Protocol of the Session on January 20, 2011

Nachdem die Große Koalition Thüringen im November letzten Jahres zum gentechnikfreien Bundesland erklärt hatte, folgte vorgestern Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen diesem Beispiel.

(Beifall GRÜNE/B90 sowie Zuruf: Bravo!)

Es liegt heute an uns, ob Brandenburg als drittes Bundesland nachzieht und ein deutliches Zeichen für Verbraucherschutz setzt.

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom November 2010 hat unmissverständlich deutlich gemacht, dass es sich bei der Agro-Gentechnik um eine Risikotechnologie handelt. Das höchstrichterliche Urteil bestätigt die derzeit gültigen gesetzlichen Regelungen. Derjenige, der gentechnisch veränderte Organismen anbaut, haftet im Schadensfall. Das Bundesverfassungsgericht begründet sein Urteil damit, dass die Gentechnik in die elementaren Strukturen des Lebens eingreift. Ich zitiere:

„Die Folgen solcher Eingriffe lassen sich, wenn überhaupt, nur schwer wieder rückgängig machen. Die Ausbreitung

einmal in die Umwelt ausgebrachten gentechnisch veränderten Materials ist in Abhängigkeit von zahlreichen Faktoren nur schwer oder auch gar nicht begrenzbar.“

Darum und wegen der noch ungeklärten Risiken habe der Gesetzgeber geradezu eine besondere Sorgfaltspflicht, die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen. Mit unserem Antrag wollen wir dieser besonderen Sorgfaltspflicht nachkommen. Mit dem Urteil ist endgültig klargestellt, dass eine Hochrisikotechnologie wie die Agro-Gentechnik besondere Schutz- und Haftungsregelungen nicht nur erlaubt, sondern auch erfordert.

Auch im rot-roten Koalitionsvertrag, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linken und der SPD, findet sich die Aussage:

„Die Koexistenz beim Anbau von Saatgut und Futtermitteln muss gesichert werden. Gentechnikfreie Regionen in Brandenburg werden unterstützt.“

Verabschieden Sie sich vorübergehend - wir fordern ja ein Moratorium - von der Illusion einer Koexistenz und bringen Sie gemeinsam mit uns ein gentechnikfreies Brandenburg voran!

Die Landesregierung teilte im Februar 2010 auf meine Anfrage mit, dass sie sich bemühen werde, vorhandene Finanzierungsinstrumente auf ihre Eignung für die Unterstützung bei der Organisation gentechnikfreier Regionen zu überprüfen. Des Weiteren heißt es: Die Landesregierung wird auch aktiv für die Neugründung und den Ausbau der vorhandenen Initiativen werben.

Genau an diesen Punkten setzt unser heutiger Antrag an. Wir fordern, dass die landeseigenen Flächen durch Pachtverträge gentechnikfrei bleiben. Wir fordern zudem, dass Brandenburg dem Europäischen Netzwerk gentechnikfreier Regionen beitritt. Und wir fordern, dass sich das Land Brandenburg im Bundesrat dafür einsetzt, dass den gentechnikfreien Regionen mehr Rechtssicherheit gewährt wird. Damit schaffen wir eine Etappe auf dem Weg zu sicheren und zukunftsfähigen Bedingungen für die Landwirtschaft, die Imker sowie die Verbraucherinnen und Verbraucher in Brandenburg. - Danke schön für die Aufmerksamkeit.

(Beifall GRÜNE/B90)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Niels. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der SPD-Fraktion fort. Der Abgeordnete Folgart, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Niels, ich sage gleich vorweg, dass ich diesen Antrag fachlich und sachlich für falsch halte, denn er ist ideologisch geprägt. Ich nehme Ihnen aber gleich die Angst, wir könnten den Antrag ablehnen. Die SPD-Fraktion hat sich darauf verständigt, diesen Antrag in den zuständigen Fachausschuss zu überweisen, um die Debatte über dieses in der Gesellschaft, aber auch bei uns in der Fraktion noch kontrovers diskutierte Thema anzugehen.

Ich will meine Aussage, dass das ein ideologischer Antrag ist, begründen. In ihm werden die Herausforderungen der Gegenwart und der Zukunft komplett ausgeblendet. Wir brauchen Er

nährungssicherheit auch in Zukunft. Wir müssen die Produktion nachwachsender Rohstoffe für die stoffliche und auch für die energetische Verwertung sichern. Aber auch dem Gedanken des Umweltschutzes haben wir Rechnung zu tragen. Das Problem reicht bis hin zu den Herausforderungen des Klimaschutzes. Deshalb dürfen wir die grüne Gentechnik - oder: die Agrogentechnik; das setze ich an dieser Stelle gleich - nicht so ausblenden, wie es in diesem Antrag herüberkommt.

Ich denke, dass die Agro-Gentechnik - Klammer auf: grüne Gentechnik; Klammer zu - ein Bestandteil der Zukunftstechnologie Biotechnologie ist. Brandenburg ist auch ein Biotechnologieland.

(Zuruf von der Fraktion GRÜNE/B90: Das ist Ideologie!)

Lassen Sie uns insofern auch die Fragen von Forschung und Entwicklung in die Diskussion einbringen.

Ich habe es bereits gesagt: Wir werden der Überweisung des Antrags zustimmen, um im Ausschuss darüber diskutieren zu können. Dafür wollen wir uns die entsprechende Zeit nehmen.

Der Antrag hebt tatsächlich nur auf den Begriff „Risikotechnologie“ ab. Chancen dieser Technologie wird in dem Antrag kein Raum eingeräumt.

Ich will nur wenige Punkte herausgreifen.

Unter Punkt 3 fordern Sie mehr Rechtssicherheit für gentechnikfreie Zonen; das Land solle sich dafür entscheiden. Ich denke, dazu gibt es noch Diskussionsbedarf. Wir, die SPD-Fraktion, haben uns immer dafür ausgesprochen, Regionen, die freiwillig gentechnikfrei sein wollen, zu unterstützen. Staatliche Vorgaben - wir müssen auch EU- und Bundesrecht berücksichtigen - wollen wir nicht.

Unter Punkt 6 des Antrags geht es um die Verpachtung landeseigener Flächen. Hier haben wir die gleiche Situation. Darüber müssen wir diskutieren, weil EU-, aber vorrangig Bundesrecht hierbei eine Rolle spielt. Wir dürfen nicht ausblenden, dass die Wettbewerbsfähigkeit auch der Brandenburger Landwirte aufrechterhalten werden muss.

In einem weiteren Punkt wird auf die Kartoffelsorte Amflora Bezug genommen. Die „Einmischung“ dieser speziellen Kartoffelsorte bringt ebenfalls Diskussionsbedarf mit sich.

Insofern verweigern wir uns nicht. Das habe ich gesagt. Wir werden diesen Antrag von Ihnen an den zuständigen Fachausschuss überweisen, um uns zu diesem Thema, das mit Risiko- und Chancenabwägung begleitet werden muss, neu zu positionieren.

(Beifall SPD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Folgart. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der CDU-Fraktion fort. Der Abgeordnete Dombrowski erhält das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Niels, um es, ähnlich wie der Kollege Folgart, gleich vorweg zu

sagen: Wenn der Antrag hier zur direkten Abstimmung gekommen wäre, hätten wir ihn abgelehnt. Aber für eine Diskussion im Fachausschuss stehen wir natürlich zur Verfügung. Ich möchte Ihre Freude jedoch ein bisschen dämpfen, Frau Kollegin Niels: Wir beschließen hier heute kein Moratorium. Wenn ich es richtig sehe, überweisen wir einen Antrag ergebnisoffen, wie sich das bei solchen Dingen gehört.

Zum Stand vom Dezember 2010 ist zu sagen: In Brandenburg gibt es sieben gentechnikfreie Regionen bzw. Initiativen. Rund 330 Landwirte haben sich dafür entschieden, keine gentechnisch veränderten Pflanzen anzubauen oder gentechnisch verändertes Saatgut einzusetzen. Die Entscheidung der beteiligten Landwirte ist eine freie Entscheidung ihrerseits. Die Mehrheit der Verbraucher in Brandenburg und in der Bundesrepublik lehnt die grüne Gentechnik ab. Das ist ihr gutes Recht und das ist das Recht jedes Einzelnen.

Wir alle wissen, dass das Thema grüne Gentechnik meistens emotionsbeladen diskutiert wird. Man muss leider auch feststellen, dass die Diskussionen um die grüne Gentechnik selten sachlich und noch weniger auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse geführt werden, sondern bewusst oder unbewusst einem Glaubensstreit gleichen.

Eine Gemeinsamkeit zwischen den „Lagern“ gibt es dennoch: Alle wollen - und ich zähle meine Fraktion dazu -, dass der maximal mögliche Schutz des Verbrauchers sowie der Umwelt, das heißt unserer Flora und Fauna, bei der Anwendung der grünen Gentechnik gewährleistet wird. Dies gilt für den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen genauso wie für gentechnisch verändertes Saatgut, wobei gentechnisch verändertes Saatgut noch weitere Probleme - sie sind so weit bekannt, insbesondere die Abhängigkeit der Landwirte von einigen Monopolisten - nach sich ziehen könnte. Das ist ein Problem.

Sowohl Verbraucher als auch Landwirte müssen jedoch selbst entscheiden und die Wahlfreiheit haben, sich dafür oder dagegen zu entscheiden. Das sollte ihnen die Politik nicht vorschreiben, sondern sie sollte Sorge dafür tragen, dass Verbraucher aufgrund von Kennzeichnung ihre Wahlfreiheit wahrnehmen können, zum Beispiel mit dem Logo „Ohne Gentechnik“.

Wenn sich Landwirte entscheiden, EU-weit zugelassene gentechnisch veränderte Sorten anzubauen, können wir es nicht verhindern. Worum es der Politik und allen gesellschaftlichen Gruppen, die verantwortungsvoll handeln, gehen muss, ist, dass die Zulassung weiterer gentechnisch veränderter Pflanzen durch die EU-Kommission auf der Basis wissenschaftlicher Bewertungen bei Sicherstellung des maximalen Schutzes der Verbraucher und der Schöpfung erfolgt.

Voraussetzung für die Anwendung neuer biologischer Verfahren in der Landwirtschaft muss eine umfassende und wissenschaftlich objektive Sicherheitsbewertung dieser Technologie und ihrer Produkte sein. Hier müssen höchste Schutzstandards angelegt werden, um die Unversehrtheit der Verbraucher, Tiere und Pflanzen zu gewährleisten.

Schon deshalb brauchen wir auch zukünftig gentechnische Forschung. Ich möchte ein Beispiel aus der Atomenergie nennen: Auch wenn sie in Deutschland irgendwann einmal auslaufen wird - das ist ja absehbar -, ist dies noch lange kein Grund, in Deutschland die Forschung über die Kerntechnik einzustellen.

Wir sind ein Hochtechnologieland. Wenn wir Risiken in diesen wie in anderen Bereichen abwägen wollen, wird dies ohne Forschung nicht gehen. Der Antrag, den Sie, Frau Kollegin Niels, vorgelegt haben, hat unter anderem den Mangel, dass er Forschung nicht zulässt, sondern unter die Diskussion einen Strich zieht und sagt: Ende! Das ist nicht unser Ansatz.

Zur Wahrheit gehört auch zu sagen - ich verweise diesbezüglich auf meinen Kollegen Dieter Helm, den der Kollege Folgart gestern erwähnt hat,

(Folgart [SPD]: Ja!)

der in den vergangenen Wahlperioden immer wieder Ausführungen dazu gemacht hat -, dass der Einsatz der grünen Gentechnik weltweit an Bedeutung zugenommen hat und weiter zunehmen wird. Klimatische Veränderungen und steigende Nahrungsmittelknappheit werden dazu führen, dass wir - und sei es in der Zukunft - biologische Verfahren und gentechnisch veränderte Pflanzen benötigen.

(Beifall CDU)

Deutschland muss hier seine Potenziale als Wissenschaftsund Forschungsstandort nutzen - auch für andere Menschen, nicht unbedingt in Deutschland. Wir werden hier in Deutschland immer satt; so viel ist klar. Unser Problem ist nicht die Unterernährung, sondern sind die Folgen der Überernährung. Das ist aber im größten Teil der Welt leider nicht so. Auch für diese Menschen haben wir Verantwortung. Im Übrigen sichert das bei uns Arbeitsplätze und lindert woanders Hunger und Leid. Wer sich einmal anguckt, wie sich die Bevölkerung auf der Welt entwickelt, wie sie explodiert, wie die Anbauflächen für Agrarprodukte abnehmen und reduziert werden, weiß, dass es schon ein Problem gibt. Das Problem wird täglich größer. Daher können wir nicht aus unserer Wohlstandssicht diskutieren, sondern wir müssen auch an andere denken und unsere Forschungskapazitäten tatsächlich ausnutzen und einsetzen.

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE)

Meine Fraktion ist für gentechnikfreie Regionen, solange sich Landwirte freiwillig verpflichten und zusammenschließen. Die Notwendigkeit einer Landesinitiative sehen wir allerdings nicht. Dennoch: Die Regierungsfraktionen haben eine Überweisung des Antrags beantragt. Dem stimmen wir zu. Lassen Sie uns dieses Thema also ohne Vorbehalte und ergebnisoffen im Fachausschuss diskutieren. Dann kommen wir auch zu einem guten Ergebnis. - Danke schön.

(Beifall CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dombrowski. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der Fraktion DIE LINKE fort. Die Abgeordnete Steinmetzer-Mann erhält das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vor knapp zwei Jahren habe ich mich genau an dieser Stelle zu einem von unserer Fraktion vorgelegten Antrag kritisch zur Agro-Gentech

nik geäußert. An dieser Position hat sich für die Fraktion DIE LINKE nichts geändert.

(Beifall DIE LINKE und GRÜNE/B90)