Protocol of the Session on March 24, 2010

Viertens ist die Einführung einer Finanztransaktionssteuer auch eine Frage der Gerechtigkeit. Durch sie werden insbesondere auch jene belastet, die die Finanz- und Wirtschaftskrise mit verursacht und von den Verwerfungen auf den Finanzmärkten profitiert haben.

Meine Damen und Herren, eine Finanztransaktionssteuer hat zweifellos auf internationaler Ebene eine sehr hohe Treffsicherheit. Deshalb ist es an der Bundesregierung, sich konsequent - und daher auch unser Antrag in Punkt 1 - für die Einführung einer internationalen Besteuerung einzusetzen. Lässt

sich auf internationaler Ebene keine Einigung erzielen, soll es zumindest eine europäische Finanztransaktionssteuer geben. Parallel dazu soll das ein erster Schritt dazu sein, eine nationale Börsenumsatzbesteuerung nach britischem Vorbild einzuführen.

Dieser dreistufige Ansatz wird von den Finanzexperten unterstützt. Zudem baut er vielleicht, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion, eine Brücke und bewegt Sie dazu, diesem Antrag zuzustimmen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE)

Wir setzen mit dem Beitrag der CDU-Fraktion fort. Das Wort erhält der Abgeordnete Burkardt.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn der Innenminister noch hier wäre, würde ich ihn fragen, ob er nicht vor ein paar Wochen das Aufsteigenlassen von Chinaballons verboten hat. Der Antrag, der uns vorliegt, ist solch ein Chinaballon, der ihm offenkundig durch die Lappen gegangen ist. Wenn man ihn liest, muss man sagen: sprachlich mangelhaft. Ich verweise auf den letzten Satz der ersten Seite. Den müssen Sie sich einmal zu Gemüte führen. Auf der formalen Seite geht er völlig ins Leere. Vielleicht nehmen Sie sich einmal das Grundgesetz vor; ab Artikel 104 oder 105 werden Sie Erhellendes zur Frage finden, wer für eine solche Finanztransaktionssteuer zuständig ist. Außerdem kommt er viel zu spät - der Zug ist längst abgefahren. Fragen Sie einmal Ihre Landesregierung!

Im letzten Jahr hat, was eigentlich mit diesem Antrag bewirkt werden sollte, die Bundesregierung beim G20-Gipfel darauf hingewirkt, dass dort der IWF, der Internationale Währungsfonds, beauftragt wird, einen Bericht zur Einführung einer internationalen Finanztransaktionssteuer zum nächsten G20Gipfel im Juni 2010 vorzulegen. Der Gipfel in Pittsburgh fand im September 2009 statt. Mag sein, dass sich der ein oder andere noch daran erinnert, wer damals als Finanzminister daran beteiligt war.

Der Europäische Rat hat unterstrichen, dass die Prüfung auf alle möglichen Optionen erstreckt werden soll, also nicht nur auf die Frage einer Finanztransaktionssteuer. Selbst die Landesregierung, meine Damen und Herren Antragsteller, ist wesentlich weiter als Sie. Das, was Sie von der Landesregierung gern hätten, das sie tun sollte, hat sie bereits getan. Es gibt einen Entschließungsantrag im Bundesrat, eingebracht von den Ländern Berlin, Brandenburg, Bremen, Rheinland-Pfalz - und, wenn ich richtig unterrichtet bin, sind Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen mittlerweile auch dabei -, der nicht nur dieses, sondern auch noch anderes zum Thema Besteuerung von Boni fordert.

Die Messen sind also weitestgehend gesungen. Sie stehen auf dem Bahnhof, von dem der Zug abgefahren ist. Sie sehen noch die Schlussleuchten und sagen: Ja, wir würden auch gern in diese Richtung fahren, wenn wir denn gedurft hätten.

Zum Inhalt - wenn wir beiseite lassen, dass wir in diesem Landtag dazu nichts beizutragen haben, weil er uns nichts an

geht - Folgendes: National, was Sie, Herr Görke, Herr Bischoff, gern hätten, geht gar nichts. Auch hier ist die Landesregierung weiter als Sie. Wenn Sie sich auf der Seite 1 des Entschließungsantrags des Bundesrates die Ausführungen zur Schädlichkeit einer nationalen Regelung angeschaut und sich damit inhaltlich auseinandergesetzt hätten, dann wären Sie in die Situation gekommen, Ihren Antrag hier kritisch zu überprüfen.

Wenn man sich diese Lapsus anschaut, muss man doch fragen, ob die Fraktionsvorsitzenden nicht mehr am Tisch der Landesregierung sitzen, sie nicht mehr mitreden und die Kommunikation zwischen der Landesregierung, die Sie stellen, und Ihren Fraktionen vollständig erloschen ist, ob dort ausdrucksstarkes Schweigen oder Missverständnisse - sagen wir besser: mangelndes Verständnis - herrschen.

Noch ein letztes Wort zum Thema Börsenumsatzsteuer. Die Überschrift, die Idee, die sich nach dem zweiten oder dritten Mal als realistisch erweist, ist in Deutschland 1991 abgeschafft worden. Seit dieser Zeit ist sie auch in keinem anderen Land der Europäischen Union eingeführt worden. Großbritannien, das in dem Antrag erwähnt ist - absolut kein gutes Beispiel -, erzielt ein Aufkommen von 3 Milliarden Euro mit 0,05 %. Das ist ein Gesetzesmonstrum mit tausend Ausnahmen ähnlich unserem Steuerrecht, das dort geschaffen worden ist, und ein Aufkommen, mit dem, wie Sie schreiben, die Attraktivität kurzfristiger, häufig spekulativer Finanzgeschäfte eingedämmt werden soll.

Ich bitte Sie, der internationale Finanzmarkt bekommt einen Lachkrampf, wenn Sie mit 0,05 % der dort gehandelten Papiere diese Geschäfte eindämmen wollen. Das bezahlen die aus der Portokasse und machen all diese Geschäfte weiter.

Lange Rede, kurzer Sinn: Hier wird ein Machwerk vorgelegt, das den Bürgern vorgaukeln soll, Sie würden Gerechtigkeit üben.

(Görke [DIE LINKE]: Ihr seid die Gaukler!)

Sie tun nichts anderes, als einen Schaufensterantrag auf den Tisch zu legen, der seine Wirkung getan hat, wenn diese Sitzung vorbei ist. - Schönen Dank!

(Beifall CDU, FDP und vereinzelt GRÜNE/B90)

Der Abgeordnete Bischoff setzt für die SPD-Fraktion fort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Burkardt, ich schätze Sie eigentlich sehr, aber Sie sollten sich einmal an die eigene Nase politischer Art fassen. Heute, am 24. März 2010, hat die Mehrheit im CDU- und FDP-dominierten Finanzausschuss des Deutschen Bundestages den Antrag verhindert, eine zeitnahe Expertenanhörung zur Einführung einer internationalen Transaktionssteuer durchzuführen.

(Görke [DIE LINKE]: So selbstlos sind sie!)

So viel zu Ihren selbstgesteckten Zielen und zu unserem angeblichen Hinterherrennen hinter den aktuellen Problemen. Ich

glaube, das ist aktueller denn je und muss heute auf die Tagesordnung sowie ausdiskutiert werden.

Wir sind alle darüber einig, dass es einen völligen Zusammenbruch der Finanzmärkte gegeben hat; es gab beinahe einen totalen Kollaps der Weltwirtschaft. Wir alle leiden darunter. Die Unternehmen in Brandenburg haben zum Teil massive Kurzarbeit - das ist eine Folge. Die Leute haben weniger Geld in ihrem Portmonee - das ist eine Folge. Wir haben mehr Schulden machen müssen - das ist auch eine Folge davon. Nicht wir verantworten das, sondern die internationalen Finanzmärkte. Wir müssen uns darüber Gedanken machen.

Wir hatten gestern in der SPD-Fraktion den Ostdeutschen Bankenverband zu Gast. Dieser hat klar gesagt, dass erstens, Herr Kollege Burkardt, die Banken in den Abgrund geblickt haben und sie ohne die staatliche Rettung durch uns, die Steuerzahler, in den Abgrund gegangen wären und uns alle mitgenommen hätten.

Zweitens: Der Ostdeutsche Bankenverband hat gesagt: Ja, wir sind für eine solche Finanztransaktionssteuer, aber bitte international. - Das kann ich auch verstehen, das steht in dem Antrag gleich vorn in Punkt 1.

Ich will noch Folgendes sagen: Die Sozialdemokraten stehen immer in dem Verdacht, sie wollten den Sozialismus wieder einführen. Dem widerspreche ich eindeutig. Wir sind grundsätzlich dafür, dass auch Menschen mit kleinem Portmonee beteiligt werden oder sich beteiligen können am Profit, an der Entwicklung der Volkswirtschaft, am Unternehmen, nämlich über Aktienhandel.

Aber es gibt einen großen Unterschied. Wenn jemand für sich zehn VW-Aktien kauft und sie zwanzig Jahre lang für seine Rente zurücklegt, dann ist das etwas ganz anderes, als wenn Spekulanten und Börsen weltweit inzwischen das Siebzigfache des weltweiten BIPs pro Jahr hin- und herschieben. Das ist Spekulation. Lieber Kollege, Sie haben sich gerade lustig gemacht über die 0,01 % - das ist richtig. Wir können auch über mehr reden, das ist gar kein Problem. Die Zahlen für Deutschland liegen ja auf dem Tisch. Man kann zwischen 20 und 30 Milliarden Euro machen. Ich sage Ihnen aber: Wer mit 0,01 % einmal zwanzig Aktien für die Rente kauft, für den ist es kein Problem. Das wollen wir ja auch nicht angehen. Wer aber täglich global hin- und herspekuliert, um jede ganz kleine Kommastelle spekulativ auf die Zukunft wettet und fünf Mal am Tag um den Globus hin- und herverkauft, den wollen wir erreichen, den wollen wir beteiligen, und damit kann man das auch durchaus regulieren.

Noch einmal zum Vergleich: Zwischen 1990 und 2006 haben sich die weltweiten Börsenhandelsmargen vervierfacht. Und zur Erinnerung: 70mal wird das weltweite Bruttoinlandsprodukt jährlich an einer Börse gehandelt. Ich denke, das sind Zahlen jenseits aller Vorstellung.

Jeder von Ihnen, jeder von uns allen - auch wenn die FDP-Kollegen in Hotels gehen - zahlt Mehrwertsteuer. Wenn man etwas kauft, zahlt man in unserem Land Mehrwertsteuer, im Ausland auch. Wenn man Aktien kauft, zahlt man nichts. Ich finde, das ist eine logische Diskussion, an der wir uns alle beteiligen müssen.

Sehr geehrter Kollege Burkardt, ich war ein bisschen überrascht. Sie haben verschiedene formale Gründe genannt, über

die können wir diskutieren. Im Mutterland der Marktwirtschaft ich meine nicht der sozialen, sondern der Marktwirtschaft Großbritannien gibt es die Börsenumsatzsteuer längst. Es läuft. Da kommt richtig Geld in die Kasse. Daraus werden auch soziale Sicherungssysteme in Großbritannien mitfinanziert.

Die Schweiz, Belgien, Irland, viele Länder haben diese Steuer. Auch Köhler, das wurde heute schon gesagt, hat das angesprochen. Ich zitiere abschließend aus einer Berliner Erklärung vom 15. Januar 2010, die Sie kennen sollten, des CDU-Bundesvorstands:

„Wir setzen uns für eine internationale Finanztransaktionssteuer ein. Eine solche weltweit eingeführte Steuer kann überbordende Spekulationen dämpfen und einen Beitrag leisten, die finanziellen Lasten der Krisenbewältigung in fairer Weise zu tragen.“

Ich bitte Sie - auch die CDU-Fraktion dieses Landtages - um Zustimmung zu unserem gemeinsamen Antrag. - Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall SPD und Fraktion DIE LINKE)

Die Abgeordnete Vogdt setzt die Debatte für die FDP-Fraktion fort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich begrüße es, dass wir uns heute zum zweiten Mal mit der Bundespolitik beschäftigen, zeigt das doch, dass wir im Land keine eigenen Probleme haben.

(Beifall FDP)

Wir debattieren hier einen Antrag der Regierungskoalition, der in weiten Teilen überholt ist. Ich kann nur die Worte von Ludwig Burkardt wiederholen: Zur Einführung einer internationalen Finanzstransaktionssteuer liegt bereits ein Auftrag des Europäischen Rates an den Internationalen Währungsfonds vor, die Möglichkeit einer solchen weltweiten Abgabe zu prüfen.

Ähnliches ist auch in Pittsburgh von den Staats- und Regierungsschefs der G20-Staaten beschlossen worden.

Die Kanzlerin hat schon im Dezember vergangenen Jahres geäußert, dass sie hoffe, dass bereits zum nächsten Treffen der G20-Staaten Vorschläge für eine globale Finanztransaktionssteuer vorliegen. Anfang März hat das EU-Parlament die EUKommission beauftragt, Optionen für eine solche EU-weite Steuer zu erarbeiten. Man darf gespannt sein, welche Ergebnisse diese Untersuchung bringt.

Glücklicherweise wird bisher nicht daran gedacht, diese Steuer im nationalen Alleingang einzuführen. Welches Ergebnis das brächte, haben wir am Beispiel von Schweden gesehen. Kapital würde aus dem Land vertrieben,

(Bischoff [SPD]: Das scheue Reh!)

und damit würden Arbeitsplätze gefährdet.

Nicht ohne Grund haben Dänemark, Frankreich, Italien, Luxemburg, Österreich, Schweden, Spanien und Deutschland zwischen 1987 und 2008 die Börsenumsatzsteuer abgeschafft. Sie war für den jeweiligen Börsenplatz nachteilig. Sie hat der privaten Altersversorgung geschadet und die Kapitalaufnahme von Unternehmen über die Börse verteuert.

Im Übrigen hat auch die SPD, die elf Jahre lang den Bundesfinanzminister gestellt hat, nichts unternommen, um eine solche Steuer einzuführen.

(Bischoff [SPD]: Wer war denn Kanzler?)

Im Gegenteil. Peer Steinbrück verglich die sogenannte TobinSteuer auf Finanztransaktionen mit dem Ungeheuer von Loch Ness, das regelmäßig auftauche.

Bei der Forderung nach einer nationalen Transaktionssteuer sollte man bedenken, dass rund drei Viertel aller Finanztransaktionen an den großen globalen Finanzzentren London, New York, Zürich, Tokio, Singapur und Hongkong stattfinden. Eine deutsche Börse ist nicht dabei. Eine nationale Steuer würde also die Standortvorteile der anderen weiter erhöhen.