Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, dass die Ereignisse in Japan Anlass sind, anzuhalten und innezuhalten anzuhalten mit der weiteren Nutzung der Kernkraft zumindest in Deutschland und innezuhalten, um gemeinsam zu überlegen, wie in der Perspektive, wie in der Zukunft in den nächsten Jahr
zehnten die Energieversorgung nicht nur in Deutschland, aber auch in Deutschland und Europa sichergestellt werden kann.
Meine Damen und Herren, wir werden nach den Ereignissen in Japan eine Zäsur erleben, was die Bewertung von Technologien und sozialen Entwicklungen in der Gesellschaft betrifft. Das wird sich nicht nur auf den Energiebereich reduzieren, sondern es wird grundsätzlich festgestellt werden: Nicht die Tatsache, dass ein Restrisiko existiert, ist das Problem, sondern das Problem ist, welche Gefahr aus dem Restrisiko erwachsen kann. Die Bewertung des Restrisikos wird sich in der Gesellschaft gravierend verändern, und zwar nicht nur im Energiebereich, sondern in der Technologieentwicklung insgesamt.
Das ist eine politische Herausforderung, das ist auch eine ethische Herausforderung an die Gesellschaft und auch an uns Parteien. Deswegen kann ich nur appellieren: Meine Damen und Herren, lassen Sie uns doch bitte ein paar Wochen innehalten und gemeinsam überlegen, wie wir jetzt vorangehen wollen! Wenn ich den Studien des Bundesumweltministeriums Glauben schenke - das will ich jetzt einmal tun -, können wir bis 2020 unseren Strombedarf in Deutschland zu 40 % aus erneuerbaren Energien decken. Es bleibt eine Differenz von 60 %. Natürlich kann ich aus der Kernenergie aussteigen und den 20%igen Anteil durch erneuerbare Energien ersetzen. Die Potenziale haben wir. Die Frage, vor der wir stehen, ist: Wie ersetzen wir die verbleibenden 60 %? In welchem Tempo kann welcher fossile Energieträger ersetzt oder eingesetzt werden? Da werden wir selbstverständlich auch nicht um eine ehrliche Kohledebatte herumkommen.
Diese Kohledebatte ist in der Koalitionsvereinbarung beschrieben. Beide Koalitionspartner haben in ihren politischen Erklärungen und in der Umsetzung der Koalitionsvereinbarung deutlich gemacht: Wir betrachten sie als Brückentechnologie. Über diese Brücke wird gegangen werden müssen. Trotzdem werden wir uns fragen, wie lang der Zeitraum ist, in dem wir diese Brücke betreten müssen. Ich sage Ihnen: Das wird davon abhängen, wie wir uns entscheiden, in welchen Bereichen fossile Energieträger wann, wie lange und in welchem Umfang einsetzbar sind. Sehen Sie sich das Konzept der Bundesregierung an! Zu Gas finden Sie dort nicht ein einziges Wort. Wenn ich aber Gas als fossilen Energieträger einsetzen will, um die Differenz von 60 % zu schließen, dann muss ich auch bereit sein, mich dieser Tatsache zu stellen, und die Frage Gas, Erdöl und Kohle im Komplex beantworten. Das wird nicht von heute auf morgen gehen. Deswegen plädiere ich noch einmal dafür, die Ereignisse in Japan auch zu nutzen, uns allen eine Denkpause zu verordnen, um darüber nachzudenken, wie die Energieversorgung der Zukunft tatsächlich aussehen und in welchem Tempo sie verändert werden soll.
Zweitens: Meine Damen und Herren, wir sind wegen angeblich mangelnder Aktivitäten der Landesregierung zur Durchsetzung einer nachhaltigen Energiestrategie hier im Land Brandenburg angesprochen worden. Ich finde diesen Vorwurf langsam absurd.
Sie sind natürlich als Opposition nicht verpflichtet, irgendetwas wahrzunehmen. Aber Ihre Beiträge werden dadurch nicht glaubwürdiger, dass Sie ständige Diskussionen und Entscheidungen, in die Sie mit eingebunden waren, öffentlich ignorieren.
Meine Damen und Herren, wir haben bei der Umsetzung der Energiestrategie 2020 fünf Kerndefizite, über die wir hier mehrfach debattiert und entschieden haben. Das Erste war die Frage langsamer Netzausbau. Herr Bretz, ich weiß nicht, wie oft wir dieses Thema hatten. Mit Ihrer Zustimmung und auch Ihrer politischen Unterstützung haben wir uns an den Bund gewandt, um auf das Problem aufmerksam zu machen. Gerade gestern habe ich das erneut getan, weil der Kollege Brüderle die Frage der 110-kV-Netze wiederum nicht berücksichtigt hat. Wenn wir die Kosten des Netzausbaus nicht bundesweit umwälzen, haben wir einen sozialen und wirtschaftlichen Standortnachteil durch hohe Strompreise, der alles infrage stellen wird. Das ist keine neue Erkenntnis, darum ringen wir seit einem Jahr.
Deswegen haben wir zusammen mit den Netzbetreibern das Netzforum gegründet, das können Sie nachlesen, das ist veröffentlicht. Deswegen stimmen wir uns in letzter Zeit mit allen Akteuren, einschließlich den Gewerkschaften, ab, um das bundesweit zu transportieren. Ich bitte Sie da um Ihre Unterstützung. Das wäre ein aktiver Beitrag, hier in Brandenburg eine Veränderung zu erreichen.
Fehlende Speicherkapazitäten: Schauen Sie sich die Energiestrategie 2020 in der gegenwärtigen Form an! Da wird das Problem benannt, aber es wird nicht gesagt, wie es gelöst werden soll. Wir sind dabei - dazu haben wir etliche Male auch hier im Landtag berichtet -, die Frage anzugehen und Speichermöglichkeiten umzusetzen. Deswegen wird es bei uns um die Frage Batteriespeicher gehen, und deswegen gibt es die Hybridkraftwerke. Das alles sind aber Technologien, die jetzt erst erprobt werden. Sie sind noch nicht in einer landes- oder bundesweiten Breite einsatzfähig.
Meine Damen und Herren, wir decken 58 % unserer Stromversorgung aus erneuerbaren Energien. Ich gebe Ihnen völlig Recht, wir haben keinen Grund, uns bundes- oder europaweit zu verstecken. Das Problem ist nur: Wir haben einen Erfahrungsschatz, welche Konflikte der Einsatz erneuerbarer Energien mit sich bringen kann, und eine Debatte, die immer aufhört, indem gesagt wird: Der Vorrang der erneuerbare Energien muss durchgesetzt werden. - Meine Damen und Herren, diesen Zustand haben wir schon lange überwunden. Wir machen uns doch längst nicht mehr katholisch, wenn wir sagen, dass wir für den Vorrang erneuerbarer Energien sind. Wir reden darüber: Wie schnell können wir sie umsetzen? Ich sage Ihnen noch einmal: Die Akzeptanz des Zugriffs auf Flächen ist verbraucht; das ist keine neue Erkenntnis. Wenn ich Termine wahrnehme, bemerke ich, dass sich mittlerweile Vertreter aller Parteien aktiv in Bürgerinitiativen betätigen, die, wie ich feststelle, wenn ich ihre Forderungen nebeneinanderlege, gegen alles sind. Ich appelliere an alle Parteien: Wir haben eine Verantwortung, einen anderen politischen Dialog miteinander zu führen; dafür möchte ich heute noch einmal werben. - Vielen Dank.
Meine Damen und Herren! Selbst unter Anrechnung der durch die Fraktionen vorgenommenen Überziehungen haben wir die Chance, die Aktuelle Stunde um 35 Minuten zu verlängern, wenn Sie die sich aufgrund der Überziehung der Redezeit seitens der Landesregierung ergebende Redezeit in Anspruch nehmen möchten. Ich frage die Fraktionen einzeln, möchten Sie noch einmal reden? Die FDP? - Sie möchten. Ich frage die CDU? - Ja. Ich frage die SPD. - Ja. DIE LINKE? - Sie möchten auch. Die Grünen? - Sie sind sich noch nicht einig, ich frage zu gegebener Zeit noch einmal. Die FDP hat noch 6 Minuten Redezeit zur Verfügung. Wer spricht? - Herr Büttner, bitte.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollege Ness, ich möchte, bevor ich zu zwei, drei anderen Punkten komme, auf das eingehen, was Sie in der Diskussion gemacht haben. Sie haben, wie es sich für einen guten Parteigeneralsekretär gehört, vorgeführt, wie man andere Parteien diskreditieren kann, wenn man dies will. Ich halte das vor dem Hintergrund der Katastrophe und des Leids der Menschen in Japan für unangemessen, Herr Ness. Ich meine, das hätten Sie uns ersparen können.
Lassen Sie mich noch einige wenige Punkte in die Diskussion einbringen. Wer Kernkraft als Brückentechnologie ablehnt, der muss erklären, welche Brücke wir in das Zeitalter der regenerativen Energien nutzen wollen. 23 % der Grundlast kann man nicht kurzerhand ausgleichen, und man kann am Ende auch nicht gegen alles sein. Herr Kollege Jürgens, ich verfolge Ihren Einsatz gegen CCS und die Braunkohle. Doch man kann nicht dagegen sein, wenn man gleichzeitig aus der Atomenergie, aus der Kernkraft aussteigen will. Dann muss man erklären, wie man die Grundlast absichern will.
An die geschätzten Kolleginnen und Kollegen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Selbstverständlich wollen auch wir die regenerativen Energien ausbauen. Aber dann kann man nicht wie aktuell in der Uckermark gegen einen Windpark in Greifenberg sein, weil ein Randteil der Biosphäre davon betroffen ist. Das funktioniert dann nicht, meine Damen und Herren. Man kann auch nicht in Bürgerinitiativen gegen ein Gaskraftwerk im Havelland streiten; das gilt für mehrere Parteien hier im Hause. Man muss dazu kommen, dass man andere Formen, andere Energieträger konsequent weiter ausbaut. Diese Brücke muss man nutzen, wenn man eine andere Brücke nicht haben möchte. Sonst ist man nicht ehrlich.
Es gehört auch zur Wahrheit, dass wir im Bereich Windenergie die Grundlastfähigkeit bisher noch nicht erreicht haben. Aber
wir haben uns diesbezüglich auf den Weg begeben. Es wurden innovative Projekte, gerade hier in Brandenburg, angestoßen.
Lassen Sie mich noch etwas zum Ausbau der regenerativen Energien sagen. Durch die im letzten Jahr von der Bundesregierung beschlossene Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke wurden finanzielle Mittel akquiriert, die in einen Fonds zum Ausbau der regenerativen Energien geflossen sind. Diese Mittel stünden bei einem sofortigen Ausstieg aus der Atomenergie nicht mehr zur Verfügung, und dadurch würde der Ausbau regenerativer Energien weiter behindert, meine Damen und Herren. Das gehört zur Wahrheit.
Zum Thema Sicherheit hat Kollege Bretz schon etwas gesagt: Es gehört auch zur Wahrheit, dass sich die damalige rot-grüne Bundesregierung bei der Vereinbarung zum Atom-Ausstieg seinerzeit nicht um die Sicherheit gekümmert hat. Letztlich wurden durch die Ausstiegsvereinbarungen Kernenergieforscher aus dem Land getrieben. Das Energiekonzept der schwarz-gelben Bundesregierung hat als einen Eckpunkt die Energieforschung, damit wir in diesem Bereich weiterkommen. Der Aspekt der Sicherheit wurde erst durch die Vereinbarung von SchwarzGelb wieder aufgenommen; darauf hat Kollege Bretz völlig zu Recht hingewiesen.
Letzter Punkt: Es gibt keine konfliktfreie Energie. Wir müssen die Diskussion ehrlich führen. Zum Mut für eine sichere Energieerzeugung muss es daher auch gehören, dass wir nicht jede neue Technik unter den Vorbehalt einer etwaigen persönlichen Betroffenheit stellen können. Im Ergebnis wird es dazu kommen müssen, dass wir die Anzahl der diversen Genehmigungsverfahren und die anschließenden Klagemöglichkeiten durch in der Regel drei Instanzen reduzieren, um notwendige Technologien schneller zu entwickeln. - Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Umweltministerin Anita Tack, Sie haben soeben Ihre Position deutlich gemacht, indem Sie sagten, Sie hätten nicht viel Optimismus in der Frage, wie sich die Bundesregierung zum Energiemix und zur Energiekonzeption in Deutschland positioniere. Sehr geehrte Frau Tack, ich will wiederholen, was ich vorhin deutlich zu machen versucht habe. Heute hatte die Landesregierung Brandenburg die Aufgabe und Funktion, ihre energiepolitischen Eckpunkte vorzulegen. Das ist Bestandteil eines Beschlusses dieses Hauses. Wir mussten zur Kenntnis nehmen, dass weder Sie, Frau Ministerin Tack, noch Sie, Herr Minister Christoffers, noch Sie, Herr Minister Dr. Woidke, klargemacht haben, wie Sie dieser Aufgabe, die Sie sich selbst durch einen Beschluss des Hohen Hauses gestellt haben, nachkommen wollen. Auch das gehört zur Wahrheit. Daran müssen Sie sich im Übrigen messen lassen.
Es ist eben so: Wenn man gefordert ist, Frau Tack, Verantwortung zu übernehmen, und man liefert dann nicht, sondern
schlägt sich in die Büsche, wenn es konkret wird, dann muss man sich die Frage gefallen lassen, wie es denn nun in Brandenburg ist. Sie erklärten, dass Sie für eine nachhaltige Reduktion der CO2-Emissionen im Land Brandenburg eintreten würden. Eine Antwort auf meine Frage, wie Sie das mit dem Thema Braunkohle in Einklang bringen wollen, sind Sie schuldig geblieben. Es ist bis dato ungeklärt, wie Sie das für Brandenburg erreichen wollen. Deshalb besteht bei Ihnen ein Widerspruch zwischen Wort und Tat - hier in Brandenburg, wo Sie Verantwortung tragen.
Lassen Sie mich zwei Sätze zum Kollegen der SPD sagen. Die Adjektive, die er mir zugeschrieben hat, ertrage ich sportlich. Zwei Bemerkungen: Sie haben aus Parteipapieren zitiert. Mir ist kürzlich ein internes Papier Ihrer Partei bekannt geworden. Vielleicht sollten Sie darin einmal nachlesen; dort ist nämlich der Zustand Ihrer eigenen Partei beklagt. Dies nur als Hinweis.
Was Ihre Prophezeiungen hinsichtlich dessen, was am Montag in der Union geschieht, angeht, will ich Ihnen ganz gelassen sagen: Nichts von dem, was Sie behaupten, wird eintreten. Dabei will ich es bewenden lassen.
Kommen wir zu den Aussagen von Minister Christoffers zurück. Herr Christoffers, Sie haben im Prinzip das, was ich sagte, bestätigt. Der Ausbau von alternativer Energie ist ohne Netzausbau nicht zu machen. Ich möchte dazu eine Begebenheit aus Potsdam erzählen. Kollege Dr. Scharfenberg, Mitglied Ihrer Fraktion, hat bei einem Gespräch mit der Bürgerinitiative gesagt, er werde Erdkabel für die 380-kV-Ebene in Marquardt fordern und unterstützen.
Sie haben ihn öffentlichkeitswirksam durch eine Klarstellung zurückgeholt, und das ist Ausdruck Ihres Problems: dass Mitglieder Ihrer Fraktion DIE LINKE in örtlichen Veranstaltungen das eine sagen, die Landesregierung jedoch etwas anderes macht. Eine klare Position können wir nicht feststellen. Das ist die Wahrheit und Zustand Ihrer Politik.
Ich möchte daran erinnern, Herr Kollege Christoffers, dass Kollege Dellmann aus der SPD-Fraktion den Antrag der rot-roten Koalition hier einbrachte, den er selbst als „anspruchsvoll“ bezeichnete. Ja, wo ist denn nun der Anspruch? Wo sind denn die Ergebnisse? Wo sind denn die Vorstellungen? Wo sind denn die konkreten Dinge, die Sie nun tun wollen? Dazu muss ich Ihnen nach wie vor sagen: Da können wir nichts, aber auch gar nichts zur Kenntnis nehmen. - Es reicht eben nicht, Herr Minister, ein Hybridkraftwerk im Probebetrieb zu betreiben. Wir brauchen eine nachhaltige Antwort, und wir brauchen vor allem eines: eine klare Leitlinie dieser Landesregierung, und die können wir bisher nicht finden. - Vielen Dank.