Protocol of the Session on July 2, 2010

(Beifall CDU)

Das Innenministerium ist doch etwas an das Land, an die Stadt Oranienburg herangerückt und hat für die zunächst aufgrund der Haushaltssperre gesperrten Dinge Mittel freigemacht bzw. diese aufgestockt. Ich kann Ihnen mitteilen, dass der Bürgermeister von Oranienburg sehr erfreut darüber ist.

Aber zurück zum Antrag. Brandenburg ist mit rund 400 000 ha Munitionsverdachtflächen das am stärksten mit Altmunition aus dem Zweiten Weltkrieg belastete Land. Glücklicherweise, muss man sagen, liegen viele dieser Flächen in Waldgebieten, dort sind die Anwohner nicht betroffen. Aber es gibt leider auch sehr viele bewohnte Gebiete. Die Stadt Oranienburg ist - wie Ihnen allen wahrscheinlich aus der Presse bekannt ist - besonders stark betroffen; aber auch zahlreiche andere Orte, beispielsweise Brandenburg an der Havel, Cottbus, Potsdam, Neuruppin, Schwarzheide und Ruhland, gelten als besonders belastet.

Aus dem in den vergangenen Wochen häufig zitierten Gutachten von Prof. Dr. Wolfgang Spyra von der BTU Cottbus, das vom Innenministerium in Auftrag gegeben wurde, geht hervor: Für die Kampfmittelberäumung in Oranienburg ist nicht mehr viel Zeit. Die Blindgänger werden immer gefährlicher. Man sieht auch an dem Unglück, das in Göttingen passiert ist, dass Selbstdetonationen nicht ausgeschlossen sind.

(Lachen der Abgeordneten Muhß (SPD)

- Frau Muhß, ich weiß nicht, was es da zu lachen gibt. Die Menschen in Oranienburg sind äußerst betroffen. Sprechen Sie einmal mit Anwohnern! Die lachen nicht mehr, glauben Sie es mir.

(Beifall CDU)

Äußere Einflüsse wie Erschütterung und Korrosion führen zu Explosionen. Sie stellen eine erhebliche Gefahr für Leben, Leib und Sachgüter dar. Wie gesagt, die Tragödie von Göttingen mit drei Toten und mehreren Schwerverletzten hat gezeigt: Der Zweite Weltkrieg fordert noch immer seine Opfer, und Göttingen ist - ich sage einmal: in der Bilanz der Sache - das schwerste Unglück in dieser Form. Erschreckend ist jedoch, dass genau dieser Bombentyp, der in Göttingen explodiert ist, dem entspricht, von dem laut Gutachten der BTU Cottbus noch ca. 300 bis 350 Stück in der Erde von Oranienburg liegen.

Wenn Oranienburg keine Stadt wäre, sondern ein ehemaliger Truppenübungsplatz, hätte man garantiert einen Zaun darum gezogen und Schilder aufgestellt: „Betreten verboten!“. So aber müssen die Anwohner jeden Tag mit diesem Erbe aus dem Zweiten Weltkrieg leben. Es ist aus meiner Sicht klar - ich denke, das sollte auch aus Ihrer Sicht so sein; das zeigt sich doch daran, dass Sie auf den Antrag der CDU aufspringen -: Es muss

gehandelt werden! Das Problem ist oft die finanzielle Situation des Landes, des Kreises und der Kommunen. Sie müssen die Kosten für die Kampfmittelbeseitigung tragen, sind aber nur mit begrenzten Mitteln ausgestattet.

Kommen wir kurz zurück zu Oranienburg. Der Landkreis Oberhavel und Oranienburg haben aus dem Gutachten ihre Schlussfolgerungen gezogen und gehandelt.

(Frau Lehmann [SPD]: Ach, das ist Oberhavel?)

- Das ist Oberhavel.

Der Landkreis stellt für seine Flächen 10,6 Millionen Euro zur Verfügung. Die Stadt hat in ihrem Haushalt die Mittel, die für die Kampfmittelbeseitigung eingesetzt werden, seit dem vergangenen Jahr verdoppelt. An dieser Stelle sollte man auch nicht vergessen, dass jede Findung und Entschärfung von Bomben eine Belastung für die Wirtschaft und das öffentliche Leben in Oranienburg bedeutet. Betriebe müssen in dieser Zeit schließen und können sich dadurch entstandene Verluste nicht von irgendeiner Stelle zurückholen oder gegenfinanzieren lassen.

Wie gesagt, das sind Dinge, die dort bezahlt werden müssen. Ich nehme einmal das Krankenhaus in Oranienburg als Beispiel. Dort entstehen riesige Unkosten, weil alle Patienten umgebettet werden müssen. Man benötigt einen Fahrverkehr zwischen mehreren Städten, um die Menschen dort herauszubekommen - und das etwa 150 Mal seit 1991. - So viel aus Oranienburg mit 29 000 Einwohnern und einem sehr hohen Durchgangsverkehr in der Kernstadt. Ich denke, jedem ist an dieser Stelle bewusst, welch eine Tragödie es für die Stadt und das Land bedeutet, sollte solch eine 500-Kilo-Bombe in der Rush Hour explodieren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir beantragen deshalb, ein Kampfmittelbeseitigungskonzept für das Land Brandenburg zu erarbeiten. Mit diesem Konzept sollte erreicht werden, dass die Mittel schwerpunktorientiert und koordiniert eingesetzt werden können. Die Landesregierung darf sich ihrer Verantwortung nicht entziehen und die Kommunen mit diesen explosiven Problemen alleinlassen.

Inhaltlich muss das Konzept für die Kampfmittelberäumung sitzen. Wichtigster Punkt ist die vorrangige Beräumung der bewohnten Regionen. Ein weiterer Vorschlag unsererseits ist, dass die Mittel nicht erfolgter Kofinanzierung bzw. nicht abgerufene Haushaltsmittel im laufenden Haushaltsjahr zur Beräumung anderer Flächen eingesetzt werden, anstatt in den Gesamthaushalt zurückzufließen. Die betroffenen Gebiete brauchen eine schnelle Lösung, die mit einem Gesamtkonzept für eine zeitnahe koordinierte Kampfmittelberäumung erarbeitet werden kann.

Meine Damen und Herren, ich bitte dafür um Ihre Unterstützung. Ich spreche auch im Namen der Bürger des Kreises Oberhavel und der Stadt Oranienburg und bitte um Zustimmung zu diesem Antrag.

(Beifall CDU und FDP)

Die Abgeordnete Stark spricht für die SPD-Fraktion.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Herr Bommert, zum Thema Blindgänger: Glauben Sie wirklich, dass ein Antrag der Opposition dazu führt, dass von einem Tag zum anderen 2,5 Millionen Euro in den Haushalt eingestellt werden?

(Dombrowski [CDU]: Genau! - Demonstrativer Beifall bei der CDU)

Die CDU suggeriert mit ihrem Antrag den Eindruck, wir würden im Land Brandenburg im Bereich der Munitionsbergung sparen und hätten dort Defizite. Darauf würde ich gern mit meinem Kollegen Thomas Günther antworten, der - wie im „Generalanzeiger Oranienburg“ zu lesen war - gesagt hat:

„Wichtig ist nicht die Summe, sondern die politische Zusage des Landes, dass jede Bombe, die in einer Stadt, in einer Gemeinde dieses Landes gefunden wird, auch durch den Munitionsbergungsdienst dieses Landes gehoben wird.“

Das ist eine Zusage, die schon zu Zeiten Ihrer Verantwortung, also unter Herrn Schönbohm, galt. Daran ist überhaupt nichts zu deuteln. Das ist wieder einmal ein Antrag, der suggerieren soll: Das Land Brandenburg nimmt auch in diesem Bereich seine Verantwortung nicht ernst.

(Vereinzelt Beifall SPD)

Wenn Sie suggerieren, dass die 2,5 Millionen Euro frisch eingestellt sind, dann müssten Sie, wenn Sie die Vorgänge aus den vergangenen Jahren kennen, wissen, dass das Rückläufe sind, die ohnehin eingestellt worden wären. Das sind Mittel aus den Rücklagen, die immer, auch im Rahmen der Kampfmittelbeseitigung, verwendet worden sind. Dort, wo Gelder fehlen, werden sie durch das Land bereitgestellt. Diese Zusage steht, sie stand, und sie wird auch zukünftig stehen.

(Beifall SPD)

- Genau.

Wir haben einen Entschließungsantrag vorgelegt, der genau die Verantwortlichkeiten beschreibt. Für das Suchen von Kampfmitteln sind in erster Linie die Kommunen verantwortlich, für das Heben und Räumen ist das Land Brandenburg verantwortlich. Aber wir würden gern auch die Bundesrepublik Deutschland hierfür in die Verantwortung nehmen als jemanden, der Verantwortung zu tragen hat, nämlich als Rechtsnachfolger des Deutschen Reichs, das ja den Krieg führte. Die haben sich bis jetzt immer sehr schön herausgehalten. Gerade eine Stadt wie Oranienburg, die besonders betroffen ist, würde sich sicherlich über ein wenig mehr Zuwendung durch die Bundesregierung freuen. Dafür können Sie sich stark machen und Ihre Kontakte spielen lassen.

Ich denke, die Situationsbeschreibung, Herr Bommert, brauche ich nicht zu wiederholen. Das Fußballspiel naht. Es ist nicht das Thema; aber ich denke, heute ist allen Zeitungen zu entnehmen: Die Landesregierung ist kompetent, sie hat Mittel bereitgestellt und wird dies auch in Zukunft tun. Ihr Antrag kann also abgelehnt werden, weil er überflüssig ist. - Danke schön.

(Beifall SPD)

Der Abgeordnete Tomczak spricht für die FDP-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bombenexplosion in Göttingen hat uns erneut gezeigt, dass die Thematik, über die wir heute wieder sprechen, mehr als ernst ist. Menschen sind dort bei der Entschärfung einer Bombe aus dem Zweiten Weltkrieg ums Leben gekommen, andere wurden schwer oder leicht verletzt.

Wie in der Stadt Göttingen gibt es auch in Brandenburg viele Städte, in denen noch heute von Kampfmitteln aus dem Zweiten Weltkrieg eine immense Gefahr ausgeht. Hiervon besonders betroffen ist im Land Brandenburg die Stadt Oranienburg. Dies ist durch die Brandenburgische Technische Universität Cottbus gutachterlich bestätigt. Wir, das Parlament, sollten diese Tatsache ernsthaft zur Kenntnis nehmen und längst überfällige, notwendige Handlungsschritte einleiten.

Ein Kampfmittelbeseitigungskonzept mit Prioritätenliste und Zeitplan ist ein wichtiger und richtiger Schritt. Ich frage Sie, Herr Minister Speer: Wieso haben Sie dieses Konzept noch nicht auf den Weg gebracht? Dass die Stadt Oranienburg ein regelrechtes Pulverfass ist, ist nicht erst seit heute bekannt. Doch was nutzen Gutachten hierüber, wenn diese in Schreibtischschubladen verschwinden - ganz nach dem Motto: „Was ich nicht sehe, ist auch nicht da“? Nicht nur die Menschen in Oranienburg fragen, warum sich die Landesregierung hier nicht ihrer Verantwortung stellt.

Auf meine Kleine Anfrage an die Landesregierung, ob die gegenwärtig bereitgestellten Haushaltsmittel für die Suche nach Kampfmitteln auch eine vorsorgliche Suche einschließen, antwortete der Innenminister in seiner charmant-lakonischen Art mit einem einzigen Wort, mit Ja. Es scheint demnach alles klar geregelt. Aber, Herr Minister, erklären Sie mir doch bitte, wie es sein kann, dass die vorsorgliche Ermittlung von Bombenfundorten in der Stadt Oranienburg plötzlich eine freiwillige Aufgabe des Landes sein soll. Auch diese Antwort haben Sie mir in der erwähnten Kleinen Anfrage gegeben.

Das zeigt: Es ist allerhöchste Zeit, dass Klarheit in diese Angelegenheit kommt. Der Schutz der Bürgerinnen und Bürger Brandenburgs vor Explosionen von Munition aus dem Zweiten Weltkrieg hat oberste Priorität. Daher haben wir, die FDPFraktion, ein Gutachten beim Parlamentarischen Beratungsdienst des Landtages in Auftrag gegeben. Das wird klären, wer genau für die Kampfmittelortung mit und ohne konkreten Verdacht und wer für die Kampfmittelbeseitigung zuständig und kostenpflichtig ist. Es kann nicht sein, dass sich hier die rotrote Landesregierung und die Regierungsfraktionen ihrer Verantwortung, nämlich dem Schutz der Menschen vor Kriegsmunition, entziehen, auf Zeit spielen und hoffen, dass nichts passiert. Warten Sie nicht erst auf die nächste Selbstdetonation eines Blindgängers! Sie sind in der Verantwortung, also nehmen Sie diese Verantwortung auch wahr.

Es ist als ein kapitales Versäumnis von Rot-Rot anzusehen, dass keine ausreichenden Mittel für die Beseitigung der Lasten aus dem Zweiten Weltkrieg bereitgestellt werden. Es ist auch ein kapitales Versäumnis, dass bis heute nicht geklärt ist, wer für die Beseitigung dieser Lasten verantwortlich, das heißt zu

ständig und kostenpflichtig ist. Wie gesagt: Die FDP-Fraktion hat den Parlamentarischen Beratungsdienst beauftragt, gutachterlich zu rechtlichen Grundlagen für das Aufspüren und die Beseitigung von Kampfmitteln aus dem Zweiten Weltkrieg Stellung zu nehmen. Eines kann ich Ihnen im Namen meiner Fraktion schon heute mitteilen: Dieses Gutachten wird nicht in einer Schreibtischschublade verschwinden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, dieses Thema ist zu ernst, um an dieser Stelle politische Auseinandersetzungen zu führen. Sie tragen als Landesregierung die Verantwortung. Nehmen Sie sie entsprechend wahr. Schon die Vorlage des von uns geforderten Konzepts erhöht das Vertrauen der Brandenburgerinnen und Brandenburger in die Handlungsfähigkeit dieses Landtages. Der Schutz der Bürgerinnen und Bürger Brandenburgs hat oberste Priorität. Wir brauchen dieses Kampfmittelbeseitigungskonzept für unser Land. Daher wird die FDP-Fraktion diesem Antrag der CDU zustimmen. - Herzlichen Dank.

(Beifall FDP)

Der Abgeordnete Dr. Scharfenberg spricht für die Linksfraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Kampfmittelbeseitigung ist zweifellos eines der großen Probleme im Land Brandenburg. Das Land Brandenburg weist nach wie vor den höchsten Anteil an kampfmittelbelasteten Flächen in der Bundesrepublik auf. Hunderte Tonnen von Kampfmitteln müssen deshalb auch künftig jedes Jahr vernichtet werden. Wir wissen allerdings auch, dass allein durch die begrenzten finanziellen Ressourcen eine kurzfristige Lösung nicht möglich ist.

Die Unsicherheit besteht aber auch darin, dass der Standort dieser Sprengkörper zum großen Teil nach wie vor unbekannt ist und immer wieder Zufallsfunde registriert werden müssen. Deshalb ist davon auszugehen, dass uns dieses Problem mit den damit verbundenen Gefahren noch für eine lange Zeit beschäftigen wird. In den vergangenen Jahren ist viel getan worden, um Altmunition zu vernichten. So sind allein seit 1996 rund 150 Millionen Euro eingesetzt worden. Seit 1991 hat der Kampfmittelbeseitigungsdienst des Landes etwa 11 000 Tonnen Kampfmittel entsorgt, darunter 14 500 Sprengbomben.

Es gibt seit Jahren Prioritätenlisten, nach denen Kampfmittelverdachtsflächen abgesucht werden. So wurden zum Beispiel im Jahr 2008 der Technologie- und Umweltpark in Cottbus, aber auch 7 700 ha Landesforst zur Absicherung der Holzernte untersucht. Fakt ist jedoch, dass der weitaus größere Teil dieser Altlasten noch unerkannt im Boden liegt. Dadurch wird insbesondere auf ehemaligen Truppenübungsplätzen eine Standortentwicklung behindert.

Schlimmer ist jedoch - das gilt insbesondere für Oranienburg -, dass von diesen Kampfmitteln eine akute Gefahr ausgeht. Wir wissen, dass in Oranienburg diese Gefahr besonders von Bomben mit chemischen Langzeitzündern ausgeht, die dort in hohem Maße eingesetzt worden sind. Es hat in der Vergangenheit mehrere Selbstdetonationen gegeben, die glücklicherweise nicht mit Personenschäden verbunden waren. Deshalb war Oranienburg schon in der Vergangenheit der absolute Schwerpunkt der

Kampfmittelbeseitigung im Land Brandenburg. Der Kampfmittelräumdienst hatte 2008 16 Räumstellen in Oranienburg und Umgebung zu beaufsichtigen. Allein in Oranienburg sind seit 1996 55 Millionen Euro eingesetzt worden.

Der vorliegende CDU-Antrag geht, übrigens auch nach Einschätzung des Bürgermeisters von Oranienburg, an der Sache vorbei. Er fußt auf der falschen Annahme, dass die Kampfmittelbeseitigung in der Stadt von der Haushaltssperre des Landes betroffen sei. Nicht eine einzige Bombe, Handgranate oder Patronenhülse wird in Oranienburg wegen der verhängten Haushaltssperre liegen bleiben. Wer so etwas behauptet, erklärt und einen entsprechenden Antrag stellt, spielt mit der Angst der Menschen.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Außerdem erklären Sie, dass in der letzten Legislaturperiode vorgeschlagen worden sei, 25 Millionen Euro in den Haushalt 2010 für die Kampfmittelbeseitigung in Oranienburg einzustellen, und Sie kritisieren, dass es in diesem Jahr nur 6,5 Millionen Euro sind. Hat die CDU auch nur einen einzigen Antrag zum Haushalt im Innenausschuss gestellt? Nein, hat sie nicht! Ich frage mich: Warum nicht? Wenn es Ihnen ernst wäre mit dem vorliegenden Antrag, dann frage ich mich natürlich auch, warum Sie den Haushaltsantrag der Linken zum Haushalt 2008 und 2009 zur Erhöhung der Mittel für die Kampfmittelbeseitigung abgelehnt haben, und das im Innenausschuss, im Haushaltsausschuss und im Plenum.