Kernenergienutzung in Deutschland entschieden ist. Wir werden das Thema nicht erneut aufmachen, weil es entschieden ist - auf Dauer.

Aber eine Anmerkung gestatten Sie mir dann doch: Für unsere Fraktion stellt sich die Frage, wie es um die Glaubwürdigkeit Ihres Antrags steht. Die Fraktion DIE LINKE erzählt uns in Sonntagsreden, anlässlich geeigneter Tage und wiederkehrender Ereignisse immer wieder, wie wichtig es doch sei, mit Polen eine gemeinsame Linie zu finden und die nachbarschaftlichen Beziehungen zu hegen und zu pflegen. Da werden von den Linken Superlative benutzt, die ihresgleichen suchen.

Wir als Fraktion stellen uns die Frage: Wie glaubwürdig ist das, was Sie da tun, eigentlich? Wenn Sie - wie wir - der Meinung sind, dass wir den Polen unsere Möglichkeiten darbieten sollten, wie man das auch anders lösen kann, dann, so glaube ich, ist es ein Fehler, den Zeigefinger zu erheben und sich bevormundend über die Souveränität eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union zu stellen, sehr verehrte Frau Kollegin Hackenschmidt. So viel zu der Frage, wie Europa gemeint ist.

(Beifall CDU und FDP)

Deshalb haben wir als CDU-Fraktion uns entschlossen, das aufzunehmen, was Sie in Ihrem Entschließungsantrag dargebracht haben. Wir legen aber Wert darauf, hinsichtlich der Formulierung einen diplomatischeren Weg zu gehen, einen Weg, der auch auf wirtschaftlichen Austausch setzt und Lösungswege aufzeigt. Wir wollen bewusst nicht den Zeigefinger erheben. Ich verstehe nicht, warum Sie gerade diesen Entschließungsantrag ablehnen wollen und dann erklären, das sei... Wie Ihre Wortwahl war, das will ich gar nicht wiederholen, weil es diesem Hause nicht zuträglich wäre.

Kurzum: Wir wollen, dass das Recht der Republik Polen geachtet wird und dass wir einen Weg auf Basis von Gegenseitigkeit finden. Im Wege von bilateralen Gesprächen sollte versucht werden, einen Weg zur Umsetzung aufzuzeigen.

(Zuruf der Abgeordneten Hackenschmidt [SPD])

- Märchen - wenn Sie das schon sagen, Frau Kollegin - erzähle ich überhaupt nicht. Ich sage Ihnen nur, was unsere Linie ist.

(Görke [DIE LINKE]: Eure Linie zur Kernkraft ist be- kannt: Innerhalb von einem halben Jahr habt ihr sie ge- wechselt!)

Das Thema Kernkraft ist in Deutschland erledigt. Ihre Argumentation kommt mir so vor, als ob es Ihnen gar nicht um die Frage der Kernkraft geht. Sie wollen anscheinend Stimmungen bedienen, um daraus Zuneigung für sich herzuleiten.

(Beifall CDU und FDP - Jürgens [DIE LINKE]: Das ist Ihnen ja völlig fremd!)

- Ihr Zwischengeschrei belegt geradezu, dass ich etwas Korrektes gesagt haben muss.

Im Übrigen will ich hinzufügen: Wenn es Ihnen um die Sache ginge, hätte es Ihnen nicht geschadet, wenn Sie unserem Entschließungsantrag zugestimmt hätten. Dann hätten Sie nichts falsch gemacht. - Vielen Dank.

(Beifall CDU und FDP - Oh! bei der Fraktion DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Bretz. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der Fraktion DIE LINKE fort. Die Abgeordnete Steinmetzer-Mann wird dies tun.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bislang produziert Polen keinen Atomstrom. Doch das soll sich spätestens mit den vorliegenden Plänen ändern. Warum will Polen in eine Hochrisikotechnologie einsteigen, nachdem die Welt nach Tschernobyl und - spätestens - nach Fukushima nicht mehr so ist, wie sie einmal war? Fukushima führt uns noch immer die Unbeherrschbarkeit dieser Technologie vor Augen - ein Risiko, das sich kein Staat leisten kann.

Meine Damen und Herren! Viele der polnischen Stein- und Braunkohlekraftwerke sind überaltert. 90 % der Stromproduktion kommt von dort. Für Polen eröffnet sich gerade daher der Weg in erneuerbare Energien. Stattdessen steuert Polen in die Sackgasse der fossilen atomaren Stromproduktion und begründet diesen Schritt damit - Zitat -, „das die Kernenergie eine sichere Technologie ist, die die Möglichkeit bietet, elektrische Energie zu annehmbaren Preisen herzustellen, niedriger, als es bei anderen Herstellungstechnologien der Fall ist“. Und: Atomenergie ist „eine von niedrigen Emissionswerten gekennzeichnete Energie“.

Fakt ist jedoch: Atomstrom hat sich noch nie rentiert. Allein die Endlagerfrage macht Atomstrom zum teuersten Modell.

(Beifall DIE LINKE, GRÜNE/B90 und des Abgeordne- ten Bischoff [SPD])

Polen begründet also das Kernenergieprogramm damit, dass man zur Erfüllung der EU-Emissionsvorgaben auf Atomkraft angewiesen sei. Die Linke schlägt an dieser Stelle vor, dass man sich im Rahmen der EU-Emissionszielsetzung dafür einsetzt, einen Richtlinienentwurf anzuregen, der besagt, dass die Atomenergie zur Erfüllung der EU-Emissionsziele kein Mittel sein darf, da dadurch mehr Probleme geschaffen als gelöst werden.

(Beifall GRÜNE/B90)

Problematisch finde ich die Tatsache, dass polnische Behörden die Technologiebewertung im Genehmigungsprozess verkürzen und auf schon bestehende Ergebnisse zurückgreifen wollen einzig und allein, um Zeit zu sparen. Hier soll Schnelligkeit vor Sicherheit gelten - ein Herangehen, das wir ganz klar ablehnen.

In diesem Haus besteht Einigkeit in der Einschätzung, dass die Gefahren der Atomenergie an Ländergrenzen nicht Halt machen. Das erleben wir hier in Brandenburg hautnah. Lassen Sie mich das kurz ausführen: Der Salzstock Gorleben-Rambow, der weit nach Brandenburg hineinreicht, ist als Endlager absolut ungeeignet.

(Beifall DIE LINKE)

Unsere Fraktion DIE LINKE hat am Montagabend unter Leitung meines Kollegen Tommy Domres eine Tagung zum Atommüllendlager in Gorleben durchgeführt und die Betroffenheit Brandenburgs ausführlich diskutiert. Wissenschaftler und Vertreter des Gorleben-Untersuchungsausschusses stellten die geologischen Gegebenheiten dar. Demnach fehlt dem Salzstock ein intaktes Deckgebirge. Der Salzstock hat Grundwasserkontakt. Es finden Ablaugungsprozesse statt. Radionuklide können über die Elbe in das Meer gelangen, ebenso in das Grundwasser. Wegen der Fließrichtung wäre Brandenburg beim Austritt von Radionukliden als Erstes betroffen.

Zudem befinden sich dort Erdgaslagerstätten. Wenn man genau dort wärmeentwickelnde Abfälle einlagert - 200 Grad heißen radioaktiven Müll! -, dann dehnt sich dieses Gas aus. Es entstehen Risse. Das Gelände kann sich heben oder senken. Radioaktivität kann letztlich austreten, auch in Verbindung mit Wasser/Grundwasser.

Das alles zeigt, dass Gorleben 1977 eine politische Entscheidung war, keine, die aus geologischen Gründen getroffen wurde.

Deswegen regen wir an, dass Landesbehörden, zum Beispiel das Landesbergamt, fachlich in die Erarbeitung der SUP für das polnische Kernenergieprogramm einbezogen werden, da die Gefahren der Atomenergie nicht an Grenzen Halt machen und geologische Untersuchungen diesseits und jenseits der Grenze erforderlich sind.

Die Herangehensweise Polens an die Frage der Atommüllendlagerung ist meiner Meinung nach abenteuerlich.

„Die Verzögerungen im Zusammenhang mit dem Bau von Tieflagern... sind die Folge von niedrigen Kosten der Zwischenlagerung von radioaktiven Abfällen auf dem Gelände des Kernkraftwerks. Außerdem ergeben die für diese Zwecke gesammelten Mittel... größere Einnahmen aus Verzinsungen.“

Für Polen ergibt sich die Notwendigkeit zum Bau eines solchen Lagers erst nach 30 bis 40 Jahren nach Inbetriebnahme des ersten Kernkraftwerks, das heißt frühestens 2050. Bis dahin soll der Atommüll in Zwischenlagern auf dem Gelände der Kernkraftwerke aufbewahrt werden.

Aus dem Umkreis des Zwischenlagers Gorleben wird von einer erhöhten Krebsrate und einem geringeren Mädchenanteil

bei den Geburten berichtet. All diese Risiken möchte Polen in Kauf nehmen und andere Länder womöglich mitgefährden?

Auch wenn Polen souverän ist, haben die angrenzenden Länder und jeder einzelne Bürger die Möglichkeit, das europäische Recht zu nutzen und Stellungnahmen abzugeben. Nichts anderes besagt dieser Antrag.

(Beifall DIE LINKE und des Abgeordneten Bischoff [SPD])

Wir unterstützen ausdrücklich Bürgerinitiativen, zum Beispiel die in der Uckermark, und sprechen uns ganz klar aus: Atomkraft - nein danke! Nicht in Deutschland, nicht in Polen, in keinem Land!