Der Fall der jüngsten Steuer-CD hat etwa 16 000 Selbstanzeigen bundesweit mit einem Rückzahlungsvolumen von etwa 1 Milliarde Euro eingebracht.
Diese Zahl muss man sich einmal vorstellen! 1 Milliarde Euro von Steuersündern. Von dem Motto: „Wir sind ja alle kleine Sünderlein“ kann man wohl nicht mehr reden.
Die Finanzierung unseres Landes, der Bundesrepublik Deutschland insgesamt, gründet sich auf die Zahlung von Steuern und Abgaben von Unternehmen und Bürgern. Dabei hat sich, das ist ein offenes Geheimnis, die nicht ausreichende Zahlung von Steuern einerseits zum sogenannten Volkssport, andererseits wie eben dargestellt - aber auch zu einem ganz bewussten Nichtzahlen von hohen und höchsten Summen entwickelt. Gedeckt von ausländischen Banken und sogenannten Treuhändern werden unglaubliche Summen am Fiskus vorbei ins Ausland transferiert und im Ausland verwaltet. Gleichzeitig wurde im Inland ein Sozialabbau sondergleichen betrieben, und es werden schon die geringen Nichtangaben von Einkünften mit einschneidenden Sanktionen im Sozialrecht bestraft.
Im Zuge der letzten Steuer-CD-Debatte haben sich in Brandenburg mehr als 60 Steuerhinterzieher gegenüber dem Finanzamt offenbart. Dabei bauen diese ganz offensichtlich auf die Strafbefreiung nach § 371 Abgabenordnung, wonach sie lediglich die nicht gezahlten Steuern samt Zinsen nachzahlen müssen. Das zeigt, dass es auch in Brandenburg ein erhebliches Problem mit Steuerhinterziehung gibt.
Dass eine Änderung notwendig ist, zeigt das Urteil des Bundesgerichtshofs aus der letzten Woche, in dem einem Steuerhinterzieher klargemacht werden musste, dass es ohne Offenbarung aller Konten - wie eben schon angesprochen - keinen Straferlass geben kann und wird. Es ist darum durchaus angemessen, im Kontext der übrigen allgemeinen Strafrechtsdogmatik auf Selbstanzeige mit Strafmilderung oder sogar dem Absehen von Strafe zu reagieren. Der Kollege sprach es eben an. Dafür aber gibt es die allgemeinen Regelungen im Strafgesetzbuch und der Strafprozessordnung, die für alle Straftaten gelten. Jedenfalls sind sie dort in einem geregelten Verfahren mit Richter und Staatsanwälten in diesem Entscheidungsprozess im Einzelfall betraut. Einen Persilschein gibt es dort nicht. Den darf es aus unserer Sicht auch nicht geben.
Deshalb sind die Bestrebungen auf Bundesebene aus unserer Sicht zu unterstützen. Übrigens wollen auch CDU/CSU und FDP - das ging eben unter - angeblich schärfer gegen solche Verhaltensweisen vorgehen. Wirkliches Vorgehen sieht nach unserer Auffassung aber anders aus. Sie wollen dabei nur das Instrument der strafbefreienden Selbstanzeige neu regeln. Ich zitiere:
„Strafbefreiung soll nur noch derjenige erwarten dürfen, der alle noch verfolgbaren Steuerhinterziehungen der Vergangenheit vollständig offenbart.“
So fordern es die Fraktionen. Die Selbstanzeige muss dabei allumfassend sein und sich nicht nur auf bestimmte Länder oder bestimmte Steuergestaltungen beziehen dürfen, heißt es im Antrag, der in der Bundestagsdrucksache 17/1755 vorliegt. Auch Taktieren dürfe nicht mehr belohnt werden. Daher müsse der Zeitpunkt, ab wann eine strafbefreiende Selbstanzeige möglich ist, überprüft werden. Schauen Sie einfach hinein. Sie haben völlig richtig gesagt: Hier hat Sie der Bundesgerichtshof mit seinem Urteil überholt.
Die jüngste Welle von Selbstanzeigen ist kein Ausdruck einer geänderten Mentalität der deutschen Steuerpflichtigen oder gar der Einsicht, Steuern zu zahlen. Sie ist vielmehr ein Beleg für die Wirksamkeit von § 371 Abgabenordnung. Sie ist eher das Ergebnis eines gesetzlichen Fehlanreizes. In der steuerlichen Praxis ist es zu einem Handlungsbestandteil von Steuerhinterziehern geworden, dass der Staat bei nachträglicher Steuerentrichtung auf eine Bestrafung verzichtet. Damit wollen wir Schluss machen. - Danke.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Ludwig. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der FDP-Fraktion fort. Die Abgeordnete Teuteberg erhält das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die bisherige Debatte hat gezeigt: In der Auseinandersetzung über das Thema Straffreiheit nach Selbstanzeige für Steuerbetrüger werden teilweise Glaubenskriege zwischen den politischen Lagern geführt. Das geht aber im Kern an der Sache vorbei.
Ja, man kann es nicht oft genug betonen: Steuern sind die finanzielle Grundlage unseres Gemeinwesens. Derjenige, der keine Steuern zahlt, sondern hinterzieht, schadet der gesamten Gesellschaft. So weit der Konsens.
Wenn wir über Maßnahmen gegen die schwarzen Schafe sprechen, die diesen Konsens unterlaufen, sollten wir das immer mit der Absicht tun, etwas für deren Unrechtsbewusstsein zu tun. Die Regelung der Straffreiheit bei Selbstanzeige zielt im Ursprung genau darauf ab. Denn sie bietet demjenigen Steuerhinterzieher, der beabsichtigt, seinen steuerlichen Pflichten wieder vollumfänglich nachzukommen, eine rechtlich anerkannte Brücke in die Steuerehrlichkeit. Es geht eben nicht um einen Blankoscheck für Steuersünder. Darum ging es bei der Regelung nie.
An dieser Stelle ein Wort an die SPD-Fraktion. Im Bund war es die SPD, die als Partner der jeweiligen Koalition diese Regelung elf Jahre lang mitgetragen hat. Erst jetzt, da Sie in der Opposition sind, wollen Sie die Regelung abschaffen. Erst jetzt sind Sie - mit den Worten von Kollege Holzschuher - aufgewacht. Dazu bedurfte es in Brandenburg offenbar der Koalition mit einer Partei, die sich mit Auslandskonten ganz besonders gut auskennt.
Meine Damen und Herren, es gibt hier unbestreitbar Verbesserungsbedarf. Damit komme ich auf den Antrag und die Forderung zu sprechen, die strafbefreiende Wirkung der Selbstanzeige, wie sie § 371 Abgabenordnung vorsieht, an die Regeln des allgemeinen Strafrechts anzugleichen. Statt konkrete Vorschläge zu machen, wie man Steuerhinterziehung wirklich bekämpfen kann, verharrt Ihr Antrag in der Auseinandersetzung mit dem Schaden, der durch die missbräuchliche Inanspruchnahme der Regelung entstehe. Dass Steuerhinterziehung ein krimineller Akt ist, ist unbestreitbar. Wenn die strafbefreiende Wirkung
der Selbstanzeige gar zum Teil einer kalkulierten Hinterziehungsstrategie wird, muss etwas dagegen unternommen werden. Steuergesetze müssen stringent vollzogen werden. Steuersünder müssen stringent verfolgt werden.
Das ist eine zentrale Frage der Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft. Aber durch Ihre Argumentation verneinen Sie letztlich, dass die Regelung der Straffreiheit bei Selbstanzeige überhaupt dazu geeignet ist, wirksam etwas gegen die Steuerhinterziehung zu tun. Es gibt jedoch gute Gründe, im Kern an der Regelung der Straffreiheit bei Selbstanzeige festzuhalten. Sie schafft fiskalpolitisch Anreize, um die bislang verheimlichten Steuerquellen, die auch eine verstärkte Finanzverwaltung nicht aufspüren konnte, aufzudecken. Die Flut der Selbstanzeigen infolge des Ankaufs der Steuersünder-CDs belegt das letztlich. Kriminalpolitisch wird mit der Regelung dem Prinzip der tätigen Reue Rechnung getragen.
Um das Institut der strafbefreienden Selbstanzeige wirksamer zu gestalten, hat die Koalition aus CDU und FDP im Deutschen Bundestag gerade erst einen Antrag eingebracht. Es geht um eine verschärfende Neuregelung, um in Zukunft auszuschließen, dass die strafbefreiende Selbstanzeige für Hinterziehungsstrategien missbraucht werden kann. Dort, wo die Selbstanzeige mit krimineller Energie von Anfang an Teil eines Plans zur Steuerhinterziehung ist, müssen Schranken definiert werden:
Erstens darf Reue nicht Stück für Stück, nach Stand der Ermittlungen, belohnt werden. Das bedeutet: Alle Konten müssen offengelegt werden, nicht nur die, bei denen man eine Aufdeckung befürchtet. Steuersünder müssen von Anfang an komplett reinen Tisch machen.
Zweitens darf Taktieren nicht belohnt werden. Damit soll eine Strafbefreiung nicht mehr möglich sein, wenn die Steuerhinterziehung bereits entdeckt ist und die Ermittler vor Ort sind.
Diese Verschärfungen - Kollege Eichelbaum hat es schon gesagt - sind auch der Tenor der jüngsten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zu dem Thema. In den Genuss der Straffreiheit kommt nur derjenige, der vollständige und richtige Angaben macht, also vollumfänglich zur Steuerehrlichkeit zurückkehrt. Die teilweise Selbstanzeige ist nicht mehr möglich. Im Übrigen schließt die Rechtsprechung die strafbefreiende Wirkung der Selbstanzeige schon jetzt nicht nur dann aus, wenn der Steuersünder bereits positiv weiß, dass er zum Kreis der Entdeckten gehört, sondern es reicht aus, dass dies einigermaßen wahrscheinlich ist.
Meine Damen und Herren! In Brandenburg sind mit Stand von Mitte April 2010 insgesamt 55 Selbstanzeigen eingegangen. Die Summe der zurzeit feststellbaren Steuerhinterziehungen beläuft sich demnach auf schätzungsweise 950 000 Euro. Das ist zwar nur ein Bruchteil der bundesweit eingegangenen Selbstanzeigen; aber auch dies sind Steuerquellen, die ohne das Instrument der strafbefreienden Selbstanzeige möglicherweise unentdeckt geblieben wären. Nimmt man hinzu, dass es in Brandenburg im Bereich des Steuerrechts ein Vollzugsdefizit gibt und seit Jahren kein Nachwuchs mehr ausgebildet wird, dann verschärft sich das Bild noch. Straffreiheit bei Selbstanzeige ist nur ein Instrument, um Steuerhinterziehung wirksam zu bekämpfen.
Die brandenburgische Steuerverwaltung - und damit auch die Steuerfahndung - muss gestärkt werden. Insoweit ist die Landesregierung in der Pflicht. Das hat auch der Landesrechnungshof in seinem Jahresbericht 2009 angemahnt: Das Ministerium der Finanzen müsse sicherstellen, dass es in Brandenburg stets ausreichende Personalressourcen gibt, um einen zeitnahen und umfassenden Steuerrechtsvollzug zu gewährleisten.
Meine Damen und Herren! Um es mit Erich Kästner zu sagen: Es gibt nichts Gutes, außer man tut es. - Tun Sie daher das, wofür Sie verantwortlich sind, nämlich eine personell wie sachlich gut ausgestattete Finanzverwaltung in Brandenburg zu schaffen. Für einen wirksamen Steuerrechtsvollzug haben Sie unsere Unterstützung, nicht aber für Schnellschüsse und Symbolpolitik. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Teuteberg. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fort. Frau Abgeordnete Niels, bitte.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte gern auf die Bundestagsdebatte vom 22. April 2010 verweisen, die ich besonders in Ihrem Wortbeitrag, Herr Ludwig, wiedergefunden habe. Gleichzeitig beziehe ich mich auf die Vorredner, weil ich das Gefühl habe, dass wir uns Redundanz in diesem Sachzusammenhang nicht unbedingt noch einmal vortragen müssen.
In den Redebeiträgen sind zwei Probleme angesprochen worden. Ich verstehe nicht, wie sie mit dem vorliegenden Antrag geheilt werden sollen. Das erste Problem ist fiskalischer Natur. Alle Redner haben verdeutlicht, dass durch die Möglichkeit der Straffreiheit Steuermittel in den Haushalt zurückfließen. Zweitens haben wir es mit einem Gerechtigkeitsproblem zu tun: Warum wird gegenwärtig ein reuiger Sozialbetrüger anders als ein Steuerbetrüger behandelt? Warum ist für Ersteren Straffreiheit nicht gegeben? Ich verweise hier insbesondere auf die Begründung des Antrags und nicht nur auf die Wortbeiträge der Linken und der SPD. Sollte nicht Straffreiheit auch für den reuigen Sozialbetrüger gefordert werden, wenn davon auszugehen ist, dass der angerichtete Schaden wieder ausgeglichen wird, das Vermögensdelikt also geheilt wird?
In dem Antrag wird die Landesregierung aufgefordert, über den Bundesrat noch einmal aktiv zu werden; denn ein entsprechender Antrag der SPD-Fraktion des Bundestages wurde dort am 22. April 2010 abgelehnt. Ich möchte mich in meinem Redebeitrag auf den Hinweis beschränken, dass wir von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dafür sind, im Strafrecht nachzubessern und Straffreiheit für alle Delikte im Bereich des Vermögens vorzusehen, wenn die Betreffenden Reue zeigen, sich also selbst anzeigen und klar zu erkennen geben, sich wieder auf den Boden des Gesetzes begeben zu wollen. In diesem Sinne sind wir für einen ganz anderen Ansatz zur Herstellung von Gerechtigkeit.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Niels. - Wir setzen mit dem Beitrag der Landesregierung fort. Herr Minister Dr. Markov hat das Wort.
(Minister Dr. Markov führt vor Redebeginn ein kurzes Gespräch mit Vizepräsidentin Große. - Daraufhin Zurufe: Er steht falsch herum! - Das Plenum sind wir!)
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Da ich mir hinsichtlich der Geschäftsordnung des Landtags nicht hundertprozentig sicher war, habe ich die Vizepräsidentin gefragt, ob ich Sie, bevor ich zu meinem eigentlichen Redebeitrag komme, über etwas informieren darf, von dem ich glaube, dass es die Abgeordneten des Landtags Brandenburg wissen sollten.
Ich habe mit Datum vom 2. Juni 2010 - also heute - eine Haushaltssperre verhängt. Sie betrifft nicht gleichermaßen alle Ressorts und nicht gleichermaßen alle Bereiche.
Betroffen sind 2 % des Personalbudgets für 2010, 20 % der übrigen Ausgaben und 30 % der Verpflichtungsermächtigungen.
Ich will jetzt nicht alle Ausnahmen aufführen, aber doch einige wichtige Punkte nennen: unabweisbare Ausgaben, die Mittel für den kommunalen Finanzausgleich und die Mittel für das Zukunftsinvestitionsgesetz. Wir gewährleisten die Weiterführung aller eingegangenen Verpflichtungen und laufenden Aufgaben, die bereits angefangen sind.
Damit werden wir gewährleisten, dass der Haushalt 2010, der unter einer enormen Anspannung steht, trotz der beschlossenen Nettokreditaufnahme von 650 Millionen Euro am Jahresende ausgeglichen abgeschlossen wird. So unüblich ist dieses Verfahren nicht. Sachsen-Anhalt hat ebenso wie Sachsen für 2010 eine Haushaltsbeschränkung verhängt.
Damit komme ich zu meinem Redebeitrag zu dem Thema des Tagesordnungspunktes. Ich glaube, dass es richtig ist, darüber nachzudenken, ob die spezielle Stellung von Steuerstraftätern, die darin besteht, dass ein persönlicher Strafbefreiungsgrund vorliegt, wenn sie Selbstanzeige erstatten, mittlerweile überholt ist. An der Entwicklung der letzten Jahre lässt sich eindeutig nachvollziehen, dass ein Steuersünder erst dann überhaupt nur in Erwägung zieht, sich selbst anzuzeigen, wenn er das Risiko einer Entdeckung für so hoch erachtet, dass eine andere Wahrscheinlichkeit nicht mehr besteht. Angesichts dessen ist die moralische Funktion als Anreiz zur Rückkehr aus der Steuerkriminalität mittels Selbstanzeige einfach nicht mehr vorhanden.
Natürlich gebe ich als Finanzminister zu, dass es im Ergebnis von Selbstanzeigen zu Nachzahlungen kommt. Ich glaube aber,
dass kann nicht Sinn und Zweck eines Gesetzes sein. Sinn und Zweck des Gebarens eines jeden Bürgers sollte es sein, die Steuern ordnungsgemäß zu entrichten und nicht davon auszugehen, sich notfalls per Selbstanzeige von Strafe befreien zu können. Deswegen plädiere ich klar und deutlich für die Angleichung des Steuerstrafrechts an das allgemeine Strafrecht und damit für die Abschaffung der Straffreiheit für Steuerbetrüger. - Danke schön.