Protocol of the Session on November 19, 2009

Es gibt Nachfragebedarf. Frau Schier, bitte.

Herr Minister, hatten Sie in der Kürze der Zeit schon Gelegenheit, mit den Vertretern der Arbeitsamtbezirke der Bundesagentur zu sprechen? Denn soweit ich weiß, gibt es in den Arbeitsagenturen schon Ansätze, sodass es für diejenigen, die dorthin gehen, kaum Veränderungen geben wird. Sie werden nur nicht

mehr in einen Raum hineingehen, sondern in zwei Räume. Die Agenturen machen das also schon. Konnten Sie sich davon überzeugen, dass es da wirklich keine Pausen geben wird? Das ist meine erste Frage.

Das Zweite, was ich Sie fragen möchte: Die CDU hat immer gesagt, die Zuständigkeit gehört in die Kommune. Dort, wo die Hilfebedürftigen leben, soll ihnen auch die Hilfe zukommen. Wir waren für die Optionskommunen. Welche Meinung hatten Sie denn damals? Sie sagten, Sie hätten in der Kommission mitgearbeitet. Wenn ich es richtig weiß, waren Sie dagegen.

Da liegen Sie nicht ganz richtig. - Zur ersten Frage: Ich sagte schon, dass wir abwarten müssen, wie am Ende die gesetzliche Regelung aussieht, ob der Mustervertrag der BA das zulässt, was derzeit vor Ort gewünscht wird. Dort sitzen vernünftige Leute, die wissen, dass man pragmatisch herangehen muss, um die Leistungsgewährung möglichst aus einer Hand hinzubekommen. Ob sich das nachher mit dem, was die Kollegen Jung und Alt verabreden, deckt, weiß ich nicht; das muss man dann sehen. Aber am Ende wird es hoffentlich so sein, dass es passt. Aber das müssen wir abwarten.

Das andere: Ich habe nie einen Hehl daraus gemacht - und lag da auch immer im Clinch mit dem Kollegen Clement seinerzeit, der für den Bund verhandelt hat -, dass ich für eine stärkere Kommunalisierung bin. Ich komme aus der Kommune und weiß, dass eine Kommune wunderbare Arbeitsmarktpolitik machen kann. Für mich war das nie fraglich. Ich habe auch immer gesagt, dass ich Verständnis für einen Bundesminister habe, der für die Agentur für Arbeit - damals hieß es noch Arbeitsamt mit 80 000 Leuten, in der Regel Beamten, zuständig ist. Die kann er nicht einfach so in irgendwelche anderen Behörden umsetzen, sondern die muss er irgendwie beschäftigen. Darum war meine Intention, das habe ich vor dem Wahlkampf gesagt, das sage ich auch jetzt: Es gibt vielleicht noch einen Weg dazwischen, indem man zum Beispiel sukzessive eine stärkere Kommunalisierung angeht. Es gibt auch wieder Anträge von Landkreisen, die gerne optieren würden und es selbst machen würden. Potsdam-Mittelmark hat gerade an den Kollegen Jung geschrieben und ihm das signalisiert. Ich weiß auch von anderen Kommunen, die das gerne selbst machen würden statt wieder in die Mischverwaltung zu gehen. Hier müssen wir sehen, was am Ende möglich ist. Aber ich war, wie gesagt, immer ein Fan der Kommunalisierung. Ich habe, wie ich glaube, in Potsdam-Mittelmark auch sehr erfolgreich gearbeitet. - Danke.

Vielen Dank. - Die übrigen Fragen werden wie gewohnt schriftlich beantwortet. Wir sind damit am Ende der Fragestunde.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 2 und rufe Tagesordnungspunkt 3 auf:

Bestellung der Ausschüsse des Landtages Brandenburg sowie Festlegung der Zahl ihrer Mitglieder

Antrag des Präsidiums

Drucksache 5/36

Es wurde vereinbart, keine Debatte zu führen. Es geht um die in der Anlage aufgeführten Ausschüsse und um die Festlegung der Mitgliederzahl 10. Wer dem folgen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Das ist beides nicht der Fall. Damit ist der Beschluss gefasst.

Ich entlasse Sie bis 13 Uhr in die Mittagspause.

(Unterbrechung der Sitzung 12.15 Uhr)

(Fortsetzung der Sitzung: 13.03 Uhr)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich eröffne die Nachmittagssitzung des Landtags und rufe den Tagesordnungspunkt 4 auf:

Bleiberechtsregelung verlängern - humanitäre Kriterien schaffen!

Antrag der Fraktion der SPD der Fraktion DIE LINKE der Fraktion GRÜNE/B90

Drucksache 5/37

Ferner liegt Ihnen der Entschließungsantrag der Fraktion der CDU in der Drucksache 5/58 vor.

Ich eröffne die Aussprache und gebe der Abgeordneten Frau von Halem von der Fraktion GRÜNE/B90 zur Einbringung des Antrags das Wort. Die anwesenden Mitglieder der Fraktionen bitte ich, ihren Kollegen mitzuteilen, dass die Nachmittagssitzung soeben begonnen hat. Danke.

Sie haben das Wort, Frau von Halem.

Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! In der Sonderausgabe der „Märkischen Zeitung“ vom 22. März 2009 - so sieht sie aus

(Die Abgeordnete hält eine Zeitung hoch.)

lesen wir im Leserbrief einer 10. Klasse Folgendes: Thomas und seine Familie leben bereits seit zehn Jahren in Deutschland. Thomas ist ein guter Schüler. Er und seine Eltern sprechen gut deutsch. Sie sind in unserer kleinen Stadt sehr bekannt und engagieren sich bei zahlreichen Veranstaltungen. Vor zwei Jahren erhielt die Familie eine Aufenthaltserlaubnis nach der Bleiberechtsregelung. Aber weil Thomas' Eltern nicht rechtzeitig Arbeit gefunden haben, soll die Familie nun nach Kamerun zurückgeschickt werden. Thomas ist hier in Deutschland aufgewachsen. Er ist hier zu Hause, seine Freunde sind hier. In Kamerun kennt er niemanden mehr, auch die Sprache ist ihm so gut wie fremd.

So wie Thomas könnte es künftig vielen Kindern gehen, die hier in Deutschland aufgewachsen sind. Im August 2007 wurde mit dem Richtlinienumsetzungsgesetz eine gesetzliche Altfallregelung für langjährig geduldete Migrantinnen und Migranten

eingeführt. Geduldet ist, wer Deutschland eigentlich verlassen muss, aber nicht oder noch nicht abgeschoben werden kann, zum Beispiel weil kein Pass vorliegt oder weil es keinen Weg gibt, eine Krisenregion anzufliegen. Duldungen werden in der Regel nur für wenige Monate ausgesprochen, oft aber über Jahre hinaus erneuert. Das sind die sogenannten Kettenduldungen.

Wer nur geduldet ist, lebt in ständiger Unsicherheit, muss auch nach vielen Jahren Aufenthalt in Deutschland jederzeit damit rechnen, abgeschoben zu werden, oft mit kurzer Frist, manchmal bei Nacht und Nebel. Was dieser Status für Menschen bedeutet, die oft schon traumatisiert nach Deutschland gekommen sind, muss ich mir für mich und meine Familie zum Glück nicht ausmalen.

Nach der Altfallregelung können Familien, die sich mindestens sechs Jahre, und Alleinstehende, die sich mindestens acht Jahre mit einem Duldungsstatus in Deutschland aufgehalten haben, unter bestimmten Voraussetzungen ein Bleiberecht erhalten. Eine Voraussetzung - das ist wohl die wichtigste - ist die grundsätzlich vollständige Sicherung des Lebensunterhaltes durch ein Beschäftigungsverhältnis. Wem ein solches fehlt, der erhält die Aufenthaltserlaubnis auf Probe zur Arbeitsplatzsuche, befristet bis zum 31. Dezember 2009. Circa 30 000 dieser Aufenthaltserlaubnisse auf Probe wurden bislang erteilt. Als das Bleiberecht im Jahr 2007 beschlossen wurde, war jedoch noch nicht absehbar, dass wir uns heute in einer der größten Wirtschaftskrisen seit dem Bestehen der Bundesrepublik befinden würden. Die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt bekommen nicht zuletzt die Geduldeten massiv zu spüren.

Wer seinen Lebensunterhalt bis zum 31. Dezember 2009 nicht selbstständig verdienen kann, muss damit rechnen, dass er in den Duldungsstatus zurückgestuft wird. Deshalb steht es uns als Landtag Brandenburg gut zu Gesicht, unseren Einfluss geltend zu machen, um eine Verlängerung dieser Frist über das Endes dieses Jahres hinaus zu erreichen. Da hierfür der Bundesrat aktiv werden muss, bitten wir um sofortige Abstimmung und Zustimmung zu dem Antrag.

An dieser Stelle möchte ich gern einen Satz zu dem heute eingereichten Entschließungsantrag der CDU-Fraktion sagen; wir hätten uns gefreut, wenn er uns schon ein bisschen eher vorgelegen hätte. Nichtsdestotrotz lehnen wir ihn ab. Denn in diesem Antrag wird die Verlängerung, die wir ebenfalls fordern, konditioniert, und zwar auf eine menschenrechtlich fragwürdige Art und Weise und nach schwer nachvollziehbaren Kriterien.

(Beifall GRÜNE/B90 und DIE LINKE sowie vereinzelt bei der SPD - Zuruf des Abgeordneten Schulze [SPD])

Wie wollen wir zum Beispiel nachweisen, dass sich jemand ehrenamtlich freiwillig engagiert, und in welchem Umfang sollte das passieren?

Darüber hinaus beinhaltet unser Antrag nicht nur die Verlängerung dieser Bleiberechtsregelung, sondern er beinhaltet einen weiteren, viel wichtigeren Ansatz. Denn wenn wir Flüchtlingen ein Recht auf ein Leben in Würde geben wollen, dann müssen wir uns auf Bundesebene und darüber hinaus „für eine Regelung einsetzen, die für lange hier lebende geduldete, kranke, traumatisierte, alte und/oder alleinstehende Flüchtlinge, die ihren Lebensunterhalt nicht eigenständig sichern können, eine humanitäre Lösung schafft.“ Das muss in dem Zeitraum passieren, für den diese Verlängerung gedacht ist.

Das ist das Hauptziel unseres Antrags. Wir freuen uns über die prompte Unterstützung der Fraktion DIE LINKE und der Fraktion der SPD.

Ich möchte gern noch einen Schritt weitergehen, auch wenn die Grundsatzdebatte zur Regierungserklärung gestern auf der Tagesordnung stand. Der Koalitionsvertrag gibt Anlass zu der Hoffnung, dass wir im Umgang mit Ausländerinnen und Ausländern ein neues Kapitel in Brandenburg aufschlagen. Es freut uns zu lesen, dass sich die neue Landesregierung für die Abschaffung des Sachleistungsprinzips einsetzen wird. Asylsuchende erhalten für ihren Lebensunterhalt nur einen Bruchteil dessen, was Hartz-IV-Empfängerinnen und -Empfängern zusteht. Diese Leistungen auch noch an Gutscheine zu binden und das wenige Geld nicht zur freien Verfügung zu vergeben ist entwürdigend.

In vielen Kommunen gab es darüber jahrelange Debatten, die zwar in Potsdam, aber längst noch nicht überall in Brandenburg zur Abschaffung der Sachleistungen geführt haben. Dass die Landesregierung jetzt endlich eine deutliche Aufforderung an die Kommunen aussprechen wird, haben viele kaum noch zu hoffen gewagt.

Ähnliches gilt für die Residenzpflicht. Dass wir Asylsuchende verpflichten, den ihnen zugewiesenen Landkreis nicht ohne Erlaubnis der Ausländerbehörde zu verlassen, ist eine der dunkelsten Seiten unseres Rechtsstaates. Dass eine Straftat begeht, wer die Grenze des Bundeslandes verlässt - also zu Freunden nach Berlin fährt oder durch Berlin in einen anderen Brandenburger Landkreis -, ist unsäglich, zumal sich diese „Straftaten“ negativ auf das Bleiberecht der Betroffenen auswirken. Was wir uns da ausgedacht haben, ist nichts anderes als eine mittelalterliche Fußfessel.

(Beifall GRÜNE/B90, SPD und DIE LINKE)

Es gibt Bundesländer, die das anders handhaben, zum Beispiel Mecklenburg-Vorpommern. Ich kann mich gut an unsere Enttäuschung erinnern, als vor einigen Jahren der Potsdamer Oberbürgermeister mit Verweis auf die Praxis in anderen Bundesländern beim damaligen Brandenburger Innenminister anfragte, ob nicht über die Aufhebung der Residenzpflicht zwischen Brandenburg und Berlin mit Berlin verhandelt werden könne. Nein, das war mit dem General nicht zu machen. Wenn das jetzt anders wird, begrüßen wir das sehr.

Gleiches gilt für das Wahlrecht für Drittstaatenangehörige, also Nicht-EU-Bürger. Wir erwarten von diesen Menschen, dass sie sich hier integrieren, und doch verwehren wir ihnen die elementaren Beteiligungsrechte. Auch das müssen wir anders machen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir freuen uns sehr über den in Aussicht gestellten neuen Umgang mit ausländischen Mitmenschen. Und seien Sie gewahr: Wir werden sehr genau hinschauen.

(Beifall GRÜNE/B90, SPD und DIE LINKE)

Herzlichen Dank. - Das Wort erhält der Abgeordnete Petke für die CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist bereits erwähnt worden, dass die Fraktion der CDU einen

Entschließungsantrag zu diesem Tagesordnungspunkt eingebracht hat. Das beinhaltet, dass wir in weiten Teilen mit der Absicht der Fraktionen der SPD, DIE LINKE und GRÜNE/B90 übereinstimmen, auf der Bundesebene zu einer Weiterführung des Bleiberechts zu kommen. Der Bundesinnenminister und die Innenminister der Länder werden sich Anfang Dezember in Bremen mit dieser Frage auseinandersetzen.

Ich möchte gleich zu Beginn meiner Rede auf einen Punkt eingehen, Frau Kollegin von Halem, der mir ein wenig aufgestoßen ist. Ich glaube, wir brauchen in Brandenburg kein neues Kapitel im Umgang mit unseren Ausländerinnen und Ausländern. Was die Koalition in den vergangenen Jahren in diesem Bereich geleistet hat, ist meiner Auffassung nach durchaus respektabel. Ich erinnere daran, dass wir als eines der ersten Länder eine Härtefallkommission auf den Weg gebracht haben. Wir können stolz mit Fug und Recht sagen, dass diese Härtefallkommission, nachdem sie vernünftig installiert worden ist, sehr viele gute Entscheidungen im Sinne der Humanität und des Rechts getroffen hat. Besonders stolz waren wir, dass sie zum Ende fast geräuschlos gearbeitet hat, dass also nicht anhand von Einzelschicksalen eine öffentliche Diskussion stattgefunden hat.

Wenn Sie sagen, sie verstünden den Sinn unseres Entschließungsantrags nicht, dann möchte ich meine Redezeit dazu nutzen, ein wenig nachzuhelfen. In Ihrem Antrag gibt es eine Reihe von Formulierungen, mit denen die Hürden tiefer gehängt werden sollen. Vereinfacht ausgedrückt sagen Sie: Diejenigen, die da sind, sollen einfach hierbleiben können, und die bestehenden rechtlichen Hürden sollen gesenkt bzw. abgeschafft werden. - Wir sagen: So geht es nicht!

(Zurufe von der Fraktion DIE LINKE)

- Ich beziehe mich ausdrücklich auf Ihre Aussage.

Die Integration der Menschen mit einem dauerhaften Aufenthaltsstatus, aber auch der Menschen mit einem zeitweiligen Aufenthaltsstatus muss im Vordergrund stehen. So sagen wir: Ja, wir streben eine weitergehende Lösung an, aber es muss eine Lösung sein, bei der gewürdigt wird, dass derjenige, der sich um Arbeit bemüht - es ist nicht Voraussetzung, dass er Arbeit hat, sondern er muss lediglich den Nachweis führen, dass er sich darum bemüht hat -, bessergestellt wird als derjenige, der diesbezüglich keine Anstrengung unternommen hat und dem Staat sozuagen auf der Tasche liegt.