Meine Damen und Herren, wir setzen mit dem Beitrag der Landesregierung, für die Frau Ministerin Tack spricht, fort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir alle blicken gebannt auf Japan; wir haben auch allen Grund dazu. Ich bitte, dass wir einen Augenblick innehalten, denn das Erdbeben und der Tsunami haben mit ihren verheerenden Folgen nicht nur Japan erschüttert.
Mehr als 20 000 getötete Menschen, über eine halbe Million Obdachlose, Millionen im Winterwetter ohne Strom, ohne funktionierende Infrastruktur, ohne ausreichende, zuverlässige medizinische Versorgung - ich denke, für uns alle sprechen zu können, wenn ich sage: Das ist eine unvorstellbare Katastrophe.
Unsere Trauer und unser Mitgefühl gelten den Opfern und Hinterbliebenen - das haben wir zum Ausdruck gebracht -, und unsere Anteilnahme, unsere Solidarität gelten dem japanischen Volk. Vielerorts in Brandenburg spenden die Menschen an Hilfsorganisationen, unterstützen Familien und Freunde direkt in Japan. Die Landesregierung dankt allen für diese praktizierte Solidarität; ich bin davon überzeugt, sie wird in den nächsten Tagen und Wochen anhalten.
Wir erwarten von der Bundesregierung, dass sie sich in der EU für ein koordiniertes Hilfsprogramm für die betroffene Bevölkerung Japans einsetzt. Das wäre von den Staatschefs verstandene Globalisierung.
Das infolge der Naturkatastrophe schwer beschädigte Kernkraftwerk in Fukushima und der verzweifelte Kampf der Experten vor Ort gegen die immer noch drohende Kernschmelze und den GAU, den größten anzunehmenden Unfall, berühren jeden von uns. Hochspezialisierte Versorgungstechnik und Schutzeinrichtungen haben im Atomkraftwerk Fukushima versagt. Was die Atomkraftgegnerinnen und -gegner immer befürchtet haben, ist in Japan bittere Realität geworden. Die kurz-, mittel- und langfristigen Folgen für die Menschen und die Umwelt in dem äußerst dicht besiedelten Landstrich Japans und den gesamten pazifischen Raum sind gegenwärtig nicht abschätzbar.
Die Nuklearkatastrophe in Japan hat zu weltweitem Nachdenken über die Sinnhaftigkeit von Kernenergie sowie deren Nutzen und Risiken geführt. Ich hoffe, dass dieses Nachdenken zu einer alternativen Energiepolitik, zu mehr Ressourcenschutz und in der Folge auch zu veränderten Produktionsweisen führt.
Die dramatischen Ereignisse in Fukushima haben uns vor Augen geführt, dass es bereits „fünf nach zwölf“ ist. Es ist höchste Zeit, in Deutschland, in Europa und weltweit zu einer energiepolitischen Wende zu kommen.
Die Brandenburger Landesregierung fühlt sich in ihrer Position bestätigt: Die nukleare Technologie beinhaltet Risiken, die weder kontrollierbar noch - im Krisenfall - beherrschbar sind.
Kernenergie ist weder sauber noch sicher, ist weder umweltschonend noch zukunftsfähig; sie ist eine Gefahr für die Menschheit.
Das von der Bundesregierung verkündete dreimonatige Moratorium für die erst im vergangenen Jahr von ihr vereinbarte Laufzeitverlängerung für die deutschen AKWs ist ein erster Schritt - das ist unbestritten -, aber er greift viel zu kurz, zumal die rechtliche Grundlage für das Moratorium sehr umstritten ist.
Die Entscheidung der Bundeskanzlerin zur Abschaltung der acht ältesten Reaktoren ist wohl mehr vom politischen tagesaktuellen Kalkül mit Blick auf die bevorstehenden Landtagswahlen als von Einsicht und Vernunft geprägt, und noch ist der politisch falsche Beschluss zur Laufzeitverlängerung nicht korrigiert; er gilt fort. Ob die schwarz-gelbe Bundesregierung zu einer Energiewende bereit und fähig ist, muss sie uns erst noch unter Beweis stellen; den Optimismus des Kollegen Bretz teile ich nicht.
Das gestrige Treffen der Bundeskanzlerin hat gezeigt, dass sie weiterhin sehr zögerlich ist und mit ihren Entscheidungen offensichtlich auf Zeit spielt. Eine Ethikkommission soll helfen, eine sichere Energieversorgung in Deutschland zu finden. Ich sage: Die ethischen Fragen, die im Zusammenhang mit Atomenergie zu klären sind, sind längst geklärt.
Sie kann zwar diese Ethikkommission einsetzen, um die gesellschaftliche Meinungsbildung zu befördern, jedoch unterstreicht das, dass die Bundesregierung nicht entschlossen ist, notwendige Entscheidungen zu treffen. Die Bevölkerung erwartet mehrheitlich eine schnelle Entscheidung zum Ausstieg aus der Kernenergie; das beweisen Umfragen, und das zeigen Debatten im Bundestag und bei uns im Landtag.
Die Bundesregierung muss jetzt gesetzliche Grundlagen für den Atomausstieg schaffen und ein neues, zukunftsfähiges und nachhaltiges nationales Energiekonzept auf den Tisch legen. Die Erwartungshaltung an die Bundesregierung ist ein Energiekonzept, das die Länder mittragen können.
Das im vergangenen Jahr Verabschiedete tragen die SPD-geführten Länder nicht mit - anders als bisher, Herr Bretz, anders als bisher! Wir haben das Energiekonzept der Bundesregierung damals nicht nur wegen der Laufzeitverlängerung der AKWs abgelehnt, sondern auch, weil dieses Konzept nicht ausfinanziert und nicht mit Maßnahmen untersetzt ist, mit deren Hilfe man zu mehr erneuerbaren Energien kommen kann.
Meine Damen und Herren, Brandenburg hat gemeinsam mit NRW, Rheinland-Pfalz, Berlin und Hamburg auf der jüngsten Bundesratssitzung am 18. März einen Antrag auf Rücknahme der Laufzeitverlängerung der deutschen Atomkraftwerke eingebracht. Er fand zu diesem Zeitpunkt leider noch keine Mehrheit. Deshalb ist es weiterhin nötig, dass Brandenburg gemeinsam mit den eben genannten vier Bundesländern an der Normenkontrollklage vor dem Bundesverfassungsgericht bezüglich des Gesetzgebungsverfahrens zur 11. Atomgesetznovelle festhält, um die Bundesregierung auf diese Art und Weise unter Druck zu setzen und an eine andere Entscheidung heranzuführen.
Wir sind der Auffassung, dass angesichts der Ereignisse in Japan eine Neubewertung aller Atomkraftwerke nach dem neuesten Stand von Wissenschaft und Technik dringend erforderlich ist. Neuer Maßstab einer Sicherheitsüberprüfung muss eine wirksame Schadensvorsorge sein. Die Sicherheit darf schon gar nicht am Einwand wirtschaftlicher Unzumutbarkeit scheitern. Von der ungeklärten Endlagerfrage will ich in der heutigen Debatte einmal absehen, aber auch da stehen die Entscheidungen noch aus.
Meine Damen und Herren, ich möchte noch kurz eine Bemerkung machen, weil es doch immer wieder Anfragen gibt und die Menschen derzeit auch in Brandenburg beunruhigt sind, was mögliche Auswirkungen der nuklearen Katastrophe in Japan sein könnten. Es gibt zahlreiche Ängste bei den Menschen in Brandenburg. Ich will versuchen, kurz auf einige Punkte aktuelle Situation und vorsorgliche Maßnahmen - einzugehen.
Zum Ersten: Eine Kontamination mit freigesetzter Strahlung aus dem Reaktor in Fukushima ist in Deutschland aufgrund der großen Entfernung und der Witterungsbedingungen nicht zu erwarten. Das kann ich heute hier sagen. Unser Ministerium ist Mitglied des Bund-Länder-Ausschusses für Atomenergie und erhält auf dieser Grundlage ständig die aktuellen Daten zur Lage, und darauf stützen wir auch unsere Informationen. Infolge der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl wurde ein flächendeckendes automatisches Messnetz in der Bundesrepublik installiert - es sind insgesamt 1 800 Messstationen -, das sofort die entsprechenden Daten liefert.
Zum Zweiten: In der vergangenen Woche wurden alle Vorbereitungen getroffen, um Lebensmittel- und Futtermittelimporte aus Japan auf ihre Radioaktivität zu prüfen. Die Grenzkontrollen am Flughafen Schönefeld sind entsprechend angewiesen. Nur möchte ich noch einmal deutlich machen: Die Situation in Japan ist so dramatisch, dass es überhaupt keine Exporte gibt, weder von Nahrungs- noch von Futtermitteln. Es kommt also nichts aus Japan hier an, und die Leute sollten das zur Kenntnis nehmen.
Zum Dritten: Personen, die aus Japan zurückkehren, wollen wir gern anbieten, sich freiwillig am Flughafen Schönefeld auf eine mögliche Strahlenbelastung untersuchen zu lassen. Es ist eine unentgeltliche Untersuchung, die das Landesamt gemeinsam mit den Kollegen vom Landeslabor Berlin-Brandenburg vornimmt. Ich glaube, dies ist ein Angebot, das Sicherheit schafft.
Erstens: Die Landesregierung will, um die Entscheidungsprozesse der Bundesregierung zum schnellen Ausstieg aus der Kernenergie beschleunigen zu helfen, noch im Monat April mit den anderen SPD-geführten Bundesländern im Bundesrat den nötigen Antrag zum gesetzlichen Ausstieg aus der Kernenergie einbringen. Das ist uns wichtig, um hier noch einmal deutlich zu machen, wie unsere Erwartungshaltung gegenüber der Bundesregierung ist.
Zweitens: Nun endlich - zweimal verschoben - findet Ende April der Deutsch-Polnische Umweltrat in Warschau statt. Dort werden wir, wie bereits verabredet, mit den polnischen Kollegen und dem deutschen Umweltminister beraten und versuchen, die polnischen Kollegen davon zu überzeugen, dass Atomenergie keine zukunftsorientierte Energiepolitik bedeutet. Vielleicht können wir sie überzeugen, zumindest wollen wir mit ihnen reden. - Vielen Dank.
Meine Damen und Herren, ich teile Ihnen vorbereitend mit, dass die Ministerin ihre Redezeit um gut 100 % überzogen hat.
Während für die SPD-Fraktion der Abgeordnete Ness ans Rednerpult tritt, begrüße ich Schülerinnen und Schüler der Oberschule Schwanebeck zu diesem spannenden Thema bei uns im Landtag. Herzlich willkommen!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist, glaube ich, eine sehr wichtige Debatte, die wir heute führen. Ich war sehr gespannt auf diese Debatte, insbesondere auf die Redebeiträge, die von den Vertretern der CDU und der FDP hier geleistet werden. Ich muss sagen, dass ich schon ziemlich entsetzt bin, Herr Bretz, was Sie heute dazu als rhetorische Windmaschine abgeliefert haben.
Die Bundeskanzlerin hat vor einigen Tagen eine dramatische Kehrtwende in der Energiepolitik angekündigt. Sie haben keinen Satz dazu gesagt, Sie haben alles Mögliche versucht, sich darum herumzudrücken und nicht als Interpret Ihrer Kanzlerin aufzutreten. Offensichtlich ist Ihnen das alles ein bisschen unheimlich. Ich glaube, es ist Ihnen so unheimlich wie der Mehrheit der Bevölkerung. Es ist wahrscheinlich auch für Sie nicht ganz glaubwürdig, was die Kanzlerin macht, wie auch für die Mehrheit der Bevölkerung.
Heute Morgen hat Forsa die Ergebnisse einer Umfrage veröffentlicht. 78 % der Deutschen sagen: Diese Kehrtwende in der Energiepolitik, dieses Moratorium, ist ein reiner Wahlkampfgag, und die Halbwertszeit dieses Moratoriums reicht wahrscheinlich bis kommenden Sonntag. Und ich sage Ihnen: Am kommenden Sonntag wird eine heftige Debatte in der CDU ausbrechen, an der sich auch die Brandenburger CDU beteiligen wird, auch Frau Dr. Ludwig, die diesen Raum verlassen hat.
Was ist denn passiert in dieser Bundesrepublik Deutschland? Die CDU/FDP-Bundesregierung hat vor zwölf Monaten einen
Energiekonsens, der nach langen, schwierigen Debatten in diesem Land gefunden worden ist, ohne Not aufgekündigt. Sie, Herr Dombrowski, werfen uns vor, dass wir einen Unfall für eine Debatte missbrauchten. Da machen Sie den Bock zum Gärtner. Der entscheidende Punkt ist, dass nicht wir eine Debatte losgebrochen und einen Großkonflikt losgetreten haben, sondern die Bundesregierung hat einen Großkonflikt losgetreten, indem sie die Laufzeitverlängerung durchgesetzt hat, und zwar gegen eine große Mehrheit in der Bevölkerung. Das hat schon im Herbst vergangenen Jahres Hunderttausende Menschen auf die Straße gebracht.
Jetzt, nach diesem Unfall, haben Sie aus Angst, am kommenden Sonntag die Wahl in Baden-Württemberg zu verlieren und Sie werden sie verlieren - eine Volte vorgenommen, mit der Sie die Bevölkerung täuschen wollen. Das wird Ihnen nicht abgenommen. Ich glaube, dass Sie damit auch einen Beitrag leisten, die Glaubwürdigkeit von Politik insgesamt zu beschädigen. Die Volte, die Sie vornehmen, ist nicht akzeptabel. Diese Bundesregierung spaltet unsere Gesellschaft in der Frage der künftigen Energieversorgung. Die Volte, die Sie vorgenommen haben, dieser Wahlkampfgag mit dem Moratorium, wäre nur glaubwürdig gewesen, wenn sich die Kanzlerin vor den Deutschen Bundestag gestellt und gesagt hätte: Liebe deutsche Bevölkerung, Entschuldigung, es war ein Fehler von uns, dass wir die Laufzeiten für Atomkraftwerke verlängert und damit diese Gesellschaft wieder gespalten haben.
Ich darf daran erinnern, dass Herr Mappus, als sich Herr Röttgen gegen die Laufzeitverlängerung ausgesprochen hat, den Rücktritt dieses Ministers forderte. Dieser Herr Mappus tut jetzt alles, um dies in Vergessenheit geraten zu lassen. Ich darf aber auch daran erinnern - und deshalb bin ich enttäuscht, das heute Frau Dr. Ludwig nicht spricht -, dass sich auch Frau Dr. Ludwig an dieser Kritik beteiligt hat. Frau Dr. Ludwig hat am 10. Januar 2010 gemeinsam mit anderen CDU-Politikern einen Text veröffentlicht, der damals als massive Kritik an Angela Merkel interpretiert wurde. Ich möchte aus diesem Text zitieren. Sagen Sie jetzt bitte nicht, dass er 14 Monate alt und nicht aktuell ist; ich habe ihn gestern von der Internetseite von Frau Dr. Ludwig heruntergezogen:
„Die Große Koalition auf Bundesebene führte zu einer Schwächung des Profils der Union. Es wurde versäumt, den Wählern die eigenen Standpunkte zu verdeutlichen und zu sagen, was die Union ohne den Zwang zu Kompromissen mit der SPD getan hätte. Stattdessen wurden die schwierigen Kompromisse in der Großen Koalition bis zuletzt als eigene Erfolge verkauft. Diese Linie wurde nach der Wahl in den Koalitionsverhandlungen mit der FDP fortgesetzt, indem man frühere Koalitionskompromisse mit der SPD verteidigte.“
„Ein Beispiel war die Erklärung des neuen Bundesumweltministers, Herrn Röttgen, dass der Ausstieg aus der Kernenergie unumkehrbar sei.“