Protocol of the Session on March 23, 2011

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Es geht nicht, wie Herr Dombrowski sagt, darum, dass wir uns nicht mehr darüber unterhalten müssen, ob aus der Atomenergie ausgestiegen wird oder nicht. Es gibt Positionen in der CDU, die sagen: Es muss dauerhaft mit der Atomenergie weitergehen, es geht nicht nur um Laufzeitverlängerung. Das ist die Position, die Frau Ludwig damals aufgeschrieben und womit sie Röttgen kritisiert hat, der jetzt aufgrund der Katastrophe in Ihrer Partei in der Vorderhand ist. Ich sage Ihnen: Am Montag bricht bei Ihnen das Chaos aus, wenn Sie die Wahl in Baden-Württemberg verlieren. Dann wird Röttgen wieder vorgeführt, und es werden sich diejenigen, die im Augenblick den Mund halten, in Ihrer Partei zu Wort melden und sagen: Wir wollen wieder rein in die Atomenergie, das hat uns alles nichts gebracht. - Ich glaube, das ist eine Haltung, mit der Sie in diesem Land nicht durchkommen werden.

Es gibt in Ihrer Partei einen riesigen Konflikt, den Herr Bretz mit seiner rhetorischen Windmaschine zu überspielen versucht hat. Sie greifen die Landesregierung an, damit Sie über Ihre eigenen Probleme, über Ihre eigene Haltung nicht reden müssen.

Ich erwarte von Ihnen - Sie reden nach mir -, dass Sie sich hier klar positionieren. Was wollen Sie: Stehen Sie nach den Katastrophen, die wir alle erlebt haben, zur Atomenergie - ja oder nein? Die Katastrophe in Fukushima ist übrigens nicht die erste, die wir erleben; ich erinnere an Harrisburg und Tschernobyl. Irgendwann muss die Welt etwas daraus lernen. Irgendwann muss auch die CDU etwas daraus lernen. Sie von der CDU sollten nicht versuchen, mit Wahlkampftricks Ihr Wahlergebnis in Baden-Württemberg zu retten - was mit Sicherheit nicht gelingen wird!

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Lassen Sie mich auch etwas zu den alternativen Energien in Brandenburg sagen. Ich glaube, dass die CDU - zum Teil auch die FDP - hier einige Pirouetten aufführt, die nicht akzeptabel sind. Wir in Brandenburg können stolz sein auf das, was wir in den vergangenen 20 Jahren erreicht haben. Wir haben das zweite Jahr hintereinander die Auszeichnung als bestes Land im Bereich der alternativen Energien bekommen. Wir leisten also unseren Beitrag. Andere Länder müssen sich an uns orientieren, wenn wir die Energiewende in Deutschland schaffen wollen.

Aber was musste ich gestern in der „Märkischen Allgemeinen Zeitung“ über einen Besuch von Frau Ludwig in Lindow lesen?

„Saskia Ludwig warnte vor einer einseitigen Diskussion über regenerative Energien, gerade in dieser 'aufgeheizten Lage'. Man müsse über Alternativen reden und 'ergebnisoffen forschen', sagte sie in Lindow. 'Das haben wir im Moment nicht', schätzte der Gast ein.“

Jetzt folgt der entscheidende Satz:

„Der gegenwärtige ,Hype’ um regenerative Energiegewinnung sei nicht gut für das Land.“

Es ist schon ein Hammer sondergleichen, wenn sich die Oppositionsführerin hinstellt und sagt, dieser „Hype“ sei schlecht für ein Land, das zweimal hintereinander den Preis der Bundesregierung - Ihrer Bundesregierung! - als bestes Land im Bereich von alternativen Energien erhalten hat.

Ich sage: Wir sind stolz darauf, dass wir bei der Windenergie vorankommen. Wir sind stolz darauf, dass wir bei der Solarenergie vorankommen.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Sie aber stellen sich hin und behaupten, in unserem Land gebe es einen „Hype“, der irreal sei. Dahinter steckt nur eines: Sie sind noch längst nicht herausgekommen aus Ihrem alten Fortschrittsglauben im Hinblick auf die Atomtechnologie. Da müssen Sie herauskommen. Sonst wird Ihre Halbwertszeit in Regierungen sehr, sehr kurz sein.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Wir setzen die Debatte mit dem Beitrag der Linksfraktion fort. Der Abgeordnete Domres spricht.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Bretz, Ihre Kritik am Thema der heutigen Aktuellen Stunde können Sie äußern; auch Kritik an der Diskussion über die Zukunft der Kernkraft kann geäußert werden. Ich frage mich allerdings: Wann sollen wir denn die Diskussion führen, wenn nicht jetzt, mit den Bildern aus Japan vor Augen? Von daher ist Ihre Kritik zurückzuweisen.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Herr Bretz, die Versuchung, vor laufenden Kameras der rot-roten Koalition mal so richtig einzuheizen, war wohl zu groß schade! Ich hätte mir von der CDU endlich eigene energiepolitische Vorstellungen gewünscht, aber da kam heute wieder einmal nichts - leider!

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Ich hätte mir gewünscht, dass sich die Brandenburger CDU zum politischen Täuschungsmanöver von Frau Merkel äußert. Ich hätte mir auch gewünscht, dass die Brandenburger CDU ihren energiepolitischen Irrweg endlich verlässt. Denn eines ist doch klar: Das Merkel-Moratorium ist ein politisches Täuschungsmanöver ohne rechtliche Bindungskraft. Durch die bloße Erklärung von Frau Merkel ändert sich weder ein Gesetz, noch wird ein Vertrag geschlossen. Man darf davon ausgehen, dass die AKW-Betreiber zunächst darauf verzichten, sich gegen die Stilllegung rechtlich zu wehren. Spätestens nach Beendigung der Wahlkampfzeit werden sie aber ihre Rechnung der Bundesregierung präsentieren, da gehe ich jede Wette ein.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der CDU, ich gehe auch davon aus, dass Ihre billige Polemik bei den Leuten nicht verfängt und dass die Bürgerinnen und Bürger sehr gut unterscheiden können, wer hier Klamauk veranstaltet und wer die be

rechtigten Sorgen und Ängste ernst nimmt und an Lösungen arbeitet.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Es wird immer wieder gefordert, dass die Landesregierung nun endlich eine Energiestrategie vorlegt. Ich erinnere daran, dass die Energiestrategie bis zum Jahr 2020 gilt. Deren Ziele gelten, sie wird umgesetzt. Klar ist auch: Sie wird fortgeschrieben. An der Fortschreibung wird gearbeitet. - Das wissen Sie auch.

Ich darf an die drei Ziele der Energiestrategie erinnern: Reduzierung energiebedingter CO2-Emissionen bis zum Jahr 2020, vorrangiger Ausbau der erneuerbaren Energien - die Äußerungen Ihrer Fraktionsvorsitzenden wurden soeben schon bewertet sowie Steigerung von Energieeffizienz und Energieeinsparung.

Im Zentrum der neuen Energiestrategie wird ein energiepolitisches Viereck stehen: Versorgungssicherheit, Umwelt- und Klimaverträglichkeit, Wirtschaftlichkeit und Akzeptanz.

Das Land Brandenburg ist beim Ausbau erneuerbarer Energien sehr gut vorangekommen. Das belegen zahlreiche Auszeichnungen, zuletzt die mit dem „Leitstern 2010“. Diese Auszeichnung erhalten Bundesländer, die mit dem erfolgreichen Einsatz erneuerbarer Energien sowie einer ambitionierten Technologieund Wirtschaftspolitik den Weg in eine nachhaltige Energieversorgung weisen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Titel der Aktuellen Stunde lautet: „... Für eine zukunftsfähige Energieversorgung in Brandenburg und Deutschland“. Eines ist völlig klar: Energiepolitik vollzieht sich auf regionaler, landespolitischer, bundespolitischer und europapolitischer Ebene. Ich bin der festen Überzeugung, dass es gelingen muss, diese Ebenen zusammenzuführen. Jede Ebene für sich allein wird die anspruchsvollen Ziele nicht erreichen können. Deshalb ist es wichtig, Energiepolitik als gesellschaftliche Herausforderung zu begreifen und diese dann auch anzunehmen. Dazu gehört zuallererst, sich seine Ziele klarzumachen.

Für die Linke sage ich ganz deutlich: Wir wollen den sofortigen und endgültigen Stopp der ältesten und unsichersten AKWs. Wir wollen die endgültige Abkehr von der Laufzeitverlängerung und den verlässlichen Ausstieg aus der Atomkraft. Und wir wollen bundesweit einen vernünftigen Energiemix mit dem Vorrang erneuerbarer Energien, verbunden mit einer hohen Energieeffizienz und Energieeinsparung in allen Bereichen der Gesellschaft.

(Beifall DIE LINKE und GRÜNE/B90)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es gibt keine einfachen Antworten auf die energiepolitischen Herausforderungen der heutigen Zeit. Wir alle sind gefordert, Vorschläge für Lösungen der Probleme zu suchen und zu finden. Gerade deshalb wünsche ich mir, dass wir uns nach den schrecklichen Ereignissen in Japan die Zeit nehmen und nach tragfähigen, in der Gesellschaft akzeptierten Lösungen suchen. Die Defizite und Probleme sind bekannt; da wird es Kompromisse geben müssen. Die wichtigsten Defizite sind mangelnde Akzeptanz und zu langsamer Netzausbau. Herr Kollege Bretz, da können Sie gegenüber der Bundesregierung tätig werden. Das Energieleitungsausbaugesetz und das Energiewirtschaftsgesetz sind im

mer noch Bundesgesetze. Das sind aber die Gesetze, die den Netzausbau in Brandenburg behindern.

(Beifall DIE LINKE, GRÜNE/B90 und vereinzelt SPD)

Wir brauchen mehr Speicherkapazitäten. Wir müssen die Flächenproblematik lösen. Ein großes Problem sind auch die Kosten für den Netzausbau.

Herr Kollege, ich muss jetzt einschreiten. Die rote Lampe am Rednerpult blinkt bereits seit geraumer Zeit.

(Abgeordneter Domres begibt sich zu seinem Platz.)

Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE)

Wenn die rote Lampe blinkt, auf der „Redezeit beendet“ steht, beginnt nicht das Ende der Redezeit, sondern es ist bereits eingetreten.

(Frau Kaiser [DIE LINKE]: Das ist aber schade! Das könnte man mal ändern, Herr Präsident!)

- Ich weiß, dass das schade ist.

(Görke [DIE LINKE]: Wir haben immer gedacht, es sei eine Ampel!)

Nun sind wir gespannt, was die Mitglieder der Landesregierung jetzt machen. Als Nächster ist nämlich Minister Woidke dran.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Seit fast zwei Wochen beherrschen die Bilder aus Japan die Nachrichten. Erdbeben, Tsunami und vor allem die havarierten Reaktoren des Atomkraftwerks Fukushima haben hierzulande Bestürzung und Mitgefühl ausgelöst.

Die Katastrophe hat zudem die politische Agenda in Deutschland durchgeschüttelt und die Frage nach der Sicherheit unserer Nuklearanlagen und dem Schutz unserer Bevölkerung vor solchen Unglücken in den Fokus gerückt. Die Ereignisse in Fukushima haben keine direkten Auswirkungen auf Deutschland; solche Auswirkungen sind aus heutiger Sicht auch nicht wahrscheinlich. Den allermeisten Menschen hier ist das durchaus klar: Die Entfernung zwischen Japan und Deutschland ist einfach groß genug.

Dennoch wecken die Bilder, wecken die immer neuen Meldungen Ängste auch hier bei uns in Brandenburg. Diese Ängste haben - bei all den Kilometern, die uns von Japan trennen - einen rationalen Ursprung. Wir wissen jetzt, dass ein Restrisiko eben immer noch ein Risiko ist. Ich füge hinzu: ein Risiko, das wir in der Nukleartechnologie nicht eingehen dürfen.

In Deutschland stehen 17 AKWs und zahlreiche weitere in anderen europäischen Ländern. Wie schnell Unfälle dort auch uns in Brandenburg betreffen können, zeigt sich, wenn wir die

Distanz Fukushima-Tokio als Maßstab nehmen. Das sind etwa 240 km Luftlinie. Das AKW Temelin in Tschechien ist von Cottbus ca. 280 km entfernt, das AKW Grohnde ist etwa 250 km von Potsdam entfernt, von Brokdorf bis nach Neuruppin sind es als Luftlinie 250 km und Krümmel ist von Berlin ganze 227 km entfernt. Diese Landkarte der eventuellen Betroffenheit soll, muss und darf niemanden in Panik versetzen. Anlass, sich mit dem Thema Kerntechnik und Sicherheit zu beschäftigen, bietet sie allemal.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Katastrophenschutz hat im Zusammenhang mit Nukleartechnologien eine etwas andere Bedeutung als in anderen Zusammenhängen. Kann uns der Katastrophenschutz vor den Auswirkungen eines Nuklearunfalls schützen, wie es beim Hochwasser passiert, wie es bei anderen Katastrophen passiert? Ich sage ganz klar: Nein. Schwere Störfälle in einem Kernkraftwerk führen zu extremen Auswirkungen. Ein gut aufgestellter, leistungsfähiger Katastrophenschutz kann die Folgen für die Bevölkerung begrenzen, viel mehr aber auch nicht. Die Folgen einer nuklearen Havarie kann der beste Katastrophenschutz der Welt nicht beseitigen. Alle technischen Verbesserungen sind der Gefahr, die sich hinter dem Wort Restrisiko verbirgt, schlussendlich nicht gewachsen. Wir können also nur - oder immerhin - leisten, den Katastrophenschutz in Brandenburg so gut wie möglich aufzustellen. Zu den Einzelheiten habe ich gestern in einer Pressekonferenz ausführlich Stellung genommen. Einen Satz vielleicht noch: Ich gehe davon aus, dass die Krisenreaktion auch in einem solchen Fall in Brandenburg rasch, zuverlässig und erprobt funktionieren wird. Dafür waren die Hochwassereinsätze gerade auch im Jahr 2010 ein guter Gradmesser. Die Abläufe und Informationswege funktionieren und würden auch im Falle eines Nuklearunfalls greifen, weil auch die entsprechende Ausrüstung da ist. Was wir aber nicht vergessen sollten - auch das haben uns die Bilder aus Japan sehr eindrücklich gezeigt, die in vielen Teilen an die Bilder erinnert haben, die wir von Tschernobyl vor 25 Jahren gesehen haben -: Trotz aller Einsatztechnik, trotz aller Notfallpläne - am Ende sind es die Menschen, die gegen die eintretende oder die schon eingetretene Katastrophe kämpfen. Es sind die Polizisten, die Feuerwehrleute, die Soldaten und die Techniker. Diese Menschen zahlen oft einen hohen Preis, die Soldaten, die in Tschernobyl im Einsatz waren, und die Feuerwehrleute in Tokio, die sich freiwillig für einen Einsatz in Fukushima gemeldet haben. Wie hoch dieser Preis sein wird, wissen wir oft erst Jahre später. Die Gefahr für diese Menschen und für uns alle können wir nur auf einem Wege abwenden, wenn aus dem Moratorium das endgültige Nein zur Atomenergie wird. - Danke sehr.

(Beifall SPD und DIE LINKE)